Berlin - eine Biografie

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HAUPTSTADT BRANDENBURGS
(1448 – 1701)


Joachim I. Nestor (1484 – 1535)

Hans Kohlhase (um 1500 – 1540)

Joachim II. Hektor (1505 – 1571)

Friedrich Wilhelm Der Große Kurfürst (1620 – 1688)

Johann Gottlieb Kunckel (um 1630 – 1702/​03)

Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts

Mit der Niederwerfung Berlins endete auch dessen Rolle als regionale Handelsmetropole. Der Handel ging durch den Verlust der wirtschaftlichen Privilegien zurück und die Bevölkerung stagnierte bei weiterhin etwa 8.500 Einwohnern, darunter viele Kleriker und Hofbedienstete. 1470 huldigten die Doppelstädte dem neuen Kurfürsten Albrecht Achilles. Dieser erließ 1473 die Dispositio Achillea, durch die die Primogenitur und Unteilbarkeit der brandenburgischen Lande festgelegt wurden. Dies stellte den Ausgangspunkt für die territorialstaatliche Entwicklung der Mark Brandenburg dar. Im Übrigen hielt sich Albrecht nur wenig in der Mark auf. 1476 übertrug er die Regentschaft seinem damals 21-jährigen Sohn Johann Cicero und verstarb zehn Jahre später auf einem Reichstag in Frankfurt am Main.

Der neue Kurfürst Johann Cicero (1455 – 99) machte Berlin/​Cölln noch 1486 zur ständigen Residenz. Damit wurde die Doppelstadt zum Mittelpunkt des brandenburgischen Staates und übernahm verstärkt Regierungsaufgaben. Fortan arbeiteten hier die kurfürstlichen Zentralbehörden, die einen erheblichen Teil des Steueraufkommens des gesamten Kurfürstentums umsetzten. Dafür bildeten sich ständige Verwaltungsorgane heraus, die sich auf einen juristisch geschulten, festen Beamtenstand stützen konnten. Nun begann auch die Einwohnerzahl zu steigen, wobei vor allem die Zuwanderung aus Sachsen und Thüringen sowie aus Franken eine besondere Rolle spielte. Die Regierungs- und Verwaltungsämter bei Hofe wurden zunächst vor allem mit Franken besetzt. Die Bedürfnisse des wachsenden Hofes brachten aber auch wieder Handel und Handwerk zum Blühen. Schließlich gewann Anfang des 16. Jhs. auch das städtische Patriziat seine führende Rolle zurück. Berliner Kaufleute versuchten sich nun auch wieder im Fernhandel, u. a. mit Hamburg, Lübeck, Danzig und Nürnberg.

1539 trat Kurfürst Joachim II. zum lutherischen Bekenntnis über und zog anschließend den Besitz der katholischen Kirche ein.

Als 1613 der nunmehrige Kurfürst Johann Sigismund (1572 – 1619) unerwartet zum Calvinismus übertrat, stieß dies bei der lutherisch gesonnenen Bürgerschaft Berlins und Cöllns auf völliges Unverständnis. Als zwei Jahre später während einer Abwesenheit des Kurfürsten sein Bruder Markgraf Johann Georg die Säuberung des Berliner Doms von allen »Bildnissen« anordnete, um ihn calvinistisch schmucklos zu gestalten, kam es zu Tumulten. Der zurückgeeilte Kurfürst sah sich zur Befriedung der Lage gezwungen, seinen Untertanen Religionsfreiheit zu gewähren und als Landesherr auf die Durchsetzung des calvinistischen Bekenntnisses zu verzichten.

1618 starb der letzte preußische Herzog Albrecht Friedrich ohne männlichen Nachkommen in Königsberg, womit Johann Sigismund die Erbfolge als Herzog von Preußen antreten konnte. Er dankte selber aber bereits im November 1619 nach einem Schlaganfall zugunsten seines Sohnes Georg Wilhelm (1595 – 1640) ab und verstarb am 23. Dezember 1619. Berlin und Cölln hatten zu dieser Zeit, am Beginn des Dreißigjährigen Krieges, rund 12.000 Einwohner.

