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Die Prinzen von Orleans

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Viertes Kapitel
Louis III. (der Schauspieler), Sohn des Regenten, 1703–1752

Ludwig Philipp von Orleans, Sohn des Regenten, blieb unbemerkt bei dem Unglücke seines Vaterlandes und den Zügellosigkeiten des Hofes. Er war am 4. August 1703 geboren. Sein Vater hatte ihn ganz jung den Liebkosungen und dem Unterricht einer seiner Buhlerinnen überlassen. Seine Mutter vermählte ihn mit der Prinzessin von Baden-Baden, die er zwei Jahre darauf wieder verlor. Des Lebens überdrüssig, ergab der junge Herzog sich den Wissenschaften. Merkwürdige Sache! Er beging nicht ein einziges Verbrechen. Dieser Mann that nichts, um den Zügellosigkeiten seiner Zeitgenossen Einhalt zu thun. Geistig beschränkt, wie er war, kannte er nicht den Heldenmuth der Aufopferung und starb, wie er gelebt hatte, in der Verborgenheit.

Ein Mann, dem der Zufall einen hohen Standpunkt angewiesen hat, soll mehr thun, als sich mit Theologie beschäftigen: Gott hat ihm die Pflicht auferlegt, sich dem Vaterlande zu widmen; es ist nicht genug, daß er häusliche Tugenden hat, er muß sich auch durch öffentliche Tugenden auszeichnen. Obgleich jedoch diesem Orleans das Genie fehlte, so muß man ihm schon seine guten Absichten anrechnen. Er verläugnete das Blut seiner Väter; das war schon eine Tugend.

Fünftes Kapitel
Louis Philipp IV, Großvater des Königs der Franzosen (der gelehrte Prahler), 1725–1779

Der Enkel des Regenten war am 12. Mai 1725 geboren. Sein Vater hatte ihn, nur mit seinen wissenchaftlichen Arbeiten beschäftigt, den Intriguen des Hofes überlassen.

Hier zeigte sich das Blut der Orleans wieder. Nach dem er sich mit der Prinzessin von Conti vermählt hatte, die, eine höchst verderbte Frau, öffentlich sein Lager entehrte, ging er zur Armee, wo er sich nicht auszeichnete. Im Jahre 1755 wurde er Witwer. Seine Gemahlin starb, wie sie gelebt hatte, frech und schamlos.

»Ich habe es kurz und gut abgemacht!« sagte sie. Dieses hatte vor ihr schon die Herzogin von Berry gesagt, die sich gleich ihr durch ihre Neigung zur Unzüchtigkeit und ihre spöttische Libertinage ausgezeichnet hatte.

Der Herzog von Orleans war eben so unbedeutend, aber weniger rechtschaffen als sein Vater. Seine Seele sank in ununterbrochener Erniedrigung von Stufe zu Stufe. Er durchschritt einen Theil jenes belebten, dramatischen Jahrhunderts, ohne irgend einen Glanz zu verbreiten. Seine Ausschweifungen wurden nicht berühmt. Er starb den 18. November 1785.

Die politischen Ereignisse der Regierung Ludwig XV. gehören einer andern Erzählung, als diese ist. Sagen wir nur von ihm, daß er fortfuhr, Frankreich zu erniedrigen und zu vernichten. Er entehrte es vierzig Jahre lang äußerlich, und sog es innerlich auf.

.Ich will nicht von seinen Handlungen des Despotismus reden, welche nur zu zahlreich sind. Auch bedarf es, um die Verbrechen der französischen Könige aufzuzählen, eines weit ausgedehnteren Entwurfes, als dieser ist!

»Mit wie vielen Ungerechtigkeiten,« sagt la Vicomterie, »mit wie viel dunkeln und grausamen Ungerechtigkeiten und Lastern hat er nicht sein Gedächtniß befleckt! Er wurde Ludwig der Vielgeliebte genannt, und wurde, nachdem er die Nation ausgesogen, sie dem Eisen der Deutschen, der Britten, der Italiener, der Preußen überliefert hatte, der Anführer der Monpolisten und überließ das Volk der Hungersnoth, um eine Buhlerin zu bezahlen. Privatleute haben diesen schändlichen, mitleidlosen Handel mit ihren Köpfen bezahlt. Eben so despotisch wie sein Großvater, kam er ins Parlament, erklärte, daß er Gehorsam verlange, und drohte, Jeden, der denselben verweigere, zu bestrafen; auch nahm er die Klage gegen den Herzog von Aiguillon, dessen Sohn durch Patriotismus die Verirrungen seines Vaters wieder gutgemacht hat, aus der Kanzlei; 1771 endlich hob er mit willkürlicher unumschränkter Gewalt, ohne die Nation zu fragen, alle Behörden auf, die allerdings ein treuloses und gegen sich selbst, so wie gegen die unbeschränkte Gewalt zu schwaches Gegengewicht waren. Nichts desto weniger indessen war diese That die eines Tyrannen, der Alles mit dem Gewicht seines unumschränkten Willens zerschmettert.

