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Das Horoscop

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IV.
Mars und Venus

Kaum war die Admiralin gegangen, so riefen Alle zusammen, da man nicht zweifelte, daß etwas Außerordentliches vorgegangen sei:

»Ei, was hatte denn die Frau Admiralin?«

»Fragt Herrn Joinville, « antwortete die Königin Mutter.

»Wie! Euch?« fragte der Cardinal von Lothringen.

»Sprecht, Prinz riefen sämmtliche Damen.«

»Wahrhaftig, meine Damen« antwortete der Prinz, »ich weiß noch nicht was ich Euch sagen soll. Aber, « fügte er, das Billet aus seiner Tasche ziehend, hinzu: »Dies; da wird für mich sprechen.«

»Ein Billet!« rief man von allen Seiten.

»Ein Billet! ganz lau, parfümirt, satinirt, und aus welcher Tasche gefallen?«

»Oh, Prinz . . .«

»Rathet.«

»Nein« sagt es sogleich.«

»Aus der Tasche unserer gestrengen Feindin, der Frau Admiralin.«

»Ah!« sagte Catharina, «deßhalb winktet Ihr mir, daß ich sie gehen lassen solle?«

»Ja« ich gestehe meine Indiscretion; es drängte mich den Inhalt zu erfahren.«

»Und was steht darin?« fragte Catharina.

»Ich hätte es für eine Respectwidrigkeit gegen Eure Majestät gehalten, wenn ich dieses kostbare Billet vor Euch gelesen hätte.«

»Nun, so gebt her, Prinz.«

Und mit einer ehrerbietigen Verbeugung über reichte Herr von Joinville das Schreiben der Königin Mutter.

Man drängte sich um Catharina, die Neugierde siegte über die Ehrfurcht.

»Meine Damen, « sagte Catharina, »es ist möglich, daß dieser Brief ein Familiengeheimniß enthält. Laßt mich ihn zuerst allein lesen, und ich verspreche Euch, daß ich, wenn er laut gelesen werden kann, Euch dieser Freude nicht berauben werde.«

Man entfernte sich von Catharina: dadurch wurde ein Leuchter frei, und die Königin Mutter konnte das Billet lesen.

Herr von Joinville folgte ängstlich den Bewegungen der Physiognomie Catharina's, und als diese vollendet hatte, sagte er:

»Meine Damen« die Königin will jetzt vorlesen.«

»Wahrhaftig, Prinz, ich finde, daß Ihr Euch sehr beeilt. Ich weiß nicht, ob ich Euch auf solche Art die verliebten Geheimnisse meiner werthen Freundin, der Frau Admiralin, preisgeben darf.«

»Es ist also wirklich ein Liebesbrief?« fragte der Herzog von Guise.«

»So wahr ich lebe« antwortete die Königin; »urtheilet selbst, denn ich für meine Person glaube falsch gelesen zu haben.«

»Und deßhalb werdet Ihr noch einmal lesen, nicht wahr Madame?« sagte der Prinz von Joinville ungeduldig.

»Hört!« sprach Catharina.

Es entstand eine wunderbare Stille, in welcher man nicht einen einzigen Athemzug hörte, obschon etwa fünfzehn Personen da waren.

Die Königin las:

»Komm gewiß Nachts ein Uhr ins Zimmer der Verwandlungen. Das Zimmer, wo wir uns in der letzten Nacht sahen, liegt zu nahe bei der Wohnung der beiden Königinnen. Unser Vertrauter, dessen Treue Ihr kennt, wird dafür sorgen, daß die Thüre offen bleibt.«

Es war nur ein Schrei des Erstaunens.

Es war ein Rendezvous, ein ganz förmliches Rendezvous; —ein Rendezvous, das die Admiralin gab, denn das Billet war aus ihrer Tasche gefallen.

Also war der Besuch der Admiralin bei der Königin Catharina blos ein Vorwand, um in den Louvre zu gelangen, und da Dandelot die Wache hatte, so hoffte die Admiralin, die ohne Zweifel auf ihren Schwager zählen durfte nach Belieben wieder hinauskommen zu können.

Aber wer mochte der Mann sein?

Man ließ sämmtliche Freunde der Admiralin, einen um den andern, Revue passiren, aber Frau von Coligny führte ein so strenges Leben, daß man nicht wußte, bei wem man stehen bleiben sollte.

