Codename Revolution: Military Action Thriller

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Codename Revolution: Military Action Thriller
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Alfred Bekker

Codename Revolution: Military Action Thriller

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Inhaltsverzeichnis

Titel

CassiopeiaPress

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Vierter Teil

Fünfter Teil

Sechster Teil

Impressum neobooks

CassiopeiaPress

Alfred Bekker

Codename Revolution

Military Action Thriller

© by Alfred Bekker

www.AlfredBekker.de

www.Postmaster@AlfredBekker.de

All rights reserved

Ein CassiopeiaPress Ebook

Ausgabejahr dieser Edition: 2013

Erster Teil

Mehrere Wurfhaken fanden Halt zwischen den gusseisernen Gitterstäben auf der zweieinhalb Meter hohen Mauer. Sie umgab das nächtliche Palais Ragowski wie eine Festungsmauer. Die ersten von zwei Dutzend Bewaffneten zogen sich an den Wurfseilen empor. Die Männer trugen Sturmhauben, Splitterwesten und kurzläufige Maschinenpistolen vom Typ Uzi. In den um das Bein geschnallten Holstern steckten außerdem pro Mann eine Automatik mit aufgeschraubtem Schalldämpfer und eine Injektionspistole, die Nadeln mit einem schnell wirkenden Nervengift verschossen.

Die ersten der maskierten Angreifer seilten sich bereits auf der anderen Seite ab.

Security Guards patrouillierten dort mit mannscharfen Schäferhunden auf und ab. Im Schein der Gartenbeleuchtung waren sie gut zu erkennen.

Die Maskierten schwärmten aus, hielten sich dabei im Schatten der Büsche.

Einer der Hunde knurrte.

Der dazugehörige Security Guard wurde misstrauisch.

Er ging in die Hocke, nahm dem Tier den Maulkorb ab und ließ es von der Leine. Hechelnd schnellte der Schäferhund über die große Rasenfläche, direkt auf die Schatten werfenden Sträucher zu, zwischen denen sich ein Teil der Angreifer verborgen hielt.

Einer der Maskierten griff zur Injektionspistole, zielte.

Lautlos traf die Nadel den Hund, der mitten im Lauf zu Boden ging.

Der Security Guard wollte zu der Heckler & Koch-MPi greifen, die ihm an einem Riemen über der Schulter hing.

Aber er kam nicht mehr dazu.

Ein Nadelprojektil traf ihn am Hals.

Ohne einen Schrei sank er zu Boden.

*

Palais Ragowski, Sitz der gemeinsamen Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik in Barasnij, Hauptstadt der Freien Republik Rahmanien Donnerstag 2345 Osteuropäische Sommerzeit

Damien Duvalier blickte mit versteinertem Gesicht auf den Fernsehbildschirm. Der gemeinsame Botschafter Frankreichs und Deutschlands bei der Regierung des osteuropäischen GUS-Nachfolgestaates Rahmanien atmete schwer.

„Na, was gibt es Neues?“, fragte sein Abteilungsleiter Jürgen Dankwart. Er wirkte übernächtigt. Dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet. Die Krawatte saß wie ein Strick um seinen Hals.

„Das nationale Fernsehen sendet noch immer nichts außer der Ansprache des neuen Machthabers“, berichtete Duvalier. „Die wird dafür alle Stunde wiederholt.“ Er zuckte die Achseln. „Bleibt nur CNN über Satellit!“

Die beiden Männer sprachen Englisch miteinander.

Eigentlich eine Schande, wie Duvalier fand. Zwar sprach er etwas Deutsch und Dankwart leidlich Französisch, aber in der täglichen Verständigung hatte sich Englisch einfach als die praktischste Lösung herauskristallisiert - dem sprachlichen Selbstbewusstsein des Franzosen zum Trotz.

Im Moment gab es jedoch dringendere Probleme als die Frage, in welcher Sprache eine gemeinsame deutsch- französische Botschaft ihre Dienstgeschäfte regelte.

Dankwart hörte den Worten des CNN-Sprechers zu.

