Das Blei der Bosse: Zwei Kriminalromane

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Aus der Reihe: Extra Spannung #2
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Das Blei der Bosse: Zwei Kriminalromane
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Alfred Bekker & W.A.Hary

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Inhaltsverzeichnis

  Zwei Krimis

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  Jesse Trevellian und der große Boss

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  Caravaggio verschwindet

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Impressum neobooks

Zwei Krimis

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende drei Krimis:

W.A.Hary: Jesse Trevellian und der große Boss

Alfred Bekker: Carravaggio verschwindet

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Jesse Trevellian und der große Boss

Kriminalroman von W. A. Hary

Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.

Ein Boss von der Westküste kommt extra nach New York, um Jesse Trevellian zu töten. Der versucht den Spieß umzudrehen und dem Gangster eine Falle zu stellen. Doch so einfach, wie Jesse sich das vorgestellt hat, wird es nicht...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

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© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

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1

Chester Finish lachte hart. Sein kantiges Gesicht lachte nicht mit. Es blieb unbewegt wie immer.

"Ihr seid Versager. Eigentlich seid ihr es gar nicht wert, dass ich den weiten Weg hierher gemacht habe. Werdet ohne mich nicht einmal mit Jesse Trevellian fertig. Ein FBI-Bulle, mehr nicht. Wo also liegt euer Problem? Ich sage es euch: Bei euch selber. So 'ne Type wird schlicht und einfach zertreten, und ich werde euch einmal zeigen, wie man da vorgeht."

Keiner zweifelte daran, obwohl jeder von ihnen wusste, dass Jesse Trevellian alles andere als ein kleiner Fisch war. Sonst hätte sich Chester Finish, der Boss von der Westküste, ja wohl kaum persönlich herbemühen müssen.

"Ihr kennt meine Devise: Ich dulde keinerlei Versager. Und was diesen Trevellian betrifft, habt ihr nachhaltig versagt. Dieser Typ kostet uns jeden Tag im Schnitt immerhin eine Million harte Dollars."

Er schüttelte den Kopf und seufzte.

"Vielleicht hat es sich inzwischen sogar bis zu euch herumgesprochen, wie ich mit Versagern umzugehen pflege."

Mit diesen Worten zog er seinen großkalibrigen Revolver, Marke individuelle Spezialanfertigung.

Sein stahlharter Blick ging in die Runde. Die selbsternannten Könige von New Yorks Unterwelt duckten sich unwillkürlich. Was hatte Finish vor?

 

Sie bereuten auf einmal den Beschluss, mit der Westküste zu fusionieren. Ihr Vorsitzender, Glenn T. Silver, hatte ihnen vorgeschwärmt, dass sie dadurch den Markt endgültig beherrschen konnten, gerade in den Spezialbereichen Waffenschmuggel und Menschenhandel. Nach dem Motto: Einigkeit macht stark. Dabei herausgekommen war jedoch eher eine Angliederung. Wenn man es genauer nahm, sogar eine Art Unterordnung. Denn dieser Finish war gleich mit einer ganzen Armee angerückt. Dem waren die Könige nicht gewachsen – und jetzt hatten sie in Finish so etwas wie ihren Kaiser!

Dabei hatten sie alle den Beschluss am Ende einhellig getragen! Sie waren verblendet gewesen, und dieser Finish, der sogenannte Boss von der Westküste, bewies es ihnen gerade recht drastisch.

"Zum Beispiel fliegt jeder bei mir an der Westküste raus, der auch nur ein einziges Mal seinen Fuß in ein Gefängnis gesetzt hat", behauptete er. "Im Gefängnis landet nur, wer sich schnappen lässt, und wer sich schnappen lässt, ist in meinen Augen ein Versager. Mit solchen Leuten kann man nichts mehr anfangen. Sie sind zu unzuverlässig.

Am schlimmsten jedoch ist eindeutig, wenn einer immer denselben Bullen zum Zuge kommen lässt. Und das als oberster Verantwortlicher einer Organisation wie dieser hier. Also beginnen wir die Aktion zunächst einmal beim Hauptversager von New York City."

