Buch lesen: «Antibiotika-Fibel 2021/22»
Die Asklepios Praxisbibliothek
Experten in den über 100 Einrichtungen der Asklepios Kliniken dokumentieren und vermitteln seit Jahren ihr klinisches Know-how zu verschiedensten Fachthemen. Die Schriftenreihe Asklepios Praxisbibliothek macht diese wertvolle, bisher nur lokal verfügbare Expertise nun schrittweise allen Kliniken und dem breiten Fachpublikum zugänglich. Asklepios setzt damit ein weiteres, klares strategisches Zeichen für mehr Innovation und Qualität in der Patientenbehandlung.
Die Antibiotika-Fibel erscheint seit der 2. Auflage bei der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft.
Verfasser der 2. Auflage: J. Braun, T. Garms, S. Huggett, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Verfasser der 3. Auflage: J. Braun, T. Garms, S. Huggett, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Verfasser der 4. Auflage: J. Braun, S. Huggett, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Verfasser der 5. Auflage: S. Huggett, H.-P. Hauber, J. Braun, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Verfasser der 6. Auflage: S. Huggett, H.-P. Hauber, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Verfasser der 7. Auflage: S. Huggett, H.-P. Hauber, I. Kreft, A. Stoehr, H. von Wulffen
Asklepios Praxisbibliothek
Die Autorinnen und Autoren
Dr. med. Susanne Huggett MEDILYS Laborgesellschaft mbH Krankenhaushygiene Asklepios Klinikum Harburg Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg
Dr. med. Stefanie Döring MEDILYS Laborgesellschaft mbH Mikrobiologie Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Straße 1 22763 Hamburg
PD Dr. med. Hans-Peter Hauber Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin Regio Kliniken GmbH Agnes-Karll-Allee 17–19 25337 Elmshorn
Dr. rer. nat. Isabel Kreft Krankenhausapotheke der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH Tangstedter Landstraße 400 22417 Hamburg
Dr. med. Albrecht Stoehr ifi – Institut für Infektiologie und Immunologie Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstraße 5 20099 Hamburg
Dr. med. Susanne Wenner-Ziegler MEDILYS Laborgesellschaft mbH Krankenhaushygiene Asklepios Klinikum Harburg Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg
Prof. Dr. med. Hinrik von Wulffen Asklepios Medical School GmbH Lohmühlenstraße 5 20099 Hamburg
Die Autorinnen und Autoren danken Herrn Dr. Lars Frommelt, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie für die Mitwirkung an der 8. Auflage.
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Unterbaumstraße 4
10117 Berlin
ISBN 978-3-95466-618-8 (eBook: PDF)
ISBN 978-3-95466-619-5 (ePub)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2021 Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH und
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Die erste Auflage ist mit dem Titel „Rationale Antibiotikatherapie“ im Selbstverlag der Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH erschienen.
Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.
Produkt-/Projektmanagement: Charlyn Maaß, Anna-Lena Spies, Berlin
Lektorat: Monika Laut-Zimmermann, Berlin
Layout, Satz, Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Zuschriften und Kritik an:
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, lektorat@mwv-berlin.de
Liebe Leserinnen und Leser,
in Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 500.000 Patienten an Krankenhausinfektionen. Die Zunahme antimikrobieller Resistenzen bei Bakterien stellt inzwischen eine globale gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Zunehmend werden durch multiresistente Erreger verursachte Infektionen aber auch ambulant und somit außerhalb von Krankenhäusern erworben. Infektionen durch resistente Bakterien sind schwierig zu therapieren, verlängern die Behandlungsdauer und haben erhöhte Mortalität und Behandlungskosten zur Folge.
