Die Todesreiter vom Rio Pecos

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Die Todesreiter vom Rio Pecos
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Alfred Bekker

Die Todesreiter vom Rio Pecos

Neal Chadwick Western Edition

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Todesreiter vom Rio Pecos

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Impressum neobooks

Die Todesreiter vom Rio Pecos

Western-Roman von Alfred Bekker


© by Alfred Bekker

Der vorliegende Roman erschien auch unter dem Titel „In Chavarros Todesreich“ unter dem Pseudonym Neal Chadwick

www.AlfredBekker.de

www.Postmaster@AlfredBekker.de All rights reserved

Ein CassiopeiaPress Ebook

Ausgabejahr dieser Edition: 2013

***

Der harte Schlag eines Gewehrkolbens ließ Gordon O'Malley zurücktaumeln und einen Augenblick später zu Boden gehen.

Der Schlag war völlig unvermutet gekommen und hatte den Rancher voll erwischt. Jetzt drehte sich alles vor seinen Augen.

Er lag im Staub und versuchte, sich aufzurichten, während das arrogante, häßlich grinsende Gesicht eines Blaurocks auf ihn herabblickte. Gordon drehte ein wenig den Kopf und sah dann aus den Augenwinkeln heraus, wie eine Hand zum Revolver griff.

Es war sein Sohn Jed.

"Nein, Jed! Laß das Eisen stecken!" beschwor der Rancher ihn. Und dann wandte Gordon sich an seine drei Cowboys, die etwas abseits standen und deren Hände ebenfalls an den Revolvergriffen waren. "Für euch gilt das auch!" stellte Gordon klar.

Der Rancher war kein Mann, der sich gerne etwas gefallen ließ, aber gegen diese Kolonne von Army-Kavalleristen die Revolver zu ziehen, war Selbstmord.

Gordons Blick hing an seinem Sohn.

Jed O'Malley schluckte. Er war fünfundzwanzig, hochgewachsen und hellhaarig. In seinem Gesicht zuckte es kurz. Die Wut stand ihm im Gesicht geschrieben, aber er behielt kühlen Kopf. Die Muskeln und Sehnen seines Körpers entspannten sich dann. Der 45er Revolver, den er tiefge-schnallt an der Seite trug, blieb an seinem Ort.

Indessen war Gordon wieder auf den Beinen.

Der Blaurock sah den Rancher mit einem gemeinen Grinsen um die Lippen an.

"Na, vernünftig geworden, Kuhtreiber?" versetzte er schneidend. "Besser du machst hier keine Schwierigkeiten, sonst müssen wir andere Saiten aufziehen..."

Aber der Uniformierte kam nicht mehr dazu fortzufahren.

Gordon O'Malley hatte blitzartig seine Faust vorschnellen lassen und sie mitten in das Gesicht des Soldaten sausen lassen. Es gab einen dumpfen Laut.

Für den Bruchteil einer Sekunde stand der Blaurock mit seinem Repetiergewehr in der Hand da, dann schwankte er und krachte zu Boden.

"Das war sehr unklug!" schnitt eine andere Stimme wie ein Messer durch die Stille, die darauf folgte.

Sie gehörte einem Mann, der seiner Uniform nach ein Major war und diese Schwadron von Blauröcken befehligte.

Gordon zuckte die Schultern.

"Das war ich diesem Hund schuldig!" erklärte er grimmig.

Der Major lachte häßlich.

Er war ein Mann mit grauen Haaren, dessen dunkle Augen böse funkelten. Seine Wangen waren von einem unregelmäßigen Stop-pelbart bedeckt und seine Uniform hatte einen schlechten Sitz. Der Major schob sich den Hut nach hinten und sagte: "Es ändert nichts an den Tatsachen, Mister! Ihre Rinderherde ist hiermit beschlagnahmt und Eigentum der Regierung der Verein-igten Staaten von Amerika!"

"Dazu haben Sie kein Recht!" rief Jed dazwischen.

Der Major spuckte aus.

"Junger Mann, dazu haben wir jedes Recht! Denn wir handeln im Auftrag der Regierung. Also machen Sie keine Schwierigkeiten, sonst wird es Ihnen schlecht bekommen. Wir sind mehr als zwanzig - da haben Sie mit ihren drei Cowboys keine Chance, wenn es hart auf hart geht!"

Die Chancen standen wirklich schlecht. Und die Blauröcke schienen zu allem entschlossen.

