Marshal ohne Stern

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Marshal ohne Stern
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Alfred Bekker

Marshal ohne Stern

Neal Chadwick Western Edition

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Marshal ohne Stern

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Impressum neobooks

Marshal ohne Stern

von Alfred Bekker

Western-Roman

© 1991 by Alfred Bekker (Neal Chadwick)

© der Digitalausgabe 2013 AlfredBekker/CassiopeiaPress

Ein CassiopeiaPress E-Book

Alle Rechte vorbehalten

www.AlfredBekker.de

***

US-Marshall Brent Arrows wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und blickte nach Süden - dorthin, wo irgendwo das Hauptquartier von Jake Swann sein mußte - jenem Mann, dem er das Handwerk legen sollte. Seinen Stern trug Arrows nicht, schon um länger am Leben zu bleiben. Denn das Land, das vor ihm lag, war das Land, in dem Jake Swann regierte und nicht das Gesetz. Sobald irgend jemand erfuhr, daß er im Auftrag des Gouverneurs hier war, um Swann zu entmachten, würde er eine Zielscheibe sein. Arrows war den ganzen Tag geritten und inzwischen war die Sonne bereits milchig geworden. Vor ihm befand sich eine karge, trockene Einöde soweit das Auge reichte.

Ein Geräusch ließ Arrows dann abrupt hochfahren. Seine Rechte fuhr instinktiv in Richtung Hüfte, wo ein Revolvergriff aus dem Holster ragte.

Schüsse peitschten.

*

Arrows blickte sich nach allen Seiten um, aber zunächst war nirgends etwas zu sehen.

Die Schüsse krachten irgendwo hinter der nächsten Hügelkette gen Süden und mittlerweile war die Sache zu einer ausgewachsenen Schießerei geworden. Ziemlich heftig mußte es da hin und her gehen...

Das Geräusch galoppierender Pferde war zu hören. Es wurde lauter. Ein Reiter, der sich dicht am Rücken seines Gauls hielt, preschte über die Hügel. Er klammerte sich an den Hals seines Schecken. Der Mann war verletzt. Sein Hemdrücken rot. Ein Wunder, daß er sich noch in den Steigbügeln halten konnte.

Der Kerl ritt direkt auf Arrows zu.

Dann kam ein zweiter Reiter über den Hügel. In einem mörderischen Galopp hetzte er mit einem 45er in der Rechten hinter dem Verletzten her. Der Verfolger zielte kurz und feuerte.

Der Flüchtende hatte keine Chance. Die Kugel zerfetzte ihm den Hinterkopf. Ein Ruck ließ ihn vorn über den Hals des Pferdes zu Boden fallen. Der Gaul stoppte. Der Körper des Getroffenen kam mit einem dumpfen Laut auf dem ausgetrockneten Boden auf.

Arrows' Hand war indessen zur Hüfte gegangen.

Der US-Marshal hatte keine Ahnung, worum es hier ging und was der Hintergrund dieser Fehde war. Eine grausige Mischung aus Schreien und Schüssen drang unterdessen über die Hügelkette.

Der fremde Reiter sah Arrows für den Bruchteil eines Augenblicks mit schmalen Augen an. Ein kantiges, brutales Gesicht mit einem gemeinen Grinsen um den dünnlippigen Mund. Seine Nase sah aus, als wäre sie mal gebrochen gewesen.

Der Kerl riß die Waffe hoch und feuerte. Rot züngelte es aus dem langen Lauf des Peacemakers heraus.

Aber Arrows war schnell.

Blitzartig hatte er die Waffe aus dem tiefgeschnallten Holster herausgerissen und abgedrückt.

Die Schüsse fielen beinahe gleichzeitig.

Arrows erwischte sein Gegenüber an der Schulter. Der Kerl wurde durch die Wucht des Geschosses nach hinten gerissen. Sein eigener Schuss ging daher haarscharf an Arrows' Hutkrem- pe vorbei.

Der fremde Reiter riss sein Pferd herum. Er versuchte, noch einmal auf Arrows zu schießen, riß die Waffe hoch und drückte ab...

Arrows duckte sich und schoß um den Bruchteil einer Sekunde früher. Der Kerl hatte ihm keine Wahl gelassen.