Die Hauptursachen für die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen sind die unsachgemäße Verordnung und Anwendung von Antibiotika sowie Defizite in der Hygiene. Der sachgerechten Verordnung von Antibiotika durch Ärztinnen und Ärzte kommt somit eine entscheidende Rolle bei der Verminderung des Selektionsdrucks und der Sicherung von Therapieoptionen zu. Antibiotic Stewardship-Maßnahmen haben deshalb ein großes Potenzial zur Eindämmung der Resistenzen und damit zur Verbesserung der Patientensicherheit. Die Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) beim RKI hat im Mai 2020 das Positionspapier „Strukturelle und personelle Voraussetzungen für die Sicherung einer rationalen Antiinfektivaverordnung in Krankenhäusern” veröffentlicht. Hier wird eindeutig dargestellt, dass mit Antibiotic Stewardship durch interdisziplinär abgestimmte Maßnahmen auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz der Einsatz von Antiinfektiva verbessert werden kann. In der vorliegenden, mittlerweile 8. Auflage der Antibiotika-Fibel haben die Autoren den Rückmeldungen der Leserschaft erneut Rechnung getragen und darüber hinaus neueste Empfehlungen aus den Leitlinien berücksichtigt.
Prof. Dr. Christoph U. Herborn
Vorstand CMO
Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA
Hamburg, April 2021
Vorwort
Wir freuen uns, Ihnen die Antibiotika-Fibel jetzt in der 8. Auflage zu präsentieren. Neue Empfehlungen und aktuelle Leitlinien von Fachgesellschaften wurden berücksichtigt.
Mit unserer Antibiotika-Fibel sollen Sie im klinischen Alltag darin unterstützt werden, die in unseren Kliniken eingeführten Präparate – übersichtlich für die wichtigsten Infektionen dargestellt – zielgerichtet in der richtigen Dosierung und notwendigen Therapiedauer einzusetzen. Wir möchten dem klinisch tätigen Arzt, aber auch den ABS-Teams in den Kliniken Entscheidungshilfe sein.
Es wird vor dem Hintergrund der Resistenzentwicklung weltweit immer wichtiger, Antibiotika nur dann einzusetzen, wenn eine behandlungsbedürftige Infektion vorliegt. Das Spektrum sollte so schmal wie möglich sein, damit uns die Breitbandantibiotika für die kalkulierte Therapie schwerer Infektionen ohne Erregernachweis weiter zur Verfügung stehen. Ein Antibiogramm ist keine Aufforderung zur Antibiotikatherapie.
Die WHO hat 2017 Antibiotika in drei Kategorien eingeteilt:
1.Zugang (Access)
2.Beobachtung (Watch)
3.Reserve (Reserve)
Antibiotika der 1. Kategorie wie z.B. Penicilline, Cefalosporine der 1. und 2. Generation, Doxycyclin und Clindamycin sollen jederzeit verfügbar sein. In die Kategorie „Beobachtung“ fallen z.B. Chinolone, 3. Generationscephalosporine und Carbapeneme, deren Einsatz deutlich reduziert werden soll, um eine weitere Resistenzentwicklung zu vermeiden. Wirkstoffe der Reservegruppe wie Colistin und Cephalosporine der 4. Generation sollen nur eingesetzt werden, wenn Antibiotika der Kategorie 1 + 2 wirkungslos sind.
Im April 2019 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Rote-Hand-Brief zu Fluorchinolon-Antibiotika veröffentlicht und auf schwerwiegende möglicherweise irreversible Nebenwirkungen durch systemisch bzw. inhalativ angewendete Fluorchinolone aufmerksam gemacht. Die Indikation für die Verordnung dieser Antibiotika für die Therapie soll sehr streng gestellt werden. Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Antibiotikagabe stehen können, sollen gemeldet werden. In der aktuellen 8. Auflage unserer Antibiotika-Fibel wird der Einsatz von Fluorchinolonen als Therapieempfehlung bei bestimmten Infektionen weiter eingeschränkt. Der auf wenige Indikationen beschränkte Einsatz von Chinolonen hat in einigen Kliniken erfreulicherweise bereits zu einer Verbesserung der Empfindlichkeit von Chinolonen gegenüber bestimmten Bakterien geführt.
Die vorliegenden Empfehlungen haben wir mit größter Sorgfalt erstellt. Dennoch bitten wir Sie darum, im Einzelfall bei der Therapie Ihres Patienten unsere Angaben auf Richtigkeit zu überprüfen und individuelle Aspekte des Patienten zu berücksichtigen.
