Alles außer Fußball

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Katja Kraus
"Bislang habe ich zu Guttenberg nicht vermisst"
Henry Maske, Take That, Michael Schumacher und nun zu Guttenberg: Im Alles-Außer-Fußball-Interview über Comebacks sagt Katja Kraus, wo sie zuletzt abgeschrieben hat.
VON STEFFEN DOBBERT

ZEIT ONLINE: Frau Kraus, was war Ihr größter Fehler?

Katja Kraus: Na Sie steigen ja freundlich ins Gespräch ein. Ich habe eine Menge Fehler gemacht und jeden Tag kommen welche hinzu, fürchte ich. Aber ich habe keine Top-Ten-Rangliste dafür.

ZEIT ONLINE: Wann haben Sie zuletzt abgeschrieben?

Kraus: In der Schule bei meinem Sitznachbarn. Danach höchstens Rezepte aus einem Kochbuch.

ZEIT ONLINE: Freuen Sie sich, wenn Karl Theodor zu Guttenberg ein Comeback gelingt?

Kraus: So weit ist es ja noch nicht. Zunächst ist er erst mal wieder auf die medialen Bühne zurückgekehrt. Ob er ein politisches Comeback anstrebt, hat er ja offen gelassen. Aber die Art und Weise seiner Positionierung verfolge ich mit Interesse.

ZEIT ONLINE: Was beeindruckt Sie?

Kraus:Diese Inszenierung hat viele interessante Aspekte. Zunächst natürlich die Art und Weise der Rückkehr, die inhaltliche Position, die konsequente Einhaltung der Verteidigungslinie. Spannend sind auch die Reaktionen der verschiedenen Medien. Ich bin sehr gespannt, auf die weitere Entwicklung.

ZEIT ONLINE: Unter welchen Umständen kann man eine Entschuldigung annehmen?

Kraus: Für mich ist entscheidend, ob in einer Entschuldigung eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und dessen Wirkkraft sichtbar wird. Allzu oft ist eine Entschuldigungen nur eine Höflichkeitsfloskel.

ZEIT ONLINE: Hätte zu Guttenberg ein Comeback verdient?

Kraus:Womit kann man sich ein Comeback verdienen? Es gibt Menschen, über deren Rückkehr ich mich freue, weil ich sie vermisst habe oder weil sie einer Sache etwas zu geben haben.

ZEIT ONLINE: Was ist Ihr größter zunächst verheimlichter Fehler?

Kraus: Es gab es bestimmt einige, die mir so unangenehm waren, dass ich für einen Moment hoffte, sie könnten unentdeckt bleiben. Das gelingt allerdings in der Regel nicht.

ZEIT ONLINE: Sind Sie ein Mensch, dem es schwer fällt, Fehler zuzugeben?

Kraus: Ich kenne niemanden, dem es leicht fällt Fehler einzugestehen. Und es gibt Faktoren, die Offenheit zusätzlich erschweren, wie Unsicherheit oder Druck. Aber ein selbstverständlicherer Umgang mit der Zwangsläufigkeit von Fehlern in beruflichen und auch privaten Zusammenhängen würde manches erleichtern. Ich glaube, in Anerkenntnis dessen, dass die allermeisten Fehler und Unzulänglichkeiten ohnehin offenbar werden, fällt es mir nicht so schwer.

ZEIT ONLINE: Wieso brauchen einige Menschen scheinbar ein Comeback? Weshalb fährt Michael Schumacher immer noch mit einem Auto im Kreis?

Kraus: Vielleicht weil er Spaß daran hat. Vielleicht weil er festgestellt hat, dass es das ist, was er am besten kann. Vielleicht weil ihm das Adrenalin fehlt. Es gibt so viele Motivationsfaktoren, auf die bekannte Bühne, in bewährte Muster zurückzukehren. Interessant ist die Frage, ob man dabei noch dem gleichen Qualitätsanspruch folgt oder ob die Erfolgsschablone gar nicht mehr passt und es eine neue Form der Erfüllung gibt.

ZEIT ONLINE: Haben Sie eigentlich auf das Comeback von Take That gewartet?

Kraus: Da bin ich komplett unberührt. Ich habe wohl wahrgenommen, dass es eine Menge Menschen erstaunlich geschmerzt hat, als sich die Band trennte. Deshalb ist es doch schön, dass sie sich nun wieder mögen und zusammen singen.

