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Die Dame von Monsoreau

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»Ich glaube, Ihr habt Recht, meine Mutter,« sprach der König, »doch wen werden wir abschicken?«

»Sucht unter Euren Freunden.«

»Meine Mutter, ich mag immerhin suchen, ich sehe keinen Mann, dem ich eine solche Sendung anvertrauen könnte.«

»Dann übergebt sie einer Frau.«

»Einer Frau? meine Mutter! solltet Ihr einwilligen?«

»Mein Sohn, ich bin sehr alt, sehr müde, der Tod erwartet mich vielleicht bei meiner Rückkehr; doch ich will diese Reise so rasch machen, dass ich in Angers ankomme, ehe die Freunde Eures Bruders und Euer Bruder selbst Zeit gehabt haben, ihre ganze Macht zu begreifen.«

»Oh! meine Mutter! meine gute Mutter!« rief Heinrich, mit vollem Erguss die Hand von Catharina küssend, »Ihr seid stets meine Stütze, meine Wohltäterin, meine Vorsehung.«

»Das heißt, ich bin stets Königin von Frankreich,« murmelte Catharina auf ihren Sohn einen Blick heftend, in welchem wenigstens eben so viel Mitleid als Zärtlichkeit lag.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
Worin nachgewiesen ist, dass die Dankbarkeit eine von den Haupttugenden von Herrn von Saint-Luc war

Am Morgen nach dem Tage, wo Herr von Monsoreau an der Tafel des Herrn Herzogs von Anjou das klägliche Gesicht gemacht hatte, das ihm vom Prinzen die Erlaubnis verschaffte, sich vor dem Ende des Mahles zu Bette zu begeben, stand der Graf sehr frühzeitig auf und ging in den Hof des Palastes hinab.

Er wollte den Stallknecht aufsuchen, mit dem er bereits zu tun gehabt hatte, und bei diesem wo möglich Erkundigungen über die Gewohnheiten von Roland einziehen.

Es gelang dies dem Grafen ganz gut; er trat unter einen großen Schuppen, wo vierzig prachtvolle Pferde nach Herzenslust das Stroh und den Haber der Angevins knaupelten.

Der erste Blick des Grafen galt der Aufsuchung von Roland; Roland war an seinem Platze und tat Wunder unter den schönsten Fressern.

Mit dem zweiten suchte er den Stallknecht.

Er gewahrte ihn alsbald.

Der Knecht stand mit gekreuzten Armen da und sah, nach der Gewohnheit jedes guten Stallknechtes, zu, wie die Pferde seines Herrn auf eine mehr oder minder gierige Weise ihr gewöhnliches Futter fraßen.

»Ei! Freund,« sagte der Graf, »pflegen die Pferde von Monseigneur ganz allein in den Stall zurückzukehren, und werden sie etwa hierzu dressiert?«

»Nein, Herr Graf,« antwortete der Stallknecht »warum fragt mich Eure Herrlichkeit?«

»Wegen des Roland.«

»Ah! ja, er ist gestern ganz allein zurückgekehrt, doch das wundert mich bei Roland nicht, denn es ist ein sehr gescheites Pferd.«

»Ja,« sagte Monsoreau, »das habe ich bemerkt; ist dies schon öfter bei ihm vorgekommen?«

»Nein, Herr Graf, gewöhnlich wird er von Monseigneur dem Herzog von Anjou gebraucht, der ein vortrefflicher Reiter ist und nicht so leicht abgeworfen wird.«

»Roland hat mich nicht abgeworfen, mein Freund,« sprach der Graf, gereizt, dass ein Mensch, und war dieser Mensch auch nur ein Stallknecht, glauben konnte, er, der Oberstjägermeister von Frankreich, wäre abgeworfen worden, »denn obgleich nicht so stark, wie der Herzog von Anjou, bin ich doch ein ziemlich guter Reiter. Nein, ich band ihn unten an einen Baum an, um in ein Haus zu gehen. Bei meiner Rückkehr war er verschwunden; ich glaubte, man hätte mir ihn entweder gestohlen, oder irgend ein Herr hätte, dieses Wegs kommend, den schlechten Spaß gemacht, ihn mitzunehmen; deshalb fragte ich Euch, wer ihn in den Stall gebracht habe.«

»Er ist allein zurückgekommen, wie der Haushofmeister dem Herrn Grafen zu bemerken die Ehre gehabt hat.«

»Das ist seltsam,« sagte Monsoreau.