Man verdächtigte zuletzt Dandelot selbst, so leicht war der Verdacht an diesem verdorbenen Hofe.

»Ei, « sagte der Herzog von Guise, »es gibt ja ein höchst einfaches Mittel den Galan kennen zu lernen.«

»Welches ?« fragte man von allen Seiten.

»Das Rendezvous ist für heute Nacht?«

»Ja, « sagte Catharina.

»Im Zimmer der Verwandlungen?«

»Ja.«

»Nun wohl, dann muß man es den Liebenden gerade so machen, wie die Götter des Olymps es Mars und Venus machten.«

»Man muß sie während ihres Schlafs besuchen!« rief Herr von Joinville.

Die Damen schauten sich an. Sie hätten den Vorschlag von Herzen gern mit einstimmigem Beifallsgeschrei aufgenommen, aber sie wagten es nicht ihr Verlangen zu gestehen.

Es war halb ein Uhr Man mußte noch eine halbe Stunde warten, und mit übeln Nachreden über seinen Nebenmenschen geht eine halbe Stunde schnell hin.

Man zog über die Admiralin los, man malte sich zum Voraus ihre Beschämung aus, und die halbe Stunde ging vorüber.

Aber Niemand war entzückter als Catharina, welche die Idee ganz vortrefflich fand, ihre theure Freundin, die Admiralin, « auf der That zu ertappen.

Es schlug ein Uhr.

Jedermann klatschte in die Hände, mit solcher Ungeduld wurde die Stunde erwartet.

»Wohlan, sagte der Prinz von Joinville, »laßt uns aufbrechen.«

Aber der Marschall von St. André hielt ihn an.

»Oh« unvorsichtige Jugend!« sagte er.

»Habt Ihr eine Einwendung zu machen ?« fragte Herr de la Roche-sur-Yon.

»Ja, « sagte der Marschall.

»In diesem Fall höret sie an, « versetzte Catharina, »und zwar mit Andacht, meine Herrn. Unser Freund, der Marschall, besitzt eine große Erfahrung in allen Dingen und ganz besonders in solchen Angelegenheiten.«

»Nun wohl« sagte der Marschall, »ich wollte um die Ungeduld meines Schwiegersohns des Herrn von Joinville, zu zügeln, blos so viel sagen, daß man sich zuweilen auch nicht ganz pünktlich beim Rendezvous einstellt, und daß unser Plan leicht scheitern könnte, wenn wir allzu bald kämen.«

Man fügte sich in diesen klugen Rath des war Marschalls, und Alle stimmten mit der Königin Catharina dahin überein, daß er ein vollendeter Meisterin solchen Dingen sei.

Es wurde also ausgemacht noch eine halbe Stunde zu warten.

Sie verfloß.

Aber setzt war die Ungeduld so hoch gestiegen, daß selbst die weisesten Bemerkungen, die der war Marschall von St André hätte machen können, nicht gehört worden wären.

Er machte deßhalb auch keine mehr, sei es nun daß er ihre gänzliche Nutzlosigkeit begriff, oder daß er die Stunde zur Unternehmung der Expedition wirklich gekommen glaubte.

Nichts desto weniger versprach er der lustigen Bande bis an die Thüre mitzugehen und dort das Ergebniß abzuwarten.

Es wurde beschlossen, daß die Königin Mutter sich in ihr Schlafzimmer begeben und der Prinz von Joinville ihr dort über sämmtliche Vorgänge Bericht erstatten solle.

Nachdem alle Förmlichkeiten festgesetzt waren, nahm Jeder eine Kerze in die Hand. Der junge Herzog von Montpensier und der Prinz de la Roche-sur-Yon nahmen ihrer zwei, und der Zug setzte sich mit Herrn von Guise an der Spitze feierlich in Bewegung nach dem Saal der Verwandlungen.

Vor der Thüre hielt man an, und Jedermann drückte sein Ohr an das Schloß.

Nicht das mindeste Geräusch war hörbar.

Man erinnerte sich, daß man auf dieser Seite noch durch ein Vorzimmer vom Saal der Verwandlungen getrennt war.

Der Marschall von St André wollte sachte die Thüre dieses Vorzimmers ausstoßen, allein sie widerstand.

»Teufel!« jagte er, »an das haben wir nicht gedacht: die Thüre ist von innen geschlossen.«

»Stoßen wir sie ein, sagten die jungen Prinzen.