"Verdammte Yankees!" schimpfte Gordon. Er haßte die blaue Uniform. Im Bürgerkrieg hatte er gegen die Blauröcke gekämpft. Für ihn war es die Uniform der Sieger, die sich nun hier im Süden auch dementsprechend aufführten.

"Verfluchte Bastarde!" schimpfte Gordon. "Wenn wir mal Hilfe gegen die Comanchen brauchen oder wir es mit Banditen zu tun haben, denkt kein Mensch daran, Soldaten zu schicken!"

Der Major verzog das Gesicht.

"So ist das nun mal, Hombre. Besser Sie machen uns keine Schwierigkeiten mehr!" Der Major lächelte dünn und ließ dann den Blick schweifen. "Dankenswerter Weise haben Sie und Ihre Leute uns ja bereits einen Großteil der Arbeit abgenommen und die Tiere hier zusammengetrieben!"

Gordon O'Malley Gesicht war eine grimmige Maske. Die Tiere waren zum Round up zusammengetrieben worden, wo die Herde ge-zählt den Jungtieren die Brandzeichen gesetzt wurden.

Und diese Hunde wollten sie jetzt einfach mitnehmen...

"Haben Sie irgend etwas Schriftliches?" forderte Gordon, obwohl er ahnte, das das nicht viel Zweck hatte. Diese Blauröcke machten den Eindruck, als würden sie sich ohnehin alles nehmen, wonach sie verlangte.

"Etwas Schriftliches?" zischte der Major. "Du kannst etwas aus Blei bekommen, wenn du willst! Direkt zwischen die Augen!"

Jed wurde schon wieder unruhig. Und auch Palmer, Stuart und Ross, die drei Cowboys der O'Malley-Ranch, fragten sich, was jetzt geschehen würde. Aber der Boß blieb ruhig. Er stand einfach da. Seine Augen waren schmale Schlitze geworden.

Der Major wandte sich indessen an seine Leute. "Los, holt euch die Tiere!"

Die Männer gehorchten. Ein halbes Dutzend von ihnen blieb jedoch in der Nähe des Majors. Ihre Gewehre hielten sie auf die Leute von der O'Malley-Ranch gerichtet.

"Sie sind ein Major?" fragte Gordon O'Malley, der völlig ruhig blieb.

"Sieht man doch, oder?"

"Kommen Sie von Fort Hobbs?"

"Ja."

"Dann müssen Sie Collins sein, der Kommandant!"

"Bin ich."

"Ungewöhnlich, daß ein Major ein ganzes Fort kommandiert.

Meistens ist man dann schon Colonel."

Der Major zeigte die Zähne. "Man muß mich wohl vergessen haben, als es um die Beförderungen ging..."

"Wissen Sie, was ich glaube?"

Der Major zog seinen Revolver aus dem Army-Holster, richtete die Waffe in Gordons Richtung und brannte dem Rancher dann eine Kugel kurz vor die Stiefelspitze.

"Ihre Fragerei geht mir auf die Nerven, Mister!"

"Kommt vielleicht daher, daß Sie nicht der Kommandant von Fort Hobbs sind!" versetzte Gordon. "Ich habe keine Ahnung, wie er heißt, aber Collins wohl kaum. Den Namen habe ich mir gerade ausgedacht!"

Der Major schluckte. Sein Brustkorb hob und senkte sich.

"Halt's Maul, Kuhtreiber!" zischte er.

"Ich schätze, Sie sind überhaupt kein Soldat. Weder Major, noch irgend etwas sonst - obwohl ich den Yankees ansonsten alles zu traue. Aber Sie wirken auf mich eher wie ein gewöhnlicher Bandit! Mag der Teufel wissen, wie Sie dazu kommen, diese Uniform zu tragen!"

Einen kurzen Augenblick lang geschah gar nichts.

Eine gespannte Stille hing über allem. Im Hintergrund waren die Rufe der Blauröcke zu hören, die die störrischen Longhorns anzutreiben versuchten.

Dann hob der Major blitzartig den Revolver und feuerte zweimal kurz hintereinander.

Es ging blitzschnell und keiner von Gordons Leuten war schnell genug, um etwas unternehmen zu können.

Der erste Schuß traf Gordon O'Malley im Oberkörper und ließ ihn zurücktaumeln. Die Hand des Ranchers zog den eigenen Colt noch zur Hälfte aus dem Holster heraus, aber er kam nicht mehr dazu, einen Schuß abzugeben.