Er blieb einen Augenblick nachdenkend und fragte dann:

»Du sagst, Monseigneur reite dieses Pferd häufig?«

»Er hat es beinahe jeden Tag geritten, ehe seine Equipagen eingetroffen sind.«

»Ist Seine Hoheit spät zurückgekommen?«

»Ungefähr eine Stunde vor Euch, Herr Graf.«.

»Und welches Pferd hat der Herzog geritten? War es nicht ein rotbraunes Pferd mit vier weißen Füßen und einem Stern auf der Stirne?«

»Nein, Herr Graf,« antwortete der Stallknecht, »der Herzog hat gestern Isolin geritten.«

»Hat nicht ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen ein Pferd geritten, wie ich es Dir so eben bezeichnete?«

»Ich kenne Niemand, der ein solches Pferd besitzt.«

»Es ist gut,« sagte Monsoreau mit einer gewissen Ungeduld, dass er so langsam in seinen Nachforschungen vorrückte.

»Es ist gut, ich danke! Sattle mir Roland.«

»Der Herr Graf wünscht Roland zu reiten?«

»Ja, sollte Dir der Prinz Befehl gegeben haben, ihn mir zu verweigern?«

»Nein, Monseigneur, der Stallmeister Seiner Hoheit hat mir im Gegenteil gesagt, alle Pferde seien zu Eurer Verfügung.«

Man konnte gegen einen Prinzen, der so zuvorkommend handelte, nicht böse werden.

Herr von Monsoreau machte mit dem Kopfe ein Zeichen, und der Stallknecht sattelte das Pferd.

Als diese Operation vorüber war, band der Stallknecht Roland von der Krippe los, zäumte ihn auf und führte ihn dem Grafen vor.

»Höre und antworte mir,« sprach der Graf, den Zaum aus den Händen des Knechtes nehmend.

»Wie viel verdienst Du in einem Jahre?«

»Zwanzig Thaler, Herr Graf.«

»Willst Du mit einem Male zehn Jahre von Deinem Lohne gewinnen?«

»Bei Gott! das will ich,« sprach der Mann. »Doch wie sollte ich sie gewinnen?«

»Erkundige Dich, wer gestern ein rotbraunes Pferd mit vier weißen Füßen und einem Stern mitten auf der Stirne geritten hat.«

»Oh! Herr Graf, das ist sehr schwierig, es kommen so viele vornehme Herren zum Besuche bei Seiner Hoheit.«

»Ja, doch zweihundert Thaler sind ein Stück Geld, das zu gewinnen man sich wohl einige Mühe geben kann.«

»Allerdings, Herr Graf, auch bin ich weit entfernt, zu sagen, ich werde nicht zu forschen suchen.«

»Schön, Dein guter Wille gefällt mir; hier hast Du vorläufig zehn Thaler, damit Du in den Zug kommst; Du siehst, es ist jedenfalls nicht Alles verloren.«

»Ich danke, edler Herr.«

»Du sagst dem Prinzen, ich sei ausgeritten, um den Wald für die mir befohlene Jagd zu untersuchen.«

Der Graf hatte kaum diese Worte gesprochen, als das Stroh hinter ihm unter den Tritten eines Ankommenden krachte.

Er wandte sich um.

»Herr von Bussy!« rief der Graf.

»Ei! guten Morgen, Herr von Monsoreau, Ihr in Angers, welch ein Wunder?« sagte Bussy.

»Und Ihr, mein Herr, indes man behauptete, Ihr wäret krank.«

»Ich bin es in der Tat,« sprach Bussy, »auch schreibt mir mein Arzt vollkommene Ruhe vor; ich habe seit acht Tagen die Stadt nicht verlassen. Ah! ah! Ihr wollt, wie es scheint, Roland reiten? Ich habe dieses Tier an den Herrn Herzog von Anjou verkauft, und er ist so zufrieden mit demselben, dass er es beinahe jeden Tag reitet.«

»Ja,« sprach Monsoreau erbleichend, »ich begreife das, es ist ein herrliches Tier.«

»Ihr seid nicht unglücklich, dass Ihr es so mit dem ersten Blicke wählt,« sagte Bussy.

»Oh! wir machen nicht erst heute Bekanntschaft, ich habe es schon gestern geritten.«

»Dadurch habt Ihr Lust bekommen, es auch heute zu reiten?«

»Ja,« antwortete der Graf.

»Verzeiht,« versetzte Bussy, »Ihr spracht von Vorbereitungen zu einer Jagd.«

»Der Prinz wünscht einen Hirsch zu jagen.«

»Es gibt deren viele in der Gegend, wie ich höre.«

»Sehr viele.«

»Und wo wollt Ihr den Hirsch bestätigen?«

»Unfern von Méridor.«

»Ah! sehr gut,« sagte Bussy, unwillkürlich ebenfalls erbleichend.