Kurfürst Georg Wilhelm war ein willensschwacher und kranker Mann, der den Herausforderungen seiner Zeit in keiner Weise gewachsen war. Zunächst versuchte er, Brandenburg als neutrales Land durch den Krieg zu lavieren. Doch das Land verfügte nicht über Streitkräfte, um seine Neutralität behaupten zu können. So war Georg Wilhelm bald auf kaiserlich-katholischer Seite, bald auf schwedisch-protestantischer. Damit gab er aber Brandenburg erst recht den plündernden Truppen aller Seiten preis. Zwar blieben Berlin und Cölln von Plünderungen oder Belagerungen verschont, doch Kriegszahlungen und unentgeltliche Warenlieferungen zur Versorgung der fremden Truppen brachten das städtische Leben nahezu zum Erliegen. 1630 brach zudem erneut die Pest aus und forderte tausende Todesopfer. Von 1631 bis 1634 musste den Schweden die Festung Spandau überlassen werden. 1635 schloss sich Brandenburg einem Bündnis mit dem Kaiser an, womit die Mark erneut zum Zentrum grausamer Kämpfe zwischen Schweden und Kaiserlichen wurde. Im August 1638 verlegte Georg Wilhelm seine Residenz nach Königsberg, der Hauptstadt seines Herzogtums Preußen. Die Mark überließ er dem kaisertreuen Statthalter Graf zu Schwarzenberg, der den Sitz der kurfürstlichen Verwaltung in die Festung Spandau als sicheren Ort verlegte. Georg Wilhelm verstarb schließlich in Königsberg am 1. Dezember 1640 im Alter von nur 45 Jahren. Um die Jahreswende 1640/​41 beschloss Schwarzenberg beim Herannahen eines kleineren schwedischen Korps die Cöllner Vorstädte abzubrennen, um freies Schussfeld gegen die Schweden zu erlangen. Doch die Schweden zogen sich zurück und Schwarzenberg hatte durch seine Anordnung Cölln wieder auf seine mittelalterlichen Grenzen reduziert.

Der neue Kurfürst Friedrich Wilhelm schloss im Juli 1641 in Stockholm einen Waffenstillstand mit Schweden und begann Brandenburg aus der engen Bindung an die Politik des Kaisers und der Habsburger zu lösen. Dennoch konnte er erst im März 1643 nach Berlin zurückkehren, um die Huldigung der Doppelstadt entgegenzunehmen. Diese hatte nur noch 6.000 Einwohner. Ein Drittel der Häuser stand leer und verfiel, und auch das seit Jahren leerstehende Schloss war verfallen und kaum nutzbar.

Zur Instandsetzung des Schlosses holte Friedrich Wilhelm Bauhandwerker aus den Niederlanden. Verantwortlicher für die Bauarbeiten wurde der aus Österreich stammende Architekt Johann Gregor Memhardt (1607 – 78). Dieser zeichnete 1650 auch den ersten Stadtplan Berlins, der im Wesentlichen noch den mittelalterlichen Umfang der Doppelstadt wiederspiegelt.

Unter dem Eindruck der Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges beauftragte Friedrich Wilhelm Memhardt auch mit der Befestigung Berlin/​Cöllns. Von 1658 bis 1683 wurde Berlin daraufhin mit einer mächtigen Stadtbefestigung mit Wällen, Wassergräben, 13 Bastionen und sechs Stadttoren umgeben. Westlich von Cölln, aber noch innerhalb des Festungsgürtels entstand 1662 als dritte Residenzstadt das Friedrichswerder, in dem sich vor allem Bedienstete des Hofes niederließen. 1674 folgte außerhalb der Stadtbefestigung die Dorotheenstadt, als Vorstadt zwischen den »Linden« im Süden und der Spree im Norden. Neben diesen Städten entstanden zu dieser Zeit vor den Toren der Stadt noch weitere Vorstädte, die nach den zugehörigen Stadttoren benannt wurden, so die Georgenvorstadt, die Stralauer und die Spandauer Vorstadt sowie südlich der Spree die Köpenicker Vorstadt.

Als Friedrich Wilhelm 1685 mit dem Edikt von Potsdam den aus Frankreich geflüchteten Hugenotten Zuflucht in Brandenburg gewährte, folgten dem etwa 20.000 Glaubensflüchtlinge, von denen sich rund 6.000 in Berlin, vor allem in Friedrichswerder und der Dorotheenstadt niederließen. Diese Zuwanderung brachte einen enormen Entwicklungsschub für Brandenburg und Berlin mit sich. 1688 im Todesjahr des Großen Kurfürsten, wie Friedrich Wilhelm seit seinem Sieg bei Fehrbellin 1675 genannt wurde, hatte Berlin ungefähr 20.000 Einwohner, von denen rund ein Drittel zugewanderte Hugenotten waren.