„Das Regime des Generals Zirakov, das sich vor nunmehr zwei Wochen in dem osteuropäischen Land Rahmanien an die Macht putschte, scheint sich zu stabilisieren. Die Schießereien, die in den vergangenen Tagen aus den Straßen der Hauptstadt Barasnij gemeldet wurden, scheinen inzwischen abgeebbt zu sein. Panzerverbände sind im Regierungsviertel aufgefahren und eine Eliteeinheit der Militärpolizei riegelt diesen Teil von Barasnij hermetisch ab. Inzwischen meldete sich der ehemalige Kanzler Viktor Narajan aus dem Untergrund zu Wort. Er ließ in einer Radiobotschaft über Kurzwelle verbreiten, dass er sich nicht in der Gewalt der neuen Machthaber befinde und den Widerstand gegen die Putschisten anführen wolle. Narajan war demokratisch zum Kanzler gewählt worden, später aber auf Grund von Korruptionsvorwürfen stark in die Kritik geraten...“

Duvalier horchte auf.

Mit der Fernbedienung in seiner Linken stellte er die Lautstärke leiser.

In der Ferne war eine Detonation zu hören.

In den vergangenen zwei Wochen war das nichts Ungewöhnliches in den Straßen von Barasnij gewesen. Die Botschaft arbeitete nur mit einer Notbesetzung, die aus dem Botschafter selbst, seinem Stellvertreter und einigen wichtigen Mitarbeitern sowie einer Spezialtruppe von Sicherheitsbeamten bestand.

Sämtliche Familienangehörigen sowie alle eben verzichtbaren Botschaftsmitarbeiters waren in den ersten Tagen nach der Machtübernahme von General Zirakov nach Hause geschickt worden.

Der Flucht war in den ersten Tagen über den Landweg noch möglich gewesen, während die Flughäfen sofort geschlossen worden waren.

Inzwischen waren beinahe sämtliche Kommunikationskanäle der Botschaft abgeschnitten.

Die Lage wurde prekär, aber Duvalier war ein Kenner des Landes.

Er hatte Slawistik studiert und war vermutlich einer der wenigen EU-Diplomaten, die überhaupt der rahmanischen Sprache mächtig waren.

„Wir hätten es wie die Amerikaner machen sollen“, meinte Jürgen Dankwart mit Blick auf die CNN-Bilder. Es waren immer wieder dieselben, wackeligen Amateurvideo-Sequenzen, die der amerikanische Nachrichtensender brachte. Bilder aus Barasnij, wahrscheinlich nur wenige Kilometer vom Palais Ragowski entfernt aufgenommen. Sie zeigten aufmarschierende Militärpolizisten und Fallschirmjäger der rahmanischen Armee, die Straßen und Plätze besetzten. Im Hintergrund hörte man Explosionen.

Duvalier hob die Augenbrauen.

Er sah Dankwart etwas irritiert an.

Die Amerikaner hatten Barasnij schon bei Ausbruch der Krise verlassen. Seitdem gab es keinerlei diplomatischen Kontakt zur neuen Führung des osteuropäischen Landes.

„General Zirakov mag alles andere als der Wunschkandidat des Westens für das Amt des rahmanischen Regierungschefs sein, aber ich denke, es ist immer gut, den Gesprächsfaden niemals abreißen zu lassen“, gab Duvalier zu bedenken. „Gerade wenn sich ein Land einer so tief greifenden Krise befindet.“

Dankwart hob die Augenbrauen. „Gesprächsfaden?“, echote er.

„Bislang gibt es keinerlei offizielle Gespräche mit Zirakov oder seinen Leuten. Wir wissen noch nicht einmal, ob er wirklich selbst die Macht in den Händen hält oder ganz andere Gruppierungen ihn nur vorschicken.“

Ein platschendes Geräusch ließ Duvalier aufhorchen.

Etwas oder jemand musste in den Pool gefallen sein.

Duvalier drehte am Fernseher den Ton ab und trat ans Fenster.

Einer der Sicherheitsbeamten schwamm in dem auf der Rückseite des Botschaftsgebäudes befindlichen Swimming Pool. Die Heckler & Koch-MPi war bis auf den Grund gesunken.

„Merde!“, murmelte der Botschafter ganz undiplomatisch.

Dankwart trat neben ihn und begriff sofort.

Aber keiner der beiden Männer konnte noch reagieren.

Die Tür flog zur Seite.

Zwei Maskierte stürmten herein.

„Hände hoch! Keine Bewegung!“, erscholl es in akzentschwerem Englisch.