Genug der Verbrechen, zur Schande seines Andenkens; genug der öffentlichen Angriffe gegen die Völker; ich werde nicht mehr die vielen entsetzlichen Gerüchte aufwühlen, die ihn so verhaßt gemacht haben; ich werde nicht die Asche der Königin, des Dauphins und seiner Gemahlin stören. Ludwig XV., Du sahest sie trocknen Auges in die Gruft senken jetzt ruhen sie daselbst an Deiner Seite; und hätten sie noch Empfindung, sie wäre ihnen vielleicht eine Qual.

Da wären wir denn angelangt, an dem Ende dieser drei Dynastieren von Räubern, Betrügern, Tyrannen, deren Keiner verdient hat, daß die Geschichte sie vertheidige; denn sie plünderten, beraubten, vernichteten die Nation!

Ja, alle diese Könige haben gewetteifert, sich mit denselben Lastern, denselben Verbrechen zu besudeln. Sie Alle haben das Volk wie einen gemeinen Haufen Vieh betrachtet, den sie an den Gränzen erwürgen ließen, nachdem sie ihn in Frankreich geschoren hatten.

Was mich anbetrifft, so will ich das Publikum nicht in den parc aux cerfs und an die andern Orte führen, wo Ludwig XV. seine ungezügelten Leidenschaften befriedigte. Ueber diesen Mann, den der Tod mitten in den frechsten und schändlichsten Orgien überraschte, ist genug gesagt.

Die Regierung Ludwig XV. endigt mit Bankerott, Hungersnoth, Erniedrigung. Dieser König, dem alle menschliche, wie alle politische Würde fehlte, sah, in dem den Thron umgebenden Kothe sich wälzend, nicht, wie das Volk, so vielen Elendes endlich überdrüssig, sich zu einem entsetzlichen Kampfe bereitete. Man erstaunt, bei Lesung jener traurigen blutigen Annalen, über den Leichtsinn und die Blindheit der Könige.

Die Werke des unsterblichen Roussau und die weniger populairen des Voltaire und Helvetius waren von der ausübenden Gewalt, die mit einem unverschämten Lächeln auf den Lippen dem Abgrunde zueilte, verächtlich zurückgewiesen worden. Was lag daran! Alles deutete auf eine unausbleibliche Reaction, Alles trieb zu einer gewaltsamen Umwälzung. Ludwig XVI. bestieg den Thron; er sollte die Rechnung des Königthums mit dem Volke abmachen, doch es fehlte ihm an Genie, Gründlichkeit und besonders am Willen; er war weder beharrlich, noch fest, noch energisch; er kannte weder die Menschen, noch seine Gefahr, hatte weder Einsicht in die Geschäfte, noch Lebenserfahrung. Er war ein schüchterner, haltungsloser Mann; er schwankte, von verhängnißvollen Entscheidungen beherrscht, zwischen dem Volke, welches er nicht verabscheute, dem Hof, den er hätte schonen mögen, der Aristokratie, die er fürchtete, und den Feinden, die er zu Hilfe rief. Die Klubbs werden gestiftet, das Volk erhebt sich, die Stunde der Volksherrschaft naht!

Sechstes Kapitel
Philipp Egalité (IV)„das Ungeheuer), Vater Louis Philipps

Die französische Revolution war Frankreichs Wiedergeburt; sie war das Werk der Freiheit und des Fortschrittes, welches von Christus mild begonnen, von den Menschen gewaltsam vollendet ward; sie war ein majestätisches, dramatisches Schauspiel, voll wichtiger, der Beachtung aller Menschenfreunde würdiger Lehren.

Man sieht ein durch Siege entfesseltes Volk, einen Thron, der sich, durch feinen Fall betäubt und entmuthigt, um sich selbst dreht. Es sei mir erlaubt, hinzuzufügen, daß nie eine mächtigere, muthigere, alle Hindernisse verachtendere und so innig mit den andern Völkern, ihren Brüdern vor Gott, sympathisierendere Nation eine Revolution bewirkte.