Sein Gegner stöhnte auf. Das Pferd preschte davon, während der Reiter schlaff im Sattel hing.

Arrows folgte ihm.

Der Reiter rutschte einen Augenblick später aus dem Sattel und blieb regungslos liegen.

Arrows blickte kurz zu dem Mann hinunter, der im Staub lag.

Dem konnte keiner mehr helfen...

Bevor Arrows seinem Gaul die Sporen gab, langte er noch hinunter zum Scabbard, riß das Winchester-Gewehr heraus und lud die Waffe mit einer energischen Bewegung durch.

Dann preschte er vorwärts - dorthin, wo geschossen wurde.

Arrows hatte nicht die leiseste Ahnung, um was es hier ging oder was ihn hinter der nächsten Hügelkette erwarten würde. Er sah jetzt hinter den Hügeln eine schwarze Rauchsäule in den strahlend blauen Himmel hinaufsteigen

Unbarmherzig trieb er den Braunen vorwärts und hetzte ihn schließlich einen flachen Hang hinauf. Oben, auf dem Hügelkamm angekommen blickte er hinab.

Noch immer wurde wild hin und her geschossen.

Hier war ohne Zweifel ein erbarmungsloser Kampf im Gange...

Arrows sah eine mittelgroße Ranch, deren Wohnhaus in hellen Flammen stand.

Flammen schlugen bereits auch aus der Scheune und dem Pferdestall.

Einzig und allein ein etwas abseits gelegenes Gebäude, daß wohl als Unterkunft für die Cowboys diente, war bislang noch vom Feuer verschont geblieben, aber wenn es nach den Angrei- fern ging, dann würde sich auch das bald ändern.

Etwa ein Dutzend Männer schossen wie wild auf die Ranch und dabei vor allem auf die Unterkunftsbaracke, denn dort schien sich der letzte Widerstand zu halten...

Aus zweien der Fenster konnte man in steter Regelmäßigkeit Mündungsblitze zucken sehen, aber was war das schon gegen die Flut der Angreifer?

Arrows sah einige Leichen im braunen, trockenen Gras und beim nahegelegenen Pferdecorral.

Es war nicht zu sehen, welcher Seite sie angehörten, aber sie zeugten davon, mit was für einer Verbissenheit hier gekämpft worden war.

Die Sache schien klar.

Ein Rancher und seine Leute verteidigten sich hier mit dem Mut der Verzweifelung gegen eine Bande von Gesindel. Aber ihre Chancen standen schlecht.

Arrows' Augen wurden schmal.

Dann ließ er seinen Braunen den Hang hinunterstürmen, wobei er Schuß um Schuß aus seiner Winchester abgab.

Schon mit den ersten Kugel holte er zwei der Kerle aus ihrer Deckung heraus.

Arrows konnte nicht genau sagen, wie schwer er sie er- wischt hatte. Er hörte nur ihre Schreie - Schreie, die so klangen, als wären sie halb aus Schmerz und halb aus Wut aus- gestoßen worden.

Die Bande wurde jetzt auf den fremden Reiter aufmerksam, der aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien und sich da so unerwarteterweise eingemischt hatte.

Man hörte sie wild durcheinander rufen und dann pfiffen Arrows die ersten Kugeln um die Ohren, so daß er den Kopf einziehen mußte.

Arrows ließ den Braunen einen Haken schlagen und hängte sich seitwärts an den Sattel, so daß der Gaul den größten Teil seines Körpers deckte.

Im vollen Galopp ließ Arrows noch ein paar Mal seine Winchester krachen.

Einer der Kerle schrie auf und stürzte nieder. Es mußte ihn schwer erwischt haben, denn er blieb reglos am Boden liegen.

Vermutlich war er tot.

Zur gleichen Zeit kam aber von der anderen Seite ein Schrei. Einen der letzten beiden Verteidiger mußte es getroffen haben, denn fortan wurden nur noch aus einem Fenster Schüsse abgegeben.

Einer der Banditen hatte sich von hinten an die Baracke herangemacht und Feuer gelegt.

Bald schon fraßen sich die Flammen empor und begannen hell aufzulodern.