Eine zweite Kugel traf Gorden mitten zischen den Augen.

Sein Körper zuckte, wurde nach hinten gerissen und schlug dann schwer auf dem Boden auf.

Gordon O'Malley war tot.

Und einen Sekundenbruchteil später brach die Hölle los!

*

Jed riß den Revolver heraus und feuerte in Richtung der Blauen. Einer der angeblichen Soldaten hatte gerade seine Winchester auf Jed angelegt.

Aber der Rancherssohn konnte den Kerl mit einem schnellen, sicheren Schuß aus dem Sattel holen. Mit einem Schrei sackte der Kerl in sich zusammen und rutschte aus dem Sattel, während sein Gaul davonstob.

Ein wahres Bleigewitter prasselte auf Jed O'Malley nieder.

Er warf sich zur Seite, spürte wie die Kugeln haarscharf an ihm vorbeizischten. Noch im Fallen schoß er einmal, kam dann hart auf dem Boden auf, rollte sich herum und sah wie rechts und links von ihm der Staub zu kleinen Fontänen hochgeschossen wurde.

 

Jed ließ seinen 45er loskrachen. Er suchte den Major jenen Mann, der seinen Vater niedergeschossen hatte. Aber der Major hatte sein Pferd längst herumgerissen und es davonpreschen lassen. Er feuerte ein paar Schüsse in Jeds Richtung, die allerdings allesamt daneben gingen. Jed rollte sich erneut herum, kam wieder auf die Beine und hechtete dann hinter einen Busch, während die Schüsse über ihn hinwegpeitschten.

Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie die Cowboys der O'Malley-Ranch beschossen wurden.

Palmer sank schreiend zu Boden und Stuart hatte sich hinter den Pferdewagen gerettet, auf dem die O'Malley-Mannschaft Verpflegung, Brandeisen und andere Utensilien zum Round up mitgeführt hatten.

Stuarts Revolver war leergeschossen. Er griff sich eines der Winchester-Gewehre, die im Wagen lagen und holte einem der Blauröcke damit den Gaul unter dem Hintern weg.

Von Ross, dem dritten Cowboy der O'Malley-Ranch, konnte Jed im Augenblick nichts sehen.

Mit fieberhafter Eile lud er seinen Revolver nach, während Stuart vom Wagen aus Schuß um Schuß in Richtung der Blauröcke abgab.

Dann tauchte Jed aus seiner Deckung hervor und schoß ebenfalls zweimal kurz hintereinander. Einen der Kerle erwischte er, dann mußte er sich wieder platt an den Boden pressen, denn mit unglaublicher Wut hagelte eine Salve aus einem Dutzend Winchester-Gewehren in seine Richtung. Die Äste des Strauch, hinter dem er sich befand, splitterten auseinander. Die Geschosse pfiffen dicht über ihn hinweg oder schlugen rechts und links von ihm in den Boden ein.

Es war die Hölle.

Ein Schrei gellte dann durch die Luft.

Jed rollte sich am Boden herum und drehte sich zur Seite, so daß er sehen konnte, was geschehen war.

"Ross!" kam es über Jeds Lippen, aber der Lärm der Schießerei verschluckte seinen Ruf.

Es hatte Ross erwischt.

Er hatte offenbar versucht, sich hinter einem kleinen Erdhügel in Sicherheit zu bringen, aber bevor er Deckung gefunden hatte, war er getroffen worden.

Sein Bein war rot von Blut.

Einer der Blauröcke legte auf ihn an und jagte ihm auch noch eine Kugel in die Schulter. Verzweifelt versuchte Ross, sich zu wehren, aber sein Revolver war leergeschossen. Bevor der Blaurock jedoch ein weiteres Mal feuern konnte, war Jed aufgesprungen, hatte blitzschnell gezielt und seinen Colt loskrachen lassen.

Er traf den Blaurock am Waffenarm.

Mit einem Fluch auf den Lippen ließ dieser sein Eisen sinken und preschte davon.

"Ziehen wir ab, Männer, wir haben was wir wollen!" hörte Jed die heisere Stimme des Majors rufen.

Ein Donnern ließ jetzt die Erde erzittern.

Die Rinder hatten sich in Bewegung gesetzt. Die Schießerei hatte sie halb wahnsinnig gemacht und die Blauröcke waren nicht unbedingt erfahrene Treiber. Und so lief die Herde auch nicht in die Richtung, in die die Blauen es gerne gehabt hätten.