»Nur: sachte, meine Herrn, « mahnte Herr von Guise, »wir sind im Louvre.«

»Immerhin, antwortete der Prinz de la Roche-sur-Yon, »aber wir gehören auch zum Louvre.«

»Meine Herrn, meine Herrn, « drängte der Herzog, »wir wollen einen Scandal ans Licht bringen, rechtfertigen wir ihn nicht durch einen andern.«

»Es ist wahr, « sagte Brantome, »der Rath ist gut. Ich habe eine schöne und rechtschaffene Dame gekannt. . .«

»Herr von Brantome« sagte der Prinz von Joinville lachend, »wir machen in diesem Augenblick Geschichte und erzählen nicht. Findet uns ein Mittel hineinzukommen, so gibt das ein neues Capitel zu Euern galanten Damen

»Nun wohl, « sagte Herr von Brantome, »macht es wie man es beim König macht kratzet leise an der Thüre, so wird man Euch vielleicht öffnen.«

»Herr von Brantome hat Recht, « sagte der Prinz von Joinville. »Kratzet, Schwiegervater, kratzet.«

Der Marschall von St André kratzte.

Ein Bedienter, der im Vorzimmer machte oder vielmehr schlief und von dem ganzen so eben mit getheilten Gespräch Nichts gehört hatte, da dasselbe leise geführt worden, wachte auf, und in der Meinung, es sei Lanoue, die nach ihrer Gewohnheit Fräulein von St André wieder abholen wolle, öffnete er die Thüre halb und fragte sich die Augen reibend:

»Was gibt’s?«

Der Marschall von St. André stellte sich hinter die Thüre, und der Bediente sah sich dem Herzog von Guise gegenüber.

Als er alle diese Kerzen, alle diese vornehmen Herren und Damen, diese vor Vergnügen strahlen den Augen und spöttisch verzogenen Lippen sah, begann er an eine Überrumpelung zu glauben, und versuchte es die Thüre wieder zu schließen.

Allein der Herzog von Guise hatte als wahrer Städteeroberer bereits einen Fuß in das Vorzimmer gesetzt, und die Thüre, die sich wieder schließen sollte, prallte an seinem Lederstiefel ab.

Der Bediente drückte fortwährend aus Leibeskräften.

»He, Schlingel, « sagte der Herzog, »mach einmal auf.«

»Ach« gnädigster Herr, « antwortete der arme Teufel, an allen Gliedern zitternd, als er den Herzog erkannte, »ich habe förmliche Befehle. . .«

»Ich kenne Deine Befehle, aber ich kenne auch das Geheimniß, das da innen vorgeht, und es geschieht im Dienste und mit Beistimmung des Königs, wenn diese Herren und ich hineinwollen.«

Er hatte hinzufügen können: diese Damen, denn fünf oder sechs neugierige Frauenzimmer folgten der Bande, ins Fäustchen lachend.

 

Der Bediente, der, wie Jedermann, die Herrschaft kannte, welche Herr von Guise am Hof ausübte, meinte in der That, es handle sich um eine zwischen dem Herzog und dein König ausgemachte Sache. Er öffnete zuerst das Vorzimmer, dann den Saal der Verwandlungen, indem er sich auf seine Zehen stellte, um von der drinnen aufgespielten Scene Etwas zu erhaschen.

Es wer kein Eintritt, sondern ein wahrer Einbruch. Die Menge stürzte sich in’s Zimmer wie eine steigende Fluth.

V.
Wo Herr von Joinville genöthigt ist sein schlimmes Abenteuer zu erzählen

»Ich glaube gnädigster Herr, « sagte Robert Stuart, indem er zuerst sein Versteck verließ, »daß Ihr keine sonderliche Ursache habt mit Seiner Majestät sehr zufrieden zu sein, und daß Ihr, wenn Seine Majestät Euch jetzt die Begnadigung Anne Dubourgs nicht bewilligt, keine so starken Einwendungen gegen weinen Plan mehr haben solltet.«

»Ihr täuscht Euch, wein Herr, « sagte der Prinz von Condé, indem er auf der entgegengesetzten, Seite hervorkam und sich wieder auf seine Beine stellte: »Hätte der König mich auch noch schwerer beschimpft, so ist er doch immerhin der König, und ich darf eine persönliche Beleidigung nicht am Haupte der Nation rächen.«