»Wollt Ihr mich begleiten?« fragte Monsoreau.

»Nein, tausend Dank,« erwiderte Bussy. »Ich will mich niederlegen, denn ich fühle, dass mich das Fieber wieder packt.«

»Oh! das ist gut,« rief von der Schwelle des Stalles eine sonore Stimme, »Herr von Bussy ist abermals ohne meine Erlaubnis aufgestanden.«

»Der Haudouin!« rief Bussy, »nun werde ich sicherlich wieder ausgescholten. Lebt wohl, Graf; ich empfehle Euch Roland.«

»Seid unbesorgt.«

Bussy entfernte sich, und Herr von Monsoreau sprang in den Sattel.

»Was habt Ihr denn?« fragte der Haudouin, »Ihr seht so bleich aus, dass ich Euch am Ende selbst für krank halten muss.«

»Weißt Du, wohin er reitet?« fragte Bussy.

»Nein.«

»Er reitet nach Méridor.«

»Hofftet Ihr etwa, er würde auf der Seite vorbei ziehen?«

»Mein Gott! was wird geschehen, nach dem, was gestern vorgefallen?«

»Frau von Monsoreau wird leugnen.«

»Doch er hat gesehen.«

»Sie wird behaupten, er sei geblendet gewesen.«

»Diana besitzt sicherlich nicht die Kraft hierzu.«

»Oh! Herr von Bussy, ist es möglich, dass Ihr die Frauen nicht besser kennt!«

»Remy, ich fühle mich sehr unwohl.«

»Ich glaube es Euch. Geht nach Hause. Ich verschreibe Euch für diesen Morgen …«

»Was?'«

»Eine gedämpfte Poularde, eine Schnitte Schinken und eine Kraftsuppe mit Krebsen.«

»Oh! ich habe keinen Hunger.«

»Desto mehr muss ich Euch kräftiges Essen verordnen.«

»Remy, es ahnt mir, dass dieser Henkersknecht eine tragische Szene in Méridor machen wird. In der Tat, ich hätte seinen Vorschlag, ihn zu begleiten, annehmen sollen.«

»Warum dies?«

»Um Diana zu unterstützen.«

»Ich habe Euch gesagt und wiederhole Euch, Frau Diana wird sich selbst unterstützen, und da wir eben so viel tun müssen, so kommt, ich bitte Euch. Überdies soll man Euch nicht hier stehen sehen. Warum seid Ihr trotz meiner Vorschrift ausgegangen?«

»Ich war zu unruhig und konnte mich nicht halten.«

Remy zuckte die Achseln, führte Bussy weg und setzte ihn bei verschlossenen Türen vor eine gute Tafel, während Herr von Monsoreau durch dasselbe Thor, wie am Tage vorher, aus Angers weg ritt.

Der Graf hatte seine Gründe, Roland abermals zu verlangen; er wollte sich versichern, ob dieses Tier, dessen Verstand Jedermann rühmte, ihn aus Zufall oder aus Gewohnheit an den Fuß der Parkmauer geführt hatte. Er legte ihm daher, als er den Palast verließ, den Zügel auf den Hals.

 

Roland entsprach dem, was sein Reiter von ihm erwartete. Kaum vor dem Tore, wandte er sich links; Herr von Monsoreau ließ ihn gewähren; dann rechts, und Herr von Monsoreau ließ ihn abermals gewähren.

Beide gelangten auf den reizenden Fußpfad, dann in die Schläge und endlich in den Hochwald. Je mehr Roland sich Méridor näherte, desto mehr streckte sich sein Trab; endlich verwandelte sich dieser in Galopp, und nach Verlauf von vierzig bis fünfzig Minuten befand sich Herr von Monsoreau im Angesicht der Mauer gerade an derselben Stelle, wie am Tage zuvor.

Nur war der Ort einsam und stille; kein Wiehern ließ sich hören, und es erschien weder ein angebundenes, noch ein umherirrendes Pferd.

Herr von Monsoreau stieg ab; doch um nicht der Unannehmlichkeit ausgesetzt zu sein, den Rückweg zu Fuße machen zu müssen, schlang er den Zaum von Roland um seinen Arm und erkletterte dann die Mauer.

Alles war schweigsam und verlassen, außerhalb wie innerhalb des Parks.