ZEIT ONLINE: Waren Sie bewegt, als Henry Maske nach zehnjähriger Pause noch mal erfolgreich zuschlug?

Kraus: Nein, bei allem Respekt vor dem Sportler Henry Maske, aber das war mir allzu sehr vom TV-Sender forciert.

ZEIT ONLINE: Mickey Rourke mit dem Film The Wrestler?

Kraus: Mickey Rourke ist ein großartiger Schauspieler. Aber war das ein Comeback? Er hat doch nie mit seinem Beruf aufgehört, sondern war vielmehr eine Weile durch seine Lebensführung auf Abwegen. Ich fand es schön, dass er wieder sichtbar wurde, ihn hätte ich vermisst.

ZEIT ONLINE: Würde Sie zu Guttenberg auch vermissen?

Kraus: Bislang hatte ich ihn nicht vermisst.

ZEIT ONLINE: Glauben Sie, es gibt beim HSV Menschen, die Sie vermissen?

Kraus: Ja, ich denke schon und ich finde das auch schön. Wenn man mit Menschen gemeinsam etwas bewegt, noch dazu, wenn es eine Herzensangelegenheit ist, dann schafft man etwas, das bleibt.

ZEIT ONLINE: Wenn Sie die Möglichkeit hätten: Würden Sie ein Comeback beim HSV wagen?

Kraus: Das ist keine Frage des Wagemutes. Ich glaube, dass die Führungszyklen in Branchen mit solch rasanter Entscheidungsgeschwindigkeit, erheblicher Emotionalität und einer permanenten öffentlichen Bewertung kürzer werden. Ich hatte beim HSV eine phantastische Zeit, in der wir viel gestaltet und erreicht haben. Aber jede Aufgabe hat ihre Phasen. Und für die Sache und für die Menschen ist es gut, wenn es immer mal wieder neue Impulse gibt.

ZEIT ONLINE: Träumen Sie nicht manchmal von einem Comeback?

Kraus: Bislang konnte ich mir nicht vorstellen, irgendwohin zurückzukehren, wenn ich dort schon einmal abgeschlossen hatte. Na ja, vielleicht wäre ich für die WM in diesem Jahr noch mal ins Fußballtor zurückgekehrt.

ZEIT ONLINE: Was tritt eher ein: Ihr Comeback als Nationaltorhüterin oder zu Guttenbergs Kanzlerkandidatur?

Kraus: Das ist eine leichte mathematische Aufgabe, denn da ich sicher weiß, dass ich nicht mehr Fußball spielen werde, ist die Wahrscheinlichkeit der Kanzlerkandidatur zwangsläufig größer.

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Katja Kraus
"Barbara Schöneberger sollte "Wetten, dass...?" moderieren"
Im Alles-außer-Fußball-Gespräch betont Katja Kraus die Qualität ihrer Favoritin für die Gottschalk-Nachfolge und spricht über die Sportschau als Teil ihrer Kindheit.
VON OLIVER FRITSCH

ZEIT ONLINE: Frau Kraus, wann haben Sie zuletzt Wetten, dass...? gesehen?

Katja Kraus: Ich hab ab und an mal rein geschaltet, aber eine ganze Sendung, das ist sehr lange her.

ZEIT ONLINE: Und früher?

Kraus: Wetten, dass...? war Teil meiner Kindheit, eine unerschütterliche Institution für den Familiensamstagabend, frisch gebadet. Und absolut unerlässlich, um montags in der Schule am Pausengespräch teilhaben zu können.

ZEIT ONLINE: Am Samstag waren Otto Waalkes und Udo Lindenberg zu Gast, es gab eine Zauberwürfelwette, fehlte nur noch Chris de Burgh. Ist Wetten, dass...? eine Konserve, eine ewige Wiederholung?

Kraus: Es ist doch schön, wenn es ein paar solcher Nostalgiemomente gibt. Die Wetten hingegen haben sich total verändert, früher waren sie viel leiser, manchmal sehr klug. Im Laufe der Zeit sind sie immer spektakulärer und akrobatischer geworden.

ZEIT ONLINE: Haben Sie eine Lieblingswette?