Er legte an, und bevor noch der eigentliche Vorsitzende der dunklen Versammlung, Glenn T. Silver, begriffen hatte, wie ihm geschah, donnerte die schwere Waffe los. In dem abgeschlossenen Raum ein ohrenbetäubender Laut.

Die tödliche Kugel traf Glenn T. Silver mitten zwischen die Augen. Vom Aufprall wurde der alte Mann der New Yorker Unterwelt hochgetrieben und rücklings über den Stuhl gerissen.

Die nahebei saßen, wandten den Blick ab, als sie sahen, was die Kugel angerichtet hatte. Obwohl einiges schon erlebt, drehte sich ihnen der Magen um.

Einen solchen Vorfall, ein solch drastisches Exempel hatte es lange nicht mehr gegeben. Um genauer zu sein: seit Al Capone nicht mehr!

Ihr Gast hatte zu handeln begonnen, und keiner von ihnen hätte in der Haut von Jesse Trevellian stecken mögen. Das war aber auch der einzige Vorteil, den sie im Moment für sich sahen. Einer dachte sogar: Die Geister, die wir riefen. Wie bekommen wir die bloß wieder los? Der dies dachte, war Gil Mandozzi, der selbsternannte König von Little Italy.

2

New York besitzt einen natürlichen Hafen entlang des Hudson und der New York Bay, der jedoch längst nicht mehr die Bedeutung von früher hat. So werden zum Beispiel nur noch wenige Piers für den Passagierverkehr genutzt und da vor allem die Anlegestellen am Ende der 50er Straßen, das Passenger Ship Terminal 90. Von hier geht es zumeist per Schiff hinunter zur Kreuzfahrt in die Karibik.

Aber auch der Warenumschlag hat im New Yorker Hafen enorm an Bedeutung verloren. Kein Wunder, seit das New York praktisch gegenüberliegende Port Elizabeth als Container-Terminal dient.

Es sei denn, es handelte sich um Waren, die illegal hier ankommen oder New York verlassen sollten. Was das betrifft, hatten Milo und ich wieder einmal die Aufgabe, einem heißen Tipp nachzugehen, den wir für diese Nacht bekommen hatten. Nicht im bekanntesten Terminal 90, sondern am Pier 84, wo das alte, beeindruckende, aber doch schon ein wenig baufällige Terminalgebäude den Bulldozern zum Opfer gefallen war. Eine Maßnahme, die verständlicherweise nicht nur Freunde gewonnen hatte, weshalb bereits erwogen wurde, hier im alten Stil ein neues Gebäude zu errichten.

Noch war es jedoch nicht soweit. Mr. Jonathan D. McKee hatte uns persönlich in Marsch gesetzt, denn es sollte sich um eine illegale Waffenausfuhr handeln.

Nun, der Waffenverkauf war schon immer ein recht einträgliches Geschäft gewesen und wurde es nicht erst seit der letzten Golfkrise. Vor allem, wenn die Käufer dort saßen, was die Europäer ihren nahen Osten nannten: Iran oder - inzwischen noch schlimmer - Irak. Da reagierte nicht nur jeder rechtschaffene Amerikaner allergisch, bestand doch die Gefahr, dass mit denselben Waffen vielleicht schon bald wieder auf amerikanische Söhne an vorderster Front geschossen wurde.

Die Waffen sollten diesmal mit einem der Passagierschiffe außer Landes gehen. Zunächst einmal in Richtung Karibik, was das erklärte Ziel des Schiffes war - ausnahmsweise einmal nicht vom Terminal 90 weg. Aus der Karibik erst sollte die heiße Ware ihren Weg in Richtung Europa und letztlich Irak nehmen. Noch nicht einmal eine allzu große Sendung, wie man uns versichert hatte. In den letzten Wochen hatten wir immerhin ganze Panzer und sogar komplette Bausätze von Jagdfliegern zurückhalten können.