Die langen Baumgänge entrollten sich in's Unabsehbare und einige springende Rehe belebten allein den verödeten Rasen der weiten Wiesgründe.

Der Graf dachte, es wäre unnötig, seine Zeit mit dem Belauern von gewarnten Menschen zu verlieren, welche, ohne Zweifel über seine Erscheinung am Tage zuvor erschrocken, ihre Rendezvous unterbrochen oder einen andern Ort dazu gewählt hätten.

Er stieg wieder zu Pferde, ritt einen kleinen Fußpfad entlang, und kam nach einem Marsche von einer Viertelstunde, wobei er Roland beständig zurückhalten musste, an das Gitter.

Der Baron war beschäftigt, seine Hunde zu peitschen, um sie im Atem zu erhalten, als der Graf über die Zugbrücke ritt. Er erblickte seinen Schwiegersohn und kam ihm auf eine zeremoniöse Weise entgegen.

Diana saß unter einem herrlichen Adamsfeigenbaum und las die Gedichte von Marot. Gertrude, ihre getreue Zofe, stickte an ihrer Seite.

Nachdem der Graf den Baron gegrüßt hatte, erblickte er die Frauen. Er stieg ab und näherte sich ihnen. Diana erhob sich, ging dem Grafen drei Schritte entgegen und machte ihm eine ernste Verbeugung.

»Welche Ruhe, oder vielmehr welche Treulosigkeit!« murmelte der Graf, »wie will ich den Sturm im Schoße dieses schlafenden Gewässers aufwühlen!« Ein Lackei näherte sich, der Oberstjägermeister warf ihm den Zaum seines Pferdes zu, wandte sich dann wieder gegen Diana um und sprach:

»Madame, ich bitte Euch, wollt mir eine kurze Unterredung gewähren.«

»Sehr gern, mein Herr,« antwortete Diana.

»Erweist Ihr uns nicht die Ehre, im Schlosse zu bleiben, Herr Graf?« fragte der Baron.

»Ja, mein Herr, wenigstens bis morgen.«

Der Baron entfernte sich, um selbst darüber zu wachen, dass das Zimmer seines Schwiegersohnes nach den Gesetzen der Gastfreundschaft eingerichtet würde.

Monsoreau bezeichnete Diana den Stuhl, den sie soeben verlassen hatte, und setzte sich selbst auf den von Gertrude, während er auf Diana einen Blick heftete, der auch den entschlossensten Mann eingeschüchtert haben würde.

»Madame,« sprach der Graf, »wer war gestern mit Euch im Parke?« Diana schlug zu ihrem Gatten klare, durchsichtige Augen auf.

»Um welche Stunde, mein Herr?« fragte sie mit einer Stimme, aus der sie durch die Festigkeit ihres Willens jede Aufregung zu entfernen gewusst hatte.

»Um sechs Uhr.«

»In welcher Gegend?«

»In der Gegend des alten Schlages.«

»Es muss eine Freundin von mir gewesen sein, die dort spazieren ging, denn ich war es nicht.«

Monsoreau fand in seinem Erstaunen kein Wort der Erwiderung; doch der Zorn nahm bald die Stelle dieses Erstaunens ein, und er fuhr fort:

»Sagt mir den Namen des Mannes.«

»Welches Mannes?«

»Desjenigen, welcher mit Euch spazieren ging.«

»Ich kann ihn Euch nicht nennen, denn ich bin nicht spazieren gegangen.«

»Ihr wart es, sage ich Euch,« rief Monsoreau, mit dem Fuße stampfend.

»Ihr täuscht Euch, mein Herr,« antwortete Diana kalt.

»Wie könnt Ihr leugnen, dass ich Euch gesehen habe?«

»Ah! Ihr selbst, mein Herr?«

»Ja, Madame, ich selbst. Wie könnt Ihr leugnen, dass Ihr es gewesen, da außer Euch keine Frau in Méridor ist?«

»Das ist abermals ein Irrtum, mein Herr, denn Jeanne von Brissac ist hier.«

»Frau von Saint-Luc?«

»Ja, Frau von Saint-Luc, meine Freundin.«

»Und Herr von Saint-Luc?«

»Verlässt seine Frau nicht, wie Ihr wisst, ihre Heirat ist eine Liebesheirat; Ihr habt Herrn und Frau von Saint-Luc gesehen.«

»Es war nicht Herr von Saint-Luc; es war nicht Frau von Saint-Luc. Ich habe Euch vollkommen erkannt; Ihr wart mit einem Mann, den ich nicht kenne, den ich aber kennen lernen werde, das schwöre ich Euch.«