Alle Ranchgebäude waren aus Holz. Wochenlang hatte die Sonne brennend heiß vom Himmel geschienen und das Holz pulvertrocken werden lassen.

Nun brannte es wie Zunder.

Ganz gleich, was jetzt auch noch geschehen mochte: Von der Ranch würde kaum bleiben als verkohlte Ruinen...

Plötzlich spürte Arrows, wie ein Ruck durch den kräftigen Körper des Braunen ging.

Das Tier ließ ein markerschütterndes Wiehern hören und Arrows ahnte, was das zu bedeuten hatte.

Es hatte den Braunen erwischt.

Ein paar Pferdelängen strauchelte der Gaul noch voran, bevor er dann zu Boden kam.

Arrows warf sich gerade noch rechtzeitig aus dem Sattel, um nicht unter dem massigen Tierkörper begraben zu werden. Geschickt rollte er sich am Boden ab, während links und rechts von ihm Sand von den einschlagenden Geschossen zu kleinen Staubfontänen aufgewirbelt wurde.

Es war verdammt knapp.

Arrows drehte sich blitzartig um die eigene Achse, riß den Lauf der Winchester hoch und feuerte. Sein Schuß traf einen Mann, der sich bei der brennenden Scheune verschanzt und gerade auf den fremden Reiter angelegt hatte.

 

Der Kerl klappte zusammen wie ein Taschenmesser und blieb regungslos liegen, während Arrows wieder hochgeschnellt war.

Eine Bleikugel riß ihm den Hut vom Kopf, während Arrows sich vor dem aufbrausenden Geschoßhagel hinter eine Pferde- tränke rettete.

Das Blei der Banditen schlug innerhalb weniger Sekunden ein gutes Dutzend Löcher in die Tränke, aus denen das Wasser herauslief.

Arrows preßte sich auf den Boden und nutzte die Gelegen- heit, um neue Patronen in das Magazin seiner Winchester hineinzuschieben.

Dann wartete er ab, bis das wütende Geballere etwas abge- ebbt war, bevor er sich schließlich wieder aufrichtete und hinter der Tränke hervortauchte.

In schneller Folge schoß er sein Winchester-Gewehr ab und aus dem Barackenfester bekam er Unterstützung.

Zwei der Kerle wurden tödlich getroffen, einen dritten erwischte es an der Hand, so daß er fluchend seine Waffe fallenließ.

"Los, weg hier, Männer!" hörte man eine kehlige Stimme.

Die überlebenden Banditen rannten in Richtung ihrer Pferde, wobei sie weiter sporadisch in Arrows' Richtung ballerten.

Dann schwangen sich die ersten von ihnen in die Sättel und preschten davon.

Arrows jagte ihnen noch ein paar Kugeln hinterher, aber sie waren bald schon außerhalb seiner Schußweite. Arrows richtete sich nun zu voller Größe auf und legte sich den Lauf der Winchester über die Schulter.

Es war so, wie er vermutete hatte.

Diese Kerle hatten offenbar mit wenig Gegenwehr gerechnet und sich bei ihrem Überfall dementsprechend sicher gefühlt.

Aber in dem Moment, in dem ihnen jemand entschlossen gegenübertrat, liefen sie davon wie die Hasen.

Arrows ging ein paar Schritte zurück und nahm seinen Hut vom Boden auf. Dann wandte er den Blick zu der Cowboy-Baracke hin, deren Dach nun hell in Flammen stand.

In diesem Moment trat eine junge Frau durch die Tür, in deren zarten Händen sich eine Winchester befand. Sie war wohl die letzte überlebende Verteidigerin dieser Ranch, von der kaum etwas bleiben würde, als das Land selbst.

Ihr eigenes Leben war mit Mühe und Not gerettet worden, aber das war auch schon alles.

Sie trug Männerkleidung, die ihr viel zu groß war und ihre Figur sicherlich nicht betonte.

Aber selbst das Wenige, das die grobe Drillich-Hose und das karierte, sehr weit geschnittene Hemd davon preisgaben, ließ Arrows unwillkürlich schlucken.

Sie war eine aufregende Schönheit.

Ihr Haar war dick und blond und fiel ihr in einem mächtigen Schopf bis weit über die Schultern. Die Züge ihres Gesichts waren feingeschnitten und stolz, während die vollen Lippen ihr etwas Sinnliches gaben.