Wie bei einer Stampede trampelte die Herde los und die blau Uniformierten jagten hinter und zwischen ihnen her.

Jed blickte zu Ross hinüber, der noch immer verletzt am Boden lag. Ross kroch ein paar Schritte vorwärts und Jed zögerte nicht eine Sekunde. Er rannte ein Stück in Richtung des Cowboy, um ihn zu retten, denn die Rinder würden ihn buchstäblich in den Boden stampfen. Aber die ersten Longhorns stürmten schon dicht an Jed vorbei und man mußte höllisch aufpassen, nicht von einem der Tiere auf die langen Hörner genommen und herumgeschleudert zu werden.

Dann war es aus.

Geschossen wurde jetzt nicht mehr.

Auch die Blauröcke hatten alle Hände voll zu tun, den Rindern nicht in die Quere zu kommen. Die Herde war wie ein reißender, unaufhaltsamer Strom. Sich ihm entgegenzustellen bedeutete einen grausamen Tod.

Staub wurde aufgewirbelt und hüllte alles wie ein Nebel ein. Jed hustete und zog sich das Halstuch vor den Mund.

Eines der gesattelten Pferde, die herrenlos in diesem Chaos herumirrten preschte in Jeds Richtung und er wußte, daß dies seine Chance war.

Er stellte sich dem Gaul in den Weg.

Als das Tier heran war, klammerte er sich an dessen Hals, schwang sich halb hinauf auf den Rücken und packte es bei den Nüstern. Es beruhigte sich immerhin so weit, daß es sich wieder reiten ließ. Jed riß die Zügel herum und lenkte den Gaul dorthin, wo Ross lag.

Ein Pulk von gut einem Dutzend Longhorns donnerte direkt auf den am Boden liegenden zu. Jed wußte, daß es lebenbsge-fährlich war, was er tat. Aber wenn er nichts unternahm, dann war Ross dem Tod geweiht.

Auch wenn die Chance nur minimal war - Jed versuchte es. Er trieb das Pferd mit den Sporen brutal voran. Das Tier scheute. Es spürte die Gefahr. Aber Jed konnte ihm dennoch seinen Willen aufzwingen.

In vollem Galopp kam er auf Ross zugeritten, der bleich vor Schmerz und Schrecken im Staub lag.

"Nein! Tu es nicht!" krächzte dieser.

Aber Jed ließ sich nicht beirren. Es gab kein Zurück.

"Den Arm!" schrie er.

Und Ross begriff.

Um Haaresbreite jagte Jed O'Malley neben dem am Boden liegenden her.

Die scharfen Hufe des Pferdes schlugen nur wenige Zentimeter an Ross vorbei.

Ross hielt seine Hand in die Höhe und richtete sich auf, soweit er konnte.

Und Jed packte ihn.

Er hing seitwärts am Sattel und hielt Ross am Handgelenk. Ihn in dieser Lage in den Sattel hinaufzuziehen war unmöglich. Jed schleifte ihn einfach einige Dutzend Yards hinter sich her, während dort, wo Ross gerade noch im Staub gelegen hatte, das dünne Gras bereits von den donnernden Hufen der Longhorns untergepflügt wurde.

Jed zügelte sein Pferd.

Der Hauptstrom der Herde stampfte an ihnen vorbei.

Ungefährlich war es trotzdem nicht, denn immer wieder kamen Ausreißer vorbei.

Aber Jed glaubte, sich jetzt um den Verletzten kümmern zu können. Er sprang aus dem Sattel, hielt den Gaul aber nach wie vor am Zügel. Das Tier sollte ihm nicht in heller Panik davonpreschen.

Bevor Jed sich um Ross kümmern konnte, hörte er ein furchtbares Geräusch...

Es war das Brechen und Splittern von Holz. Die Rinder hatten den Wagen einfach überrannt. Ein Schrei war zu hören.

Ein gellender, verzweifelter Todesschrei und wenn nicht alles täuschte, dann mußte das Stuart sein, der dort die Stellung gehalten hatte.

Jed schluckte.

Viel zu sehen war nicht und das war gut so. Der aufge-wirbelte Staub hüllte alles ein und verhinderte einen Blick auf Stuarts grausamen Tod.

Einen Augenaufschlag lang stand Jed wie gelähmt da, dann besann er sich und beugte sich zu Ross hinab.