»Ihr beharrt also auf Eurer Behauptung, ich sei es. gewesen?«

»Ich sage, dass ich Euch erkannt habe; ich sage Euch, dass ich den Schrei gehört habe, den Ihr ausgestoßen.«

»Wenn Ihr bei ruhiger Vernunft seid, mein Herr, werde ich Euch gern hören; doch in diesem Augenblick ist es, glaube ich, besser, wenn ich mich zurückziehe.«

»Nein, Madame,« rief Monsoreau, Diana am Arme haltend, »Ihr werdet bleiben.«

»Mein Herr,« sprach Diana, »hier kommen Herr und Frau von Saint-Luc. Ich hoffe, Ihr werdet vor ihnen an Euch halten.«

Saint-Luc und seine Frau erschienen wirklich am Ende einer Allee, herbeigerufen durch die Glocke, die man eben als Zeichen zum Mittagsmahl zu läuten anfing, als hätte man nur Herrn von Monsoreau erwartet, um sich zu Tische zu setzen.

Beide erkannten den Grafen, errieten sogleich, sie würden Diana ohne Zweifel durch ihre Gegenwart einer großen Verlegenheit entziehen, und näherten sich rasch.

Frau von Saint-Luc machte Herrn von Monsoreau eine tiefe Verbeugung, Saint-Luc reichte ihm vertraulich die Hand. Alle drei wechselten einige Komplimente; dann schob Saint-Luc seine Frau an den Arm des Grafen und nahm den von Diana.

Man ging nach dem Schlosse.

In dem Herrenhause von Méridor speiste man um neun Uhr zu Mittag; es war dies eine alte Gewohnheit aus der Zeit des guten Königs Ludwig XII., die der Baron in ihrer ganzen Reinheit beibehalten hatte.

Herr von Monsoreau saß zwischen Saint-Luc und dessen Frau. Durch ein geschicktes Manoeuvre ihrer Freundin von ihrem Gatten entfernt, saß Diana zwischen Saint-Luc und dem Baron.

Das Gespräch war ganz allgemein: es drehte sich natürlich besonders um die Ankunft des königlichen Prinzen in Angers und um die Bewegung, welche diese Ankunft in der Provinz hervorbringen musste.

Monsoreau hätte es gern auf andere Gegenstände gebracht, aber er hatte mit starrköpfigen Tischgenossen zu tun und fand keinen Anklang.

Nicht als hätte sich Saint-Luc geweigert, ihm zu antworten, nein, im Gegenteil: er schmeichelte dem wütenden Gatten mit reizendem Witze, und Diana, die bei dem beständigen Geplauder von Saint-Luc ihrerseits ein Stillschweigen beobachten konnte, dankte ihrem Freunde durch beredte Blicke.

»Dieser alberne Saint»Luc schwatzt wie eine Elster,« sagte der Graf zu sich selbst, »das ist der Mensch, dem ich das Geheimnis, welches ich wissen will, auspressen werde, und zwar auf die eine oder auf die andere Weise.«

Herr von Monsoreau kannte Saint-Luc nicht, denn er war gerade an den Hof gekommen, als dieser denselben verließ.

Und in dieser Überzeugung antwortete er dem jungen Manne auf eine Weise, wodurch die Freude von Diana verdoppelt und die Ruhe auf alle Punkte zurückgebracht wurden.

Überdies machte Saint-Luc mit dem Auge Frau von Monsoreau Zeichen, und diese Zeichen wollten offenbar sagen: »Seid unbesorgt, Madame, es reift in mir ein Plan.«

Wir werden im nächsten Kapitel sehen, worin der Plan von Herrn von Saint-Luc bestand.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
Der Plan von Herrn von Saint-Luc

Nach vollendetem Mahle nahm Monsoreau seinen neuen Freund beim Arm und führte ihn aus dem Schlosse.

»Wisst Ihr,« sagte er zu ihm, »wisst Ihr, dass ich äußerst glücklich bin, Euch hier gefunden zu haben, denn die Einsamkeit von Méridor erschreckte mich zum voraus!«

»Schön!« versetzte Saint-Luc, »habt Ihr denn nicht Eure Frau? Ich meinerseits würde mit einer solchen Gesellschaft die Wüste noch zu stark bevölkert finden.«

»Ich sage nicht nein,« erwiderte Monsoreau, sich in die Lippen beißend. »Doch …«

»Was, doch?«

»Doch ich bin sehr erfreut, Euch hier getroffen zu haben.«

»Mein Herr,« sprach Saint-Luc, sich die Zähne mit einem kleinen goldenen Degen reinigend, »Ihr seid in der Tat sehr artig, denn ich werde nie glauben, dass Ihr nur einen Augenblick mit einer solchen Frau und einer so reichen Natur gegenüber Langweile befürchten konntet.«