Sie kam näher heran und dann sah Arrows in ihre meergrünen Augen, in denen ein wildes Feuer loderte.

"Ich danke dir, Fremder!" brachte sie heraus und atmete tief durch. "Wie heißt du?"

"Mein Name ist Arrows."

"Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt wohl auch tot - so wie meine Cowboys!" sagte sie und in ihrem Tonfall schwang Bitterkeit und Wut mit.

Arrows sah es in ihren Augen glitzern. Sie weinte still vor sich hin.

Arrows trat zu ihr, und sie blickte zu dem hochgewachsenen Mann auf. Dann legte er ihr den Arm um die Schultern, und sie schmiegte sich an seine breite Brust.

"Es war furchtbar..." flüsterte sie.

Arrows nickte verständnisvoll.

"Ich weiß", murmelte er. "Aber jetzt ist alles vorbei!"

Eine ganze Weile lang standen sie einfach nur so da, ohne ein Wort zu sagen.

Sie stand wohl unter einer Art Schock und brauchte ein bißchen Zeit, um sich zu erholen und wieder zu sich zu kommen.

*

"Ich bin Larina McCormick", brachte sie schließlich heraus, während sich sich mit dem Handrücken über die Augen wischte. "Und dies hier war einmal meine Ranch... Drei Cowboys standen bei mir in Lohn und Brot. Die Kerle haben sie einfach niedergeknallt..."

"Es ist etwas ungewöhnlich, daß eine Frau auf einer Ranch der Boss ist!" meinte Arrows, während er sie immer noch bei den Schultern hielt.

Sie blickte zu ihm auf.

"Glauben Sie etwa, daß eine Frau so etwas nicht kann?" fragte sie. Arrows sah das Blitzen ihrer grünen Augen und lächelte leicht.

Er schüttelte den Kopf.

"Nein", meinte er. "Du kannst das bestimmt!"

Sie zuckte mit den Achseln.

"Ich hatte keine andere Wahl!" erklärte sie. "Vor zwei Jahren bin ich mit meinem Mann in dieses Land gekommen, und wir haben versucht, eine Ranch aufzubauen. Aber dann ist er bei einer Schießerei ums Leben gekommen und ich versuchte, die Ranch weiterzuführen. Es ist mir auch ganz gut gelungen. Zumindest bis jetzt!"

Ihre letzten Worte klangen sehr bitter, und Arrows konnte nur zu gut verstehen, was sie meinte.

"Hast du eine Ahnung, was das für Männer waren?" fragte er.

Ihr Gesicht wurde zu einer steinernen Maske.

"So etwas kann nur jemand fragen, der nicht aus der Gegend ist!"

Arrows nickte.

"Ich bin tatsächlich nicht aus der Gegend", gab er zu.

"Das waren die Männer von Jake Swann! Diese mordgierigen Bastarde!"

Arrows horchte auf.

Wegen Jake Swann war er schließlich hier her, in die Gegend um Columbus, New Mexico gekommen... Aber von seinem Auftrag würde Arrows Larina nichts sagen. Und auch nicht von dem Marshal-Stern, der sich in seiner Westentasche befand... Arrows wollte auf Nummer sicher gehen. Einen Fehler konnte er sich nicht erlauben.

"Was hatten Swann und seine Männer für einen Anlaß, deine Ranch niederzubrennen?" Arrows mußte den Unwissenden spielen, um nicht Larinas Argwohn zu erregen.

"Fremder, das verstehst du nicht!"

"Warum versuchst du nicht, es mir zu erklären, Larina?"

Ihre meergrünen Augen unterzogen Arrows einer kritischen Musterung. Dann schien Larina McCormick einen Moment lang nachdenken zu müssen, bevor sich schließlich doch ihre Lippen bewegten.

"Okay", meinte sie. "Die ganze Gegend zahlt an diesen Swann dafür, daß er sie in Ruhe läßt. Jeder Rancher und auch die Leute in der Stadt."

Arrows nickte.

"Und du wolltest nicht mehr zahlen, nicht wahr?"

