Die dentale Trickkiste

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Methode 1

Soweit mir bekannt ist, haben die meisten Implantathersteller so genannte Rescue Sets im Programm, mit denen das Schraubenbruchstück aus dem Schraubenstollen entfernt werden kann. Dazu wird ein passendes Kopfteil mit einem Vierkantdorn aufgesetzt. Mit Linksdrehungen des Dorns zentral im Bruchstück gelingt fast immer ein langsames Ausdrehen desselben. Doch wir stehen jetzt vor dem Problem, und die Firma kann das Rescue Set erst in 24 Stunden liefern. Unter Umständen ist es sogar ausgeliehen und muss erst zurückgefordert werden, was einige Tage in Anspruch nehmen kann. Wir brauchen aber sofort eine Lösung.

Methode 2 (Abb. 9)


Abb. 9 Schraubenschlitz in das Bruchstück schneiden!?

Man nehme eine spitze Fräse oder einen ganz spitzen Diamantschleifer und versuche, in den Kopfteil des Bruchstückes einen Schraubenschlitz einzuschleifen. Bitte tun Sie das nicht! Sie beschädigen dabei das Innengewinde und verschweißen sogar die Schraube kalt mit dem Innengewinde, da Sie den Schlitz zwangsläufig in den Oberrand ausdehnen. Wahrscheinlich bekommen Sie die Schraube heraus, müssen aber das Innengewinde nachschneiden und dazu einen Gewindeschneider bei der Herstellerfirma anfordern.

Methode 3 (Abb. 10a bis c)


Abb. 10a bis c Feiner Hartmetallrosenbohrer im Winkelstück

Sie verwenden einen kleinen Hartmetallrosenbohrer mit langsamer Drehzahl im grünen Winkelstück, setzen zentral auf und drehen das Schraubenstück gegen den Uhrzeigersinn heraus. Dabei „eiert“ der Bohrer leicht, was zu einer Ausdrehbewegung führt. Diese Methode funktioniert zuverlässig und sofort.

Methode 4 (Abb. 11a und b)


Abb. 11a und b Anwendung des Zahnsteinentfernungsgerätes

Sie nehmen ein Schall- oder Ultraschallgerät zur Zahnsteinentfernung, adaptieren einen langen Aufsatz und setzen die Spitze leicht exzentrisch mit Druck auf den Kopf des Bruchstückes auf. Mit Linksdrehungen und mit Hilfe der Wasserspülung gelingt es nahezu immer, das Schraubenbruchstück erfolgreich auszudrehen. Diese Methode wendeten wir auch bei unserem Patientennotfall an, und zwar bis das Schraubenteil deutlich das Innenteil überragte.

In solchen Situationen muss unbedingt Sorge dafür getragen werden, dass das vollständig ausgedrehte und gelöste Schraubenteil vom Patienten nicht verschluckt oder gar aspiriert wird. Dazu sollten wir ein „Auffangnetz“ einziehen (Abb. 12). Dieses Netz kann aus einem aufgeknüpften chirurgischen Tupfer oder dem hier vorgestellten Wundverband Topper bestehen, mit welchem der Mundboden sorgfältig abgedeckt wird. Das Schraubenbruchstück wird dann vollständig ausgedreht und fällt in unser „Auffangnetz“ (Abb. 13).

Abb. 12 Das Bruchstück muss aufgefangen werden!

Abb. 13 Das Auffangnetz mit dem Schraubenbruchstück

Im vorliegenden Fall bemerkten wir bei genauerem Hinsehen, dass der obere Teil des Innensechskants ausgebrochen war (Abb. 14). Dies ist eine Schwäche des hier eingesetzten Implantatsystems Screw-Vent (Fa. Core-Vent, früher von Fa. Dentsply vertrieben). Es war zu schwach konstruiert, so dass es bei großen Belastungen häufiger zu Ausbrüchen kam.