Der neue Kurfürst Friedrich III. begann schon 1688 mit der Anlage einer fünften Residenzstadt, der Friedrichstadt, die südlich an die Dorotheenstadt anschloss. Ab 1695 ließ Friedrich nach Plänen Johann Arnold Nerings (1659 – 95) westlich des Dorfes Lietzow, auf halbem Wege zwischen Berlin und Spandau, das Schloss Lietzenburg als Sommerresidenz für seine Gattin Sophie Charlotte errichten. 1696 stiftete Friedrich die Berliner Akademie der Künste. 1698 begann der Umbau des Berliner Schlosses zu einem prunkvollen Barockbau, der als Schlüterbau in die Geschichte eingehen, aber erst nach Friedrichs Tod und Schlüters Weggang vollendet werden sollte. 1700 erfolgte die Gründung der Akademie der Wissenschaften, deren erster Präsident der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646 – 1716) wurde. Berlin hatte um 1700 bereits rund 29.000 Einwohner.

Nach jahrelangen diplomatischen Vorarbeiten, zu denen vor allem die Einholung der Zustimmung des Habsburger Kaisers gehörte, krönte sich Friedrich III. schließlich am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloss selbst zum König in Preußen.

Joachim I. Nestor (1484 – 1535) –
Renaissancefürst und treuer Katholik

Der am 21. Februar 1484 im Schloss zu Cölln Geborene wuchs von 1490 bis 1498 in Neustadt a. d. Aisch, am glänzenden Hofe der Witwe Kurfürst Albrecht Achilles, auf. Beim Tode seines Vaters, Kurfürst Johann Ciceros, im Januar 1499 war er noch keine 15 Jahre alt. Trotz seines jugendlichen Alters wollte er von Anfang an allein regieren und wies den Versuch seines fränkischen Onkels Friedrich von Ansbach, ihn unter Berufung auf die Dispositio Achillea unter Vormundschaft zu nehmen, zurück.

Seine erste Bewährungsprobe bestand der jugendliche Kurfürst im Kampf gegen das wieder aufgelebte Raubrittertum in der Mark. Als diese ihn und sein Gefolge sogar bei der Jagd in der Köpenicker Heide überfielen, war das Maß voll. Binnen weniger Monate ließ Joachim 40 von ihnen köpfen oder hängen, womit die landesherrliche Macht in der Mark wieder gefestigt war.

 

Als 1501 die Pest in Berlin ausbrach, verlegte Joachim die kurfürstliche Residenz nach Stendal, wo er am 10. April 1502 die dänische Prinzessin Elisabeth (1485 – 1555) heiratete, mit der er fünf Kinder, darunter den späteren Kurfürsten Joachim II. Hektor, haben sollte. Gleichwohl war die Ehe nicht glücklich. Joachim hatte zahlreiche Mätressen, mit denen er ebenfalls Kinder zeugte. Mit seinen zahlreichen Eskapaden verlor er bald die Achtung seiner Frau.

Im April 1506 eröffnete Joachim in Frankfurt/​Oder mit der »Viadrina« die erste Universität in der Mark Brandenburg. Nach dem Berliner »Hostienschändungsprozess« vom Juli 1510 verfügte Joachim Ende 1510 auf Druck der Landstände die Ausweisung aller in der Mark lebenden Juden. 1514 ordnete er den Abriss des früheren gemeinsamen Rathauses von Berlin und Cölln auf der Langen Brücke an.

1516 wütete erneut die Pest in Berlin und forderte zahlreiche Todesopfer. Im Herbst des gleichen Jahres tauchte der Dominikanermönch und Ablassprediger Johann Tetzel (um 1465 – 1519) erstmals in Berlin auf und predigte vor dem »Grauen Kloster« unweit des heutigen Alexanderplatzes. Im Frühjahr 1517 predigte Tetzel sogar in der Berliner Nikolaikirche. Sein Ablasshandel war ein wesentlicher Anlass für Martin Luthers (1483 – 1546) 95 Thesen, die er am 31. Oktober 1517 an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg anschlug. Dieses Ereignis konnte Joachim nicht unberührt lassen, lag doch Wittenberg, das Zentrum der Reformation, zwar territorial im Kurfürstentum Sachsen, kirchenrechtlich aber im Bistum Brandenburg, für das Joachim verantwortlich war und für das er das Ernennungsrecht besaß.