»Die Vorgänge so eben ändern also Nichts an der Verpflichtung die Ihr gegen mich übernommen habt, gnädigster Herr ?«

»Ich habe Euch versprochen, mein Herr, beim Lever des Königs um die Begnadigung Anne Dubourgs zu bitten. Heute früh um acht Uhr werde ich im Louvre sein und um diese Begnadigung bittern.«

»Offen gestanden, gnädigster Herr, glaubt Ihr daß man sie Euch bewilligen wird?«

»Mein Herr, « antwortete der Prinz gen Condé mit ungemeiner Würde, »seid überzeugt, daß ich mir nicht die Mühe nehmen würde um diese Begnadigung zu bitten wenn ich nicht so ziemlich sicher wäre sie zu erhalten.«

»Es seit!« murmelte Robert Stuart mit einer Geberde, welche anzeigte, daß er nicht dasselbe Vertrauen hegte; »in einigen Stunden ist es Tag und dann werden wir sehen.«

»Jetzt, mein Herr, « sagte der Prinz, indem er um sich schaute, »handelt es sich darum, daß wir uns schnell und auf gescheidte Art davon machen. Euern beiden Episteln und der etwas ungewöhnlichen Art ihrer Beförderung haben wirs zu verdanken, daß die Thore des Louvre bewacht werden, wie wenn der Feind davor läge, und ich glaube, daß es Euch, besonders in dieser Uniform, schwer werden, dürfte vor morgen früh hinauszukommen. Ich ersuche Euch also wohl zu merken, daß ich, indem ich Euch mit mir nehme, sowohl Euch als Euern Freund, der Euch die Uniform geliehen hat, aus einem ziemlich schlimmen Handel ziehe.

»Gnädigster, Herr, ich vergesse niemals weder das Gute noch das Böse.«

»Glaubt, daß ich dies durchaus nicht sage, um Euch Dankbarkeit zu empfehlen, sondern nur um Euch die Ehrlichkeit meinen Absichten zu beweisen, und hierin ein Beispiel zu geben; denn Ihr werdet bemerken, daß ich Euch blos ganz einfach hier zu verlassen brauchte, um meines, Eides entbunden zu sein, ohne mich gleichwohl dagegen verfehlt zu haben.«

»Ich kenne die Biederteit des Herrn :Prinzen von Condé, « antwortete der junge Mann mit einer gewissen Rührung, »und ich glaube, daß er sich über die meinige nicht zu beklagen haben wird. Von heute an bin ich, Euch mit Leib und Seele ergeben. Wirkt die Begnadigung meines Vaters aus, so werdet Ihr keinen Diener haben, der so gerne wie ich für Euch stürbe.«

»Ich glaube Euch, mein Herr, antwortete der Prinz von Condé, »und obschon die Ursache sowie die Art unseres, Zusammentreffens höchst eigenethümicher Art sind, so kann ich Euch doch nicht verhelen, daß ich sogar für Eure That, so tadelnswerth sie jedem rechtschaffenen Menschen erscheinen muß in Folge des Beweggrundes, der Euch dazu, trieb, eine gewisse Nachsicht, ja beinahe Sympathie hege. Nur müßt Ihr mir Etwas sagen, nämlich wie es kommt, daß Ihr einen schottischen Namen führet, während der Rath Anne Dubourg Euer Vater ist.«

»Dieß ist ganz einfach, gnädigster Herr, wie alle Liebesgeschichten. Vor zweiundzwanzig Jahren war der Rath Anne Dubourg achtundzwanzig alt;« er machte, eine Reise nach Schottland, um seinen Freund Johann Knox zu besuchen. Er lernte dort ein junges Mädchen aus Lothian kennen; dieß war meine Mutter. Erst nach seiner Rückkehr nach Paris erfuhr er, daß das junge Mädchen schwanger war. Da er niemals an ihrer Tugend gezweifelt hatte, so erkannte er das Kind das sie gebar, an und empfahl es John Knox.«

»Es ist« gut, mein Herr« sagte der Prinz von Condé, »ich weiß, was ich wissen wollte. Beschäftigen wir uns jetzt mit unserm Hinauskommen.«

Der Prinz ging voran und öffnete die Thüre des Saales der Verwandlungen halb. Der Gang war wieder dunkel und einsam geworden, sie gelangten also mit einer gewissen Seicherheit hinein. Als sie an das Thor des Louvre kamen, warf der Prinz seinen Mantel über die Schultern des Schotten und fragte nach Dandelot.

