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Büßende Magdalenen

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Und da nun Dein Papa und Deine Mama diese Kleinigkeit übersehen haben, so hast Du, freier Manu, wahlberechtigt, Vertheidiger des Eigenthums, der Du wußtest, daß man Dich dafür nicht heimsuchen würde, das verschlossene, geheimnißvolle Werk ergriffen, um zu sehen , was darin enthalten war. Du hast es geöffnet, Du hast es erbrochen und einige Zeit lang die Ueberraschungen, welche Du dabei empfunden, wieder gesucht, und da sie nicht mehr vorhanden waren, hast Du es einem andern übergeben, welcher es einem dritten hingereicht, so daß, von Hand zu Hand, von Lust zu Lust, von Elend zu Elend gehend, Deine Heißgeliebte endlich in einem mit ewig verschlossenen Jalousien versehenen, in irgend einer dunklen Gasse verborgenen und mit einem schimpflichen Schilde bezeichnetem Hause anlangt.

Jetzt zu Dir! Du Jedermann – der Du keine Gewissensbisse haben und der Du nur die großen, von der Behörde erlaubten und genehmigten Wege des Vergnügens betreten willst! Tritt herein, Knabe! der Du am Morgen Deine Schulbücher verkauft hast, um endlich zu erfahren, was das Weib ist, tritt herein und lerne doch, wie , man dergleichen anfaßt, und wie man damit fertig wird.

Schleiche dich herein, nach rückwärts blickend, Richter, der Du zur Scheinmoralität verurtheilt bist, und der Du für die morgige Sitzung das Gleichgewicht deiner Sinne nöthig hast! Und Du, müßiger Spaziergänger, der Du nach Hause gehst, ohne an etwas Böses zu denken, gib der Versuchung nach. Es wird Dir so leicht gemacht, Du hast es so billigen Kaufes. Oeffnet alle Thüren, bringt zu Trinken. Da kommen guter Leute Kind, welche gut gegessen haben, genug Geld besitzen und genug blasiert sind, um hier lesbische Spiele zu suchen. Wer sind diese verschleierten Frauen, welche sie begleiten? Sind das nicht Frauen der Gesellschaft, getrieben von dem Wunsche, Alles zu kennen? Aber hier ist ja der Tempel der Gleichheit, meine Herren! Sie müssen warten, bis der Reisende, welcher Paris besucht, sein Schärflein an die Hauptstadt der Ausschweifung gezollt hat, und bis diese dicken Kaufleute, Gatten und Familienväter, die soeben beim nächsten Restaurateur ein gutes Geschäft geschlossen, damit fertig sind, bevor sie in ihre Haushaltungen zurückkehren, sich gegenseitig ihre Vergnügungen zu bezahlen. Und Du, zitternder und entnervter Greis, was hast Du in dieser Höhle zu suchen? Du kommst, um hier eine Secunde schmerzlichen Vergnügens zu erbitten, welche du vielleicht mit einen Schlaganfall bezahlen wirst; worauf man Dich in einen Fiacker packen und Dich zu Deiner alten Gefährtin zurückführen wird, wenn man Dich nicht ganz einfach unter eine Gaslaterne legt, von wo der erste beste davon benachrichtigte Polizist Dich ohne Scandal aufheben lassen kann. Kommet her! Neugierde, Müßiggang, Heuchelei, Laster und Bestialität, Trunkenheit, Unvermögen und menschliche Verthiertheit, tretet kühn bei dieser Creatur ein und werfet ihr die abgestorbenen Reste Eurer Seele hin – sie ist das gemeinschaftliche Grab der Liebe!

Und welche Sicherheit findest Du da! Damit dort die Liebe Deinen Körper nicht vergifte, wie sie daselbst Deine Seele beschmutzt, welche Vorsichtsmaßregeln hat noch diesen Morgen die sorgsame und mütterliche Verwaltung getroffen, unter der zu leben Du das Glück hast. In geschlossenen Wagen, welche die Luft und das Licht nur von oben erhalten, führte man diese Mädchen mit Tagesanbruch zur Polizei. Die Heerde ist visitiert worden, alle gesund befundenen Thiere wurden dem Verkehr wieder gegeben, die anderen, durch ein rothes Kreuz markiert, wurden ausgeschieden und ins Spital expediert. Du hast also nichts zu fürchten. Du kannst über dieses Fleisch herfallen, ohne Furcht vor Trichinen. Gesünder als roher Schinken! Was willst Du mehr?