Im Jahre 1789 seufzte die französische Nation unter all den Uebeln, deren Quelle das monarchische System der Bourbon’s war, als die General-Staaten plötzlich zusammenberufen wurden. Da bildete sich die National-Versammlung und stellte sich kühn einem umstürzenden Throne gegenüber, den indessen die Erinnerungen seiner einstigen Gewalt und Größe noch umgaben. Der alten und stolzen Aristokratie Frankreichs, der Armee, dem zürnenden Hofe wagte die National-Versammlung zu erklären, daß sie die Nation vertrete und dieselbe als unverletzbar anerkenne. Gewiß, das war Muth, war Heldensinn. Nie hatte eine Nation so majestätisch gehandelt, wie diese, welche ein Schauspiel gab, das die Furchtsamsten ermuthigen konnte. Durch diesen imponierenden Ausspruch ihres Willens besiegte die National-Versammlung eine mehre Jahrhunderte bestandene, von einer so servilen Aristokratie, als mächtigen Armee beschützte absolute Monarchie. Wie kam sie denn dazu, diese von ihr überwundene Macht wiederherstellen zu wollen? Weil den armen Gesetzgebern der Kopf wirbelte, bei dem Gedanken an die Umgestaltung, deren jene sociale Stufenleiter bedurfte, auf deren Gipfel Glück und Reichthum sich häuften, während unten. Alles fehlte: Alles, ja, es ist schrecklich zu sagen, Alles, sogar das zur Fristung des Lebens unumgänglich nothwendige Brot. Sie ließen es also dabei bewenden, das Königthum zu einer simpeln Magistratur herabzusetzen; aber sie irrten sich. Die Geschichte gleicht dem menschlichen Leben: man sieht in derselben eine Täuschung durch die andre, einen Kampf durch den andern, eine Tyrannei durch die andre ersetzt; und das ist nicht die kleinste Lehre der Geschichte.

Der Irrthum der National-Versammlung bestand darin, daß sie glaubte, ein Volk, dem es gelungen war, einen Theil der öffentlichen Gewalt zu erringen, werde seine Anstrengungen, dieselbe ganz zu gewinnen, einstellen; auch irrte dieselbe, wenn sie glaubte, ein Bourbon, welcher König gewesen war, werde sich mit der Stelle des Präsidenten einer Republik begnügen. Die Bourgeoisie, welche 1830 denselben gefährlichen Glauben hegte, erstickte, durch Ehrgeiz und Egoismus verleitet, die großmüthigen Stimmen, welche sich erhoben, die Volksherrschaft kühn zu proclamieren.

Die Nationen fehlen sehr, daß sie die ganze Sorge der Regierung einem Alleinherrscher anvertrauen, wenn sie nicht sichre Garantien gegen dessen Ausschreitungen und schnelle wirksame Mittel haben, dessen Gewalt zu widerstehen, sobald er den Willen der Nation dem seinigen unterordnet. Alle Blätter der Geschichte zählen die Uebelstände auf, welche aus dieser großen Unvorsichtigkeit entstehen.

 

Die National-Versammlung setzte, statt Ludwig XVI. selbst abzusetzen, nur seine Macht herab, und stellte so zwei Gewalten einander gegenüber, die des Volks und die des Königs, welche einander so lange bekämpfen mußten, bis die Eine durch die Andre vernichtet war. Es war indessen, nicht schwer, eine Revolution vorauszusehen, die um so fürchterlicher werden mußte, als das Volk so lange unter dem Druck gelebt hatte. Je länger eine Nation verachtet und ihrer Rechte unbewußt schläft, je furchtbarer ist ihr Erwachen.

Ludwig XVI. hatte nicht gesäumt, seine Unzufriedenheit mit der Stellung, welche die National-Versammlung ihm zuerkannte, zu erkennen zu geben, er konnte den Titel eines Königs der Franzosen, den Oberbefehl der Armeen und dreißig Millionen Einkünfte nicht als hinreichende Entschädigung anerkennen. Nichts, selbst nicht der Umstand, daß er früher im Besitz der unumschränkten Gewalt war, kann ihn in den Augen der Machtwelt entfchuldigen, daß er sich, nachdem es einmal so weit gekommen, damit nicht begnügte.

Es vereinigte sich übrigens Alles, das Volk zu einer Revolution zu stimmen. Niemals war das Elend zu einer solchen Höhe gestiegen gewesen, und doch erhöhte der überaus strenge Winter von 1789 dasselbe noch.