"Ich konnte nicht mehr, Arrows! Wir hatten eine Seuche bei unseren Rindern, unsere Einnahmen waren schlecht... Ich habe ein bißchen Geld auf der Bank von Columbus, aber diese Rücklagen hätte ich gebraucht, um über dieses Jahr hinwegzukommen! Ich bat um Aufschub, aber sie wollten ihn mir nicht geben..."

Sie barg ihr Gesicht mit den Händen. "Was hätte ich denn tun sollen?" rief sie. "Wenn ich gezahlt hätte, wäre das das Ende der Ranch gewesen!"

Sie blickte wieder auf und fügte noch bitter hinzu: "Es war wohl dumm, zu glauben, daß wir allein gegen diese Banditen eine Chance haben könnten!"

Arrows wandte sich um und blickte zu den Toten, die überall auf dem Boden verstreut lagen.

Larinas Cowboys waren ebenso darunter, wie ungefähr die Hälfte des Banditentruppe.

Aber nach allem, was Arrows über Jake Swanns Meute erfahren hatte, konnte dies nur eine kleine Abteilung seiner Bande gewesen sein...

Vielleicht waren es fünfzig, vielleicht hundert Mann, die unter dem Befehl dieses Mannes standen.

Niemand wußte das so genau, aber Arrows schätzte, daß man mindestens so viele Schießer brauchte, um ein derart großes Gebiet wirksam zu kontrollieren. So wirksam, daß es bisher offenbar niemandem gelungen war, sich mit Erfolg da- gegen aufzulehnen...

"Arrows!" hörte er dann plötzlich Larinas Stimme. Er wandte sich zu ihr herum.

"Ja?"

"Was hast du vor?"

Arrows war klar, daß er sich etwas um Larina würde kümmern müssen.

Er deutete zum Horizont, wo die Sonne im Begriff war unterzugehen.

"Bevor es dunkel wird, will ich die Toten begraben haben!" meinte er.

"Und dann?"

"Mein Ziel ist Columbus. Wenn du willst, nehme ich dich bis dorthin mit, Larina!"

Sie nickte.

"Okay!"

*

Es war schon fast Mitternacht, als Arrows und Larina die ersten Häuser der Stadt Columbus als dunkle Schemen aus der Dunkelheit auftauchen sahen.

Arrows hatte dem Pferd eines erschossenen Banditen seinen Sattel aufgelegt, und auch Larina ritt auf einem dieser Pferde, denn ihre eigenen Tiere hatten die Kerle schon vorher aus dem Corral getrieben.

Der Ritt durch die Dunkelheit war nicht einfach gewesen, aber Larina kannte sich vorzüglich in der Gegend aus. Sie hätte den Weg von ihrer Ranch vermutlich auch blind gefunden, wenn es vonnöten gewesen wäre.

"Was wirst du tun, wenn wir gleich in Columbus ankommen, Larina?" fragte Arrows. "Hast du jemanden, wo du ersteinmal unterkommen könntest?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Nein. Niemanden. Aber das macht nichts. Ich habe dir ja bereits gesagt, daß ich noch etwas Geld auf der Bank habe. Ich werde mich ersteinmal im Hotel einmieten, um wieder zu mir zu kommen..." Sie zuckte mit den Schultern. "Wer weiß, vielleicht gebe ich auf..."

Arrows runzelte die Stirn.

"Was soll das heißen?"

"Daß ich möglicherweise das Land verkaufen werde, auf dem die Ranch gestanden hat. Viel werde ich im Augenblick wohl nicht dafür bekommen... Aber vielleicht reicht es, um irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen..."

"Überlege dir gut, was du tust", meinte er.

Wenig später ritten sie bereits durch die finsteren Straßen von Columbus.

Erst als sie auf der Main Street waren, wurde es etwas heller, denn in den Saloons war noch Betrieb.

Arrows wandte sich an seine Begleiterin und meinte: "Du wirst am besten wissen, wohin wir uns jetzt wenden sollten... Ich brauche ebenfalls ein Zimmer."

Larina McCormick nickte und streckte den Arm aus.

"Dort hinten ist Saul Conroys Hotel. Ich kenne den Besitzer. Er ist ein anständiger Kerl und so etwas wie ein Freund. Ihm gehört übrigens auch der Columbus Silverdollar in der unteren Etage des Gebäudes..."