"Es hat mich übel erwischt, Jed! Verdammt übel!" Die Stimme des Cowboys war nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen.

Und nach kurzer Pause fuhr er fort: "Bring du dich in Sicherheit, Jed!"

"Ich werde dich nicht zurücklassen!" sagte Jed entschlossen und packte Ross unter den Achseln.

Ross stöhnte auf.

Das ganze Bein war rot. Und die Wunde an der Schulter war auch nicht ohne.

"Ich kann nicht...", rief Ross. "Mein Bein..."

Jed packte ihn und versuchte, Ross in den Sattel zu hieven. Beim zweiten Versuch klappte es. Dann schwang Jed sich dahinter.

Er drückte dem Pferd in die Weichen, so daß es sofort lospreschte. Aus dem Staub heraus tauchten einige wütende Bullen auf, vor deren Mäulern Schaum stand. Jed riß das Pferd herum und wich den stur ihre Richtung behaltenden Tieren aus.

Es ging um kaum mehr als eine Handbreit, die zwischen den Hörnern und dem Bauch des Pferdes lag...

Ross stöhnte und sackte nach vorne. Jed mußte ihn mit dem linken Arm festhalten, so daß er nicht vorwärts aus dem Sattel rutschte.

Jed ließ den Gaul etwas langsamer laufen. Der Staubnebel wurde weniger dicht und dann tauchte wie aus dem Nichts plötzlich einer der Blauröcke auf.

Der Uniformierte zögerte nicht eine Sekunde.

Die Winchester hielt er bereits in den Händen. Blitzschnell hatte er die Waffe durchgeladen und legte sie an und Jed wußte, daß er nicht schnell genug sein konnte, wenn er jetzt den Colt aus dem Holster riß.

Er griff dennoch zur Hüfte, ließ die Waffe aber stecken und bog sie samt Lederholster in die Richtung seines Gegners. Nur den Bruchteil einer Sekunde später krachte bereits sein Schuß los und erwischte den Uniformierten Army-Reiter am Bein.

Auch der Blaurock schoß. Seine Winchester bellte fast im selben Moment auf und Jed konnte das Mündungsfeuer blitzen ehen.

Aber der Schuß ging dicht vor Jeds Gaul in den Boden, denn ein Ruck hatte den Blaurock erfaßt. Die Kugel, die ihn am Bein erwischt hatte, war bis in den Pferdeleib durchgegangen und ließ das Tier zusammenbrechen Während der Uniformierte alle Mühe hatte, bei dem Sturz nicht von seinem Pferd begraben zu werden, riß Jed die Zügel herum und preschte davon.

Einigen wilden Rindern mußte er noch ausweichen, dann erreichte er schließlich eine Anhöhe, auf der er und Ross wohl verhältnismäßig sicher waren.

Jed atmete tief durch.

"Ross?" fragte er, denn der Cowboy rührte sich nicht mehr und hing schlaff in den den Armen des jungen O'Malley-Sohns.

Jed faßte Ross an den Hals und suchte den Puls. Das Herz schlug noch, aber viel Leben war nicht mehr in dem Verletzten.

Wenn er noch eine Chance haben sollte, dann mußte so schnell wie möglich ein Arzt nach ihm sehen. Ross hatte viel Blut verloren und auch Jeds Sachen waren schon ganz davon besudelt.

Jed wandte sich im Sattel herum und blickte grimmig auf die davonpreschende Herde.

Die Herde donnerte gen Westen in Richtung des Rio Pecos.

Westlich des Pecos gab es kein Gesetz mehr und vielleicht war dort sogar das Ziel dieser merkwürdigen Bande von Uniformierten. Fort Hobbs lag jedenfalls genau in entgegengesetzter Richtung...

Nie und nimmer waren das Soldaten der US-Kavallerie - so schlecht die Meinung seines Vaters über die auch gewesen sein mochte!

Es waren Viehdiebe und Mörder - mochten sie eine Uniform tragen oder nicht.

"Verfluchte Hunde!" knirschte Jed O'Malley zwischen den Zähnen hindurch, als er die Blauröcke mitsamt der Herde davonziehen sah.

Jeds Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten.

Im Moment konnte er nichts tun, aber das letzte Wort in dieser Sache war noch nicht gesprochen...

*

Als Jed die O'Malley-Ranch erreichte, kamen ihm zwei Frauen entgegen. Die ältere war Laura O'Malley, seine Mutter, die jüngere hieß Beth, trug eine praktische Drillich-Hose und ein Männerhemd und war Jeds jüngere Schwester.