Abb. 14 Der ausgebrochene Implantatkopf

Nach dem Ausdrehen des Schraubenbruchstückes stellte sich die Frage, ob das Implantat belassen und prothetisch weiterverwendet werden konnte. Wir entschieden uns nach reiflicher Abwägung dafür, aber es musste ein zweites, unterstützendes Implantat gesetzt werden (Abb. 15). Im Anschluss an die Einheilung des Implantates wurde eine Brücke 16 15 B mit Auflage auf dem bestehenden Geschiebe an Zahn 13 im Labor hergestellt und mit Carboxylatzement definitiv zementiert (Abb. 16 bis 20).

Abb. 15 Zusätzliches Implantat gesetzt

Abb. 16a und b Eingeschraubte Aufbaupfosten (a) und Röntgenkontrolle (b)


Abb. 17a und b Gerüsteinprobe mit definitivem Bissregistrat


Abb. 18 Die fertig gestellte Implantatgeschiebebrücke


Abb. 19a und b Die Aufbauschrauben werden mit 20 Ncm eingeschraubt

Abb. 20 Die definitiv zementierte Implantatgeschiebebrücke

Anmerkung: Es soll Untersuchungen geben, die eine Auflösung der Titanoberfläche des Gerüstes beschreiben. Dies gilt aber nur für im Labor gegossene Titangerüste, welche ich nie verwendet habe. Bei industriell gefertigten Titanaufbauten ist lediglich eine schwache Mattierung zu erkennen. Die Außengerüste wurden immer aus hochwertiger Goldaufbrennlegierung hergestellt.

Im hier vorgestellten Fall wurde die eingegliederte Brücke abschließend sorgfältig mit Hilfe der FGP-Einschleifmethode auf exzentrische Kontakte überprüft, welche den Langzeiterfolg der Restauration sehr gefährden würden (vgl. Kapitel „Die funktionelle prothetische Vorbehandlung“, S. 171 ff.).

Materialliste

1 Ausgebrochenes Implantat: Screw-Vent (Ersatzteile erhältlich bei Fa. Zimmer Dental, Freiburg; www.zimmerdental.de).

2 Zusatzimplantat (Fa. Camlog, Wurmberg; www.camlog.com).

3 Wundverband Topper (Johnson & Johnson Wound Management/Fa. Ethicon, Norderstedt; www.ethicon.de).

4 Bissregistrat Pattern Resin (Fa. GC Germany, München; www.gceurope.com).

5 Carboxylatzement Durelon (Fa. 3M Espe, Seefeld; www.3mespe.com/de).

Die verklemmte Teleskopprothese
Problem: Eine Teleskopprothese ist verklemmt und kann nicht mehr abgenommen werden

Eine Patientin kam ganz verzweifelt in die Praxis, weil sie ihre Teleskopprothese im Unterkiefer seit 4 Tagen nicht mehr entfernen konnte. Sie hätte alles ausprobiert (Abb. 1 und 2).

Abb. 1 Die verzweifelte Patientin

Abb. 2 Die verklemmte Teleskopprothese im Unterkiefer

Die Prothese war teleskopierend auf vier Implantaten in der Unterkieferfront gelagert (Regio 43, 42, 31 und 33). Wir versuchten es mit der Kraft der Hände, mit Hammer und Hirtenstab sowie mit der Zange und dem Coronaflex-Gerät (Abb. 3a bis c). Die Prothese ließ sich aber nicht abnehmen, und der Patientin schmerzte der Unterkiefer.


 

Abb. 3a bis c Versuch der Teleskopprothesenabnahme mit bloßen Händen (a), Hirtenstab und Hammer (b) sowie Zange und Coronaflex-Gerät (c)

Spontan fiel mir außer der Abnahme durch Auftrennen der gesamten Konstruktion nichts ein, und dies hätte zwangsläufig eine Neuanfertigung nach sich gezogen. Deshalb wurde mit der Patientin ein Termin am folgenden Tag vereinbart, verbunden mit der Hoffnung, dass bis dahin ein Weg zur Lösung des Problems gefunden werden könnte. Kaum war die Patientin jedoch aus der Praxis, fiel der Groschen, und ich ließ alle Röntgenbilder, Modelle und Aufzeichnungen zur Planung der Abnahme zusammentragen.