Dandelot kam.

Der Prinz erzählte ihm mit wenigen Worten, was vorgefallen war, aber blos was sich zwischen dem Könige, Fräulein von St. André und den unglückseligen Besuchen, welche das Paar im Schlafen gestört, zugetragen hatte. Von Robert Stuart sagte er blos die fünf Worte.

»Dieser Herr ist bei mir.«

Dandelot begriff, daß es für Condé höchst nothwendig war so schnell als möglich aus dem Louvre zu kommen. Er ließ eine besondere Thüre öffnen, und der Prinz und sein Begleiter befanden sich draußen.

Sie begaben sich eiligst nach dem Fluß, ohne ein einziges Wort zu sprechen ; ein Beweis, daß sie Beide die Gefahr wohl zu würdigen wußten, der sie so eben entronnen waren.

Als sie ans Ufer kamen, fragte der Prinz den Schotten, wohin er gehe.«

»Rechts, gnädigster Herr, « antwortete dieser.

»Und ich links, « sagte der Prinz. »Jetzt stellt Euch heute Abend um zehn Uhr vor St. Germain l'Auxerrois ein; ich hoffe, daß ich Euch gute Nachrichten mitzutheilen habe.«

»Dank, gnädigster Herr, « sagte der junge Mann, indem er sich respektvoll verbeugte, »und erlaubt mir, Euch zu wiederholen, daß ich Euch von Stund an mit Leib und Seele ergeben bin.«

Damit ging Jeder seines Weges.

Es schlug drei Uhr.

Just in demselben Augenblick wurde der Prinz von Joinville ins Schlafzimmer Catharinas von Medici eingeführt.

Wie kam der junge Prinz, obschon gegen seinen Willen, zu einer solchen Stunde ins Zimmer der Königin Mutter, und mit welchem Recht maßte sie sich der Neffe die Privilegien des Onkels an?

Wir wollen es sagen.

Der arme Prinz kam nicht aus freiem Willen und nicht mit freudigem Herzen.

Man höre was sich zugetragen hatte.

Bekanntlich war die Königin Mutter zu Hause geblieben und hatte erklärt daß sie ins Bett gehen wolle, dort aber den Prinzen von Joinville, erwarte, der ihr als erster Beförderer all dieses Skandals ausführlichen Bericht erstatten müsse.

Nun aber war der Prinz von Joinville ein seiner Verblüfftheit über das Geschehene weniger als irgend ein anderer geneigt, sich zum Geschichtschreiber einer Katastrophe zu machen, worin seine eheliche Ehre schon vor seiner Verheirathung eine traurige Rolle spielte.

Ohne des gegebene Versprechen vergessen zu haben, hatte also der Prinz von Joinville ganz und gar keine Eile es zu erfüllen.

Aber Catharina erfreute sich nicht derselben Gleichgülltigkeit in Betreff des ihr noch unbekannten Geheimnisses. Sie hatte sich von ihren Frauen entkleiden lassen, war zu Bette gegangen, hatte alle ihre Leute mit Ausnahme ihrer vertrauten Kammerfrau verabschiedet und hatte gewartet.

Es hatte zwei Uhr geschlagen. Noch war keine Zeit verloren.

Dann schlug es sein Viertel auf drei, dann halb drei, dann drei Viertel.

Als die Königin jetzt weder Onkel noch Neffen erscheinen sah, hatte sie die Geduld verloren, Ihrer Kammerfrau gepfiffen (die Erfindung des Glöckchens geht blos zur Frau von Maintenon hinauf), und befohlen, den Prinzen von Joinville zu suchen und todt oder lebendig herbeizubringen.

Man hatte den Prinzen in wichtiger Berathung mit dem Herzog Franz von Guise und dem Cardinal von Lothringen gefunden.

Es versteht steh von selbst daß der Familienrath beschloß, eine Ehe zwischen dem Prinzen von Joinville und Fräulein von St. André sei durchaus unmöglich geworden.

Gegenüber dem von der Königin Mutter ertheilten Befehl zu ihr zukommen, hatte es keine Ausflucht gegeben.

Der Prinz von Joinville war gesenkten Hauptes weggegangen und mit noch gesenkterem Haupte kam er an.