Objekt unserer Beobachtung war das Passagierschiff "MARY ANN".

Und dann kam der Lieferwagen. An den Seiten trug er die gewundene Aufschrift "CATERING SERVICE", was vermuten ließ, dass damit normalerweise Bordvorräte für die Schiffe angeliefert wurden. Die "MARY ANN" sollte planmäßig früh am Morgen in See stechen. Es waren nur noch wenige Stunden hin. Also erschien es eigentlich nur logisch, dass man mit der Lieferung jetzt schon begann.

Der Lieferwagen stoppte genau an der Gangway zur "MARY ANN", und wir beide näherten uns, jeden Schatten ausnutzend.

Das Passagierschiff, das am Morgen in Richtung Karibik in See stechen wollte, würde wohl kaum mit so wenig Proviant zufrieden sein, wie so ein relativ kleiner Lieferwagen anliefern konnte. Aber möglicherweise war das weder die notwendige Lieferung von Proviant, noch die Lieferung, die Milo und ich erwarteten, sondern eher so etwas wie eine Vorhut, um die Lage zu checken? Denn die Schläge, die uns in den letzten Wochen gegen die Organisation gelungen waren, hatten die Bosse gewiss doppelt vorsichtig gemacht.

Deshalb hielten wir uns zunächst zurück.

Eine junge Dame stieg aus dem Lieferwagen - und was für eine! Ihre Beine waren so lang, dass sie gar kein Ende mehr nehmen wollten, und ihr knackiges Hinterteil wackelte bei jedem Schritt - Absicht oder nicht -, dass kein normaler Mann mehr für etwas anderes Interesse haben konnte. Dabei wippte das kurze Röckchen recht kokett.

Sie trug über den endlos langen Beinen und dem schwarzen Nichts von einem Minirock eine superkurze, rote Windjacke. Da stimmte wirklich alles. Als Blickfang war die Kleine bestens geeignet.

Sonst schien niemand an Bord des Lieferwagens zu sein. Die Langbeinige mit dem schulterlangen Blondhaar stakste auf kurzhackigen Pumps die paar Schritte zur Passagierrampe hinüber und wartete ein paar Sekunden.

Von oben kam ein Zeichen. Man sah nur die winkende Hand, sonst nichts. Es zeigte sich niemand.

Das war eigentlich schon Bestätigung genug für unseren anfänglichen Verdacht, dass es sich hier um eine Falle handelte. Der Gegner wurde offensiv. Er begnügte sich nicht mehr länger damit, seine Handlungen im Verborgenen bleiben zu lassen, sondern er schlug aktiv zurück.

Ziel dieser Aktion waren offensichtlich wir beide. Man schien sich genau ausgemalt zu haben, was geschah, wenn ein solcher Tipp beim FBI einging. Man würde natürlich die Agenten einsetzen, die zur Zeit am meisten mit dem illegalen Waffenschmuggel beschäftigt waren, und das waren wir beide nun mal.

Die Falle war perfekt organisiert. Sie schnappte zu.

3

Sofort nach dem verabredeten Zeichen steppte die Blondine auf ihren kurzhackigen Pumps erstaunlich behände zur Seite, in die Deckung des Lieferwagens. Von irgendwo auf dem Schiff züngelte fast gleichzeitig ein kurzes Mündungsfeuer. Kein Schuss war zu hören, aber das Sirren der Kugel, die mich tiefer in Deckung zwang.

Man setzte also Schalldämpfer ein, um kein zu großes Aufsehen zu erregen. Schüsse am Kai würden relativ schnell die City-Police auf den Plan rufen.

Die Rechnung ging allerdings nur zur Hälfte auf: Milo und ich hatten keine Schalldämpfer auf unseren Smith & Wessons. Wir hatten auch nichts dagegen, wenn unsere Kollegen von der City Police auf die Schießerei aufmerksam wurden.