Die Gemüther waren in einer außerordentlichen Gährung. Die Bürger bildeten Gesellschaften, die sie Clubbs nannten. Dort wurden die Interessen der Nation, die abzuschaffenden Mißbräuche, die zu bewirkenden Verbesserungen erörtert; dort wurde bewiesen, daß das Volk von den höheren Classen ausgeplündert, die Industrie in ihrem Fortschritt gehemmt sei. In der That seufzte das Volk unter Auflagen, die ihm so grausam und drückend, als den Großen unbedeutend und leicht waren; es ernährte mit seinem Schweiße und vertheidigte mit seinem Blute übermüthige Bevorrechtigte. Selbst ein Theil des Adels war unzufrieden und sah eine nahe Umwälzung voraus. Schon hatten im Anfang des Jahres 1789 mörderische Kämpfe. Statt gefunden; schon entehrte der Herzog von Orleans das Volk, indem er es betrog.

Dieser Prinz, der Schandfleck des Hauses Bourbon, ist durch seine Verrätherei und seine Sittenlosigkeit nur zu berüchtigt worden. In der Hoffnung, von den sich überall vorbereitenden Unruhen profitieren zu können, ließ er durch einige seiner Creaturen dem Volke sich anbieten, für den Fall, daß sie dem Staate ein neues Oberhaupt geben wollten.

Es wird angenommen, daß dieser Mann, dem Viele seine legitime Geburt streitig machen, und der am 13. April 1747 geboren wurde, ein Sohn von Ludwig Philipp von Orleans war. Seine Mutter, Louise Henriette von Bourbon-Conti war eine freche, schamlose Messaline, die ihr Lager mit ihren eignen Bedienten, theilte.

Philipp Egalité rief selbst eines Tages: .

»Ich bin der Sohn des Kutschers meiner Mutter!«

Sein Vater hatte ihn, so lange er lebte, nicht als seinen Sohn anerkannt.

»Ich habe triftige Gründe, so zu handeln,« sagte er, »Die Herzogin von Orleans hat, von innrer Gluth verzehrt, sogar ihre Domestiken gerufen, um ihr Lager mit ihnen zu theilen.«

Es lebte nie ein feigerer, niederträchtigerer Heuchler als Ludwig Philipp Joseph von Orleans, der, um das Volk ungehindert zu betrügen und dem Gericht der Revolution zu entgehen, den Namen Egalité annahm. Nur der Lebenswandel seiner Vorfahren kam dem seinigen gleich. Den Lastern seiner Familie treu, verrieth dieses Ungeheuer das Vaterland und seine Verwandten gleichzeitig. Er wollte die französische Revolution, durch welche das Volk sich dem Joche der Tyrannei entziehen wollte, benutzen, um sich des Thrones zu bemächtigen, dieses Thrones, den jetzt, nach dem Falle Carls X., sein Sohn doch noch bestiegen hat!

Die Kindheit von Philipp Egalité zeichnet sich durch nichts Neues aus, indem er nur frühzeitig in die Fußsapfen seiner Vorfahren trat, so daß, als er beinah noch Knabe zu nennen war, Unzucht, Schwelgerei und Trunkenheit schon seine Tage und Nächte ausfüllten und sich seiner wie eines ihnen gebührenden Raubes bemächtigten. Er selbst beeiferte sich, die Unregelmäßigkeit seines Lebenswandels bekannt werden zu lassen, seine Schande zu veröffentlichen, und die müßige Jugend des Hofes mit sich in den Abgrund des Verderbens zu ziehen. Er übte, indem er das Beispiel der größten Zügellosigkeit gab, den nachtheiligsten Einfluß auf die Sitten seiner Zeit aus. Dennoch war er ziemlich populair geworden, weil er die Gabe hatte, denen, die er gewinnen wollte, zu schmeicheln. Seine hohe Stirn war zwar in Folge seiner Schwelgereien vom Haar entblößt, mit frühen Falten gefurcht und seine Wangen eingefallen, auch hatte er die Gesichtsfarbe der Trinker von Profession, doch hatte sein Lächeln, wenn er sprach, einen eigenthümlichen Reiz, und seine Manieren waren, wenn er es darauf anlegte, zu gefallen, angenehm und einnehmend. Er trachtete nach dem Throne und suchte sich daher bei dem großen Haufen auf alle nur mögliche Weise beliebt zu machen. Dabei unterließ er nicht, für die Interessen seines Hauses, wie er es nannte, zu sorgen; in der Hoffnung, den Prinzen Lamballe zu beerben, stieß er denselben methodisch in den Pfuhl der Laster, erschöpfte ihn durch Ausschweifungen und verließ ihn nicht eher, als bis er einer tödtlichen Krankheit, in Folge seiner im Uebermaß genossenen Freuden, erlegen war.

Die Politik solcher Menschen besteht darin: Alles zu thun, um zum Thron und zu Reichthum zu gelangen; Alles thun! das heißt, Intriguen und Gift mit gleicher Kaltblütigkeit anwenden.