Der Herzog von Montpensier und der Prinz de la Roche-sur-Yon hatten sich unterwegs davon gemacht.

Wir werden später sehen, in welcher Absicht.

Catharinas Ungeduld stieg mit jeder Minute. Wenn die vorgerückte Stunde ihr den Schlaf gebot, so hielt der Gedanke, daß sie irgend ein lustiges Abenteuer zur Beschämung ihrer lieben Freundin, der Frau Admiralin, vernehmen werde, sie wach.

»Ist er's endlich ?« sagte sie zu sich selbst.

Sobald dann der junge Mann sich zeigte, rief sie ihm ziemlich rauh entgegen :

»Ei so kommt doch, Herr von Joinville, ich erwarte Euch seit einer Stunde.«

Der Prinz näherte sich dem Bett, eines Entschuldigung stammelnd, von welcher Catharina nur die Worte verstand:

»Euer Majestät mögen mir verzeihen.«

»Ich:werde Euch nicht verzeihen, monsou von Joinville, « sagte die Königin Mutter mit ihrem florentinischen Accent, »außer wenn Eure Erzählung mich eben so sehr ergötzt, wie Euer langes Ausbleiben mich geärgert hat. Nehmt einen Stuhl und setzt Euch in meinen Bettgang. Ich sehe Euch an, daß außerordentliche Dinge sich zugetragen haben.

»Ja, « murmelte der Prinz, »in der That sehr außerordentliche Dinge, auf die wir ganz und gar nicht gefaßt waren.«

»Zum so besser! um so besser!« rief die Königin Mutter, sich die Hände reibend: »erzählt mir Alles ganz ausführlich. Ich habe schon lange keinen solchen Stoff zur Heiterkeit mehr gehabt. Ach, monsou von Joinville, man lacht nicht mehr bei Hof.«

»Das ist wahr, Madame, « antwortete Herr von Joinville mit der Miene eines Leichenbitters.

»Nun wohl, wenn eine Gelegenheit kommt sich ein wenig lustig zu machen, « ;fuhr Catharina fort, »so muß man ihr entgegengehen, statt sie entwischen zu lassen. Beginnet also Euere Geschichte, monsou von Joinvilles; »ich höre, und verspreche Euch kein Wort zu verlieren.«

Und in der That machte sichs Catharina in ihrem Bette recht bequem, um durch Nichts in dem Vergnügen gestört zu werden, das sie sich versprach.

Dann wartete sie.

Aber für monsou von Joinville, wie Catharina sagte, war es schwer die Erzählung zu beginnen, und monsou von Joinville blieb stumm.

Die Königin Mutter glaubte Anfangs der junge Mann sammle seine Ideen; aber als sie sah, daß das Schweigen fortwährte, reckte sie ihren Kopf empor, ohne den übrigen Körper zu bewegen, und warf ihm einen unbeschreiblichen Blick dringender Frage zu.

»Nun wohl?« sagte sie.

»Nun wohl, Madame, « antwortete der Prinz, »ich gestehe Euch, daß meine Verlegenheit groß ist.«

»Eure Verlegenheit, warum?«

»Um Euer Majestät zu erzählen, was ich gesehen habe.«

»Was habt Ihr denn gesehen monsou von Joinville? Ich gestehe Euch daß ich vor lauter Neugierde noch, verrückt werde, ich habe lange genug gewartet, « fuhr Catharina fort, indem sie ihre schönen Hände rieb; »aber es scheint, daß ich durchs Warten Nichts verloren haben werde. Wohlan denn . . . es war also wirklich auf heute Nacht, denn Ihr erinnert Euch, lieber monsou von Joinville, daß das Billet, das Ihr mir zugestellt habt, die Worte :»heute Nacht« enthielt, aber kein Datum trug.«

»Ja, Madame, es war für heute Nacht.«

»Sie waren also im Saal der Verwandlungen?«

»Sie waren da.«

»Alle beide?«

»Alle beide.«

»Immer Mars und Venus? Ei so sagt mir doch, ich weiß wer Venus war; aber Mars?«

»Mars, Madame?«

»Ja, Mars . . . ich weiß nicht, wer Mars war.«

»In Wahrheit, Madame, ich frage mich, ob ich es Euch sagen soll.«

»Wie! ob Ihr mirs sagen sollt? Ich glaube wohl, daß Ihr mirs sagen müßt, und wenn Ihr Scrupel habt, so hebe ich sie. Also Mars! Jung oder alt ?«

»Jung!«

»Hübsch von Person?«

»Allerdings hübsch.«

»Von Qualität ohne Zweifel?«

»Von erster Qualität.«

«Oh, oh! Was sagt Ihr mir da, monsou von Joinville?« fragte die Königin Mutter, indem sie sich aufsetzte.