Arrows zuckte mit den Schultern.

Sein Blick glitt die anderen Kaschemmen an der Main Street entlang, in denen um diese Zeit noch etwas los war, und blieb dann dort hängen, wo Larinas schlanker Arm hingedeutet hatte.

Saul Conroys Laden machte von außen keinen schlechten Eindruck und so nickte er.

"Okay, Larina!"

Sie lenkten ihre Gäule auf Saul Conroys Silverdollar zu. Mehr als zwei Dutzend Pferde standen schon davor.

Arrows und Larina stellten ihre Tiere dazu.

"Sehen wir ersteinmal zu, daß wir Zimmer bekommen!" murmelte Arrows. "Um die Pferde werde ich mich dann nach- her schon noch kümmern."

Als Arrows ihr aus dem Sattel half, huschte zum erstenmal ein Lächeln über Larinas Gesicht. Es war ein entzückendes Lächeln.

Der Blick ihrer meergrünen Augen traf ihn und diesmal war dieser Blick nicht mehr wütend und zornig, sondern warm.

Arrows hielt ihre Hand einen Augenblick länger, als eigentlich nötig gewesen wäre.

Sie ließ es gewähren.

"Unter deiner rauhen Schale scheint ja ein vollendeter Gentleman zu stecken, Arrows!" meinte sie dann.

Arrows gab ihr das Lächeln zurück.

"Nur, wenn ich es mit einer echten Lady zu tun habe, Larina! Nur dann!"

Sie lachten beide darüber, und dann gingen sie Arm in Arm die durch Schwingtüren.

*

Drinnen herrschte viel Betrieb und ausgelassenes Treiben. An der Theke standen Männer und tranken Whiskey, während ein graubärtiger Pianospieler auf einem verstimmten Klavier herumklimperte.

Ein paar Kerle sangen ziemlich schräg dazu.

Arrows ging mit Larina direkt zum Schanktisch.

Es war sicher das größte Etablissement weit und breit. Insgesamt drei Keeper standen hinter dem Tresen und füllten den Männern ihre Gläser auf.

"Mister Conroy!" rief Larina mit heller, klarer Stimme, die durch das sonore Gemurmel der Männer hindurchdrang. Einer der drei Keeper wandte den Kopf.

Es war ein massiger Kerl, wahrscheinlich schon weit über fünfzig. Er war so riesig, daß er selbst den hochgewachsenen Arrows noch um ein paar Zentimeter überragte.

Saul Conroy kam herbei und in seinem feisten, etwas angestrengt wirkenden Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.

 

"Sowas... Mrs. McCormick! Sie hier? An einem solchen Ort!"

"Ich brauche für die nächste Zeit ein Zimmer, Mister Conroy. Natürlich zahle ich dafür!"

Conroys Gesicht veränderte sich.

Es wurde ernst, sehr ernst. Der Saloon- und Hotelbesitzer zog die Augenbrauen in die Höhe.

"Was ist geschehen?" erkundigte er sich. Aber sein Tonfall verriet, daß er die Antwort im Voraus ahnte.

"Es war Swanns Meute..." Larina McCormick versuchte weiterzusprechen, aber ihre Stimme versagte ihr auf einmal den Dienst.

Ein Kloß schien ihr im Hals zu sitzen und sie am Reden zu hindern. Sie schluckte, und dann barg sie das Gesicht in den Händen.

Das Geschehene mußte sie ohne jeden Zweifel stark mitge- nommen haben.

So sprach Arrows für sie.

"Sie haben die Ranch niedergebrannt. Es hat niemand überlebt. Ich kam dazu, aber da war das meiste schon geschehen..."

Der Keeper erschrak und wandte den Kopf zu Arrows.

"Oh, mein Gott!" stieß der dicke Mann hervor. "Diese Hunde! Diese verfluchten Hunde!"

Und dann schlug er mit der flachen Hand auf den zerkratzten Schanktisch. Einige der Kerle an der Theke blickten sich kurz zu ihm um, dann fuhren sie in ihren Gesprächen fort.

"Zahlen Sie auch an Jake Swann?" erkundigte sich Arrows dann kühl.

Conroy sah Arrows an, als wäre dieser ein exotisches Tier.