Gern nehmen wir Ihre Hinweise und Anregungen auf und freuen uns über eine Rückmeldung.
Hamburg, April 2021
Dr. med. S. Huggett, Dr. med. S. Döring, PD Dr. med. H.-P. Hauber, Dr. rer. nat. I. Kreft, Dr. med. A. Stoehr, Dr. med. S. Wenner-Ziegler, Prof. Dr. med. H. von Wulffen
Inhalt
Hinweise zur Antibiotikatherapie
Therapieversagen
Antibiotic Stewardship (ABS) – ein Instrument zur Reduktion der Resistenzentwicklung
1Infektion der Atemwege
1.1Infektexazerbation bei COPD
1.2Ambulant erworbene Pneumonie
1.3Nosokomiale Pneumonie
2Harnwegsinfekte
2.1Asymptomatische Bakteriurie
2.2Unkomplizierte Harnwegsinfekte
2.3Komplizierte Harnwegsinfekte
2.4Infektionen in Schwangerschaft und Stillzeit
3Abdominelle Infektionen
4Chirurgische Infektionen
4.1Postoperative Wundinfektion
4.2Weichgewebeinfektionen
4.3Knocheninfektionen
5Gynäkologische Infektionen
6Bakterielle Meningitis
6.1Initialtherapie
6.2Umgebungsprophylaxe bei Meningitis
7Endokarditis
7.1ESC Guideline 2015
7.2Kalkulierte Therapie
7.3Gezielte Therapie
7.4Endokarditisprophylaxe
8Sepsis
9Neutropenisches Fieber
9.1Definitionen
9.2Antimikrobielle Therapie
10Infektionen im HNO- und MKG-Bereich
10.1Infektionen des Halses und der Mundregion
10.2Infektionen der Ohren
10.3Infektionen der Nase und deren Komplikationen
11Mykosen
11.1Pilzinfektionen – HIV-positive Patienten
11.2Pilzinfektionen – neutropenische Patienten
12Perioperative Antibiotikaprophylaxe (PAP)
13HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP)
14Gezielte Antibiotikatherapie und Infektionen mit multiresistenten Erregern
14.1Gezielte Antibiotikatherapie
14.2Infektionen mit multiresistenten Erregern
15Verfügbare Antiinfektiva in den Kliniken der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH (03/21)
15.1Antibiotika (24-h-Dosis = für Erwachsene)
15.2Antimykotika
15.3Virustatika (außer antiretrovirale Substanzen)
16Empfehlungen zur (Höchst-)Dosierung bei Niereninsuffizienz und Hämodialyse
16.1Therapiehinweise zu Vancomycin
17Antiinfektiva in der Schwangerschaft (Positivliste)
18Tagestherapiekosten Antibiotika/Antimykotika
Sachwortverzeichnis
Hinweise zur Antibiotikatherapie
Antibiotika sind keine Antipyretika! Nur bei infektiöser Ursache verordnen. Fieber ohne weitere Entzündungsparameter (Leukozytose oder -penie, Linksverschiebung, CRP-, PCT-Erhöhung etc.) ist keine Indikation zur Therapie!
Gezielte Therapie anstreben, vor Beginn der antimikrobiellen Therapie Erregernachweis durchführen, z.B. Wundabstriche, Blutkulturen bei V.a. Endokarditis, Sepsis oder Pneumonie. Mikroskopie erlaubt oft schnellen Rückschluss auf Erreger.
Vor Beginn der Antibiotikatherapie Allergien erfragen.
Aktuelle Resistenzsituation in der Region bzw. Klinik bei der Therapieentscheidung berücksichtigen.
Kalkulierte (initiale) Antibiotikatherapie bis zum Eintreffen des Ergebnisses des Erregernachweises und der Resistenzbestimmung.
Welcher Erreger kommt infrage?
Wurde der Erreger innerhalb oder außerhalb des Krankenhauses erworben?
Anamnese: Auslandsaufenthalt, stationäre Behandlung, Dauer des Klinikaufenthalts, Verlegung aus einem Pflegeheim?