Diese Art von Mord war es nicht allein, was allen rechtschaffenen Leuten eine so tiefe Verachtung gegen den Herzog von Orleans einflößte. Es würde theils zu weitläufig, theils unmöglich sein, alle auf die schändliche Lebensweise dieses Prinzen bezüglichen Anekdoten hier zu erzählen.

Er hatte mehre Serails in seinem Palaste, in denen er sich dem niedrigsten Sinnentaumel hingab. Obgleich er der reichste Fürst Europa’s war, gab er doch täglich Beweise der niedrigsten Habsucht. Er richtete fast alle diejenigen, welche in der Nachbarschaft seiner Güter Besitzungen hatten, durch Prozesse und hinterlistige Nachstellungen zu Grunde.

Dieser so durch und durch verderbte Mann hatte alle gemeine Laster: er liebte den Wein, das Spiel, die schamlosen Weiber. Seine Orgien mit Frau v. Genlis sind historisch berühmt geworden. Er war vor Allem geizig, ehrsüchtig, unbescheiden; er betrog im Spiel, und eines Tages, als er am Hofe erschien, flüsterten sogar einige Personen:

»Da ist der Herzog v. Orleans! nehmen wir unsere Uhren in Acht

Das war durchaus nicht übertrieben, denn er war immer von Gaunern begleitet und sehr geschickt in Abdrückung von Schlüsseln, ja es begegnete ihm sogar, daß er dieselben Buhlerinnen bestahl, in deren Armen er die Nacht verschwelgt hatte. Wenn er mit seinen Freunden und Buhlerinnen geschmaust hatte, gab er auch noch dem Volke durch seine unzüchtigen Lieder und Redensarten ein Aergerniß.

Eines Abends, nach einer seiner Orgien, ging er mit Hrn. v. Genlis auf einen Ball. Als dieser ihn auf eine Frau aufmerksam machte, die er sehr schön fand, sah der Herzog dieselbe unverschämt an und sagte dann ganz laut:

»Ah! eine gewesene (passée) Schönheit!«

»Wie Ihr Ruf,« antwortete die Dame.

Aber aus Demüthigungen machte dieser Mann sich nichts, zu dem La Mothe-Piquet sagte:

»Prinz, wenn ich mich so niederträchtig aufgeführt hätte, wie Sie, schösse ich mir eine Kugel durch den Kopf.«

Sobald Orleans erfahren hatte, daß die Freimaurer sich insgeheim mit Politik beschäftigten, verband er sich mit ihnen, und in einer Freimaurerloge machte er Bekanntschaft mit Barrère, Sieyés, Grégoire, Robespierre, Marat, Saint-Just und Andern. Zuletzt ließ er sich zum Großmeister aller Logen des großen Orient ernennen, in dieser Logen führte er seinen Sohn, Ludwig Philipp v. Orleans ein, der 1830 von zweihundert und neun Deputierten zum König der Franzosen ernannt ward.

Im Jahre 1789 wurde Philipp-Egalité in einer jener Versammlungen der Grad eines Kadosch ertheilt. Er ward in einen Saal geführt, der durch eine Lampe, die düsteren Schatten an die Wand zurückwarf, matt erleuchtet war. Auf einem Throne saß eine mir den Zeichen der Königswürde geschmückte Gliederpuppe; die Brüder führten Egalité ein und forderten ihn auf. Eine Doppelleiter. Die vor dem Throne stand, hinauf zu steigen; er stieg bald wieder herab, um einen Dolch in Empfang zu nehmen, den er der gekrönten Gliederpuppe in die Brust stieß.

Eine dem Blut ähnliche Flüssigkeit rieselte über seine Hände; nun forderten ihn die Brüder auf, der Puppe den Kopf abzuschneiden und denselben darauf mit der rechten Hand emporzuheben, während er die mit dem Dolche bewaffnete Linke über seinen Kopf erheben werde. Nachdem dies geschehen war, unterwarf man ihn den andern üblichen Förmlichkeiten. Er schwor, die Könige und die Verräther zu treffen, wo er sie finden werde. Einige Zeit zuvor war er verbannt gewesen von Ludwig XVI., diesem Könige, der so schwach und so gutmüthig, so unentschlossen und so eigenmächtig zu gleicher Zeit war und der seine Schwäche und die Verbrechen seiner Vorfahren mit seinem Leben bezahlen sollte.