Die erprobte Lösung: Eröffnung der Schraubenkanäle und Abschrauben der Innenteleskope samt Abutments

Ein kurzes Nachdenken über das Problem führte zur Lösung: Es musste ein Zugang durch die Gesamtkonstruktion zu den Vertikalschrauben der Abutments auf den Implantaten geschliffen werden, damit die Overdenture-Prothese abgenommen werden konnte. Dieses exakte Auffinden der Schraubenschächte erforderte eine sorgfältige Planung und einen Ablaufplan. Ein ungenaues Aufschleifen hätte sicherlich die Reparaturfähigkeit der Teleskopprothese gefährdet (Abb. 4 und 5).

Abb. 4 Die Teleskopprothese (Okklusalansicht)

Abb. 5 Wo sitzen die Teleskope? Frontaler Abschnitt der Teleskopprothese

Auf dem Meistermodell aus dem Archiv wurde die Mitte angezeichnet sowie der Abstand zwischen den einzelnen Implantaten vermessen und auf dem Modell notiert (Abb. 6 a bis c). Diese Positionen wurden mit der Situation auf dem Orthopantomogramm verglichen (Abb. 7). Die Patientin erschien pünktlich zum vereinbarten Termin und war gespannt, wie wir das Problem lösen würden. Das geplante Vorgehen wurde ihr ausführlich erklärt, und sie war mit allem einverstanden – Hauptsache, es funktionierte!

Abb. 6a Festlegung der Mitte


Abb. 6b Abstandsmessung mit der Millimetersonde

Abb. 6c Abstandswerte auf dem Modell notiert

Abb. 7 OPG nach Implantation – Messung der Abstände mit dem OPG-Lineal

Im Mund wurden die ermittelten Implantatpositionen mit Faserschreiber nach Vermessung auf der Prothese markiert (Abb. 8). Mit einem überlangen Rosendiamanten wurden anschließend die Außenteleskope freigeschliffen (Abb. 9a bis c). Die Perforation der Außen- und Innenteleskopkronen erfolgte mit einem feinen scharfen Kronenauftrenner (Abb. 10a bis c).

Abb. 8 Markierung der Implantatpositionen auf der Teleskopprothese nach Vermessung

Abb. 9a Rosendiamant


Abb. 9b Freischleifen der Außenteleskope mit dem Rosendiamanten

Abb. 9c Die freigeschliffenen Außenteleskope

Abb. 10a Feiner Kronenauftrenner


Abb. 10b Perforation von Außenund Innenteleskopkrone mit dem Kronenauftrenner

Abb. 10c Die gelungene Perforation

Das den Schraubenschacht ausfüllende Komposit war nun sichtbar. Es wurde vorsichtig mit einem zylindrischen Diamantschleifer langsam in die Tiefe gehend bis zum Kopf der Schraube entfernt (Abb. 11). Direkt am Kopf der Schraube lag ein Wattepellet, welches sich praktischerweise in toto um den Diamantschleifer gewickelt hatte.

Abb. 11 Entfernung des Komposits aus dem Schraubenschacht mit einem Diamantschleifer

Die Kompositreste an der Innenwand des Schraubenschachtes wurden mit einem Piezoscaler sorgfältig entfernt (Abb. 12). Der Kopf der Schraube war im Schacht freigelegt (Abb. 13a und b).

Abb. 12 Entfernung der Kompositreste im Schraubenschacht mit einem Piezoscaler

Abb. 13a Schlitz- und Sechskantschraube

Abb. 13b Schlitz- und Sechskantschrauber

Abb. 13a und b Die Kombinationsschraube des XiVE-Systems

Bei dem Implantatsystem handelte es sich um das XiVE-System, das hinsichtlich der prothetischen Teile baugleich mit dem Frialit-2-System ist. Die Vertikalschrauben dieses Systems haben den Vorteil, dass sie nicht nur einen Innensechskant, sondern auch einen Schraubenschlitz aufweisen. Sollte also der Innensechskantschrauber nicht fassen, bleibt die Möglichkeit, die Schraube mit einem Schlitzschrauber herauszuschrauben. Es ist sehr viel leichter, die Schrauben mit einem gesicherten Handschrauber herauszuschrauben, da nur mit diesem eine Taktilität, ein Gefühl für das Einrasten des Schraubers gewährleistet ist.