»Bah! ich habe die Hälfte meines Lebens im Walde zugebracht.«

»Ein Grund mehr, Euch nicht zu langweilen, denn mir scheint, je mehr man sich an den Wald gewöhnt, desto mehr liebt man ihn; seht doch den herrlichen Park. Ich weiß, dass ich in Verzweiflung sein werde, wenn ich ihn verlassen muss. Leider befürchte ich, dass dies bald der Fall ist.«

»Warum werdet Ihr ihn verlassen?«

»Ei! mein Herr, ist der Mensch Meister seines Geschickes? Es ist das Blatt, das der Wind vom Baum reißt und über die Ebene und durch die Täler hinführt, ohne dass er selbst weiß, wohin er geht. Ihr seid sehr glücklich.«

»Glücklich, wodurch?«

»Dass Ihr unter diesen herrlichen Schatten bleibt.«

»Ah! ich werde ohne Zweifel ebenfalls nicht lange bleiben.«

»Bah! wer kann das sagen? Ich glaube, Ihr täuscht Euch.«

»Nein,« entgegnete Monsoreau, »oh nein, ich bin nicht so begeistert für die schöne Natur, und ich misstraue diesem Parke, den Ihr so herrlich findet.«

»Wie beliebt?« fragte Saint-Luc.

»Ja,« wiederholte Monsoreau.

»Ihr misstrauet diesem Parke, habt Ihr gesagt, und warum?«

»Weil er mir nicht sicher zu sein scheint.«

»In der Tat, nicht sicher?« versetzte Saint-Luc erstaunt.

»Ah! ich begreife, Ihr meint wegen der Einsamkeit?«

»Nein, ich meine nicht gerade deshalb, denn ich setze voraus, Ihr seht Gesellschaft in Méridor.«

»Meiner Treu, nein,« antwortete Saint-Luc mit vollkommener Naivität, »nicht eine Seele.«

»Ah! wirklich?«

»Es ist, wie ich Euch zu sagen die Ehre habe.«

»Wie, Ihr empfangt nicht zuweilen irgend einen Besuch?«

»Seitdem ich hier bin wenigstens nicht.«

»Es macht sich nicht von Zeit zu Zeit von dem schönen Hofe in Angers ein Edelmann los?«

»Nicht einer.«

»Das ist unmöglich.«

»Es ist doch so.«

»Ah! pfui doch, Ihr verleumdet die angevinischen Edelleute.«

»Ich weiß nicht, ob ich sie verleumde, aber der Teufel soll mich holen, wenn mir die Feder von einem einzigen zu Gesicht gekommen ist.«

»Dann habe ich in dieser Hinsicht Unrecht.«

»Ja, ganz und gar Unrecht. Kommen wir also auf das zurück, was Ihr vorhin sagtet, nämlich, der Park wäre nicht sicher. Sind Bären darin?«

»O nein!«

»Wölfe?«

»Ebenso wenig.«

»Räuber?«

»Vielleicht. Sagt mir, mein lieber Herr, Frau von Saint-Luc ist, wie mir schien, sehr hübsch.«

»Ja wohl.«

»Geht sie häufig im Park spazieren?«

»Sehr oft; sie ist wie ich, sie betet das Land an; doch aus welchem Grunde macht Ihr diese Frage an mich?«

»Aus keinem; und wenn sie spazieren geht, begleitet Ihr sie?»

»Immer.«

»Beinahe immer.«

»Aber was Teufels wollt Ihr denn mit Euren Fragen?«

»Ei, mein Gott! nichts, lieber Herr von Saint-Luc, oder beinahe nichts, doch sprecht.«

»Ich höre.«

»Man sagte mir …«

»Was sagte man Euch? Redet.«

»Ihr werdet Euch nicht ärgern?«

»Ich ärgere mich nie.«

»Übrigens macht man sich unter Ehemännern solche Geständnisse; man sagte mir, man hätte einen Mann im Parke umherstreichen sehen.«

»Einen Mann?«

»Ja.«

»Der meiner Frau zu Liebe käme?«

»O! das sage ich nicht.«

»Ihr hättet vollkommen Unrecht, es nicht zu sagen, lieber Herr von Monsoreau, denn das ist höchst interessant; ich bitte, wer hat es gesehen?«