Joachim reagierte auf das aufkommende Luthertum strikt ablehnend und entwickelte sich zu einem der erbittertsten Widersacher der Reformation. So trat er auf dem Reichstag zu Worms 1521 als schärfster Gegner Luthers unter den Fürsten hervor, prügelte sich fast mit dem Kurfürsten von Sachsen, der als Beschützer Luthers auftrat, und forderte den Reformator vergeblich zum Widerruf auf. Am Erlass des Wormser Edikts vom 25. Mai 1521, durch das Luther der Reichsacht unterfiel, kommt ihm ein wesentlicher Anteil zu.

Auf der anderen Seite konnte Joachim Nestor nicht verhindern, dass die Kurfürstin Elisabeth hinter seinem Rücken schon 1519 mit dem damals 13-jährigen Kurprinzen Joachim den Reformator in Wittenberg aufgesucht hatte. 1521 entschlossen sich in Berlin und Cölln zudem die Räte, Gilden und Schulen zum Boykott der katholischen Fronleichnamsprozessionen.

Joachim hielt dagegen und verbot die Einfuhr von Luthers Bibel, das Studium lutherischer Schriften wie das Singen lutherischer Lieder. Er befahl den Einwohnern der Residenzstädte die Teilnahme an den katholischen Prozessionen und verwies seinen Sekretär Joachim Zerer wegen lutherischer Sympathien aus der Residenz Berlin/​Cölln.

1525 machte er sich zum Gespött der Berliner. Sein Astrologe und Leibarzt Johann Carion hatte für den 15. Juli 1525 der Untergang der Residenzstädte durch eine Sintflut vorausgesagt. Am Morgen dieses heißen Tages verließ eine Wagenkolonne mit dem Hofstaat das Schloss in Cölln und fuhr eilends auf die von kurfürstlichen Reisigen abgesperrten Tempelhofschen Berge (den heutigen Kreuzberg), um dort das Ende der Stadt abzuwarten. Nachdem sich die Hitze am Nachmittag in einem mehrstündigen Sommergewitter entladen hatte, ordnete der blamierte Kurfürst die Rückkehr ins Schloss an. Als der Tross schon den Schlossplatz erreicht hatte, brach ein erneutes Gewitter aus. Ein Blitz schlug gerade in die Kutsche ein. Als der geblendete Kurfürst aus dem Gefährt wankte, fand er einen der Wagenknechte und die vier Pferde des Gespanns vom Blitz getötet vor.

Schließlich zerstörte die Reformation die ohnehin zerrüttete Ehe des Kurfürsten vollends. Die Kurfürstin Elisabeth hatte schon seit langem mit dem lutherischen Bekenntnis sympathisiert. Als Joachim Ostern 1527 mit seiner Geliebten Katharina Hornung nach Breslau reiste, trat Elisabeth zum neuen Glauben über. Als dies Joachim nach seiner Heimkehr erfuhr, soll er Elisabeth verprügelt und ihr angedroht haben, sie lebendig einmauern zu lassen. Allein die brandenburgischen Bischöfe rieten dem Kurfürsten zur Mäßigung. So stellte er Elisabeth ein Ultimatum, bis Ostern 1528 mit ihm gemeinsam das Abendmahl in herkömmlicher Form zu nehmen. Doch die Kurfürstin ließ es hierauf nicht ankommen. Als Bäuerin verkleidet floh sie in der Nacht vom 24. zum 25. März 1528 aus dem Schloss in Cölln und flüchtete in das protestantische Kurfürstentum Sachsen, wo ihr zu Joachims großem Ärger Asyl gewährt wurde. Elisabeth sollte erst 1545, zehn Jahre nach Joachims Tod, nach Brandenburg zurückkehren.

