Gamification - Spielend lernen (E-Book)

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Aus der Reihe: Didaktische Hausapotheke #14
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Gamification - Spielend lernen (E-Book)
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Silke Fischer, Andrea Reichmuth

Gamification – Spielend lernen

Didaktische Hausapotheke, Band 14

ISBN Print: 978-3-0355-0766-9

ISBN E-Book: 978-3-0355-0775-1

Coverbild: pressureUA/iStock

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.ch

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

Einleitung

1Gamification im Unterricht

1.1Gamification, Game-based Learning und Serious Games

1.2Gamification in der Berufsbildung

2Lernen, Motivation und Spielen

2.1Lernen und Spielen

2.2Motivation und Spielen

3Spieltypen und Spieldesignelemente

3.1Spieltypen

3.2Spieldesignelemente

3.3Klassifizierung von Spieldesignelementen

4Ein didaktischer Leitfaden zur Implementierung von Gamification

4.1Gamification in vier Schritten

4.2Tools und Plattformen für Gamification

5Zusammenfassung, kritische Würdigung und Fazit

5.1Zusammenfassung

5.2Kritische Würdigung

5.3Fazit

6Literatur

Die Autorinnen

Vorwort des Herausgebers

Eine gut ausgestattete Hausapotheke gehört in jeden Haushalt, damit kleinere Verletzungen oder Erkrankungen selbstständig behandelt werden können. Auf diesem Grundgedanken basieren die «didaktischen Hausapotheken», welche die Pädagogische Hochschule Zürich zusammen mit dem hep verlag konzipiert hat. Doch unsere Hausapotheken sind nicht für Notfälle im Unterricht gedacht. Sie sind vielmehr Anleitungen zur Selbsthilfe bei der Entwicklung der eigenen Berufskompetenz.

Die Hefte greifen aktuelle Herausforderungen aus Unterrichtspraxis und Schulalltag auf. Sie beziehen sich auf die typischen Handlungsfelder1, in denen Lehrpersonen im Beruf tätig sind.

Wer sich mit ihren Inhalten auseinandersetzt, erhält einen Mix aus nützlichem Hintergrundwissen, Anstössen zur Reflexion und praktischen Empfehlungen – eine Rezeptologie im besten Sinne des Wortes.

Die vorliegende Hausapotheke ist einem Thema gewidmet, das besonders zukunftsträchtig ist: dem Einsatz von Spielen im Unterricht. Dadurch kann einerseits die Einstellung der Lernenden zum Unterrichtsfach verbessert und anderseits die Qualität des Lernens erhöht werden. Wer Spiele im Unterricht didaktisch geschickt einsetzt, schlägt also zwei Fliegen auf einen Streich. In dieser Hausapotheke finden interessierte Lehrpersonen eine didaktische Handlungsanleitung und zahlreiche, in der Praxis bewährte Beispiele dazu. Wer Spiele sinnvoll in den Unterricht integriert, erhöht den Spass beim Lernen.

Prof. Dr. Christoph Städeli

Leiter der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich

Einleitung

Von Sportspielen über Rätsel im Unterricht bis hin zu Quizshows im Fernsehen – Spiele sind in der heutigen Zeit in zahlreichen Bereichen unseres Lebens vorzufinden. Insbesondere finden digitale Spiele wie Computer- und Videogames zunehmend Verbreitung – und je länger, desto mehr auch Akzeptanz als kulturelles Gut. Dies geht vor allem auf Veränderungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie zurück, wie beispielsweise auf die Einführung leistungsfähiger mobiler Endgeräte, die universelle Verfügbarkeit des Internets und die Entwicklung von Sensoren zur Registrierung von Alltagstätigkeiten (vgl. Sailer, 2016). Hierdurch hat sich die Art, wie wir kommunizieren, arbeiten und lernen, grundlegend verändert (Simões, Diaz Redondo & Fernández Vilas, 2012), was am Ende mit zur Verbreitung von Gamification (dt.: Gamifizierung) geführt hat.