Die Geschichte des Ehrgeizes und der Verbrechen Ludwig-Philipp-Josephs v. Orleans beginnt eigentlich mit dem Jahre 1789. Einige Zeit nach der Zusammenberufung der General-Staaten entwickelten sich die Absichten dieses Mannes. Je nachdem sie auf unsere Erzählung Bezug haben, werden wir Bruchstücke aus der geheimen Correspondenz von Philipp-Egalité mittheilen. Was seine Unterhaltungen anbetrifft, so sind von denselben noch Proben vorhanden, wie z. B. folgende:

»Nun denn!« sagte er eines Tages zu seinem Kammerdiener, der sein bester Freund war, »sollte ich umkommen, so sterbe ich zufrieden, wenn ich den König und besonders die Königin, mit mir in den Abgrund ziehe und lebe ich, so schwöre ich, sie unglücklich zu machen, wie lebende Wesen nur werden können; ich werde all’ mein Vermögen, ja mein Leben selbst daran setzen, wenn es sein muß.«

Orleans, der den Angriff gegen das Königthum schon begonnen hatte, indem er Korn aufkaufte, um damit zu wuchern, gab sich keine Mühe mehr, seinen Haß gegen den König zu verbergen. Es war jedenfalls etwas Scheußliches um diesen Haß gegen einen Verwandten, der ihm noch dazu persönlich viel Güte erzeigt hatte; er betrog zu gleicher Zeit das Volk, denn er hatte, was er auch von Freiheit und Gleichheit schwatzen mochte, nie einen andern Zweck, als für sich die Krone zu gewinnen. Um diese Zeit schickte er einen seiner Agenten, Namens Ducrest, nach London, um über das von ihm aufgekaufte Korn einen Handel abzuschließen. Zu gleicher Zeit war Ducrest beauftragt, die britischen Diplomaten auszuforschen, und ihnen die Zusicherung zu geben: »daß die Orleans immer ihre Freunde sein würden

Ein anderer Agent des Prinzen, Pinet, kaufte mit dessen Gelde in ganz Frankreich Getreide auf. Nach diesem Streiche stiftete Philipp v. Orleans Unruhen in Paris an und organisierte den Aufstand. Er billigte nicht nur laut die großherzigen Anstrengungen des Volks, um seine Sclavenketten abzuschütteln, sondern schürte noch mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die alle gemeine Unzufriedenheit an. Das Palais-Royal war der Zusammenkunftsort der Rädelsführer auch alle Verrufenen, Ehrlosen und alle Gauner und Spieler der Hauptstadt konnte man dort finden. Orleans besoldete die Redner, welche aus blinder Leidenschaft für das Geld, dem Meistbietenden zur Disposition standen; in seinem Palaste stiftete er ein Comité der Revolution, und fing neuen Kornwucher an. Er schmeichelte zu gleicher Zeit den Hoffnungen der Bürgerschaft, und den sehr strafbaren der Fremden. Das Volk starb vor Hunger; Orleans, der durch seinen Kornwucher daran Schuld war, prahlte mit seiner Freigebigkeit. Indessen überstiegen seine prahlerischen Almosen nicht die Summe von dreitausend Livres. Nichts desto weniger galt er für wohlthätig, für mitleidig und ließ sich den Wohlthäter des Volkes nennen.

In dieser Zeit vereinigte er sich mit zwei sehr gewandten Spitzbuben, die seit einiger Zeit die Hauptstadt unsicher machten. Diese Gaudiebe, die Coffiné und Poupart de Beaubourg hießen, trieben ihre Spitzbübereien ins Große, seit sie an Philipp v. Orleans einen Verbündeten hatten. Eine große Menge reicher Pariser wurden von diesen beiden Bösewichtern beraubt und ermordet; bei Nachtzeit brachten sie die Früchte ihres Raubes nach dem Palais-Royal, wo sie dieselben mit Orleans theilten! Meistentheils kaufte Letzterer von seinen beiden Mitschuldigen um einen geringen Preis die Gegenstände, deren sie sich, ohne Gefahr dadurch entdeckt zu werden, nicht sogleich entledigen konnten. Also spekulierte der Herzog v. Orleans, ein Prinz von königlichem Geblüte, auf Raub und Mord! Der Diebstahl, welcher Orleans am Meisten einbrachte, fand bei der Gräfin Dubarry statt, welche durch denselben alle ihre Diamanten verlor, die Orleans in England verkaufen ließ. Viele auf des Herzogs Befehl begangene Verbrechen sind unbekannt geblieben; einige derselben wollen wir indessen hier bekannt machen.