1534 teilte Joachim I. Nestor die Mark entgegen der Dispositio Achillea zwischen seinen beiden Söhnen auf. Der ältere Sohn Joachim erhielt die Kurwürde und die Kernterritorien der Mark, während der jüngere Sohn Johann (1513 – 1571) die Neumark und Gebiete in der Lausitz erhielt. Zugleich verpflichtete er letztwillig die Söhne dazu, für sich und ihre Territorien am katholischen Bekenntnis festzuhalten. Noch auf dem Sterbebett ließ er sie dies erneut beschwören.

Joachim I. Nestor verstarb am 11. Juli 1535 in Stendal. Zunächst im Kloster Lehnin beigesetzt, fand er 1542 seine letzte Ruhestätte in der Gruft des Berliner Doms.

Hans Kohlhase (um 1500 – 1540) –
Rebell gegen Adels- und Fürstenwillkür

Hans Kohlhase wurde um 1500 in dem Ort Tempelberg bei Müncheberg auf halber Strecke zwischen Berlin und Frankfurt/​Oder geboren. Als Fernhandelskaufmann handelte er zunächst mit Honig, Heringen, Speck und anderen Viktualien (Lebensmitteln). Nach einigen Jahren erfolgreicher Handelstätigkeit erwarb er 1530 das Bürgerrecht von Cölln an der Spree und wohnte dort mit seiner Familie als geachteter Bürger in der Fischerstraße 27 oder 28. Möglicherweise begann er jetzt auch mit Pferden zu handeln.

Die Fischerstraße war eine der ältesten Straßen von Cölln, wo schon seit dem 13. Jh. die Spreefischer ihre Häuser und Trockenplätze für Kähne und Netze gehabt hatten. Der Fischerkiez mit der Fischerstraße gehörte zu den ältesten erhalten gebliebenen Teilen Berlins und wurde erst 1969 zugunsten der heutigen Hochhausbebauung abgerissen. Heute erinnert hier nichts mehr an das alte Stadtquartier und den »Rebellen« aus Cölln. An der Stelle von Kohlhases Wohnhaus war bis zu dessen Abriss an einem aus den 60er-Jahren des 19. Jhs. stammenden Nachfolgebau eine 1933 errichtete Gedenktafel mit der Inschrift »Hier befand sich die Wohnstätte des Roßkamm Hans Kohlhase zu Cölln an der Spree im 16. Jahrhundert« zu finden. Diese Gedenktafel ist seit dem Abriss des Hauses verschwunden. Vielleicht befindet sie sich aber auch nur in Vergessenheit geraten im Fundus des Märkischen Museums.

Im Oktober 1532 wurden Kohlhase auf dem Wege zur Leipziger Messe im kursächsischen Wellaune bei Düben an der Mulde zwei Pferde auf Befehl des örtlichen Gutsbesitzers Günther von Zaschwitz als angeblich gestohlen beschlagnahmt. Als Kohlhase später Zaschwitz gegenüber sein Eigentum an den Pferden nachweisen konnte, gab dieser sie nur gegen Zahlung eines Futtergeldes heraus. Zaschwitz hatte die Pferde zudem in der Zwischenzeit als Ackergäule genutzt und so abgewirtschaftet, dass eines von ihnen nur einen Tag nach der Rückgabe verendete.

Kohlhase verklagte zunächst den Junker von Zaschwitz vor sächsischen Gerichten auf Entschädigung, erhielt dort aber kein Recht. Daraufhin erklärte er am 12. März 1534 dem Junker und dem Kurfürstentum Sachsen die Fehde. In den folgenden Jahren sammelte Kohlhase, der sein Vermögen über den Rechtsstreit mit von Zaschwitz verloren hatte, eine Räuberbande um sich und versetzte Kursachsen durch Wegelagerei, Plünderungen und Erpressungen in Angst und Schrecken. Ein Versuch Martin Luthers zwischen Kohlhase und dem Kurfürstentum Sachsen zu vermitteln scheiterte bereits im Dezember 1534.

Da das Verhältnis Brandenburgs zu Kursachsen seinerzeit nicht das Beste war, unternahmen die brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. Nestor und Joachim II. Hektor nichts gegen ihren Untertanen, solange sich dessen Wirken auf Sachsen beschränkte. Während in Sachsen ein Kopfgeld auf Kohlhase ausgesetzt wurde, erhielt er 1536 sogar einen Geleitbrief Kurfürst Joachims II., der ihm den Schutz der brandenburgischen Behörden zusicherte.