»Wozu soll das nutzen?«

»Sagt es immerhin. Nicht wahr, wir plaudern; nun wohl, es ist eben so gut, wenn wir hiervon, als wenn wir von einem andern Gegenstande plaudern. Ihr sagt also, dieser Mann käme Frau von Saint-Luc zu Liebe. Nun! nun! nun!«

»Hört, wenn ich Euch Alles gestehen soll … ich glaube nicht, dass es wegen Frau von Saint-Luc geschieht.«

»Und wegen wessen denn sonst?«

»Ich befürchte im Gegenteil wegen Diana.«

 

»Ah! bah!« rief Saint-Luc, »das wäre mir lieber.«

»Wie! das wäre Euch lieber?«

»Allerdings. Ihr wisst, es gibt keine selbstsüchtigere Race, als die Ehemänner. Jeder für sich! Gott für Alle!«

»Der Teufel vielmehr!«

»Ihr glaubt also, es sei ein Mann hereingekommen?«

»Ich glaube nicht nur, ich habe es gesehen.«

»Ihr habt einen Mann im Parke gesehen?«

»Ja.«

»Allein?«

»Mit Frau von Monsoreau.«

»Wann dies?«

»Gestern.«

»Wo denn?«

»Seht, hier links.«

Und da Monsoreau seinen Spaziergang und den von Saint-Luc nach dem alten Schlage gelenkt hatte, so konnte er von der Stelle aus, wo er war, seinem Gefährten den Platz zeigen.

»Ah!« sagte Saint-Luc, »diese Mauer ist in der Tat in sehr schlechtem Zustand; ich muss den Baron davon in Kenntnis setzen, dass man ihm sein Gehege zu Grunde richtet.«

»Und wen habt Ihr im Verdacht?«

»Ich?«

»Ja.«

»Worüber.«

»Dass er über die Mauer in den Park steige, um mit meiner Frau zu sprechen,« antwortete Monsoreau.

Saint-Luc schien sich in ein tiefes Nachdenken zu versenken, dessen Resultat Herr von Monsoreau voll Angst erwartete.

»Nun?« sagte dieser.

»Verdammt,« rief Saint-Luc, »Ich kann mir Niemand denken, als …«

»Als … wen?«

»Als Euch,« sprach Saint-Luc wieder aufschauend.

»Ihr scherzt, lieber Herr von Saint-Luc,« versetzte der Graf wie versteinert.

»Meiner Treue, nein; am Anfang meiner Ehe machte ich auch dergleichen Dinge: warum solltet Ihr sie nicht ebenfalls machen.«

»Geht doch, Ihr wollt mir nicht antworten; gesteht das, lieber Freund, doch seid unbesorgt, ich habe Mut. Helft mir, sucht, es ist ein ungeheurer Dienst, den ich von Euch erwarte.«

Saint-Luc kratzte sich am Ohr und erwiderte sodann: »Ich sehe immer nur Euch.«

»Lasst den Spott, nehmt die Sache im Ernste, denn ich sage Euch, mein Herr, sie ist von großem Belang.«

»Ihr glaubt?«

»Ich bin dessen gewiss.«

»Dann ist es etwas Anderes, und wie kommt dieser Mensch hierher, wisst Ihr es?«

»Bei Gott! verstohlener Weise.«

»Oft?«

»Ich glaube wohl, seine Füße sind in den weichen Stein der Mauer eingedrückt, seht selbst.«

»In der Tat.«

»Habt Ihr denn nie wahrgenommen, was ich Euch hier sage?«

»Oh!« rief Saint-Luc, »ich vermutete es wohl ein wenig.«

»Ah! Ihr seht,« versetzte der Graf keuchend, »sodann?«

»Sodann habe ich mich nicht darum bekümmert, denn ich dachte, Ihr wäret es.«

»Aber wenn ich Euch sage, nein.«

»Ich glaube Euch, mein lieber Herr!«

»Ihr glaubt mir?«

»Ja.«

»Wohl, und dann?«

»Dann ist es irgend ein Anderer.«

Der Oberstjägermeister schaute mit einem beinahe drohenden Auge Saint-Luc an, der seine neckischste und lieblichste Gleichgültigkeit entwickelte.

»Ah!« machte er mit einer so zornigen Miene, dass der junge Mann plötzlich das Haupt erhob.

»Ich habe noch einen andern Gedanken,« sagte Saint-Luc.