 

Orleans hatte einige Jahre eine Maitresse gehabt, der er noch jährlich zwölftausend Franken gab. Diese Frau war außerordentlich geizig; sie hatte folglich eine bedeutende Summe zusammen gescharrt. Eines Abends ging Orleans mit Cossiné nach ihrer Wohnung, er hatte sich angemeldet, fand sie also allein. Cossiné ward von Orleans als einer seiner Freunde vorgestellt. Das Liebespärchen schwatzte zusammen, während Cossiné sich nachlässig erhob und anscheinend die Gemälde an den Wänden betrachtend, hinter seinem Opfer anlangte und demselben mehre Dolchstiche in den Hinterkopf versetzte. . . . sie sank zu den Füßen Orleans nieder, der sich nun beeilte, seine Taschen zu füllen, und Cossiné aufforderte, dasselbe zu thun. . . . Sie fanden bei dem unglücklichen Opfer dieser Frevelthat weder Geld noch Bijouterieen . . . . Umsonst spürte die Justiz den Verbrechern nach: den Herzog von Orleans schützte seine hohe Stellung vor jedem Verdacht. Als Coffiné eines Tages verhaftet und ins Chatelet gebracht war, erklärte er, daß er wirklich alle ihm schuld gegebenen Morde und Diebstähle begangen, jedoch damit nur die Befehle des Herzogs v. Orleans vollzogen habe. Bei diesem Namen öffneten sich die Thore des Gefängnisses; man bat ihn schönstens um Verzeihung, ihn verhaftet zu haben und fügte hinzu, wenn er der Freund des Herzogs sei, so solle er künftig nicht mehr befürchten beunruhigt zu werden. Orleans trieb die Frechheit sogar so weit, Cossiné mit an den Hof zu nehmen: der Mörder mischte sich unter die Höflinge und versuchte, der Königin die Uhr zu nehmen, die sie am Halse trug; er wurde jedoch auf der That ergriffen. Abermals berief er sich auf seinen erlauchten Gönner und wurde nicht verfolgt.

Von Sieyes, Mirabeau, Valence und Dumouriez unterstützt, bereitete Orleans. Alles vor, um die Dynastie zu seinem Vortheil zu verändern: er wollte in seiner Person das constitutionelle Königthum proclamiren!

E: überschwemmte Paris mit Schmähschriften und stiftete den Clubb der Rasenden (club des enragés). Diese Gesellschaft leistete dem Volke einen großen Dienst, indem sie sehr zweckmäßige Schriften unter dasselbe vertheilte, die ganz geeignet waren, es für die Revolution zu stimmen, Orleans, der seine Popularität in Paris mit sehr geringen Kosten erlangt hatte, sah sich, um dieselbe auch im Heere zu gewinnen, genöthigt bedeutendere Opfer zu bringen. Er entsagte allen ihm zukommenden Einnahmen, stiftete Hospitäler und Lazarethe2 und vertheilte auch eine Summe Geld. Durch diese Freigebigkeiten hoffte er Deputierter zu werden. In Orleans mißglückte es ihm, und, wie um zu zeigen, daß seine Wohlthaten nicht ohne Absicht verliehen waren, entzog er der Bibliothek der Stadt nun die Summe von 24000 Franken, die er bis dahin jährlich gegeben hatte. Endlich gelang es ihm, in Villers-Cotterets gewählt zu werden. Nun ging er nach Paris und mischte sich in die Wahlen des Adels. Alle die gewählt wurden, waren, mit Ausnahme von Mirepoir, seine Creaturen, oder wenigstens Feinde des Königs.3

Die erste Volksbewegung, die am 28. April 1789 in Paris ausbrach, war gegen zwei Fabrikanten der Vorstadt St. Antoine, Reveillon und Hurin, gerichtet, welche ihre Arbeiter im Elende vergehen ließen, und ihnen sagten: »sie könnten recht gut von fünfzehn Sous täglich leben.« Ihre Häuser wurden von dem Volke demoliert; die Meubles und sonstigen Sachen wurden aus den Fenstern geworfen. Der Wuth des Volkes wurde militärische Macht entgegengestellt.

Der Herzog v. Orleans erschien selbst auf dem Kampfplatze. Er bediente sich der Herzogin, seiner Gemahlin, um die Soldaten zu zerstreuen. Bei dem Anblick der Frau des Ungeheuers öffneten sich ihre Reihen, und das Volk konnte ungehindert passiren.

Nun wurden Kanonen gegen die aufrührerischen Arbeiter aufgepflanzt. Obgleich von geringerer Anzahl, zogen die Insurgenten sich doch nicht zurück, der Kampf begann. Man sah heldenmüthige Frauen die Nothleidenden zur Verzweiflung aufreizen, in ihren Herzen das Gefühl der Menschenwürde anfeuern und an ihrer Seite kämpfen. Das Volk brachte zu diesem ersten Kampf jene Rechtschaffenheit mit, die dasselbe auch in der Julirevolution zeigte; jenen Geist, der die Stärke der Republiken bedingt und die königlichen Verläumdungen zu nichte macht. Der Widerstand der Proletarier, ihr Muth hatten etwas Heldenmüthiges, Wunderbares.