Kraus: Ich war als Kind sehr beeindruckt von Kandidaten, die viel wussten, oder jahrelang für ihre Wette gelernt haben mussten. Die zum Beispiel die Lottozahlen seit der Erfindung des staatlichen Glücksspiels kannten. Oder allen deutschen Straßen Postleitzahlen zuordnen konnten. Und ich erinnere mich an eine Tennisballwette: Ein ganzes Tennisfeld lag voll mit hunderten Tennisbällen. Thomas Gottschalk nahm eine Hand voll raus und der Kandidat hat gesagt, welche.

ZEIT ONLINE: Hape Kerkeling hat nun abgesagt. Wer könnte die Sendung übernehmen?

Kraus: Unbedingt Barbara Schöneberger. Sie ist klug, schnell, charmant, witzig und hat das Format, eine abendfüllende Sendung zu tragen. Aber sie braucht natürlich auch einen adretten Assistenten, vielleicht Olli Pocher oder Jörg Pilawa.

ZEIT ONLINE: Wenn die das Zeug dazu haben... Generell gefragt, braucht Deutschland öffentlich-rechtliches Fernsehen?

Kraus: Ich schaue nicht viel fern, aber meine Fernbedienung hat eigentlich nur zwei Knöpfe: ARD und ZDF. Allenfalls bei Fußballspielen schalte ich private Sender ein. Insbesondere in Zeiten der Informationsüberflutung und daraus entstehender Orientierungslosigkeit ist es wichtig, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Informationsauftrag wahrnehmen. Allerdings liegt die Qualität dabei für mich eher in der Reduktion als in der Reproduktion. Es gibt einfach zu viele lesenswerte Bücher, um jeden Abend eine Talkshow anzusehen.

ZEIT ONLINE: War die Sportschau auch Teil Ihrer Kindheit?

Kraus: Ja, natürlich. Sie gehört zu meinen ersten Fernseherinnerungen. Meine Eltern waren allerdings vollends sportdesinteressiert, ich musste dementsprechend immer das Zweitgerät nutzen, an dem man einem Knopf drehen musste, um die Sender einzustellen. Und ständig die Zimmerantenne verstellen, wenn das Bild kräuselte. Damals kam es vor, dass die Mannschaften in der Halbzeit das Trikot wechseln mussten, weil man sie sonst auf Schwarz-Weiß-Geräten nicht auseinanderhalten konnte. Es gab Ausschnitte aus drei Spielen, von den anderen bekam man nur das Ergebnis und die Torschützen vermeldet. Das gehörte zu den aufregenden Momenten des Samstagabends, weil nur selten das Spiel kam, das ich sehen wollte. Das war meist so wie beim Wunschfilm der Woche. Man konnte per Ted aus drei Filmen auswählen, welcher gesendet wurde. Das war eine Woche Spannung – am Ende gab es immer Bud Spencer und Terence Hill oder Louis de Funès. Das waren die Abenteuer der Achtzigerjahre-Kinder.

 

ZEIT ONLINE: Ab welchem Alter hatten Sie ein eigenes Fernsehgerät?

Kraus:Mit etwa zehn bekam ich eins, das in einem Kassettenrekorder integriert war. Der Fernseher hatte ungefähr acht Zentimeter Durchmesser. Ich konnte Musik aus dem Fernsehen mitschneiden, ohne mit dem Mikro davor zu sitzen und dafür zu sorgen, dass währenddessen niemand im Wohnzimmer spricht. Das war ein Erweckungsmoment, vor allem als es dann die Musiksendung Formel Eins gab, die ersten Videoclips.

ZEIT ONLINE: Was war Ihre liebste Kindersendung?

Kraus: Als ich klein war Löwenzahn mit Peter Lustig, der war wirklich lustig. Sein ultimatives "Klingt komisch, ist aber so" habe ich mir bewahrt. Später hab ich heimlich Dallas geschaut, nichtDenver. Mittwochs, als Denver lief, gab's ja meistens Fußball. Dallas oder Denver war damals eine Weltanschauungsfrage wie Beatles oder Stones.

ZEIT ONLINE: Das ZDF hat die Champions-League-Rechte für 54 Millionen Euro jährlich gekauft. Muss das sein?

Kraus: Es ist eine Investition im Wettstreit um Marktanteile und natürlich ein Marketing-Instrument. Die Champions League ist ein Top-Produkt und dementsprechend auch bei einem Qualitätssender richtig platziert. ARD und ZDF zahlen auch viel Geld für Länderspiele und Bundesligafußball. Wenn man über die Verwendung von Gebührendgeld spricht, gilt das doch auch für Gagen von Gottschalk, Jauch und demnächst Schöneberger.