Ich schickte eine Kugel ungefähr in die Richtung, in der ich das Mündungsfeuer gesehen hatte. Es sollte den Schützen davon abhalten, weiter auf mich Zielschießen zu veranstalten. Aber es nutzte wenig. Ganz im Gegenteil: Wie als Antwort züngelten mehrere Mündungsfeuer an anderen Stellen auf, und alle benutzten Schalldämpfer. Es hatte den Vorteil für uns, dass man damit nicht ganz so präzise schießen konnte, vor allem nicht auf die Entfernung.

Nur die Smith & Wessons von Milo und mir brüllten also durch die Nacht.

Drei Fahrzeuge bogen vorn auf das Pier ein und brausten heran. Nur bis auf höchstens fünfzig Yards Abstand zu uns. Dann stoppten sie mit kreischenden Pneus. Die Türen flogen auf. Ein paar bewaffnete Typen sprangen heraus, gingen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung und legten mit ihren Waffen auf uns an. Sie wussten ganz genau, wo wir uns in Deckung duckten. Offenbar hatte man uns vom Schiff aus trotz all unserer Vorsicht entdeckt, bevor man die Falle zuschnappen ließ.

Es hätte für uns bereits tödlich enden können. Aber das wollte man vielleicht gar nicht? Wenigstens nicht hier am Pier?

Die Typen bei den drei Fahrzeugen schossen jedenfalls vorerst nicht.

Und dann rief die Blondine aus ihrer Deckung hinter dem Lieferwagen: "He, ihr beiden. Widerstand hat keinen Zweck mehr. Wir wollen euch nicht töten, sondern nur gefangennehmen. Unser Boss will euch sehen. Gebt auf."

Eine nette Stimme, aber eine Einladung, die niemand gern annahm.

Ein Ausbruchsversuch wäre tatsächlich sinnlos gewesen. Wir hatten zwar eine gute Deckung, in der wir uns allerdings nicht lange würden halten können. Da gab es durchaus einige Möglichkeiten für unsere Gegner, uns auszuräuchern. Zum Beispiel Handgranaten. Vielleicht auch Gas? Wir mussten in dieser Beziehung mit allem rechnen.

Was die Gegner jedoch nicht wussten: Wir hatten sozusagen einen Trumpf im Ärmel, mit dem wir sehr leicht den Spieß umdrehen konnten. Und den wir jetzt ausspielten.

Wir hatten schließlich von vornherein mit einer Falle rechnen müssen. Vor allem, weil wir schon seit Wochen an dieser Sache dran waren und inzwischen immerhin soviel Erfolg verbuchten, dass dem Gegner eigentlich gar nichts anderes mehr übrigblieb, als endlich offensiv zu werden.

Und so lange die sich hier sicher fühlten und nur uns ihre Aufmerksamkeit schenkten, dachten sie gar nicht an eine Gefahr, die ihnen von anderer Seite her drohen könnte.

Blondy meldete sich wieder: "Ihr habt nicht lange Bedenkzeit. Werft eure Waffen weg und verlasst eure Deckung! Sonst müsst ihr leider sterben. Verlasst euch nicht darauf, dass man eure Schüsse gehört hat. Bevor die City-Police oder eure Kollegen hier sein können, seid ihr nicht mehr am Leben. Also los, auf geht's, G-men!"

Ich enthielt mich einer Antwort, nahm stattdessen das winzige Walkie-Talkie aus der Tasche, drückte die Sprechtaste und sagte: "Ihr seid dran!"

Das genügte. Alles war verabredet. Die Kollegen vom FBI, die City-Police und auch die River-Squad-Police standen bereit. Für sie war das Folgende schon fast Routine. Nur die City-Police blieb vorläufig noch im Hintergrund, gewissermaßen als Nachhut.

Unsere Gegenaktion spulte sich ab wie ein Uhrwerk.

Und es war mehr als nur eine Gegenaktion: Wir machten aus der soeben noch so perfekt erschienen Falle für uns beide eine noch perfektere Falle für unsere Belagerer.