»Die Wahrheit Madame.«

»Nie! es ist nicht irgend ein blinder und unwissender Page?«

»Es ist kein Page.«

»Und dieser kühne junge Mensch, « fragte Catharina, die ihrer Spottsucht nicht widerstehen konnte, »dieser kühne junge Mensch nimmt einen Rang bei Hofe ein?«

»Ja, Eure Majestät, sogar einen sehr hohen!«

 

»Einen sehr hohen ?«

»Aber um Gotteswillen, sprecht doch, monsou von Joinville, man muß Euch ja die Worte entreißen, wie wenn es sich um ein Staatsgeheimniß handelte.«

»Es handelt sich auch um ein Staatsgeheimniß, « sagte der Prinz.

»Oh dann, monsou von Joinville, bitte ich Euch nicht mehr; sondern ich befehle Euch, Sagt mir den Namen dieser Person.«

»Ihr verlangt es?«

»Ich Verlange es.«

»Nun wohl, Madame, « sagte der :Prinz, indem er sein Haupt empor richtete, »diese Person, wie Ihr Euch auszudrücken beliebt, ist niemand anders als Seine Majestät der König Franz II.«

»Mein Sohn?« rief Catharina, indem sie in ihrem Bett aufsprang.

»Euer Sohn!s ja, Madame.«

Wenn ganz plötzlich eine Donnerbüchse mitten im Zimmer losgegangen wäre, so hätte sie auf dem Gesicht der Königin Mutter keine heftigere Bewegung, keine raschere Entstellung hervorbringen können.

Catharina fuhr mit der Hand über ihre Augen, wie wenn die Dunkelheit des blos von einer einzigen Lampe beleuchteten Zimmers sie am Sehen hinderte; dann heftete sie ihren durchdringenden Blick auf Herrn von Joinville, näherte sich ihm so, daß sie ihn berührte, und sagte zu ihm halblaut, aber in einem Ton,, der jetzt nicht mehr spöttisch, sondern furchtbar geworden war:

»Ich wache doch, nicht wahr, monsou von Joinville? Ich habe recht gehört? Ihr habt mir wirklich gesagt, daß der Held dieses Abenteuers mein Sohn sei?«

»Ja, Madame.«

»Ihr wiederholt es?«

»Ich wiederhole es.«

»Ihr versichert es?«

»Ich schwöre es.«

Und der junge Prinz streckte die Hand aus.«

»Gut, monsou von Joinville, « sprach Catharina mit düsterer Miene; »ich begreife jetzt Euer Zögern, ich würde sogar Euer Schweigen begriffen haben. Oh, des Blut steigt mir ins Gesicht! Ists möglich? mein Sohn der eine allerliebste junge Frau hat, nimmt eine Maitresse, die doppelt so alt ist wie er! Mein Sohn geht zu meinen Feinden über! mein Sohn, nein bei Gott, es ist unmöglich! mein Sohn sollte der Liebhaber der Frau Admiralin sein!«

»Madame, « sagte der Prinz von Joinville, »wie das Billet in die Tasche der Frau Admiralin kam, das weiß ich nicht, aber unglücklicherweise weiß ich, daß die Frau Admiralin es nicht war, die sich im Zimmer befand.«

»Wie!« rief Catharina, »was sagt Ihr da? Es war nicht die Frau Admiralin?«

»Nein, Madame sie war es nicht.«

»Nun, wer war es denn?«

»Madame . . .«

»Monsou von Joinville, den Namen dieser Person, ihren Namen im Augenblick!«

»Geruhe Eure Majestät mich zu entschuldigen!«

»Euch entschuldigen! und warum ?«

»Weil ich in Wahrheit der Einzige bin von dem man nicht das Recht hat eine solche Enthüllung zu verlangen.«

»Nicht einmal ich, monsou von Joinville ?«

»Nicht einmal Ihr, Madame. Uebrigens ist Eure Neugierde leicht zu befriedigen, und die erste Person vom Hof, die Ihr statt meiner fragen werdet . . .«

»Aber um diese erste Person zu fragen, muß ich bis morgen warten, monsou von Joinville. Ich will den Namen dieser Person sogleich, augenblicklich wissen. Wer sagt Euch, ob ich nicht eine Maßregel zu ergreifen habe, die einen Aufschub duldet?«

Und Catharinas Augen flammten, indem sie sich auf den jungen Mann hefteten.