Die Grundkonzeption von Gamification, die sich nicht nur auf digitale Aktivitäten beschränkt, ist dabei keinesfalls neu (Deterding, Khaled, Nacke & Dixon, 2011a). Oftmals spielen wir heute in unserem Alltag bereits, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein, zum Beispiel durch das Sammeln von Treuepunkten im Supermarkt oder durch die Nutzung von Bonusmeilen im Rahmen eines Vielfliegerprogramms. Somit werden in nicht spielerischen Kontexten zunehmend Elemente des Spieldesigns eingesetzt, um intrinsisch motivierte, spielerische Erfahrungen und Verhaltensweisen zu nutzen, was die Grundidee von Gamification ist.

Der Begriff «Gamification» wurde Anfang der 2000er-Jahre erstmalig von Marketingfachleuten im betriebswirtschaftlichen Kontext verwendet. Allerdings hat Gamification erst seit 2011 grössere Beachtung in Wissenschaft und Praxis erfahren, was die steigende Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen und Suchanfragen verdeutlicht (vgl. Ortiz, Chiluiza & Valcke, 2016). Gamification wird seither erfolgreich in der Wirtschaft, speziell im Marketing, und auch im Bildungsbereich, hier bisher vorwiegend im Bereich der Hochschulbildung, genutzt. Gemäss des «Horizon Report» von 2014 galt Gamification im Hochschulbereich als bedeutendste lehr-lern-technologische Innovation (Johnson, Adams Becker, Estrada & Freeman, 2014).

Die Bedeutung von Gamification für den Bildungsbereich zeigt sich darin, dass es das Potenzial hat, die Qualität des Lernens durch Motivations- und Leistungssteigerungen kurzfristig zu erhöhen. Des Weiteren ist belegt, dass durch Gamification eine höhere Verbindlichkeit aufseiten der Lernenden und eine positivere Einstellung gegenüber dem Unterrichtsfach erzeugt werden kann (Yildirim, 2017). Stöcklin, Steinbach und Spannagel (2014) konnten in ihrer Untersuchung nachweisen, dass sich Gamification auch in der Sekundarstufe I anwenden lässt. Bisher gibt es jedoch keine empirischen Studien, welche die positiven Effekte von Gamification in der Berufsbildung bestätigen. Zudem existieren keine didaktischen Konzepte und Unterrichtsmaterialien, die Gamification für diese unmittelbar nutzbar machen.

Mit der vorliegenden Publikation möchten wir dazu beitragen, diese Lücke zu schliessen, indem wir das Konzept von Gamification vorstellen und insbesondere für (angehende) Berufsfachschullehrende eine praxisnahe didaktische Handlungsanleitung zur Implementierung von Gamification in den eigenen Unterricht vermitteln. Hierzu werden in Kapitel 1 zunächst die im Kontext von Gamification verwendeten Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt, und der Nutzen von Gamification in der beruflichen Grundbildung wird begründet. In Kapitel 2 werden die Zusammenhänge zwischen Lernen, Motivation und Spielen kurz erläutert. Kapitel 3 vermittelt einen Überblick über die Grundlagen wie Spieltypen, Spieldesignelemente und Kategorisierung dieser Elemente, die zum Design einer eigenen Lernspielumgebung benötigt werden. In Kapitel 4 wird der didaktische Leitfaden «Gamification in vier Schritten» vorgestellt. Dieser Handlungsleitfaden verknüpft didaktische Gestaltungsprinzipien der Berufsbildung mit den Bedingungen einer erfolgreichen gamifizierten Anwendung und berücksichtigt dabei im Besonderen die Förderung der intrinsischen Motivation. Im letzten Kapitel werden die Erkenntnisse kurz zusammengefasst, das Konzept Gamification wird kritisch gewürdigt und ein Fazit gezogen.