Das begann zunächst damit, dass auf dem Hudson von zwei Seiten je ein Schnellboot heranbrauste. Kugelsichere Scheinwerfer wurden in Position gebracht, um die "MARY ANN" damit von der Flussseite her auszuleuchten.

Aber auch die Gangster, die vorn die Ausfahrt vom Pier abriegelten, wurden nicht vergessen. Mehrere Streifenfahrzeuge fegten herbei. Die Kollegen sprangen heraus und warfen sich in Deckung hinter ihre Fahrzeuge.

Einer der Gangster verlor die Nerven und gab einen ungezielten Schuss ab. Der Schuss wurde nicht erwidert. Stattdessen erscholl eine Megaphonstimme: "Hier spricht das FBI. Gebt auf!"

"Scheiße!", rief ein anderer Gangster. Sein Schuss kam gezielter. Aber er traf trotzdem niemanden. Es ging nur eine Frontscheibe von einem der FBI-Fahrzeuge in Scherben.

"Diesmal sind die dran", sagte Milo neben mir. "Eine Falle für zwei FBI-Beamte. Sie haben uns sogar unter Feuer genommen und wollten uns damit zur Aufgabe zwingen. Beabsichtigt war Kidnapping. Das reicht für eine saftige Anklage."

 

Gegenüber sonst ein Fortschritt. Darin hatte er recht. Denn sonst hatten wir zwar die Waren sicherstellen können, aber wir waren kaum an Personen herangekommen. Eine Beteiligung an dem Geschäft war so gut wie keinem nachzuweisen gewesen. Dafür waren die stets zu geschickt vorgegangen. Profis, mit allen Wassern gewaschen. Jeder hatte so getan, als sei er die Unschuld in Person. Als wäre die Ware sozusagen aus dem Nichts aufgetaucht...

Und dann waren wir an der Reihe, in das Geschehen wieder aktiv einzugreifen. Alle Kollegen waren in Position. Zwei weitere kugelsichere Scheinwerfer flammten auf. Diesmal von der Landseite her. Einer erleuchtete hell das Pier. Der Lichtfinger des anderen tastete über das Schiff.

Die Gegner machten allerdings keinerlei Anstalten zur Aufgabe. Auch wenn jetzt ihre Chance noch so klein erschien.

"Gebt uns Feuerschutz!", sagte ich in das Mikrophon des Walkie-Talkie. Von den Kollegen waren Gewehre mit Zielfernrohr in Anschlag gebracht worden, wie ich wusste. Damit war es kein Problem, das Schiff erfolgreich unter Feuer zu nehmen.

Eigentlich schade um das schöne Schiff, dachte ich. Es würde kaum ohne Beschädigungen abgehen.

Wir sprangen auf und sprinteten los, zuerst in Richtung Lieferwagen.

Keine Sekunde zu früh. Etwas wummerte heran. Es schlug haargenau dort ein, wo wir soeben noch in Deckung gelegen hatten. Der Abschussknall kam einen Sekundenbruchteil später, zeitgleich mit der Detonation der kleinen Granate.

Wir warfen uns zu Boden und pressten die Hände auf Ohren und Nacken.

Unsere ehemalige Deckung wurde zerfetzt. Im Pier entstand ein großes Loch. Die Druckwelle fuhr über uns hinweg, erfasste auch den Lieferwagen und schob ihn ein Yard weiter. Dabei schwankte er bedenklich.

Splitter wirkten wie Geschosse, ließen die Scheiben des Lieferwagens platzen und schlugen Dellen und kleine Löcher in das Blech der Karosserie auf dieser Seite.

Wir warteten das Ende des Infernos ab und sprangen wieder auf.

Der Lieferwagen sah aus wie nach einem schlimmen Verkehrsunfall. Er hatte nur noch Schrottwert.

Die Kollegen hatten den Schützen am tragbaren Granatwerfer entdeckt. Sie nahmen ihn unter Beschuss, als er sich für den nächsten Abschuss zu weit aus seiner Deckung wagte. Wir hörten einen gellenden Schrei. Im nächsten Moment löste sich von oben ein Schatten und segelte herab. Er schlug auf der Wasseroberfläche zwischen Pier und Schiffskörper auf.