Gerade achtzehn war sie und selbst die unförmige Kleidung konnte ihre Schönheit nicht verbergen.

"Jed!" rief Laura O'Malley bestürzt, als ihr Blick auf den blutenden Ross fiel. "Mein Gott, was ist passiert?"

"Ich werde es dir gleich erzählen", sagte er düster.

"Wo sind dein Vater und die anderen?"

Jed sprang aus dem Sattel und packte sogleich wieder zu, damit Ross nicht herunterrutschte.

Er nahm den Verletzten auf den Rücken und schleppte ihn in Richtung des Ranchhauses.

Und dabei wandte er sich an Beth. "Setz dich auf den Gaul hier und reite zu Doc McCooney!"

"Aber..."

"Schnell! Es geht um Ross' Leben!"

Beth nickte. Sie nahm die Zügel des Pferdes, schwang sich hinauf und ließ das Tier lospreschen. Beth war eine hervorragende Reiterin. Sie würde genauso schnell beim Doc sein, wie einer der Cowboys.

Die nächste Stadt war Brownwell, aber der Doc brauchte für seine Praxis ein großes Haus und so hatte er sich nicht in der Stadt, sondern in einer nahegelegenen Ranch einge-richtet, die vor Jahren aufgegeben worden war.

Es dauerte nicht lange und Beth war hinter der nächsten Hügelkette verschwunden. Jed ging indessen ins Haus. Seine Mutter hatte die Tür vor ihm geöffnet.

"Wo willst du ihn hinlegen, Jed?"

"In mein Zimmer!"

Einen Augenblick später legte Jed den Verletzten vorsichtig auf sein Bett.

Ross' Atem war flach.

"Ich werde heißes Wasser machen", sagte Laura O'Malley und wandte sich zum Gehen.

Jed hielt sie am Arm.

"Warte, Ma."

"Was ist noch?"

"Sie sind alle tot, Ma. Dad, Stuart, Palmer..."

Laura stand wie zur Salzsäule erstarrt da und biß sich auf die Unterlippe. Ihre Augen wurden rot. "Nein...", flüsterte sie und schüttelte dann stumm den Kopf.

Sie sah Jed einen Moment lang fassungslos an und fragte dann: "Was ist passiert, Jed?"

 

Jed stockte.

Als er schließlich soweit war, darüber sprechen zu können, berichtete er in knappen Worten, was sich beim Round up zugetragen hatte.

"Kaltblütige Killer waren das!" knurrte Jed grimmig. "Ein Menschenleben war ihnen völlig gleichgültig!"

"Glaubst du, daß es wirklich Soldaten waren?"

"Sie trugen die blaue Uniform, das ist alles was ich weiß.

Und daß sie mit der Herde in Richtung Westen gezogen sind.

Aber sie werden für das bezahlen, was sie getan haben, Ma! So wahr ich hier stehe!"

Laura nahm die Hände vor das Gesicht und schwieg einen Moment.Dann ging sie wortlos hinaus in die Küche, um heißes Wasser zu machen.

Sie war eine Frau, die soeben alles verloren hatte. Den Mann, die Herde... Sie stand buchstäblich vor dem Nichts.

Aber sie behielt die Fassung. Das Leben an der Seite eines Ranchers hatte sie äußerlich hart werden lassen. Aber in ihrem Inneren brach eine Welt zusammen.

*

Beth kam mit Doc McCooney zurück.

Sie hatte Glück gehabt, ihn in seiner Praxis anzutreffen.

Wenig später hätte er sich auf den Weg gemacht, um Krankenbesuche zu erledigen.

"Ich hoffe, ich komme noch rechtzeitig", meinte der Doc, als er ins Haus trat.

Laura führte ihn wortlos zu dem Verletzten und berichtete in knappen Worten, was draußen beim Round up geschehen war.

Für Beth war das ein harter Schlag.

Aber sie nahm sich zusammen, wie ihre Mutter.

Ein Menschenleben konnte schließlich noch gerettet werden auch wenn das natürlich kein Trost sein konnte.

Es wurde kaum etwas gesagt, der Doc und Laura wußten auch ohne Worte, was zu tun war. Es war schließlich nicht das erste Mal, daß auf dieser Ranch eine Kugel herausoperiert werden mußte.

Der Doc holte die Kugeln aus Bein und Schulter. Den Rest mußte Ross selbst schaffen.