"Sie sind wohl nicht aus der Gegend, was Mister..."

"...Arrows."

Conroy verzog das Gesicht.

"Wenn Sie aus der Gegend wären, würden Sie so etwas nicht fragen! Jeder zahlt hier an Jake Swann! Jeder! Und alle die versucht haben, es nicht zu tun, liegen jetzt unter der Erde!" Conroy machte eine hilflose Geste. "Swann residiert auf einer Hacienda in Mexico. Dort ist er sicher, dieser verfluchte Bastard!"

"Wie sieht Swann aus?" fragte Arrows. "Sind Sie ihm schon einmal begegnet? So von Angesicht zu Angesicht..."

Aber Conroy schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich bin Swann nie begegnet. Er läßt die Drecksarbeit von seinen Leuten machen... Wenn du ein kleiner Gauner bist, Fremder, dann mußt du deinen Hals riskieren! Aber nicht, wenn man so groß ist wie Jake Swann!"

Conroy stellte zwei Gläser auf den Schanktisch.

"Whisky?" fragte er.

"Ja", kam es von Arrows.

"Und die Lady?"

Larina McCormick hatte sich inzwischen wieder etwas gefangen und nickte.

"Ja", meinte sie. "Ein Whisky wird auch mir heute guttun!"

Conroy holte die Flasche mit dem braunen Saft und schenkte ein. "Geht auf Kosten des Hauses, Mrs. McCormick!" meinte er. "Genau wie Ihr Zimmer!"

Larina wollte protestieren, aber Conroy winkte ab und erstickte ihren Protest schon im Keim. "Wir haben uns immer gut verstanden, Mrs. McCormick, und Sie sind jetzt in einer bösen Lage. Da muß man sich gegenseitig helfen!"

"Ich danke Ihnen!"

*

Später gingen sie mit Conroy die Treppe hinauf zu den Zimmern. Arrows begann inzwischen zu ahnen, daß dieser Auftrag alles andere, als eine gewöhnliche Sache werden würde. Hier hatte er es mit einem ganz großen Wolf zu tun, der einen ganzen Landstrich in seinen unbarmherzigen Fängen hielt.

Conroy öffnete eine Zimmertür und machte eine einladende Armbewegung.

"Hier, Mrs. McCormick! Dies ist mein bestes Zimmer! Es steht zu Ihrer Verfügung!"

"Ich danke Ihnen."

"Hoffentlich gefällt es Ihnen!"

"Es ist wunderbar, Mister Conroy!"

"Wenn Sie noch irgendeinen Wunsch haben sollten, dann sagen Sie es mir bitte!"

"In Ordnung."

Conroy wandte sich nun an Arrows.

"Ihr Zimmer liegt genau gegenüber, Mister Arrows... Wissen Sie schon, wie lange sie in Columbus bleiben werden?"

Arrows machte eine unbestimmte Miene.

"Wahrscheinlich nicht lange. Ich weiß es aber noch nicht genau. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich für eine Nacht im Voraus bezahlen."

"In Ordnung. Ich nehme an, Sie haben Pferde dabei..."

"Ja."

"Dann stellen Sie sie für die Nacht in meinen Stall. Der hiesige Mietstall gehört Craig Gordimer und der ist wie ich ihn kenne längst im Bett und wäre ziemlich ärgerlich, wenn Sie ihn dort herausläuten würden!"

Arrows nickte.

"Okay, verstehe. Gibt es eigentlich einen Sheriff in der Stadt?"

Conroys Augen wurden schmal, als er Arrows mit einem nachdenklichen Blick bedachte. Er zögerte einen Moment, bevor er sprach.

"Ja, Madison heißt der. Aber erwarten Sie nicht zuviel von ihm..."

"Wo ist dieser Madison jetzt?"

"Im Bett, schätze ich. Unten im Schankraum war er jedenfalls nicht mehr - und im allgemeinen zieht er meinen Saloon den anderen Kaschemmen vor, die es hier in Columbus gibt! Er wohnt direkt neben dem Office und der Gefängnis- zelle."

*

Später befand sich Arrows wieder draußen im Freien und schwang sich auf den Rücken seines Gauls.