Mit einer weiteren Granate war nicht mehr zu rechnen.

Von oben wurde jetzt überhaupt nicht mehr geschossen. Die Kollegen hatten Zielfernrohre mit Restlichtverstärker. Sie zwangen jeden Schützen auf dem Schiff in Deckung, auch wenn er sich nicht gerade im Lichtfinger eines Scheinwerfers befand.

Aber die Gangster wollten trotzdem noch nicht aufgeben. Sie machten immer noch keinerlei Anstalten dazu.

Wir erreichten den Lieferwagen.

Blondy trat in Aktion. Sie sprang hervor, behielt den Lieferwagen jedoch geschickt zwischen sich und den FBI-Schützen. Leicht geduckt stand sie vor uns, wie eine Tigerkatze kurz vor dem Sprung. Ihre Pistole hielt sie beidhändig gegen uns im Anschlag. Hass verzerrte ihr Gesicht.

Wir hatten ebenfalls die Waffen in den Händen, schussbereit. Wir hätten ihr nur zuvorzukommen brauchen, sie einfach über den Haufen knallen müssen. Es wäre nur Notwehr gewesen, denn sie wollte die Aktion gegen uns mit ihrer eigenen Waffe doch noch halbwegs erfolgreich beenden. Indem sie uns umlegte.

Aber keiner von uns beiden brauchte sie niederzuschießen:

Einer der Gangster auf dem Schiff gab jetzt doch noch ein paar ungezielte Schüsse in unsere Richtung ab. Zu mehr als ungezielten Schüssen reichte es nicht, weil er sich nicht weit genug hervorwagen konnte. Er musste immer noch genügend Deckung zwischen sich und den FBI-Schützen lassen, um nicht selber getroffen zu werden.

Auf Blondy nahm er dabei überhaupt keine Rücksicht. Es war ihm offensichtlich egal, ob sie getroffen wurde oder nicht.

Die Kugeln pfiffen uns um die Ohren, trafen aber niemanden. Auch Blondy nicht. Sie wurde nur davon kurz abgelenkt. Als wäre sie darüber überrascht, dass ihr Kumpan keinerlei Rücksicht auf sie nahm.

Wir gewannen durch die unüberlegten Schüsse nur Sekundenbruchteile. Aber Blondy rettete es letztlich das Leben. Denn wir brauchten nur noch einen einzigen Schritt, um ihr nahe genug zu kommen.

Bevor sich ihr Finger doch noch um den Abzug der Pistole krümmen konnte, zuckte mein Fuß hoch und traf ihr Handgelenk.

Die Waffe flog davon und klatschte ins Wasser.

Milo neben mir schoss. Der Kerl oben hatte weniger Glück als Blondy. Gerade hatte er sich wieder ein Stückchen vorgewagt, um erneut auf uns zu schießen. Zwar hatte er genügend Deckung zwischen sich und unseren FBI-Scharfschützen, aber zu wenig, um nicht von Milo tödlich getroffen zu werden.

Blondy schrie schmerzerfüllt und rieb ihr Handgelenk. Dass ihr Kumpan oben soeben sein Leben gelassen hatte, schien sie nicht im mindesten zu interessieren.

Der Hass auf uns verzerrte nach wie vor ihr Gesicht.

"Ihr sollt elend verrecken! Ihr habt sowieso keine Chance. Der Boss wird euch plattwalzen!"

Milo drehte ihr den Arm auf den Rücken. Wir machten nicht viel Worte. Blondy konnte sich auch noch so heftig sträuben und uns mit unflätigen Schimpfwörtern bedenken. Wir zwangen sie am Lieferwagen vorbei und ketteten sie hinten mit Handschellen an die Abschleppöse. Dabei passten wir auf, dass wir nicht ins Schussfeld der Gangster bei den drei Fahrzeugen kamen. Die hatten nämlich auch noch nicht aufgegeben und begannen jetzt, sich ein Feuergefecht mit den Kollegen zu liefern.