Duvalier und Dankwart gehorchten.

Innerhalb von Augenblicken befand sich ein halbes Dutzend weiterer Angreifer im Raum. Sie traten die Tür zu einem Nachbarzimmer auf. Aber dort war niemand.

Nach Ausrüstung und Vorgehensweise handelt sich um eine reguläre Einheit der Armee oder des Geheimdienstes!, ging es Duvalier durch den Kopf.

Der Franzose konnte das beurteilen.

Vor seiner diplomatischen Karriere hatte er als Oberstleutnant einer Fallschirmjägereinheit gedient.

„Ich möchte darauf hinweisen, dass wir diplomatische Immunität genießen“, sagte Duvalier auf Rahmanisch. „Was Sie hier tun ist vollkommen gesetzwidrig.“

Der Anführer der Maskierten sah Duvalier direkt ins Gesicht.

Der Botschafter konnte von seinem Gegenüber nichts weiter als ein paar eisgrauer Augen sehen.

Die Augenbrauen waren hell.

Das legte den Schluss nahe, dass er blond war.

„Sie befinden sich hier in Rahmanien“, erklärte er. „Hier können wir alles. Vergessen Sie das nicht!“

„Irrtum! Sie befinden sich auf exterritorialem Gelände!“, protestierte Duvalier. Gedanken rasten durch sein Hirn. Was ging hier vor sich?

 

Warum ließ General Zirakov das zu? Möglicherweise hatte er diese Aktion sogar persönlich veranlasst.

Wollte Zirakov die Europäer mit einer Geiselnahme von Botschaftsangehörigen erpressen?

Der General mochte alles andere als ein Freund des Westens oder ein feinsinniger Diplomat sein, aber ein derart plumpes Vorgehen traute Duvalier selbst ihm kaum zu.

Dieser verrückte Hund schadet sich doch selbst am meisten damit!, durchzuckte es den Botschafter.

„Führt sie ab und sperrt sie zu den anderen!“, befahl der Anführer der Maskierten.

*

Hauptquartier der Vereinten Nationen, New York Büro des militärischen Attachés

Freitag 1446 OZ

Der militärische Attaché war ein asketisch wirkender Mann namens Heinrich von Schröder. Sein Gesicht war zur Maske erstarrt. Der hagere Mann war für die Verbindung zwischen dem Generalsekretariat der UNO und Security Force Omega zuständig.

Die Knöchel seiner linken Hand, mit der er den Telefonhörer hielt, traten weiß hervor.

Am anderen Ende der Leitung war der Generalsekretär.

„Ja, Sir, natürlich habe ich davon gehört. Ich habe vor einer halben Stunde mit dem deutschen und dem französischen UNO-Botschafter gesprochen. Inzwischen sind erste Meldungen über das Entführungsdrama in Barasnij schon über die Medien gegangen.“ Von Schröder machte eine Pause. Was der Generalsekretär ihm zu sagen hatte, schien ihm nicht zu gefallen. Mitten auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche. „Ich kenne natürlich die Medienberichte, Sir. Demnach erklären die Täter nur, dass sie das Botschaftspersonal in ihrer Gewalt haben. Angeblich gibt es bislang keine Forderungen.“ Eine weitere Pause folgte. „Nein, Sir, ich habe keine Ahnung, woher die zusätzlichen Informationen in den Medien stammen. Die UNO-Botschafter Deutschlands und Frankreichs sind ebenso überrascht.“ Der Attaché schluckte, während er den weiteren Ausführungen seines Gesprächspartners lauschte. „Ich verstehe, Sir“, sagte er schließlich. „So, wie Sie mir die Lage schildern, bleibt uns nur noch eine Option: Der Einsatz des Delta-Teams der Security Force Omega unter Colonel Breckinridge!“

*

Stabsgebäude der Security Force Omega Fort Ellroy, North Carolina

2 Stunden später

General Uwatani, seines Zeichens Oberbefehlshaber der Security Force Omega, ließ den Blick zufrieden durch den spartanisch eingerichteten Briefing-Raum kreisen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sämtliche Mitglieder des SFO-Teams saßen in voller Kampfmontur da. Auf dem Boden lagen Erdklumpen, die sich aus den Profilsohlen der Stiefel herausgelöst hatten.

Colonel John Breckinridge legte seine MPi auf seine Knie.

Nahkampfspezialist Mark Furrer klopfte sich etwas von dem inzwischen getrockneten Lehm von der dreckstarrenden Hose seines Kampfanzugs. Er hielt inne, als er sah, wie Breckinridges strenger Blick ihn zu durchbohren schien.

„Das ist 'ne Schweinerei, Sergeant!“

„Entschuldigung, Sir“, murmelte Mark Furrer.

General Uwatani war bekannt dafür, weitaus weniger auf Förmlichkeiten zu achten. Für ihn zählten andere Qualitäten. „Ist schon in Ordnung“, griff er in das Gespräch ein. „Schließlich sind Sie alle direkt aus einer laufenden Gefechtsübung hier her geholt worden. Da kann ich nicht erwarten, dass Sie in geschniegelter Galauniform erscheinen. Glauben Sie mir, dass bisschen Dreck, das Sie hier machen ist das Geringste der Probleme, mit denen wir derzeit konfrontiert sind!“

„Na jedenfalls sind wir auf jeden Fall sofort einsatzbereit“, warf Sergeant Carlo Tarvisio ein. Der Italiener und zweite Nahkampfspezialist des Teams war für sein vorlautes Mundwerk berüchtigt, mit dem er sich schon so manches Mal in Teufelsküche gebracht hatte. Furrer und Tarvisio hatten zunächst um denselben Posten bei der SFO konkurriert, ehe man schließlich zu der Lösung gekommen war, zwei Nahkampfspezialisten zu integrieren.

Neben ihm hatte die Argentinierin Marisa „Mara“ Henriquez Platz genommen. Sie war zur SFO versetzt worden, weil zu Hause in Buenos Aires einige Leute ihre Karriere als erste Frau bei der Spezialeinheit UOE vorerst beenden wollten. Sie setzte ihren Kampfhelm ab. Das dunkle Haar trug sie kurz.

„Angeber!“, zischte sie Tarvisio zu, mit dem sie sich aus unerfindlichen Gründen in eine Art Dauerwettstreit befand.

Hinter ihr saß die niederländische Militärärztin Dr. Ina Vanderlantjes. Auch sie trug volle Kampfmontur. Das Gesicht war mit Tarnfarbe angemalt und kaum zu erkennen. Pierre Leclerque, der Kommunikationsoffizier des Trupps, tickte etwas nervös auf dem Gehäuse seines tragbaren High-Tech-Computers herum, den er so gut wie immer bei sich trug. Chèrie nannte er das Gerät. Der zweite Techniker des Teams war der Russe Miroslav „Miro“ Karapok. Er hatte den Platz rechts neben Leclerque eingenommen.

Inzwischen war diese Truppe zu einer schlagkräftigen Einheit zusammengeschweißt worden, die bereis in diversen Kriseneinsätzen unter Beweis gestellt hatte, wozu sie fähig war.

Eine Art Feuerwehr der Weltpolitik.

Das war es, was dem südafrikanischen General Uwatani bei der Gründung von Security Force Omega vorgeschwebt hatte.

Und die SFO war auf dem besten Weg, sich genau in diese Richtung zu entwickeln.

Uwatani aktivierte über eine Fernbedienung einen Beamer.

Ein Kartenausschnitt zeigte die geographischen Umrisse Rahmaniens und die wichtigsten Städte des Landes. „Ich weiß nicht, in wie fern Sie von der aktuellen Krisenentwicklung in Rahmanien gehört haben“, begann Uwatani etwas gedehnt.

„Wir haben die letzten Tage in einem Biwak kampiert und versucht, ein von Terroristen besetztes Kernkraftwerk zurückzuerobern, ohne dass es zum Super-GAU kommt!“, meldete sich Tarvisio ungefragt zu Wort.

„So oder so ähnlich lautete jedenfalls unsere Manöveraufgabe. Da hat man leider wenig Zeit, das Weltgeschehen zu verfolgen, wenn man gerade dabei ist, eine Atomhölle zu verhindern!“

Kurzes Gelächter kam auf.

Breckinridge verdrehte die Augen.

„Du kannst es wohl einfach nicht lassen, was?“, murmelte Marisa Henriquez giftig.

„Scusi, so bin ich nun einmal!“, grinste Carlo Tarvisio über das ganze Gesicht.

Uwatani nahm den Einwurf des Italieners gelassen hin.

Breckinridge war es sichtlich peinlich. Schließlich war Carlo ihm unterstellt und somit fühlte sich Breckinridge auch für dessen Auftreten mitverantwortlich.

„Ich gehe also davon aus, dass Sie nichts weiter über die Krise um die deutsch-französische Botschaft in Barasnij wissen. Kurz gesagt: Vor etwa einem halben Tag ist dort das noch verbliebene Botschaftspersonal entführt worden. Darunter Botschafter Duvalier und sein Stellvertreter Dankwart. Insgesamt etwa ein Dutzend Personen. Das Wachpersonal wurde bis auf den letzten Mann getötet. Unsere Informationen stammen in erster Linie aus Geheimdienstquellen, die uns vor Ort zugänglich sind.“

„Wer steckt hinter dieser Entführung?“, hakte Colonel John Breckinridge nach. Der Amerikaner verschränkte die Arme vor der Brust.

„Eine gute Frage, Commander“, sagte General Uwatani. „Wir wissen es einfach nicht. Seit etwa zwei Wochen hat General Zirakov im Land die Macht übernommen, aber es ist durchaus ungewiss, wie fest er im Sattel sitzt.“ An der Wand erschien ein Bild des Generals. Der buschige Schnauzbart erinnerte an Stalin. „Zirakov stürzte vor kurzem den demokratisch gewählten Kanzler des Landes.“ Ein weiteres Bild erschien, das einen geschäftsmäßig lächelnden Mann in den Fünfzigern zeigte, der einer jubelnden Menge zuwinkte. „Kanzler Viktor Narajan errang vor drei Jahren einen überwältigenden Wahlsieg, nachdem sein Amtsvorgänger Basil Jiklajev unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Im Laufe von Narajans Amtszeit häuften sich Korruptionsvorwürfe und Vorwürfe in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen. Aber es ist kaum anzunehmen, dass General Zirakov ihn aus humanistischen Motiven heraus abgesetzt hat. Narajan ist in den Untergrund gegangen und ruft von dort aus zum Widerstand auf.“

„Verfügt er denn über eine Machtbasis?“, hakte Breckinridge nach.

Uwatani nickte.

„Durchaus. Narajan war lange Zeit Chef des Geheimdienstes, der einzigen Institution des Landes, die den Wechsel vom Kommunismus zu einer Art Demokratie westlicher Prägung nahezu unverändert überstand.

Mit Hilfe dieser Kontakte gelang es ihm vermutlich seinerzeit Jiklajev auszuschalten und die Wahlen in seinem Sinn zu manipulieren. Auch wenn momentan andere in Barasnij Panzer aufmarschieren lassen, sollte man Narajan noch nicht abschreiben. Er soll eine Art Privatarmee unter seinem Befehl haben, bestehend aus Männern, die er aus dem Geheimdienst rekrutiert hat. In Barasnij wird auch zwei Wochen nach dem Putsch immer noch geschossen. Ob Zirakov wirklich sicher im Sattel sitzt, ist zweifelhaft.“

An der Wand erschien jetzt das Bild des Palais Ragowski, dem Sitz der deutsch-französischen Botschaft.

„Die Täter haben die Botschaft besetzt und sich dort vermutlich verschanzt“, berichtete Uwatani. „Das Botschaftspersonal wird irgendwo im Gebäude gefangen gehalten. Es wurde eine dürre Erklärung an die westlichen Medien lanciert, die aber keine Forderungen enthielt.“

„Was tut die rahmanische Regierung in der Sache?“, fragte Breckinridge.

Uwatani verzog das Gesicht.

„Nichts.“

„Dann sollen sie uns das erledigen lassen“, forderte Breckinridge.

„Es gibt eine offizielle Stellungnahme der neuen Regierung“, erklärte der General. „Sie lehnt jede Hilfe von außen ab.“

„Irgendeine Vermutung, was dahinter stecken könnte?“, fragte der Colonel.

Uwatani nickte. Sein Gesicht wirkte sehr ernst. „Wir nehmen an, dass Zirakovs Leute versuchen, diese Geiselnahme zu benutzen, um vom Westen die politische Anerkennung zu erzwingen.

„Eine sehr plumpe Methode!“, kommentierte Breckinridge.

„Eigentlich müssten sie wissen, dass sie damit nicht durchkommen!“

„Wer sagt Ihnen das?“, erwiderte der General. „Wenn Zirakov in einer heldenhaften Aktion für die Freilassung der Geiseln sorgt, wird man ihm das in Berlin und Paris nicht vergessen. Es wäre nicht der erste Deal dieser Art.“

Uwatani betätigte erneut die Fernbedienung des Beamers.

Ein Kartenausschnitt zeigte die russisch-rahmanische Grenze.

„Ihr Auftrag wäre, von der russischen Grenze aus einzeln oder paarweise einzusickern. Sie treffen sich erst in Barasnij, klären die Lage um die Botschaft und befreien die Geiseln.“

„Und wie kommen wir wieder heraus?“, fragte Breckinridge.

„Das ist immer die wichtigste Frage bei einer militärischen Operation, habe ich mal gelernt“, meinte Carlo Tarvisio. Er hatte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen können.

Uwatani deutete auf die Karte. „Sie werden mit einer Hubschrauberstaffel ausgeflogen.“

„Spielt die russische Seite da wirklich mit?“, vergewisserte sich Breckinridge.

Uwatani nickte. „Moskau kooperiert in dieser Sache. Das ist sicher.

Sie brauchen nur ein codiertes Funksignal abzugeben und unsere Hubschrauberstaffel setzt sich in Marsch.“

„Unsere Helis?“, wunderte sich Mark Furrer.

Uwatani bestätigte dies.

„Im Rahmen der so genannten Sicherheitspartnerschaft für den Frieden befindet sich eine Spezialeinheit der US Army zu Übungswecken im russisch-rahmanischen Grenzgebiet“, erklärte er.

„Zumindest ist das die offizielle Version... Der Codename dieser Operation lautet übrigens FREE WILLY.“

Wer hat sich das denn ausgedacht?, schoss es Carlo Tarvisio durch den Kopf. „Hoffentlich heißt auch wenigstens einer in der Botschaft Willy“, hatte er noch sagen wollen, aber ehe er dazu kam, stieß Mara Henriquez ihm ihren Ellbogen in die Seite.

„Lass es“, sagte sie.

*

Russisch-rahmanische Grenze Grenzübergang Saschnaja Montag 1230 OZ

Es regnete Bindfäden. Die Straße war aufgeweicht. Der alte Magirus Deutz-Lastwagen rumpelte die von wassergefüllten Schlaglöchern übersäte Piste entlang, die geradewegs auf die russisch-rahmanische Grenze zuführte.

Mark Furrer saß am Steuer des Lastwagens, dessen Laderaum mit Decken, Verbandszeug und Medikamenten gefüllt war, die für eine in der Hauptstadt Barasnij tätige Hilfsorganisation bestimmt waren.

Auf dem Beifahrersitz hatte Ina Vanderlantjes Platz genommen.

„Die Schüttelei geht mir ziemlich auf die Nerven“, meinte die Niederländerin.

 

Mark grinste.

„Ich schätze, bis wir in Barasnij sind, wird es nicht besser werden.“

„Also ehrlich! Dagegen ist ja eine Fahrt im Schützenpanzer im Manövergelände gar nichts!“

„Hauptsache unsere Legende ist überzeugend genug und wir kommen ohne Probleme ans Ziel“, meinte Mark.

„Wir werden es gleich wissen“, erwiderte sie und deutete voraus.

Aus dem Dunst, der aus den Wiesen und Wäldern aufstieg, tauchte ein Grenzposten auf. Auf russischer Seite hatten sie nichts zu befürchten.

Die Regierung in Moskau unterstützte das geheime Kommandounternehmen zur Geiselbefreiung tatkräftig.

Auf der anderen Seite des Schlagbaums begann das Risiko.

Mark und Ina waren die Vorhut des Teams.

Sie sollten in Barasnij zunächst einmal die Lage sondieren.

Breckinridge und die anderen würden dann an unterschiedlichen Grenzübergängen ebenfalls einsickern.

Der Lastwagen erreichte den Checkpoint.

Die russischen Kontrolleure ließen sich kurz die Papiere zeigen.

Es waren echte deutsche Pässe, allerdings mit falschen Personendaten versehen.

Pro Forma untersuchten die Russen auch die Ladung des Lkw.

Schließlich beobachteten ihre rahmanischen Kollegen genau, was sie taten und es war unerlässlich, dass sie keinen Verdacht schöpften.

Schließlich wurde der Lastwagen durchgewunken.

Mark ließ den Motor wieder an.

Der Lastwagen rumpelte durch mehrere Schlaglöcher durch die etwa hundert Meter Niemandsland und hielt schließlich vor der rahmanischen Schranke.

„Aussteigen!“, bellte ein ziemlich unfreundlicher, grauhaariger Grenzoffizier abwechselnd auf rahmanisch, russisch und deutsch.

Soldaten waren überall postiert. Sie hielten Sturmgewehre und Maschinenpistolen im Anschlag und wirkten nervös. Einer drückte eine Zigarette aus und warf den Stummel zu Boden.

„Machen wir besser, was er sagt!“, meinte Ina.

Mark nickte.

Vorsichtig, jede allzu schnelle Bewegung vermeidend, kletterten sie aus der Fahrerkabine des Lastwagens.

Grenzbeamte durchsuchten sie kurz nach Waffen.

Einer der Grenzer wurde bei Ina ziemlich zudringlich, berührte sie deutlich länger als notwendig.

Der Vorgesetzte stand daneben und grinste.

Offenbar waren Ordnung und Disziplin bei den Grenzern momentan zusammengebrochen. Jeder machte, was er wollte. Vorschriften zählten nicht mehr. Eine brenzlige Situation.

Ina Vanderlantjes ließ die Prozedur über sich ergehen.

Mark konnte den Impuls gerade noch unterdrücken, handgreiflich zu werden.

Der Vorgesetzte war ein Mann mit einem ähnlich buschigen Schnauzbart, wie die SFO-Soldaten ihn bei General Zirakov gesehen hatten.

Er ließ sich die Pässe zeigen und betrachtete sie eingehend, während sich einige seiner Leute daran machten, die Ladung zu kontrollieren.

„Dr. Martina Derendorf?“, fragte er.

„Das bin ich!“, sagte Ina Vanderlantjes.

„Sie sind Ärztin für Kinderheilkunde?“

„Ja. Ich arbeite für die Organisation Hilfe ohne Grenzen. Wir betreiben mehrere Kinderheime und Krankenhäuser in Rahmanien, darunter auch die Kinderklinik von Barasnij, für die diese Lieferung bestimmt ist!“

„Ich hoffe für Sie, dass das stimmt“, knurrte der Grenzoffizier.

Er wandte sich Mark zu.

„Und Sie?“

„Das ist mein Fahrer“, erklärte Ina.

Der Grenzoffizier blickte auf die Papiere.

Dann brüllte er ein paar Befehle auf Rahmanisch an seine Männer.

Ein zynisches Grinsen spielte um seine Lippen.

Er ging auf und ab.

Ina und Mark stand da und konnten nichts tun, außer den rahmanischen Grenzbeamten bei der Durchsuchung des Lastwagens zuzuschauen.

Der Regen nahm zu.

Den beiden SFO-Soldaten klebte das Haar am Kopf.

Sie trugen natürlich unauffälliges Zivil. Jeans, Turnschuhe, Sweatshirt.

„Die Uhren gehen hier etwas anders als bei euch“, sagte der Grenzoffizier. „Es ist nicht viel Verkehr an diesem Checkpoint. Wir haben also alle Zeit der Welt, um uns ihren LKW genau anzusehen.“

„Unsere Medikamentenlieferung wird dringend erwartet“, gab Ina zu bedenken.

Der Grenzoffizier blieb vollkommen ungerührt.

„Das kann ich mir gut vorstellen. Aber Sie müssen verstehen, dass wir auch unsere Vorschriften haben und uns peinlich genau daran halten müssen, Doktor...“ Er sah noch einmal in den Pass. „Dr. Derendorf“, vollendete er dann.

Inzwischen begann einer der Grenzer, unter das Fahrzeug zu kriechen. Mit einer Taschenlampe leuchtete er alles ab.

Dort unten befanden sich gut getarnte geheime Behälter, die für die Ausrüstung der beiden SFO-Soldaten bestimmt waren. Wenn einer der Grenzbeamten die Ausrüstung fand, war das Unternehmen FREE

WILLY gescheitert, noch bevor es wirklich begonnen hatte.

Das durfte unter keinen Umständen geschehen.

„Kann man diese Prozedur nicht irgendwie... beschleunigen?“, fragte Mark an den Kommandanten des Checkpoints gewandt.

„Nun, gegen eine gewisse Gebühr ist vieles möglich“, knurrte er.

„Wir haben es wirklich sehr eilig. Vielleicht können wir da ja ins Geschäft kommen!“

Der Grenzoffizier blickte Mark an, als würde dieser von einem anderen Stern kommen.

„Was Sie da sagen, klingt sehr nach dem Versuch, einen Offizier der Grenztruppen bestechen zu wollen!“

„Nein, nein. Davon kann doch keine Rede sein“, beeilte sich Mark, diesen Eindruck zu korrigieren. „Wir sind einfach nur an guter und schneller Zusammenarbeit interessiert.“

Mark bückte sich.

Er tat dies sehr langsam, sodass keiner der Bewaffneten irgendeinen Angriff vermuten musste.

Anschließend holte er ein Bündel mit Geldscheinen aus dem Strumpf und reichte es dem Grenzoffizier.

„Nur Euro“, murmelte der anerkennend. „Sehr gut.“ Er rief ein paar Anweisungen auf Rahmanisch. Die Kontrolle des Lastwagens war augenblicklich beendet. „Steigen Sie ein und fahren Sie weiter!“, wandte sich der Offizier an Mark.

Er nickte Ina zu.

Das lassen wir uns besser nicht zweimal sagen! , schien ihr Blick zu sagen.

Augenblicke später saßen sie wieder in der Fahrerkabine des Magirus. Der Motor kam stotternd in seinen Takt. Der Lastwagen fuhr an. Mark beobachtete die Grenzbeamten noch einige Augenblicke über den Rückspiegel.

„Puh, ich dachte, wir hätten es mit Grenzbeamten zu tun --- nicht mit einer Räuberbande!“, stieß Ina hervor.

„Wie liegt da die genaue Unterscheidung?“, grinste Mark.

Äußerlich wirkte er ruhig und gelassen.

In Wahrheit fiel allerdings auch ihm ein Stein vom Herzen.

Schließlich war im Lastwagen auch die Ausrüstung der beiden SFO-Kämpfer versteckt. Gut getarnt in den Radkästen und in speziellen Behältern, die in das Chassis des Magirus eingepasst waren.

„Ich hatte schon Angst, dass sie unsere Waffen finden“, meinte Ina.

„Einer der Kerle war nahe dran!“

„Ich weiß“, nickte Mark.

„Aber du hast ja gerade noch rechtzeitig die Euros aus dem Strumpf gezogen!“

„Wir haben einfach Glück gehabt. Die hätten uns auch festnehmen und wegen Bestechung anklagen können.“

Ina nahm die Karte hervor, die im Seitenfach an der Innenseite der Tür steckte.

„So etwas wie eine Autobahn werden wir wohl kaum vorfinden“, meinte Mark.

„Hundert Kilometer Schlaglochpiste bis Barasnij liegen vor uns“, stellte Ina fest. „Aber das Ding hat wenigstens einen schönen Namen.“

„Ach, ja?“

„Nationalstraße A.“

*

Es war ein stockdunkler Kellerraum. Insgesamt vier Angehörige der deutsch-französischen Botschaft von Barasnij waren hier eingesperrt.

Neben Damien Duvalier und seinem Stellvertreter Jürgen Dankwart noch die Abteilungsleiterin Petra Heim und die Sachbearbeiterin und Juristin Francoise Poincheval.

Zwei Personen aus der Notbesetzung der Botschaft fehlten.

Es handelte sich um die Diplomaten Helmut Michelsen und Pierre Joscan.

Keiner aus der Gruppe, die in diesem dunklen Kellerloch festgehalten wurde, hatte Michelsen und Joscan seit ihrer Gefangennahme gesehen. Vielleicht waren sie ebenso umgebracht worden, wie das Sicherheitspersonal. Immerhin wusste Duvalier, dass zumindest Michelsen eine Waffe bei sich getragen hatte.

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