Nachweis von Wunden?
Besonderheiten des Patienten: Nieren-, Leberfunktion, Schwangerschaft?
Meist ist bei den heute verfügbaren Präparaten eine Antibiotika-Monotherapie ausreichend.
Nach Erhalt der Resistenzbestimmung Umsetzen der Antibiotika auf wirksame Substanzen bzw. Präparate mit einem schmaleren Spektrum.
Das Vorliegen eines Antibiogramms stellt keine Indikation zur Antibiotikatherapie dar.
Gleichzeitige Anwendung mehrerer nephro- bzw. ototoxischer Substanzen vermeiden.
Bei der Gabe von Aminoglykosiden und Glykopeptiden ab Tag 3 regelmäßige Serumspiegelkontrollen (Toxizität, ausreichende Wirkspiegel). In der Regel ist eine Aminoglykosidgabe über 3–5 Tage ausreichend (und dann auch sicher). Ausnahme: Endokarditis!
Therapiedauer: Antibiotika so lange wie nötig und so kurz wie möglich! In der Regel können Antibiotika 3 Tage nach Entfieberung abgesetzt werden (Ausnahme z.B. Tonsillitis, Endokarditis).
Frühzeitige Umstellung von i.v.- auf p.o.-Applikation (s. SEQ, Sequenztherapie).
Falls der Patient 2–3 Tage nach Beginn der antibiotischen Therapie nicht entfiebert und ein Erregernachweis nicht gelingt: Alle Ursachen eines Therapieversagens (s.u.) erwägen. Gegebenenfalls wirkungslose Antibiotikatherapie absetzen und, falls der Zustand des Patienten dies erlaubt, nach mehrtägiger Antibiotikapause erneute Diagnostik durchführen!
Reserveantibiotika sind mit einem § gekennzeichnet. Diese sollten als Sonderanforderung (Freigabe durch Chef- oder Oberarzt) bestellt werden.
Zu Beginn der Antibiotikatherapie Indikation und voraussichtliche Therapiedauer festlegen und dokumentieren.
Therapieversagen
Häufige Gründe für den Misserfolg einer Behandlung von Infektionskrankheiten:
Falsches Antibiotikum (primäre oder erworbene Resistenz des Erregers).
Falsche Dosierung mit unzureichender Konzentration am Ort der Infektion (Pharmakokinetik der eingesetzten Arzneimittel, abszedierende Infektionen, Fremdkörperinfektionen).
Antibiotikum trotz nachgewiesener In-vitro-Empfindlichkeit in-vivo unwirksam.
Resistenzentwicklung unter laufender Therapie (z.B. gegen 3. Generations-Cephalosporine bei Enterobacter cloacae).
Schweres Immundefizit.
Schwer oder nicht anzüchtbarer Erreger (z.B. M. tuberculosis, Chlamydien).
Virus- oder Pilzinfektion.
Keine mikrobiologische Ursache eines infektionsähnlichen Bildes (z.B. SIRS, drug-fever, sonstige Ursachen eines Fiebers).
Unzureichende supportive oder organprotektive Therapie (Beatmung, Flüssigkeitssubstitution, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Kreislaufstabilisierung).
Bei fortbestehendem Fieber 2–3 Tage nach Therapiebeginn muss die eingeleitete Antibiotikatherapie überprüft werden. Ggf. sollte ein infektiologisches Konsil veranlasst werden bzw. das ABS-Team eingeschaltet werden.
Antibiotic Stewardship (ABS) – ein Instrument zur Reduktion der Resistenzentwicklung
Antibiotika sind für die Behandlung von Infektionskrankheiten (über-)lebenswichtig. Mit der Einführung von Antibiotika entwickelte sich weltweit die inzwischen bedrohlich zunehmende Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika. Neben dem Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin fördert die Antibiotikagabe in der Veterinärmedizin die Resistenzentwicklung. Auch in der Umwelt sind bereits relevante Mengen von Resistenzgenen festgestellt worden.