Blondy legte sich zwangsläufig flach auf den Boden, zerrte vergeblich an den Handschellen und schrie vor Zorn.

Wir ließen sie schreien und liefen zum Reep hinüber. Das war nicht ungefährlich, denn wir mussten die Deckung verlassen, die uns der Lieferwagen gegen die Gangster bot.

"Schwenkt den Scheinwerfer weg!", sagte ich in das Mikrophon meines Walkie-Talkie.

Die Kollegen gehorchten prompt. Es wurde dunkel auf dem Reep, wenn auch nicht dunkel genug: Vom Schiff her wurde nicht mehr geschossen. Aber kaum traten wir auf die Passagierrampe, als die Gangster bei den drei Fahrzeugen erwartungsgemäß das Feuer auf uns eröffneten. Wir mussten wieder zurück in Deckung springen.

Hinter dem Lieferwagen luden wir unsere Waffen nach. Die Entfernung zu den drei Fahrzeugen war eigentlich zu groß für Handfeuerwaffen. Wir würden kaum einen gezielten Schuss anbringen können. Jeder Treffer würde ein Zufallstreffer sein. Aber wir sahen im Moment keine andere Möglichkeit.

Plötzlich hörten wir eine kleine Detonation. Wir spähten an dem Lieferwagen vorbei. Das mittlere der drei Gangsterfahrzeuge hatte zu brennen begonnen. Die Gangster, die dort Deckung genommen hatten, stieben auseinander. Einer wurde von einer Kugel an der Schulter erwischt, bevor er an einem der Nachbarfahrzeuge Deckung nehmen konnte.

Die Fahrzeuge mussten teilweise gepanzert sein. Sonst hätten die Kollegen die Gangster längst zur Aufgabe gezwungen. Aber die Panzerung war nicht vollständig genug. Ganz offensichtlich. Sonst hätten die Kollegen nicht das eine Fahrzeug in Brand schießen können.

Jetzt ging der Tank hoch. Als würde eine Bombe detonieren. Eine Stichflamme fetzte empor, Teile der Karosserie flogen umher.

Für uns war das die einmalige Chance, auf das Schiff zu kommen. Die Gangster waren im Moment anderweitig beschäftigt. Sie würden nicht auf uns achten.

Wir sprangen auf das Reep und hetzten empor, immer drei Stufen auf einmal nehmend.

In der Tat wurde nicht mehr auf uns geschossen.

Ein Teil der Reling war oben zur Seite hin aufgeklappt. Wir sprangen durch den dadurch entstandenen Durchgang auf das 1. Oberdeck.

Vor uns war eine Sonnenterrasse bis zum Bug des Schiffes. Der erste Aufbau, der sich hinten an die Terrasse anschloss, barg ein Restaurant. Es hatte eine große Panoramascheibe zur Terrasse hin. Über dem Restaurant erhob sich, leicht nach hinten versetzt, die Kommandobrücke, und darüber wiederum befanden sich Radarstation und Funkzentrale.

Von der Wasserseite her erschollen jetzt ebenfalls Megaphonstimmen. Die restlichen Gangster auf dem Schiff wurden wiederholt zur Aufgabe aufgefordert.

Aber die dachten gar nicht daran.

Und die Blondine rief uns von unten mit inzwischen heiser gewordener Stimme zu: "Freut euch nicht zu früh, ihr beiden. Diese Runde habt ihr nur zum Teil gewonnen. Und ihr seid tot, praktisch tot. Ihr wisst es nur noch nicht."

Ihr darauffolgendes Lachen klang eine Spur zu hysterisch.

Wie sollten wir ihre Worte verstehen?

Sie schien sich nicht damit abfinden zu wollen, zu den Verlierern zu gehören. Klammerte sie sich jetzt nur noch an die Vorstellung, dass auch wir bald zu den Verlierern gehörten? Oder gab es da noch etwas, von dem wir noch nichts ahnten? Irgendein versteckter Trumpf?