Erst als Kohlhase im Winter 1539/​40 auf der damaligen Verbindungsstraße von Potsdam nach Berlin, unweit eines Vorwerks an der Einmündung der Bäke in den Griebnitzsee, einen Silbertransport aus den Mansfelder Bergwerken (für die brandenburgische Münze in Berlin) überfiel und den Silberschatz unter einer Brücke in der Bäke versenkte, endete das landesherrliche Wohlwollen. Joachim II. erklärte Kohlhase zum »Landesfeind«. Kohlhase und sein engster Vertrauter Georg Nagelschmidt wurden kurze Zeit später bei einem heimlichen Besuch in Berlin aufgegriffen, zum Tode verurteilt und am 22. März 1540 vor dem Georgentor aufs Rad geflochten.

Das Vorwerk an der Bäkemündung erhielt später den Namen Kohlhasenbrück und entwickelte sich zu dem gleichnamigen heutigen Ortsteil des Berliner Bezirks Zehlendorf. In Kohlhasenbrück befindet sich vor dem Haus Königsweg 313 an einer Eiche auch heute noch eine Gedenktafel zur Erinnerung an Kohlhase und seine Tat. Der Silberschatz in der Bäke konnte nie gefunden werden und ist, als das Bett der Bäke beim Bau des Teltowkanals (1901 – 06) ausgebaggert wurde, vermutlich für immer verschüttet worden.

Der Dichter Heinrich von Kleist (1777 – 1811) hat Hans Kohlhase in seiner 1810 entstandenen Novelle Michael Kohlhaas ein literarisches Denkmal gesetzt, das jedoch eine dichterische Verfremdung und keine authentische Wiedergabe der damaligen Ereignisse darstellt. Kleist, der sich im November 1811 mit seiner Seelenfreundin Henriette Vogel am Kleinen Wannsee erschoss, würde sich im Übrigen selbst zum biografischen Porträt eines berühmten Berliners eignen.

Joachim II. Hektor (1505 – 1571) –
Ereignisreiche Zeiten in der nunmehrigen Hauptresidenzstadt

Der am 9. Januar 1505 im Schloss zu Cölln Geborene heiratete am 6. November 1524 in erster Ehe Magdalena von Sachsen (1507 – 34). Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter der spätere Kurfürst Johann Georg (1525 – 98). Joachim tat sich bereits als Kurprinz und Hauptmann des niedersächsischen Kreises 1532 im Kampf gegen die Türken hervor, wofür ihm der ritterliche Beiname »Hektor« verliehen wurde.

Obwohl durch den Eid gegenüber ihrem sterbenden Vater, am katholischen Bekenntnis festzuhalten, gebunden, setzten Joachim und sein jüngerer Bruder Hans von Küstrin, nach ihrem Regierungsantritt im Sommer 1535 als erstes ihrer im sächsischen Exil lebenden Mutter, der Kurfürstenwitwe Elisabeth, eine stattliche Leibrente aus. Ein Jahr später trat Hans zum lutherischen Bekenntnis über. Joachim war konservativer und hing vor allem an den äußeren, prunkvollen Formen der herkömmlichen Liturgie. So blieb er zunächst katholisch. Er hatte zu Beginn seiner Regierungszeit auch anderes vor, als sich um Glaubensfragen zu kümmern. So heiratete er am 1. September 1535 in zweiter Ehe Hedwig von Polen (1513 – 73), mit der er weitere vier Kinder haben sollte, und begründete durch diese Ehe interessante dynastische Verbindungen mit den schlesischen Piasten.

1537 begann der Umbau des alten Hohenzollernschlosses Friedrichs II., das wohl doch eher eine enge und schmucklose Burg als ein Schloss gewesen war, zu einer repräsentativen Renaissance-Schlossanlage mit Stechbahn, Ballhaus und Reithaus.

Auch wenn Joachim an den alten Formen kirchlichen Glaubens hing, unternahm er doch nichts gegen die Ausbreitung des lutherischen Bekenntnisses. 1537 besuchte Philipp Melanchton, einer der engsten Mitstreiter Martin Luthers, erstmals Berlin. Im Gefolge dieses Besuchs berief der Rat von Cölln Johann Badereske als ersten evangelischen Pfarrer an die Petrikirche. Es ging auch auf Melanchtons Einfluss zurück, dass Joachim ab 1539 wieder vereinzelt Juden, die aber einen kurfürstlichen Schutzbrief erwerben mussten, in Brandenburg zuließ.