ZEIT ONLINE: Gehört Fußball zur Grundversorgung, also zum Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen?

Kraus: Zumindest gehört es in der Lebenswelt vieler Menschen zu den Grundbedürfnissen.

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Corny Littmann
"Es ist eine unsinnige Forderung, dass Vereine Polizeikosten übernehmen"
Als St.-Pauli-Präsident organisierte Corny Littmann ein Ligaspiel ohne Gästefans. Im Kolumnen-Gespräch sagt er wieso, und weshalb er nichts von Geisterspielen hält.
VON STEFFEN DOBBERT

ZEIT ONLINE: Herr Littmann, braucht es Fans im Fußballstadion?

Corny Littmann: Geisterspiele sind das Schrecklichste, was es gibt. Fußball ohne Fans kann ich mir nicht vorstellen.

ZEIT ONLINE: Sie wollen in Ihrem Alles-außer-Fußball-Gespräch über Fußballfans reden. Weshalb sind die so wichtig?

Littmann: Die Stimmung im Stadion wird ausschließlich von ihnen gemacht.

ZEIT ONLINE: Wer braucht Fans: Sie als Zuschauer oder auch die Spieler auf dem Feld?

Littmann: Beide. Ich glaube nicht, dass irgendein Fußballer in einem leeren Stadion spielen möchte.

ZEIT ONLINE: Der DFL-Präsident Reinhard Rauball hat genau das gefordert, zumindest die Gästefans möchte er nicht mehr ins Stadion lassen.

Littmann: Ich habe vor zwei Jahren, als Präsident des FC St. Pauli auch dafür plädiert, dass Fans von Hansa Rostock zum damaligen Zeitpunkt nur begrenzt zum Spiel ins Millerntor kommen dürfen. Aber bevor ich auf das Beispiel komme, möchte ich weiter ausholen: Die meisten gewalttätigen Auseinandersetzungen finden nicht in einem Stadion, sondern außerhalb statt. Die Vereine lehnen in der Regel eine Mitverantwortung für das, was außerhalb des Stadions geschieht, ab. Das mag juristisch rechtens sein, ist aber in der Realität unsinnig, weil es ja dieselben Fans sind, die im oder vor dem Stadion randalieren. Wie viel Verantwortung übernehmen Vereine für ihre Fans – diese Frage müsste jetzt zur Debatte stehen.

ZEIT ONLINE: Darf ein Verein eine Gruppe von Fans nicht ins Stadion lassen?

Littmann: Das geschieht ja bereits in Einzelfällen. Stadionverbote werden in Deutschland ausgesprochen. Das darf nicht die Regel sein, sondern in Einzelfällen nur die letzte Konsequenz. Natürlich kann ein Verein Zuschauer ausschließen. Aber es geht ja darum, ob der Club ganze Zuschauergruppen, also Gästefans aussperren darf. Bevor man das beantwortet, muss man klären, wer welche Verantwortung trägt.

ZEIT ONLINE: Bitte.

Littmann: Der gastgebende Verein hat das Hausrecht und ist verantwortlich für die Sicherheit im Stadion. Tatsächlich hat er aber nur ein eingeschränktes Hausrecht, weil die Lizenzauflagen der DFL vorschreiben, dass er mindestens zehn Prozent seiner Karten an den Gästeverein abzugeben hat. Mein Vorschlag vor zwei Jahren war: Der Gastverein solle doch bitte die Verantwortung für seine Fans übernehmen, die ins fremde Stadion gehen. Er soll also seine Fans mit eigenen Ordnungskräften kontrollieren, damit sie keine unerlaubten Gegenstände mit ins Stadion nehmen. Und er soll dafür gerade stehen, was seine Fans machen.

ZEIT ONLINE: Das haben Sie damals auch vom FC Hansa Rostock verlangt?

Littmann: Die Spiele zwischen St. Pauli und Rostock waren immer welche, bei denen es Ausschreitungen gab, meist nach dem Spiel außerhalb des Stadions. Um das zu vermeiden, hatte ich unter anderem den Vorschlag gemacht, der Rostocker Verein solle sich um seine Fans kümmern: Sicherheitskräfte, Kartenkontrolleure, Ordner im Fanblock sollten aus Rostock kommen. Das jedoch berührt den Grundsatz: Wer ist Gastgeber und wer hat dafür zu sorgen, dass es sicher ist. Rostock wollte das nicht.