1Gamification im Unterricht

In diesem Kapitel wird zuerst eine begriffliche Abgrenzung zu anderen im Zusammenhang mit Gamification verwendeten Begrifflichkeiten vorgenommen, wie zum Beispiel (Digital) Game-based Learning (dt.: auf Spielen basiertes [digitales] Lernen) und Serious Games (dt.: ernsthafte Spiele; siehe Abschnitt 1.1). In Abschnitt 1.2 werden einige Gründe zur Implementierung von Gamification in der Berufsbildung erläutert. Gamification ist beispielsweise ein adäquates Mittel, um das Prinzip der Handlungskompetenzorientierung umzusetzen und die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts bei den Lernenden zu fördern.

 

1.1Gamification, Game-based Learning und Serious Games

Nach Sailer (2016) gibt es bis heute keine allgemeingültige Definition des Begriffs «Gamification». Die meisten wissenschaftlichen Publikationen beziehen sich auf die Definition von Deterding et al. (2011a), die auch hier zugrunde gelegt wird.

Definition

Gamification bezeichnet den Einsatz von spieltypischen Elementen in nicht spielerischen Kontexten.

(Nach Deterding et al., 2011a, S. 2)

Mit spieltypischen Elementen sind beispielsweise Badges, Fortschrittsbalken oder Ranglisten gemeint (siehe Kapitel 3). Im Rahmen von Gamification werden solche spieltypischen Elemente ausserhalb ihrer ursprünglichen Zielsetzung, der Unterhaltung, genutzt, weshalb von nicht spielerischen Kontexten gesprochen wird. Eine Zielsetzung von Gamification wurde von Deterding et al. (2011a) bewusst nicht benannt, um das Konzept nicht zu beschränken. Nichtsdestotrotz kann Gamification beispielsweise die folgenden Zielsetzungen verfolgen: Verhaltensänderungen, Motivationssteigerung, Förderung von Lernen sowie Förderung von Problemlösen (vgl. Kapp, 2012; Schmidt, 2015; Zichermann & Cunningham, 2011). Dabei kann die Umsetzung von Gamification digital oder auch analog erfolgen.

Im Gegensatz zu Gamification, die lediglich die Nutzung spieltypischer Elemente beinhaltet, bezeichnet Game-based Learning den Einsatz von vollständigen, meist digitalen Spielen zur Vermittlung von Lerninhalten (Jacob & Teuteberg, 2017). Ein Beispiel für ein solches Spiel ist das Lernspiel «Fischteich» der Lehr- und Lernplattform Iconomix.2 Um zu verdeutlichen, dass es sich um digitale Spiele handelt, wird häufig der Zusatz «digital» ergänzt (vgl. Le, Weber & Ebner, 2013). Grundsätzlich kann das Konzept des Game-based Learning aber auch nicht digitale, haptische Spiele umfassen. Eine eindeutige Abgrenzung zu anderen in diesem Kontext genutzten Begriffen wie Serious Games gibt es bisher nicht (Fromme, Biermann & Unger, 2010), weshalb diese Begrifflichkeiten hier synonym verwendet werden. Die Verbindung dieser Konzeptionen besteht darin, dass zur Vermittlung von Lerninhalten beziehungsweise zur Erfüllung kognitiver Lernziele – quasi mit ernsten Absichten – gespielt wird.

Die Unterschiede respektive Gemeinsamkeiten zwischen Gamification und Game-based Learning beziehungsweise Serious Games veranschaulicht Abbildung 1: Beide Konzeptionen beruhen auf der Gaming-Komponente des Spielens, das heisst auf regelbasierten Spielformen, die klar auf ein Ziel ausgerichtet sind und nicht nur der Unterhaltung dienen. Dagegen bezeichnet Playing in diesem Kontext zweckfreie, rein auf Spass ausgerichtete Spielformen.


Abbildung 1: Gamification zwischen Game und Play, als Ganzes und in Teilen (nach Deterding, Khaled, Nacke & Dixon, 2011b, S. 13)

Die Einschätzung, ob es sich bei einer Anwendung um gamifizierte Elemente (Gamification) oder ein komplettes Spiel (Game-based Learning/Serious Games) handelt, ist oft nicht eindeutig und obliegt der subjektiven Einschätzung und der individuellen Nutzung durch die Beurteilenden (Deterding et al., 2011a).

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