Joachim hatte angesichts seiner vielen fürstlichen Ausgaben einen ständigen Bedarf nach zusätzlichen Einnahmequellen. Letztlich gab wohl auch die Aussicht auf die Vereinnahmung des katholischen Kirchengutes für Joachim den Ausschlag, am 1. November 1539 in der Spandauer Nikolaikirche zum evangelischen Glauben überzutreten und im Anschluss daran den Besitz der Klöster in Spandau, Berlin und der übrigen Mark zu konfiszieren. Im Übrigen versuchte Joachim mit der Kirchenordnung von 1540 einen evangelisch-katholischen Kompromiss, der die Kirche zwar auf lutherische Positionen festlegte, aber vieles von den Formen des alten katholischen Ritus beibehielt. Selber ließ Joachim für sich in der Hofkirche noch jahrelang Gottesdienst nach katholischer Ordnung halten. Unter Joachim II. erlebte Berlin/​Cölln ein erstes Aufblühen von Kunst und Kultur. So konnten sich die Bürger 1541 in Cölln am Dreikönigsspiel, der ersten Freilichtaufführung eines Theaterstücks in der Stadt, erfreuen. 1542 ließ Joachim in seinem Jagdrevier, dem »Grünen Wald« südwestlich von Berlin, das heutige Jagdschloss Grunewald errichten. Zur besseren Verbindung dorthin ließ er von Cölln aus einen mit Bohlen belegten Reitweg anlegen, den ersten Vorläufer des späteren Kurfürstendamms.

 

Am Fastnachtstag, dem 15. Februar 1545, ließ der Kurfürst in Cölln die rauschende Doppelhochzeit des Kurprinzen Johann Georg und der brandenburgischen Prinzessin Barbara jeweils mit Partnern aus der piastischen Herzogsfamilie des schlesischen Liegnitz feiern. Anlässlich dieses Festes fand auf der Stechbahn vor dem Schloss ein Turnier statt, bei dem 60 gepanzerte Ritterpaare zu Ross gegeneinander antraten.

Um 1550 wanderte die jüdische Familie Lippold aus Prag nach Berlin zu und betrieb dort in der Stralauer Straße ein Leihhaus. Ben Chluchim Lippold, einer der Söhne der Familie, erlangte als Kreditgeber Joachims dessen Vertrauen und wurde 1556 zum Kämmerer und Hofjuden ernannt.

1551 erlitt Kurfürstin Hedwig bei einem Unfall schwere Unterleibsverletzungen. Sie konnte danach nur noch an Krücken gehen, und auch ihr Eheleben mit Joachim fand ein Ende. Dieser holte sich sein Vergnügen nunmehr bei den Damen bei Hofe, von denen etliche seine Mätressen wurden. Für deren Unterhalt sorgte ab 1556 zuverlässig und verschwiegen der Kämmerer Lippold.

Schließlich lernte Joachim die Frau des Geschützgießers und Vorstehers der kurfürstlichen Gießhütte in Grimnitz, Anna Sydow, kennen, mit der er ab 1558 öffentlich ein eheähnliches Verhältnis unterhielt. Die im Volksmund »die schöne Gießerin« Genannte begleitete ihn häufig auf Reisen und Ausflügen, wobei sie stets Männerkleidung trug. Lieblingsort des ungleichen Paares war das Jagdschloss Grunewald, wo Anna Sydow auch zeitweilig in den Sommermonaten wohnte. Es dauerte nicht lange, und die »schöne Gießerin« wie der Hofjude Lippold waren beim Volk wie beim Kurprinzen Johann Georg gleichermaßen verhasst.

Ab 1558 überließ Joachim zunehmend die politischen Alltagsgeschäfte seinem neuen Kanzler Dr. iur. Lampert Distelmeyer (1522 – 88), der bereits seit 1550 als kurfürstlicher Rat in brandenburgischen Diensten gestanden hatte. Distelmeyer lenkte die brandenburgischen Geschicke mit großem Können und Erfolg, wofür ihn Joachim wiederholt reich beschenkte und ihn schließlich 1569 in den Ritterstand erhob.


Jagdschloss Grunewald

1560 beauftragte Joachim den italienischen Festungsbaumeister Rochus Graf zu Lynar mit dem Bau einer, nach damaligen Maßstäben, modernen Festung um den Kern der alten Burg Spandau herum, in die sich der kurfürstliche Hof in Kriegszeiten zurückziehen solle. Der Bau der heutigen Zitadelle Spandau sollte bis 1594 dauern.

1565 ernannte er seinen Hofjuden Lippold zum Kurfürstlichen Münzmeister und damit zum Leiter des Brandenburgischen Münzwesens. Es war wohl ein Einfall Lippolds, der Joachim am 4. August 1567 dazu veranlasste, die Berliner Bankiers und Großkaufleute, darunter etliche Glaubensgenossen Lippolds, zu enteignen. Per kurfürstlichem Dekret wurden an diesem Tage bei dem betroffenen Personenkreis alle Werte – Münzen, Schmuck und Edelmetalle – beschlagnahmt und an die Kürfürstliche Münze abgeführt.

Nur wenige Tage später bot Joachim zur Belustigung seines Hofes am 8. August 1567 die Bürgerwehren von Berlin und Cölln zu einem »Knüppelkrieg« gegen die Bürgerwehr von Spandau auf. Die Truppen beider Städte sollten in voller Rüstung aber nur mit Holzknüppeln und kurzen Stangen bewaffnet auf der Ebene zwischen dem Dorf Lietzow und Spandau zu einer Schlacht gegeneinander antreten. Nach Joachims Schlachtplan sollten die Truppen Berlins und Cöllns aus diesem Hofvergnügen als »Sieger« hervorgehen. Doch die Spandauer waren nicht gewillt, diese vom Landesherren vorgegebene Niederlage hinzunehmen und lockten unter Führung des Spandauer Bürgermeisters Bartholomäus Bier ihre Gegner in einen Hinterhalt und knüppelten sie nieder. In dieser Situation ritt Joachim selber in das Kampfgeschehen hinein, um die Manöverparteien wieder voneinander zu trennen. Aber sein Pferd bäumte sich auf, Joachim fiel aus dem Sattel und erhielt selber auch einige Hiebe. Später wollte niemand den Kurfürsten als solchen erkannt haben. Der malträtierte und erzürnte Fürst ließ daraufhin den Spandauer Bürgermeister für mehr als vier Monate auf der Zitadelle einkerkern.

Selbst Zeitgenossen Joachims haben diese Eskapaden als »merkwürdig« empfunden und gemeint, der Kurfürst könne »wunderlich« geworden sein. Gleichwohl sollte Joachim dank Distelmeyers diplomatischer Kunst noch einen großen außenpolitischen Erfolg feiern: Am 22. September 1569 belehnte der polnische König Sigismund II. August das kurbrandenburgische Herrscherhaus an zweiter Stelle nach dem eigentlichen Herzog mit dem Herzogtum Preußen, sodass die brandenburgischen Hohenzollern in die preußische Erbfolge mit einbezogen waren.

Joachim II. Hektor verstarb nach einer Wolfsjagd in den Müggelseeforsten am Abend des 3. Januar 1571 im Jagdschloss Köpenick, nur wenige Tage vor seinem 66. Geburtstag, an den Folgen einer verschleppten Erkältung.

Sein Nachfolger Johann Georg war ein sparsamer Puritaner, der die Stimmung des Volkes gegenüber der »schönen Gießerin« und dem Hofjuden Lippold teilte. Beide wurden umgehend eingekerkert. Die kurfürstlichen Schutzbriefe der Juden wurden für ungültig erklärt. Kanzler Distelmeyer ordnete die Herausgabe der bei den jüdischen Kreditgebern vorgefundenen Schuldscheine und Pfandsachen an die Schuldner an. Lippold wurde nach grausamen Folterungen am 28. Januar 1573 auf dem Neuen Markt vor der Marienkirche öffentlich hingerichtet. Im Anschluss daran wurden innerhalb von 24 Stunden alle Juden aus Berlin und der Mark ausgewiesen. Anna Sydow schließlich verstarb 1575 auf der Zitadelle Spandau.

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