Es war ihm nicht besonders wohl dabei, Larina in diesem Moment allein zulassen, aber es ging nicht anders.

Er hatte ihr eingeschärft, die Tür von innen verschlossen zu halten und niemandem aufzumachen. Außerdem hatte sie ihr Winchester-Gewehr dabei, mit dem sie ja vorzüglich umzugehen wußte, wie sie bei dem Gefecht gegen die Banditen bewiesen hatte.

Die Kerle, die bei dem Überfall davongekommen waren, konn- ten es unmöglich schon über die mexikanische Grenze geschafft haben und mußten sich noch irgendwo in der Umgebung aufhalten.

Einige von ihnen waren verletzt - was lag da näher, als eine Stadt wie Columbus aufzusuchen, wo es vielleicht sogar einen Doc gab.

Und wenn nicht, dann zumindest Whisky...

Wenn diese Männer Larina in die Hände bekommen würden, stand ihr sicher Schlimmes bevor...

Arrows lenkte sein Pferd die Main-Street entlang, bis er zum Sheriff-Office kam.

Dort stieg er ab und klopfte an jener Tür, hinter der er die Wohnung des Sheriffs vermutete. Es dauerte ein bißchen, bis sich die Tür einen Spalt öffnete und ein verschlafenes, müdes Gesicht herausschaute.

"Was wollen Sie?"

"Sind Sie Madison, der Sheriff?"

Er fletschte die Zähne wie ein angriffslustiger Terrier.

"Erwarten Sie, daß ich meinen Stern auch nachts trage?" knurrte er bissig.

Arrows blieb gelassen.

"Nein nur, daß Sie Ihre Pflicht tun."

Madison kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Arrows sah mit den Augenwinkeln, daß der Sheriff eine Waffe in der Rechten hielt - einen Colt 45. Er ließ das Schießeisen jetzt sinken.

Dann bewegte er den Kopf seitwärts und bedeutete Arrows damit einzutreten.

"Kommen Sie herein! Aber verdammt nochmal, machen Sie es kurz! Ich bin müde!" grunzte der Sternträger.

Arrows trat ein.

Innen herrschte halbdunkel.

Nur eine kleine Lampe brannte und gab etwas Licht.

Die Wohnung des Sheriffs bestand aus einem einzigen Raum, in dem ein Bett und kaum Möbel standen und ein heilloses Chaos herrschte.

"Jake Swanns Meute hat die Ranch von Mrs. McCormick überfallen und niedergebrannt. Ich kam leider etwas zu spät..."

Madison verzog das Gesicht.

"Was Sie nicht sagen..."

"Mrs. McCormick ist die einzige Überlebende. Sie haben wie die Tiere da draußen gewütet!"

Der Sheriff zuckte die Achseln und wirkte merkwürdig desinteressiert.

"Bedauerlich, Mister..."

"Mein Name ist Arrows."

"Mister Arrows..." Madison sprach den Namen sehr gedehnt aus, als müßte er überlegen, was er jetzt zu entgegnen hatte.

Arrows zog die Augenbrauen hoch.

Ein paar Augenblicke später sollte ihm klarwerden, daß sein Gegenüber ihn im Grunde nur abwimmeln wollte. "Hören Sie, Arrows...", begann der Sheriff, aber der große Mann schnitt ihm das Wort ab.

"Nein, Sie hören ersteinmal mir zu! Die Kerle, die das gemacht haben, können noch nicht allzuweit sein! Einige von ihnen sind verletzt... Es wäre doch möglich, daß sie ersteinmal hier in Columbus untergekrochen sind!"

"Das glaube ich nicht! Leute mit Schußwunden, so etwas fällt auf! Nein, die Leute hätten sich das Maul darüber zer- rissen!"

"Wie wär's, wenn wir beide mal eine Runde durch diese schöne Stadt machen, Sheriff?"

"Jetzt?"

Madison schaute verständnislos drein.

Arrows lächelte dünn.

"Ja, jetzt. Gibt es einen Doc hier?"

"Nein. Nicht mehr. Der letzte Doc, den wir hatten ist vor drei Monaten in einen Kugelhagel ums Leben gekommen... Warum sollten die Kerle also nach Columbus geritten sein? Wo ist übrigens Mrs. McCormick jetzt?"

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