Die WHO sieht die Resistenzentwicklung als globale Bedrohung und hat insbesondere durch den Mangel an neuen wirksamen antiinfektiven Wirkstoffe die postantibiotische Ära ausgerufen. Sie hat den Erhalt der Wirksamkeit antimikrobieller Wirkstoffe zur größten Herausforderung der Medizin im 21. Jahrhundert erklärt.
Die Resistenzentwicklung ist ein multifaktorielles, globales Problem, das nur durch gemeinsame Aktivitäten der Human- und Tiermedizin sowie der Umwelt im Sinne einer One-Health-Strategie gelöst werden kann.
Alexander Fleming entdeckte 1928 das Penicillin, eine der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Bereits in seiner Nobelpreisrede machte er darauf aufmerksam, welche Gefahr im zu niedrigen Einsatz eines Antibiotikums liegt: Die Entstehung einer Resistenz und damit die Unwirksamkeit des Medikaments mit möglicher Todesfolge.
Nach Vorhersagen des englischen Ökonomen Jim O‘Neil (2014 und 2016) müssen wir im Jahr 2050 weltweit mit 10 Millionen Todesfällen durch multiresistente Erreger rechnen, mehr als durch Krebserkrankungen (8,2 Millionen). Dabei sind die Risiken auf der Welt unterschiedlich verteilt. Besonders von der großen Zahl von Todesfällen betroffen werden Länder mit instabilen Gesundheitssystemen sein, vor allem in Asien mit ca. 4,7 Millionen Todesfällen und 4,1 Millionen in Afrika. Eine enorme ökonomische Auswirkung ist hierdurch zu erwarten.
Aktuell sterben weltweit ca. 700.000 Menschen an Infektionen, die durch resistente Bakterien ausgelöst werden, in Europa sind es schätzungsweise jährlich 25.000 Todesfälle.
Nationale Programme zur Eindämmung der Resistenz: DART
Die Bundesregierung hat das Problem der zunehmenden Resistenz bereits vor Jahren erkannt und mit der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie DART 2008 ein Konzept zur Eindämmung der weiteren Resistenzbildung entwickelt. 2015 wurde die aktualisierte Version „DART 2020“ veröffentlicht.
In der Humanmedizin werden 85 % aller Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet. Seit 2007 ist die Menge des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland im ambulanten Bereich stabil, der Anteil an Breitspektrumantibiotika wie Cephalosporine und Fluorchinolone am Gesamtverbrauch steigt jedoch.
In der Mehrzahl der Verschreibungen von Antibiotika wird auf vorherige mikrobiologische Untersuchungen verzichtet.
Eine Ursache der dramatisch steigenden Resistenzen und der dadurch schlechter beherrschbaren bakteriellen Infektionen ist unzweifelhaft der breite und z.T. ungezielte Einsatz von Antibiotika.
Die mikrobiologische Diagnostik ist der Standard für einen Erregernachweis. Bakterienkulturen und Resistenzbestimmungen benötigen allerdings Zeit – in der Regel 48 Stunden. Schnellere, molekulare Bestimmungsmethoden gibt es seit einigen Jahren für den Nachweis von MRSA. Für die Diagnostik (multiresistenter) gramnegativer Erreger stehen „Schnelltests“ zur Screeninguntersuchung bisher noch nicht für die Routine zur Verfügung!! Die rechtzeitige Erkennung auch dieser resistenten Erreger ist wichtig, damit bakterielle Infektionen gezielt behandelt werden können. Deshalb ist die Weiterentwicklung praxistauglicher molekularer Testverfahren notwendig.
Die Verbreitung von (resistenten) Erregern kann durch entsprechende Hygienemaßnahmen reduziert werden.
MEDILYS hat einen Antibiotikaausweis entwickelt, der dem Arzt und dem Patienten einen guten Überblick über bisherige Antibiotikabehandlungen, Infektionen, Erreger und Resistenzen gibt. Den Antibiotkaausweis können Sie unter www.medilys.com herunterladen.
ABS – Maßnahmen zur Eindämmung der Resistenzentwicklung
„Antibiotic Stewardship“ (ABS) steht für ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Antibiotikaverordnungen. Strukturierte ABS-Aktivitäten sind sowohl im stationären Bereich als auch im ambulanten Bereich notwendig, um die Resistenzentwicklung als globale Herausforderung bewältigen zu können.