Sieh, das ist Dein Werk! Herr der Schöpfung, geschaffen nach dem Bilde Gottes, erlöst durch den Messias! Und wenn durch Zufall eines dieser Mädchen, geschickter oder glücklicher als die andern, sich Deines Sohnes bemächtigt, und die Erbschaft, welche er von Dir erwartet, einsteckt, welches Geschrei erhebst Du. Wie Du dann die Gesellschaft verantwortlich machst, wie Du die Literatur, die Sorglosigkeit der Behörde, die Unzulänglichkeit der Gesetze anklagst. Du deklamierst gegen diese Dirnen, welche Deine Familie ruinieren und entehren.

So lange Du durch die Frau lebtest, hast du dich nicht darüber beklagt. Sobald sie Dein Gut angreift, lärmst Du. Erbärmliches starkes Geschlecht! armseliger Wühler, Weltverbesserer und Barrikadenheld, armseliger Thronzerstörer! Das hattest Du nicht vorhergesehen. Das ist Dein Fehler, Dummkopf! Anstatt Deinen Sohn zu lehren, eine Classe der Frauen zu verachten und die andere zu verehren, hättest Du ihn lehren müssen, das Weib überhaupt zu achten, ihm vorher zu Hilfe kommen, damit nachher er es nicht zu bereichern, zu beleidigen und zu ertragen gebraucht hätte.

Anstatt ihn in unsere Comödien zu führen, welche ihn verderben mußten, hättest du mit ihm von Zeit zu Zeit die Ateliers, die Hospitale, die Klinik und den Leichensaal besuchen sollen; »du mußtest ihn eindringen lassen in die Untersuchungszimmer, in die Gebäranstalten, du mußtest ihm die Frau zeigen, die Frau von allen Seiten bestohlen, gebrandmarkt, besudelt, ausgebeutet durch den Mann, und ihm sagen: »Das haben Deine Väter gethan, handle anders! Es ist Zeit, die Grundsätze einer Gesellschaft zu modificiren, in der die Frau nur ein Lastthier oder ein Raubthier sein kann.

Glücklicherweise gibt es erleuchtete und wohlwollende Wesen, welche es sich, die Einen im Namen der gesunden Vernunft, des Verstandes, der socialen Verhältnisse, die Andern ganz einfach in dem der Barmherzigkeit, zur Aufgabe gemacht haben, in diesem großen Schiffbruch der Frauen als Retter aufzutreten, die jeden Moment untertauchen, um eine Seele an’s Ufer zurück zu führen. Aber welcher Muth gehört dazu, und welche winzige Resultate werden erzielt, denn diejenigen, welche auf dem festen Boden sind, denken anders und gehen anderen Weges! Sicherlich die Wohlthätigkeitsspenden, die Almosen flossen nie so reichlich als jetzt, aber sie werden noch ein wenig mit bewaffneter Hand erzwungen, und man faßt, so zu sagen, den Vorübergehenden beim Kragen, ihm seine Börse für die Unterstützung Anderer abverlangend. Kaum daß man ihm unter dem Titel von Concerten, Bällen und anderen Vergnügungen, ein wenig von seinem Ueberfluß entzieht, aber wenn man die Diamanten des Fräulein B. oder die Equipage der Madame C. sieht, fragt man sich, ob die reichen Leute nicht etwas mehr thun könnten für die armen Mädchen. Mittlerweile gründet man Gewerbeschulen, bestimmt, dem Uebel vorzugreifen, und Asyle, um dasselbe aufzuhalten. Das Asyl St. Anna gehört zu letzteren.

Prüfen wir das Werk des Frl. Chupin, dasselbe ist bewunderungswürdig und unsinnig zu gleicher Zeit: bewunderungswürdig , weil die Gründerin eingesehen hat, daß man zwischen den Fehlern der Frau, welche nicht ungeschehen gemacht werden können, und zwischen der Verdammung der Familie und der Gesellschaft eine Vermittlung schaffen müsse, welche eine Besserung und eine Verzeihung möglich mache. Unsinnig, weil die Hoffnung, der sich immer mehr verbreitenden Prostitution des 19ten Jahrhunderts hindernd in den Weg treten zu wollen, eine Absicht ist, welche zum Lachen reizt, wie das Treiben eines Narren. Als diese gute und heilige Frau kam, um mich über die anzuwendenden Mittel, welche sie so schnell als möglich zum Ziele führen sollten, zu Rathe zu ziehen, konnte ich nicht umhin, ganz ebenso zu sprechen, als ich es jetzt thue. Ich wollte sie nicht entmuthigen, was ich übrigens vergebens versucht hätte, denn der Glaube lebt in ihr, aber ich wollte sie aufmerksam machen auf die unberechenbaren Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens.