Das unterschätzte Tier - Teil 1

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Das unterschätzte Tier - Teil 1
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Paaren heißt Trial and Error Es ist ein Wunder, dass es Ameisenigel überhaupt noch gibt. Denn das Paarungsritual der eierlegenden Säuger ist ein zäher Kampf. VON ALINA SCHADWINKEL

Tapsige Bärchen und scheintote Tönnchen Bärtierchen, auch Wasserbären genannt, stellen sich bei Dürre tot und überstehen Extremtemperaturen. Sogar ins All sind die Minibären schon geflogen. VON STEFANIE REINBERGER

Showmaster auf dem Leitungsdraht Theatralisch prügelt der Bienenfresser seiner Beute das Gift aus dem Leib, angeberisch verspeist er sie. Doch der Vogel weiß auch, was Frauen wollen. VON CLAUDIA FÜSSLER

Wenn das Handy aus dem Schnabel klingelt Dohlen imitieren Geräusche perfekt. Bevor sie auf einem Schornstein nisten, testen sie dessen Tiefe mit einem Stöckchen. Claudia Füßler über schlaue, bedrohte Rabenvögel. VON CLAUDIA FÜSSLER

Tropen-Echse im Intelligenztest Reptilien gelten nicht als die Hellsten. Zu Unrecht? Die leguanartige Echse "Anolis evermanni" fängt im Verhaltenstest den Wurm und rettet so die Ehre der Kriechtiere. VON CLAUDIA FÜSSLER;DAGNY LÜDEMANN

Schisser mit Heldenstatus Tennessee Fainting Goats fallen – getreu ihrem Namen – vor Schreck gern in Ohnmacht. Obwohl bei Züchtern nicht gerade beliebt, bringen die Ziegen wahre Opfer. VON ALINA SCHADWINKEL

Treuer als Bello oder Fiffi Schon zu Urzeiten machte sie dem Menschen das Leben schwer: die Gemeine Stubenfliege. Dabei ist uns kaum ein Tier so treu wie sie, ob wir wollen oder nicht. VON SAMI SKALLI

Glühwürmchen lassen nichts anbrennen Sie brauchen nur Luft und Liebe, riskieren für eine Liebesnacht den Tod und leuchten effizienter als jede Energiesparlampe. Glühwürmchen leben, als gäbe es kein morgen. VON GIANNA-CARINA GRÜN

Gnaaag oder doch Gnirrrk? Gürteltiere müssen einiges verkraften: Landstraßen, lateinamerikanische Küche, Kevin Costner; auch gegen Häme schützt ihr dicker Panzer kaum. VON DAVID HUGENDICK

Ein Käfer, der für andere einsteht Im Reich der Holzbohrer geht der Mehr-Generationen-Vertrag noch auf: Die Großfamilie teilt sich die Arbeit. Das macht den kleinen Käfer stark. VON STEFAN SCHMITT

Die Echse, die wie Jesus über das Wasser läuft Gejagt von Schlangen flüchten Jesus-Christus-Echsen rasend schnell übers Wasser. Und Forscher tüfteln an Robotern nach dem Vorbild dieser Reptilien. VON GIANNA-CARINA GRÜN

Am Touchscreen sind alle Katzen schlau Erst mit dem iPad als Spielzeug offenbaren sich die unglaublichen Fähigkeiten der Hauskatze. Eine Hommage an die Katze im digitalen Zeitalter VON STEFAN SCHMITT

Eisenharter Kosmopolit mit 14 Beinen Jeder hat sie, keiner mag sie: die Kellerassel. Dabei hält das krabbelnde Krebstier den Stoffkreislauf in Schwung und ist ein lebendiger Metalldetektor. VON GIANNA-CARINA GRÜN

Dieser Giftfisch ist plump, aber windschnittig Mutig trägt der Kofferfisch seine eckige Gestalt zur Schau. Er ist Muse des Autoherstellers Mercedes, aerodynamischer als ein Porsche und kann sogar töten. VON GIANNA-CARINA GRÜN

Warum Libellen auch durch ihre Taten glänzen Libellen sind ein altes, ehrwürdiges Geschlecht: Sie bevölkern die Erde seit 250 Millionen Jahren, können rückwärts fliegen und dienen indirekt dem Naturschutz. VON ALINA SCHADWINKEL

Marienkäfer sind unersättlich Warum sich mit wenig zufriedengeben, wenn man auch viel haben kann? Der Marienkäfer protzt, wo er nur kann: beim Aussehen, beim Fressen, beim Sex. VON CLAUDIA FÜSSLER

Gerechtigkeit für Möwen! Möwen sind ziemlich coole Vögel. Umso bedauerlicher, dass Hafenstädte, Schriftsteller und Touristen generell etwas gegen sie haben. VON DAVID HUGENDICK

Fit wie ein Säbelzahn-Würstchen Er lebt wie ein Insekt, ist der Methusalem unter den Nagern und kennt weder Schmerz noch Krebs. Schrumplig, strebsam, mit Superkräften: der Nacktmull, ein Ausnahme-Tier VON SVEN STOCKRAHM

Weitere E-Books

Impressum

[nächster Beitrag]

[Inhaltsverzeichnis]

Einleitung

Das unterschätzte Tier

Sind Echsen wirklich einfältig und warum hat der Nacktmull Superkräfte?

Er lebt wie ein Insekt, ist der Methusalem unter den Nagern und kennt weder Schmerz noch Krebs. Schrumplig, strebsam, mit Superkräften: der Nacktmull, ein Ausnahme-Tier. Die Eigenschaften vieler Tiere werden aufgrund Ihres Aussehens unterschätzt. Neben allgemeinen Informationen und Besonderheiten vom Ameisenigel bis zum Nacktmull liefert dieses E-Book Ihnen stilvolles und exklusives Bildmaterial zu 18 Überlebenskünstlern.

Hier finden Sie eine Übersicht aller E-Books von ZEIT ONLINE www.zeit.de/ebooks.

[nächster Beitrag]

[Inhaltsverzeichnis]

Paaren heißt Trial and Error


Es ist ein Wunder, dass es Ameisenigel überhaupt noch gibt. Denn das Paarungsritual der eierlegenden Säuger ist ein zäher Kampf.
VON ALINA SCHADWINKEL

"Manche Australier braten ihn in seinem Felle, wie die Zigeuner unsern Igel, und essen ihn; aber auch die Europäer versichern, daß ein so zubereiteter Ameisenigel vortreffliche Speise gebe", schrieb einst der deutsche Zoologe Alfred Brehm. Seine Schlussfolgerung: "Hierin beruht der einzige Nutzen, welchen das Thier dem Menschen bringen kann."

Tatsächlich gilt das Fleisch der auf Neuguinea beheimateten Langschnabeligel noch heute als Delikatesse, dennoch muss hier dringlichst widersprochen werden: Der Ameisenigel (Tachyglossidae) mit seinem gedrungenen Körper und seiner Röhren-Schnauze ist ein biologisches Kuriosum, ein lebendes Relikt der Vergangenheit, wenn man so will.

Seine Geschlechtsorgane, Harnleiter und der Darm münden in einer einzigen Öffnung, der Kloake. Das macht den stacheligen Wüsten-, Wald- und Wiesenbewohner Australiens und Neuguineas wörtlich zum "Einlochtier" und ursprünglichen Säuger. Eine weitere Besonderheit: Er legt Eier. Gemein hat der Schnabeligel diese Talente nur mit seinem Namensvetter, dem Schnabeltier.

Einzigartig macht ihn sein Genital. Doch dazu gleich mehr. Vor dem Akt zelebriert das Kloakentier ein ausgeklügeltes und nicht minder interessantes Paarungsritual. Bis zu zehn Männchen folgen ihrer Angebeteten oft wochenlang in einer Kolonne Nase an Schwanz; bis zu einem Viertel des Körpergewichts büßen sie dabei ein. Auf dem Weg werden eine Menge Pheromone freigesetzt, es wird gestupst, geworben und zu guter Letzt, begrenzt durch einen frisch gebuddelten Graben, um das Weibchen gerauft.

Der Gewinner darf sich paaren – bis zu 180 Minuten lang und gleich zweifach. So hat der Penis der Ameisenigel zwar vier (!) Spitzen, der weibliche Genitaltrakt allerdings nur zwei Eingänge. Wie Forscher 2007 herausfanden, schwellen zu Beginn der Erektion alle vier Penis-Verzweigungen an, per Trial-and-Error-Verfahren wird dann getestet, welche Kombination passt.

Mag der Ameisen, Termiten und Würmer fressende, zahnlose Echidna mit der von stacheligen Warzen bedeckten Zunge für den Menschen also nicht unbedingt überlebensnotwendig sein, so versetzt er uns immerhin in Staunen. Nützlich ist der Ameisenigel somit allemal.

[nächster Beitrag]

[Inhaltsverzeichnis]

Tapsige Bärchen und scheintote Tönnchen


Bärtierchen, auch Wasserbären genannt, stellen sich bei Dürre tot und überstehen Extremtemperaturen. Sogar ins All sind die Minibären schon geflogen.
VON STEFANIE REINBERGER

Sie haben acht Beine und sehen aus wie Miniaturgummibärchen. Ihr wissenschaftlicher Name Tardigrada leitet sich von den lateinischen Wörtern "tardus" für langsam und "gradus" für Schritt ab: Langsamschreiter. Wer sie jemals durch das Sichtfeld eines Mikroskops tapsen sehen hat, weiß: Mit ihren kurzen mit Klauen bestückten Stummelbeinchen sind sie tatsächlich nicht die Schnellsten.

 

Dass sie im Deutschen Bärtierchen heißen, ist ebenfalls nicht weit hergeholt. An die 1.000 Arten sind bis heute bekannt, doch selbst die größten unter ihnen werden gerade einmal anderthalb Millimeter lang. Das Durchschnittsbärtierchen ist kleiner als einen halben Millimeter.

Aller Tapsigkeit und ulkiger Optik zum Trotz sind die Winzbären aber keinesfalls zu unterschätzen. So bevölkerte der Tierstamm erfolgreich den gesamten Planeten. Man findet sie auf allen Kontinenten einschließlich der Antarktis sowie in sämtlichen Ozeanen. Noch immer entdecken Wissenschaftler neue Vertreter. Bärtierchen leben in feuchten Moosen, im Brackwasser, in Tümpeln und Dachrinnen und sogar am Rand von Gletschern.

Bei Wassermangel igeln sich die Tierchen ein

Manche besiedeln extreme Lebensräume wie die Tiefsee oder die Höhen des Himalaya-Gebirges. Immer jedoch benötigen die Minipetze Wasser, um ihre Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten, um zu krabbeln, zu fressen und sich zu vermehren.

Trotzdem: Sterben müssen die kleinen Kerlchen noch lange nicht, wenn die heimatliche Pfütze oder das Mooskissen einmal ausdorren sollte. Dann nämlich wechseln sie ins Tönnchenstadium: Sie ziehen die Beinchen an, werden zur Kugel und trocknen selbst quasi aus. Ihren Stoffwechsel stellen sie dann so weit ein, dass man meinen könnte, sie wären tot. Doch der Schein trügt: Sobald die Zeiten besser – sprich: nasser – werden, kehren sie ins Leben zurück. Gerade so, als wäre nichts gewesen.

Viele Jahre überdauern die wackeren Tiere als Tönnchen. Wie lange sie es in diesem Stadium aushalten, ist noch nicht endgültig geklärt. Wissenschaftler gehen bisher davon aus, dass eine Phase von 20 Jahren oder sogar länger realistisch ist. Dabei halten die Bärtierchen extreme Temperaturen aus. Forscher um den Zoologen Ralph Schill von der Universität Stuttgart stellten fest: Selbst bei 100 Grad Celsius überlebten 90 Prozent ihrer Miniversuchstiere. Und auch Einfrieren scheint ihnen nichts anzuhaben.

Kryptobiose(von Griechisch "kryptos" für "verborgen" und "bios" für "Leben") nennen Wissenschaftler den Scheintod der kleinen Bären und wollen das Geheimnis der Überlebenskünstler lüften. Mit den Tricks der Tardigrada hoffen Forscher eines Tages Blutkonserven länger haltbar machen oder Impfstoffe so vorzubereiten, dass sie auch unter extremen Klimabedingungen keinen Schaden nehmen.

Im Dienste der Wissenschaft flogen die Tierchen daher vor wenigen Jahren sogar ins All. Als scheintote Astronauten umkreisten sie in einer Höhe von rund 270 Kilometern die Erde. Dabei wurden sie einem Vakuum und verschiedenen Strahlungen ausgesetzt und kehrten dennoch unbeschadet zurück – als bislang einzige Lebewesen, die einen solchen Weltraumausflug überstanden haben.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?