Nur der Tod brachte sie zum Weichen; sie kämpften mit dem Muthe der Verzweiflung. Sie wußten mit Ergebung zu sterben.

Der Hof entzog dem Parlamente die Instruction des Prozesses; der Herzog v. Orleans schrie laut gegen diesen Mißbrauch der Gewalt,4 bald aber, angeklagt, ein Mitschuldiger der Aufrührer zu sein, beeilte er sich, öffentlich zu erklären, und durch einige Journale publiciren zu lassen, daß er über diese Anklage sehr betrübt sei und hoffe, das Publikum werde ihn nicht für einen Theilnehmer des Complotts halten.

»Die Wahrheit,« fügte er hinzu, »wird bald genug bekannt werden; ich weiß, wer die wahren Anstifter des Aufruhrs sind, zu dessen Theilnehmer man mich machen will; ich kenne sie, und werde die Gerechtigkeit des Königs gegen sie aufrufen; ich werde sie angeben, sie den General-Staaten anzeigen, damit sie von denselben gerichtet werden; die strengste Gerechtigkeit werde ich gegen sie aufrufen; und ich erkläre hiermit feierlich, daß ich meine Anklage veröffentlichen werde.«

So verrieth Philipp-Egalité die, deren Sache er angehört hatte! Die Ereignisse waren mit unerhörter Schnellligkeit einander gefolgt, man vergaß darüber sein Versprechen, die Anstifter des Aufruhrs namhaft zu machen, und er hielt sich an seine Zusage nicht mehr für gebunden. Er ging zu Reveillon, mit dem er sich vereinigte, den Schuldigen ausfindig zu machen. Sie wählten einen Priester, Namens Leroi, der wegen seiner verderbten Sitten berüchtigt und so arm war, daß er nicht die Mittel aufbringen konnte, um sich mit Erfolg gegen Richter, die von der Verworfenheit erkauft waren, zu vertheidigen. Dennoch gaben die Richter des Chatelet, ihn frei, denn keiner der verhafteten Aufrührer erinnerte sich, ihn bei Hurin oder Reveillon gesehen zu haben. Dieser Letztere ließ sich von Orleans bereden, Leroi bei dem Parlamente zu verklagen. Louis Philipp hatte mehre Berathungen mit seinen Genossen, in welchen beschlossen wurde, falsche Zeugen gegen Leroi zu erkaufen. An dem Tage wo der Prozeß eröffnet wurde, kam Reveillon sehr früh zum Herzoge. Man hat bis jetzt nicht gewußt, was sie zusammen verhandelten, doch bin ich im Stande es mitzutheilen:

»Nun!« sagte Orleans, »ich habe über einen bessern Plan nachgedacht, als der war, den wir neulich gefaßt hatten. Leroi darf nicht vor dem Parlament erscheinen«

»Und wie ihn daran verhindern?« fragte Reveillon.

»Nichts ist einfacher als dieses. Er ist furchtsam; man muß ihm weis machen, daß das Publikum im höchsten Grade gegen ihn eingenommen ist, und daß er, schuldig oder nicht, auf jeden Fall festgesetzt und verurtheilt werden wird.. . . Er ist feige, ist mißtrauisch. . . «

»Aber, wenn er heute nicht erscheint, wird das Parlament ihm einen andern Termin setzen.«

2Sein Sohn wendete nicht so viel daran, um populair zu werden, denn im Jahre 1830, in dem Augenblicke wo er den Thron bestieg, lag er im Prozeß mit fast sämtlichen am Meere gelegenen Gemeinden der Nieder-Normandie. Er sollte so eben vor das Tribunal von Coutances gefordert und ihm angedeutet werden, seinen gehässigen Prätenfionen zu entsagen. Zwei ähnliche Prozesse gegen die Stadt Cherbourg hatte er schon verloren.
3Diese Deputierten waren die Grafen von Rochechouart, von Clermont-Tonnerre, von Lally-Tolendal, von Lusignan, der Herzog von La Rochefaucould, der Marquis von Montesquiou, die Räthe Duport und Dionis du Sejour, der Präsident Saint-Fargeau.
4Jetzt sind auf eben die Weise die politischen Prozesse der Jury entzogen; und die Pairs-Kammer hat den Auftrag, die Schriftsteller und Verschwörer, die sich etwas zu laut über den jetzigen Zustand der Dinge vernehmen lassen, zu richten. »Man kann auf eine Majorität in dieser Kammer sicher rechnen.