Dazu gehören z.B.
die strenge Indikationsstellung für eine Antibiotikatherapie auf der Basis von Leitlinien
die gezielte Auswahl des Präparats
die korrekte Dosierung und die Anwendungsdauer des Antibiotikums
die Festlegung der Indikation zu einer Antibiotikaprophylaxe
Mit strukturierten Therapiekonzepten auf der Basis von Leitlinien der Fachgesellschaften kann die Resistenzentwicklung im Zusammenhang mit dem reduzierten Verbrauch und damit auch verminderten Kosten günstig beeinflusst werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ erarbeitet. Sie beschreibt die Koordinierung diverser Maßnahmen mit dem Ziel der Optimierung der Antibiotikaverordnungen.
Die Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) hat im Mai 2020 das Positionspapier „Strukturelle und personelle Voraussetzungen für die Sicherung einer rationalen Antiinfektivaverordnung in Krankenhäusern” veröffentlicht. Hier werden die erforderlichen Voraussetzungen insbesondere für die personelle Ausstattung in Krankenhäusern dargestellt, um die Ziele von ABS erreichen zu können. ABS-Teams arbeiten interdisziplinär. Die ABS-Beauftragten Ärzte berücksichtigen die speziellen Belange ihrer Abteilung.
In Krankenhäusern sind interdisziplinäre infektiologische Visiten, insbesondere auf Intensivstationen wichtig. Es gibt in den Asklepios Kliniken gute Erfahrungen mit gemeinsamen Visiten an denen Mikrobiologen, Infektiologen, Hygieniker und Apotheker teilnehmen, die Kliniker auf den Stationen auf der Basis der eigenen, lokalen Antibiotikaleitlinien beraten. Im ABS-Team können die Strategien für die Therapie im Haus festgelegt werden. Eine wichtige Entscheidung ist, Antibiotika nicht zu verordnen.
In der ambulanten Patientenversorgung sind Antibiotika-Therapieempfehlungen für den niedergelassenen Arzt, infektiologische Fortbildungsveranstaltungen und (lokale) Netzwerke eine gute Informationsquelle. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung gibt Informationsmaterial für Niedergelassene und Patienten – auch in Fremdsprachen heraus.
Denn neben einem infektiologisch qualifizierten behandelnden Arzt ist auch die Compliance des Patienten ein wichtiger Faktor in der qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie. Wir müssen den Patienten deshalb durch Aufklärung und Information ebenfalls einbinden.
Antibiotika-Führerschein
Zur Unterstützung der behandelnden Ärzte für die rationale Antibiotikatherapie, die Detailkenntnisse auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft über Erreger, ihre Resistenzentwicklung und antiinfektive Wirkstoffe voraussetzt, hat MEDILYS in Kooperation mit der Asklepios Ärzteakademie einen Antibiotika-Führerschein entwickelt, der aus E-Learning-Modulen besteht. Er bietet allen Ärzten, Apothekern und Assistenzpersonal in kurzen übersichtlichen Kapiteln aktuelle Informationen zu infektiologisch wichtigen Themen und trägt somit zur verantwortlichen Verordnung von Antibiotika bei.
Mit der Beantwortung von Fragen kann ein Modul erfolgreich abgeschlossen werden, und der Teilnehmer kann sich eine entsprechende Bescheinigung ausdrucken.
Nach der Absolvierung von 10 Fortbildungen wird der Asklepios Antibiotika-Führerschein ausgestellt. Unter diesem Link können Sie sich anmelden: https://asklepios.academymaker.de/academies/enterActionCodeStep1.do?kundennummer=asklepios&actionCode=medilys&browserLanguage=de
Die Teilnahme ist für Mitarbeiter der Asklepios Kliniken kostenlos. Auch Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen, die nicht in den Asklepios Kliniken tätig sind, können sich (kostenpflichtig) für den Antibiotika-Führerschein unter dem gleichen Link anmelden.