»Sprecht!‹

Wenn es der …«

»Wenn es, wer?«

»Nein.«

»Nein?«

»Aber doch …«

»Redet.«

»Wenn es der Herr Herzog von Anjou wäre.«

»Ich hatte das auch gedacht,« versetzte Monsoreau, »doch ich zog Erkundigungen ein; er konnte es nicht sein.«

»Ei! ei! der Herzog ist sehr fein.«

»Ja, aber er konnte es nicht sein.«

»Ihr sagt mir immer, es sei nicht so, und ich soll Euch immer sagen, es sei so.«

»Ganz richtig; Ihr bewohnt das Schloss, Ihr müsst es wissen …«

»Wartet!« rief Saint-Luc.

»Habt Ihr es?«

»Ich habe noch einen Gedanken. Wenn Ihr es nicht wart und der Herzog war es auch nicht, so war ich es ohne Zweifel.«

»Ihr?«

»Warum nicht?«

»Ihr solltet zu Pferde von außen in den Park kommen, während Ihr von innen kommen könnt?«

»Ei, mein Gott! ich bin ein so launenhaftes Wesen.«

»Ihr hättet die Flucht ergriffen, als Ihr mich oben auf der Mauer erscheinen saht?«

»Man würde sie, bei Gott! bei Geringerem ergreifen.«

»Ihr tatet also etwas Schlimmes?« sagte der Graf, der seinen Zorn kaum mehr bemeistern konnte.

»Ich sage nicht nein.«

»Ihr spottet am Ende meiner,« rief der Graf erbleichend, »und dies seit einer Viertelstunde.«

»Ihr täuscht Euch, mein Herr,« sprach Saint-Luc seine Uhr ziehend und Monsoreau mit einer Starrheit anschauend, welche diesen trotz seines wilden Mutes schauern machte.

»Ihr beleidigt mich, mein Herr,« sprach der Graf.

»Glaubt Ihr, Ihr beleidigt mich nicht mit allen Euren Sbirrenfragen?«

»Ah! ich sehe nun klar.«

»Ein schönes Wunder um zehn Uhr Morgens. Und was seht Ihr denn?«

»Ich sehe, dass Ihr mit dem Verräter, mit dem Feigen, den ich gestern beinahe getötet hätte, im Einverständnis seid.«

»Bei Gott!« rief Saint-Luc, »es ist mein Freund.«

»Wenn dem so ist, so werde ich Euch an seiner Stelle töten.«

»Bah! in Eurem Hause! und so plötzlich! ohne: Aufgepasst! zu sagen?«

»Glaubt Ihr, ich werde mir Zwang antun, um einen Elenden zu bestrafen?« rief der Graf ganz außer sich.

»Ah! mein Herr von Monsoreau,« erwiderte Saint-Luc, »wie schlecht erzogen seid Ihr, und wie sehr hat der Umgang mit wilden Tieren Eure Sitten verdorben! Pfui! …«

»Ihr seht also nicht, dass ich wütend bin!« brüllte der Graf, indem er sich, die Arme gekreuzt und das Gesicht zerstört von der furchtbaren Verzweiflung, die sein Herz zermarterte, vor Saint-Luc stellte.

»Ich sehe es bei Gott wohl, und die Wut steht Euch in der Tat gar schlecht; Ihr seid abscheulich anzuschauen, mein lieber Herr von Monsoreau.«

Der Graf legte schäumend die Hand an den Degen.

»Ah! merkt wohl auf,« sprach Saint-Luc, »Ihr fordert mich heraus. Ich nehme Euch sogar selbst zum Zeugen, dass ich vollkommen ruhig bin.«

»Ja, Jungfernknecht, ja Weichling, ja Zierpuppe, ich fordere Dich heraus.«

»Habt die Güte, Euch auf die andere Seite der Mauer zu begeben, Herr von Monsoreau; jenseits der Mauer sind wir auf einem neutralen Gebiete.«

»Was liegt mir daran!« rief der Graf.

»Doch mir ist daran gelegen, ich will Euch nicht auf Eurem Boden töten.«

»Gut denn!« sprach Monsoreau, rasch die Bresche erkletternd.

»Nehmt Euch in Acht, geht sachte, Graf! Ein Stein hält nicht fest, er muss sehr erschüttert worden sein. Verwundet Euch wenigstens nicht; in der Tat, ich wäre untröstlich.«

Saint-Luc stieg sodann ebenfalls hinauf.

»Vorwärts! vorwärts! beeile Dich!« rief der Graf den Degen ziehend.

»Und ich komme auf das Land zu meinem Vergnügen,« sagte Saint-Luc mit sich selbst sprechend, »meiner Treue, ich werde mich gut belustigt haben.«

Und er sprang auf die andere Seite der Mauer hinab.