»Madame, sagte er, »suchet die einzige Person am ganzen Hof, die ich Euch nicht nennen kann. Nennet sie . . . aber ich, oh ich! Das ist unmöglich.«

Und der junge Prinz hielt beide Hände vor sein Gesicht, um theil seine Schamröthe, theils seine vom Zorn erpreßten Thränen zu verdecken.

Eine Idee fuhr Catharina gleich dem Leuchten eines Blitzes durch den Kopf.

Sie stieß einen Schrei« aus, und indem sie die Hände des jungen Mannes ergriff und wegriß sagte sie:

»Ah! Fräulein von St. André?«

»Der Prinz antwortete nicht, aber in seinem Schweigen lag das vollste Bekenntniß.

Ueberdieß sank er auf dem Stuhle der neben dem Bette stand zusammen.

Catharina betrachtete ihn einen Augenblick mit einem Mitleid, worein Verachtung gemischt war.

Dann sagte sie mit einer Stimme, welche sie so kosend als möglich zu machen suchte:

»Armer Junge! Ich beklage Euch von ganzem Herzen;denn es scheint, Ihr liebtet dieses treulose Geschöpf. Kommt her, gebt mir Eure Hand und ergießet Euren Kummer ins Herz Eurer guten Mutter Catharina. Ich begreife jetzt, warum Ihr schweiget, und ich bereue, daß ich Euch so bedrängt habe. Verzeihet mir also, mein Sohn, und jetzt da ich das Uebel kenne, laßt uns auf das Heilmittel bedacht sein. Es gibt an unserem Hofe noch andere junge Mädchen, als Fräulein von St. André, und wenn an unserem Hof in Paris keine vornehm und schön genug für Euch ist, so wollen wir beim spanischen oder italienischen Hof anfragen. Faßt Euch also, mein lieber Prinz und laßt uns ernsthaft sprechen, wenn es möglich ist.«

Aber statt auf diese Rede zu antworten, die offenbar einen sichtbaren und einen geheimen Zweck hatte, nämlich ihn zu trösten und seinen Muth zu sondiren, fiel Herr von Joinville vor dem Bett der Königin Mutter auf seine Knie und verbarg schluchzend sein Gesicht zwischen den Tüchern.

»Gnade, Eure Majestät, « rief er unter Thränen, »Gnade und Dank für Eure zärtliche Sorgfalt. Aber ich habe in diesem Augenblick blos noch die Kraft meine Schande zu ermessen und meinen Schmerz zu fühlen. Ich erflehe also von Eurer Majestät die Erlaubniß mich zurückzuziehen.«

Die Königin Mutter heftete einen Blick tiefer Verachtung auf diesen Menschen, der sich in seinem Schmerz krümmte.

Ohne daß ihre Stimme im Mindestens das Gefühl verrieth, das in ihrem Blick zu lesen stand, sagte sie dann, indem sie dem jungen Prinzen ihre Hand reichte, die er lebhaft küßte:

»Gehet, mein Sohn, und kommt morgen früh wieder zu mir, damit mir plaudern können. Bis dahin gute Nacht und behüte Euch Gott!«

Herr von Joinville benützte lebhaft den erhaltenen Urlaub und stürzte aus dem Zimmer.

Catharina sah ihm schweigend nach, bis er hinter der Tapete verschwunden war; dann heftete sie ihren Blick auf diese Tapete, bis die zitternde Bewegung aufhörte, welche der Weggang des Prinzen an dem Gewebe verursacht hatte.

Hierauf stemmte sie sich mit dem Ellbogen auf ihr Kissen und sagte mit dumpfer Stimme:

»Von heute an habe ich eine Nebenbuhlerin, und von morgen an habe ich alle Gewalt über meinen Sohn verloren, wenn ich nicht Ordnung schaffe.«

Dann schwebte nach einem Augenblick tiefen Nachdenkens ein triumphirendes Lächeln auf ihren Lippen.

Ich werde Ordnung schaffen!« sagte sie.