Wir hatten keine Zeit, darüber zu philosophieren. Wir hatten uns gut gemerkt, von wo aus auf uns geschossen worden war, als wir unten in Deckung gelegen hatten. Das war zunächst der Typ am Granatwerfer gewesen. Dann der Kerl, den Milo vorhin erst ausgeschaltet hatte. Blieb jetzt als nächstes das Restaurant.

Die Panoramascheibe war größtenteils bereits zu Bruch gegangen. Geduckt liefen wir über das Deck näher heran.

Die Kollegen hatten das Feuer auf das Schiff eingestellt, um uns nicht zu gefährden. Die restlichen Gangster hier oben hatten sich sowieso längst weiter zurückgezogen.

Der eine Scheinwerfer strahlte wieder herauf, erfasste die Kommandobrücke, aber nicht das Restaurant. Es blieb im toten Winkel.

Als wir durch die geborstene Panoramascheibe hindurch in das Restaurant eindrangen, geschah nichts. Es war anscheinend niemand mehr da.

Trotzdem: Vorsichtig und jede Deckung ausnutzend, durchquerten wir das Restaurant. Kein Licht brannte hier, und der Widerschein des Scheinwerfers reichte kaum aus. Es reichte lediglich grob zur Orientierung.

Leider beleuchteten die Scheinwerfer der beiden Schnellboote nur den rückwärtigen Teil des Schiffes, denn die Schnellboote kamen nicht nahe genug heran. Sie riegelten nur den Rückweg zum Hudson ab. Falls einer der Gangster ins Wasser springen würde, um hier sein Heil in der Flucht zu suchen, würde er nicht weit kommen. Sogar Froschmänner standen bereit. Wir hatten an alles gedacht.

Im Hintergrund des Restaurants zeichnete sich das Halbrund einer Bar ab. An einer Seite war die Essens- und Getränkeausgabe an die Kellner.

Die Tür zur Küche stand anscheinend offen. Wir konnten es undeutlich sehen: Sie befand sich hinter der Theke und war ein pechschwarzes Viereck.

Milo flankte über die Theke, während ich sicherte.

Milo blieb seitlich versetzt zu der Tür, damit von drinnen nicht auf ihn geschossen werden konnte. Wer ihn erwischen wollte, musste die Küche verlassen.

Kaum daran gedacht, trat auch schon jemand aus dem schwarzen Viereck der Tür, um auf Milo zu schießen.

Mit mir rechnete er anscheinend gar nicht.

Ich kam ihm zuvor. Meine Kugel traf seinen Arm. Der Mordschütze schrie auf und ließ die Waffe fallen. Und dann war Milo bei ihm. Er drehte ihm den unverletzten Arm auf den Rücken und bugsierte ihn zum Durchgang an der Theke.

Ich klappte die Abdeckung hoch.

Milo brauchte nicht meine Hilfe, um den Überwältigten abzuführen. Er brachte ihn auf das Deck. Der verletzte Arm des Gangsters blutete stark. Das sah man trotz des dürftigen Lichtes.

Ich suchte den Lichtschalter.

Hinter der Theke gab es einen Lichtkasten. Die Tür war nur angelehnt. Ich öffnete sie und sah undeutlich mehrere Reihen von Schaltern vor mir. Die Beschriftungsschilder darüber konnte ich unmöglich entziffern. Ich betätigte einfach alle Schalter.

Sogleich flammte die Deckenbeleuchtung auf. Das Restaurant wurde taghell beleuchtet. Auch draußen auf der Sonnenterrasse ging das Licht an.

Ich näherte mich der offenen Küchentür. Drinnen brannte jetzt ebenfalls das Licht.

In einer Hechtrolle sprang ich durch die offene Tür in die Küche hinein.

Eine Kugel ging knapp über mich hinweg.

Ich fand Deckung vor dem Küchenblock, der mitten in der Küche aufgebaut war. Über ihm war eine ganze Batterie von Dunstabzugshauben angebracht.