"Wird er durchkommen?" fragte Laura.

Der Doc wollte sich nicht festlegen. Er stand vor einer Schüssel und wusch sich die Hände. Als er sich abtrocknete, sagte er: "Was jetzt geschieht, habe ich nicht mehr in der Hand, Mrs. O'Malley... Aber ich habe getan, was ich konnte.

Das können Sie mir glauben."

"Daran habe ich nie gezweifelt, Doc!"

Jed hatte sich inzwischen frische Kleidung angezogen. Dann war er hinausgegangen, um sich ein Pferd zu satteln und jetzt legte er seine Winchester und ein Paar Satteltaschen auf den hölzernen Küchentisch.

Er steckte sich gerade etwas Munition in die Westentasche, als die anderen aus dem Krankenzimmer heraustraten.

"Jedediah!" rief Laura O'Malley und Jed drehte sich daraufhin sofort um. Jedediah - die vollständige Form seines Namens benutzte sie immer nur, wenn es ihr sehr ernst war.

Und das war nicht oft der Fall.

Jed packte die letzten Sachen zusammen, steckte ein paar Lebensmittel in die Satteltaschen und hängte sie sich dann über die Schultern. Dann packte er die Winchester.

"Was hast du vor, Junge?"

"Ich werde die Bande verfolgen - ob diese Kerle nun Uniformen tragen oder nicht!"

"Jed!"

"Versuch nicht, mich davon abzuhalten, Ma! Es ist zwecklos!"

"Du kannst doch unmöglich versuchen, es mit einer solchen Meute aufzunehmen..."

"Ich kann schon, Ma. Und wenn ich es nicht mache - wer wird es dann tun?"

"Jed..."

"Oder findest du es richtig, wenn diese Hunde davonkommen?

Es sind Mörder, Ma! Feige Mörder!"

Jetzt mischte sich der Doc ein.

"Ich verstehe dich, Jed!" sagte er. "Aber du solltest zum Sheriff gehen! Tom Kane wird dir helfen und ein Aufgebot zusammenstellen!"

"Wenn es gegen Uniformierte geht? Wohl kaum!"

"Auch die Blauröcke müssen sich an die Gesetze halten!"

Jed machte eine wegwerfende Geste.

"Bis Tom etwas unternehmen kann sind dieser dubiose Major und seine Leute doch über alle Berge! Ist doch klar, was sie wollen! Richtung Mexiko und dort die Herde verkaufen. Dort fragt kein Mensch danach, was für ein Brandzeichen ein Longhorn-Rind trägt!" Jed atmete tief durch. Dann sagte er noch.

"Ihr solltet mir Glück wünschen..."

Damit wandte er sich zum Gehen.

"Jed! Es ist Wahnsinn!"

Jed wandte sich an den Doc und bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick.

"Wenn Sie Slater sehen..."

"Den Totengräber? Ich fahre heute noch zu ihm 'raus. Wegen seiner Frau."

"Sagen Sie ihm, daß er sich um die Toten draußen auf der Weide kümmern soll..."

Der Doc nickte und erwiderte: "Das werde ich tun. Aber Sie sollten sich nochmal überlegen, was Sie tun..."

"Das weiß ich sehr genau, Doc!" erwiderte Jed mit einem Tonfall der Entschlossenheit ausdrückte.

"Jed!" Das war Laura O'Malley, die einen letzten Versuch unternahm, ihren Sohn umzustimmen. Aber sie schien zu ahnen, daß sie keinen Erfolg haben würde. "Jed, ich will nicht auch noch dich verlieren!"

Jed lächelte matt. "Das wirst du auch nicht, Ma!"

Er ging hinaus und die anderen folgten ihm. Mit schnellen, sicheren Bewegungen befestigte er die Satteltaschen, schob die Winchester ins Futteral und schwang sich dann in den Sattel. Einen kurzen Blick sandte Jed O'Malley noch zurück, dann riß er das Pferd herum und ließ es über das ebene Grasland preschen. Laura O'Malley atmete tief durch.

"Viel Glück, Jedediah!" murmelte sie vor sich hin.

*

Jed ritt auf direktem Weg zurück an den Ort jenes furchtbaren Geschehens, das seinen Vater und zwei seiner Cowboys das Leben gekostet hatte. Aber auch einige der Blauröcke lagen im Staub. Ihre Kameraden hatten sich nicht die Mühe gemacht, die Toten mitzunehmen. Nur an die Pferde, da hatten sie offenbar gedacht, denn von denen war weit und breit nichts zu sehen.