ZEIT ONLINE: Deshalb wollten Sie die Rostocker gar nicht ins Stadion lassen?

Littmann: Das war nur eine Möglichkeit. Schlussendlich wurde die Zuschauerzahl der Gästefans von 2.000 auf 500 begrenzt, und die Karten sollten nur namentlich registriert herausgegeben werden. Doch auch das wollten die Rostocker nicht. Im Ergebnis ist kein Rostocker gekommen.

ZEIT ONLINE: Gab es damals die Möglichkeit, dass Sie als Gastgeberverein die Gästefans aussperren durften, so wie es jetzt Rauball fordert?

Littmann: Nein, diese Möglichkeit gab es nicht. Fataler ist allerdings, dass sich DFL und DFB im Vorfeld solcher Spiele praktisch völlig raushalten. Konfliktvermeidung beschränkt sich in der Regel darauf, ein Spiel zum Risikospiel zu erklären. In unserem Fall war es so, dass die DFL gesagt hat: Sollen sich doch die Vereine an einen Tisch setzten, wenn die sich auf eine Regelung geeinigt haben, werden wir dem zustimmen. Das ist unsinnig. Es wäre viel besser, wenn die DFL sich vor einem Spiel mit den beiden Vereinen und der Polizei auf eine Linie zur Konfliktvermeidung verständigen würde. Vor einem Spiel tun DFL und DFB bisher praktisch nichts, im Nachhinein bestrafen sie dann sowohl den Gastverein als auch gelegentlich den gastgebenden Verein wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen.

ZEIT ONLINE: Jetzt gibt es ja einen Vorschlag des DFL-Präsidenten Rauball. Heißen Sie diesen gut?

Littmann: Ein völliger Ausschluss von Gästefans kann nur Ultima Ratio sein, im Prinzip bin ich dagegen. Bevor es soweit kommt, sollte es Vorstufen geben. Zum Beispiel sollte der Gästeverein genau kontrollieren, wer eine Karte bekommt und wer nicht. Die Gruppen, die Gewalt suchen, sind ja deutlich in der Minderheit und in der Regel vereinsbekannt. Hansa Rostock ist ein positives Beispiel. Die jetzige Führung des Vereins ist sehr energisch gegen gewaltbereite, meist rechtsradikale Fans vorgegangen. In der Folge gab es weniger Vorfälle.

ZEIT ONLINE: Sie fordern, dass die Vereine mehr Verantwortung übernehmen. Heißt das auch, dass sie sich an den Kosten der Polizeieinsätze vor den Stadien beteiligen sollten?

Littmann: Das halte ich für eine unsinnige und populistische Forderung. Die Clubs sollten aber auch nicht den Standpunkt vertreten, dass ihre Verantwortung an den Stadiontoren aufhört. Sie sollten darüber hinaus Verantwortung übernehmen. Die Vereine sollten sich beispielsweise darum kümmern, dass die Fans getrennt voneinander ohne Gewalt zum Stadion und wieder nach Hause kommen. Da ist Zusammenarbeit aller Beteiligten gefragt, nicht gegenseitige Schuldzuweisung. Für die öffentliche Sicherheit ist letztlich aber immer noch die Polizei zuständig.

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Katja Kraus
"Fußball ist ein Testosterongeschäft"
Katja Kraus arbeitete im Machtzentrum des HSV. Im Alles-außer-Fußball-Interview spricht sie über Machtstrategien und Konkurrenzverhalten im Fußball-Geschäft.
VON OLIVER FRITSCH

ZEIT ONLINE: Frau Kraus, Sie waren acht Jahre lang im Vorstand des HSV, seit einem halben Jahr nicht mehr. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Katja Kraus: Es gab unterschiedliche Phasen. Die Auseinandersetzung mit meiner Aufgabe und dem vorhandenen Gestaltungsspielraum hatte mich schon seit längerer Zeit umtrieben. Als der Abschied konkret wurde, war der Prozess dennoch schmerzlich. Inzwischen genieße ich die Freiheit und die Abwesenheit von Druck sehr. Diese Situation gibt mir Gelegenheit, innezuhalten und noch mal ganz genau hinzuschauen, was mir gerade entspricht. Dazu ließ die Dynamik des Alltags wenig Raum, noch dazu in einem so rasanten Umfeld wie der Fußballbranche. Es ist sicher eine Kunst, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören. Das Dilemma ist: Am richtigen Zeitpunkt gibt es oft keinen Grund dazu.

ZEIT ONLINE: Was hat sich konkret verändert, lachen jetzt weniger Leute über Ihre Witze?

Kraus: Jetzt wird mir gerade bewusst, dass schon lange niemand mehr gelacht hat. Menschen reagieren auf Positionen und Status. Insbesondere als Repräsentant eines solchen Gutes wie Fußball, das beinahe jeden interessiert, öffnen sich alle Türen. Ich habe das immer als Reaktion auf die Funktion verstanden und mich nicht persönlich gemeint gefühlt. Umgekehrt habe ich versucht, in der Begegnung mit Menschen beides nicht voneinander zu trennen. Vielleicht hat sich auch deshalb nicht wirklich etwas verändert.

ZEIT ONLINE: Prüfen Sie manchmal, ob das Telefon kaputt ist, weil es nicht ununterbrochen klingelt?

Kraus: Das ging tatsächlich leichter als ich dachte. Ständig erreichbar zu sein, war eine Anforderung meiner Aufgabe, vielleicht auch einfach mein Anspruch. Ich lasse jetzt das Telefon ganze Tage lang zu Hause.

ZEIT ONLINE: Kommunikation ist ein Mittel, Macht abzusichern.

Kraus: Es ist eines der Mittel. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass sich Macht auf Dauer nicht konstruieren lässt. Es gibt viele Instrumente, Macht zu gewinnen. Sie künstlich zu erhalten, ist sehr schwer – insbesondere in sehr öffentlichen Umfeldern und durch die stetig zunehmenden Kommunikationsplattformen.

ZEIT ONLINE: Gibt es eine weibliche Form der Machtausübung?

Kraus: Klar gibt es Unterschiede, zum Beispiel im Führungsstil oder im Kommunikationsverhalten. Auch im Umgang mit Entscheidungskompetenz. Interessant ist, dass es oft eine Zuschreibung für Frauen in exponierten Positionen gibt, die extremen Ehrgeiz und eine kampfgestählte Toughheit unterstellt. Das ist nicht immer sympathisch und wird bei Männern viel selbstverständlicher betrachtet.

ZEIT ONLINE: Warum sind Frauen im Fußball die Ausnahme?

Kraus: Fußball ist nach wie vor ein Testosterongeschäft und auch ein weitestgehend geschlossener, sorgsam behüteter Kreis. Ich habe allerdings das Gefühl, das bricht zunehmend auf, in dem auch in der Branche Männer an Bedeutung gewinnen, die einen kommunikativeren Stil pflegen.

 

ZEIT ONLINE: Wie ist das in einer Profimannschaft?

Kraus: Es ist die Herausforderung des Profifußballs, eine Mannschaft in einem eingeschwungenen Zustand zu halten. Durch all die internen und externen Einflussfaktoren ist das Gebilde ständigen Erschütterungen ausgesetzt, die es auszugleichen gilt. Fußballprofis sind in erster Linie Kollegen, die das gleiche Ziel verfolgen. Aber darüber hinaus sind sie eben auch Kontrahenten. Um die beste Bewertung, den nächsten Vertrag, den Platz in der Nationalmannschaft.

ZEIT ONLINE: Ist der Einfluss der Spieler in den vergangenen zehn Jahren gewachsen?

Kraus: Einerseits kennt ein Profi seine Bedeutung für den sportlichen Erfolg des Vereins und ist sich der Instrumente zur Durchsetzung seiner Interessen bewusst, etwa den Umgang mit Medien.

ZEIT ONLINE: Andererseits?

Kraus: Andererseits ist der Druck enorm gestiegen. Durch das stetig wachsende öffentliche Interesse und der medialen Ausdrucksformen ist ein Profi dem permanenten Nacktscannen ausgesetzt. Und dementsprechend gnadenlos ist auch die Beurteilung.

ZEIT ONLINE: Wenigstens sind Profis gut bezahlt.

Kraus: Die Höhe des Kontos ist sicher in vielen Lebenssituationen tröstlich, aber sie hilft ganz sicher nicht beim Umgang mit Drucksituationen auf dem Platz.

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