Als Jed seinen toten Vater im Gras liegen sah, stieg er vom Pferd und beugte sich nieder. Er schloß ihm die Augen.

Ein kurzer Fluch ging über seine Lippen, dann erhob er sich wieder und setzte seinen Fuß in den Steigbügel.

Dies war ein Ort des Grauens - besonders jene Stelle, an der Stuart von den Longhorns samt des Pferdewagens überrannt und in den Prärieboden gestampft worden war.

Aber es war notwendig, hierher zurückzukehren. Es gab keinen Weg daran vorbei, denn von hier aus mußte Jed O'Malley die Spur der Blauröcke aufnehmen.

Jed ließ seinen Braunen in gemäßigtem Tempo über das sich endlos vor ihm ausbreitende Brassada Land galoppieren. Es war nicht schwer, der Spur der Herde zu folgen. Sie war einfach nicht zu übersehen.

Ich werde sie kriegen! ging es Jed durch den Kopf. Er war sich seiner Sache ziemlich sicher. Wenn die Blauröcke wirklich in Richtung Rio Pecos weiterzogen, wie es jetzt den Anschein hatte, dann würde Jed sie spätestens einholen, sobald sie mit der Herde den Fluß erreicht hatten. Es gab nur ganz bestimmte Stellen, an denen man mit einer Rinderherde den Pecos überschreiten konnte. Und Jed kannte sie alle.

Und dann, wenn er sie aufgespürt hatte?

Jed hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht. Aber er würde den Mann, der sich mit der Uniform eines Majors schmückte, nicht einfach so nach Mexiko entkommen lassen, das hatte er sich geschworen.

Der Major war ein Mörder - und dafür hatte er zu bezahlen!

Jed blinzelte zum Horizont. Die Sonne stand schon recht tief und war milchig geworden.

Es war später Nachmittag.

Ein paar Stunden noch, dann würde die Dunkelheit über die Brassada hereinbrechen.

*

Tom Kane, der Sheriff von Brownwell, Texas, war ein grauer, hagerer Wolf mit wettergegerbtem Gesicht und breiten Schultern. Seine himmelblauen Augen wirkten wach und machten den Eindruck, als könnte ihnen nichts entgehen.

Er verließ gerade sein Office, um die wenigen Meter zum Dead Comanche-Saloon zurückzulegen, wo er sein Abendessen einnehmen wollte. Da sah er eine wilde Reiterin die Main Street entlangpreschen.

Kane kannte sie.

Es war Beth O'Malley und sie kam daher, als ob ihr buchstäblich der Teufel auf den Fersen war. Als sie Tom Kane erreicht hatte, zügelte sie das Pferd und ließ sich aus dem Sattel gleiten.

"Sheriff!"

Kane runztelte die Stirn und blieb stehen.

"Was ist denn los, Beth?"

Er kannte die junge Frau schon seit ihrer Geburt. Aber so wie jetzt hatte er sie in all den Jahren noch nie erlebt.

Beth rang nach Luft und dann berichtete sie in knappen Worten, was geschehen war.

"Eine Kolonne von US-Kavalleristen?" fragte Tom Kane zurück.

Beth nickte.

"Das hat Jed gesagt. Und jetzt ist er auf eigene Faust hinter ihnen her! Aber das ist doch Selbstmord!"

Über Kanes Gesicht fiel ein Schatten. Er nickte leicht und sagte dann: "Vor einiger Zeit ist ein Transport nach Fort Hobbs überfallen worden., Die Banditen vermuteten wohl die Regimentskasse, waren aber falsch informiert. Statt dessen ist ihnen eine Ladung Uniformen in die Hände gefallen..."

"Und Sie meinen, daß diese Bande hinter dem Überfall steckt?" fragte Beth zurück.

Kane zuckte die Achseln.

"Wenn es so ist, dann haben wir es mit Leuten zu tun, die kein Pardon kennen..."

Beth faßte den Sheriff bei den Armen und beschwor ihn: "Sie müssen etwas tun, Sheriff!"

"Soll ich Jed zurückholen?"

"Vielleicht hört er auf Sie! Er rennt doch in den Tod!"

"Ich werde einen Suchtrupp zusammenstellen!" versprach Kane. "Hat Jed gesagt, wohin die Bande geritten ist?"

"Richtung Rio Pecos!"

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