Die Schraube ließ sich beim ersten Versuch herausschrauben (Abb. 14a bis c) und wurde in einer vorbereiteten kleinen Box mit Fächern abgelegt. Diese Box war vormals ein Container für Guttaperchaspitzen und eignet sich sehr gut zur Aufbewahrung von Kronen, Schrauben, Abutments u. Ä.

Abb. 14a Herausschrauben der Vertikalschraube


Abb. 14b Die entfernte Vertikalschraube

Abb. 14c Die entfernte Schraube auf dem gesicherten Handschrauber

Nach ca. 30 Minuten waren alle Schrauben erfolgreich entfernt (Abb. 15). Die verklemmte Teleskopprothese konnte nun abgehoben werden (Abb. 16 und 17). Dies alles geschah natürlich unter größter Anspannung, wovon die in Abbildung 18 zu sehende, zur Sichtbarmachung rosa eingefärbte „Adrenalinpfütze“ unter dem Behandlungsstuhl Zeugnis ablegt. Die Implantate waren intakt und wiesen nur Spuren einer leichten temporären Periimplantitis auf (Abb. 19). Bis die Teleskopprothese im zahntechnischen Labor wiederhergestellt war, wurden die Gingivaformer zum Schutz der Implantate wieder eingeschraubt.

Abb. 15 Die leeren Schraubenschächte

Abb. 16 Die Teleskopprothese kann abgenommen werden

Abb. 17 Abgenommene Teleskopprothese

Abb. 18 Die „Adrenalinpfütze“

Abb. 19 Die Implantate mit Spuren einer leichten Periimplantitis

Im Labor wurde die Prothese gereinigt und desinfiziert. Jetzt galt es, die Abutments mit den Innenteleskopen aus den Außenteleskopkronen zu entfernen. Dazu wurden zunächst die Implantatanaloge aufgeschraubt (Abb. 20). Mit einer Spitzflachzange konnten die Innenteleskopkronen losgerüttelt, herausgezogen und in der Box abgelegt werden (Abb. 21 bis 23). Sie wurden gereinigt, poliert und in das Implantatmeistermodell eingeschraubt (Abb. 24). Die Teleskopprothese wurde auf Passung überprüft und auf das Meistermodell aufgesetzt (Abb. 25). Dann erfolgte eine Versiegelung der Perforationen (Abb. 26) mit Wachs auf Durchtrittsniveau (Abb. 27).

Abb. 20 Das Laboranalog wird eingeschraubt

Abb. 21 Mit der Zange werden die Außenteleskope losgerüttelt und herausgezogen


Abb. 22 Alle Innenteleskopkronen sind aus der Prothese entfernt

Abb. 23 Markierte Aufbewahrbox – vormals ein Container für Guttaperchaspitzen

 

Abb. 24 Die Innenteleskopkronen sind in das Implantatmodell eingeschraubt

Abb. 25 Teleskopprothese auf dem Meistermodell

Abb. 26 Perforationen der Außenteleskopkronen

Abb. 27 Die Perforationen werden mit Wachs verschlossen

Die Perforationen im Prothesenkunststoff wurden mit rosafarbenem Kaltpolymerisat verschlossen (Abb. 28) und im Drucktopf auspolymerisiert. Nach Ausbrühen des Wachses wurden die Kunststoffüberschüsse in den Außenteleskopkronen entfernt und diese poliert (Abb. 29). Anschließend erfolgten die Aufpassung der Prothese auf das Meistermodell und deren Politur (Abb. 30). Die Gingivaformer im Mund wurden entfernt (Abb. 31) und die Innenteleskopkronenabutments mit 20 Ncm eingeschraubt (Abb. 32). Im Anschluss an eine Überprüfung der Teleskopprothese auf Passform wurden die Schraubenschächte wie folgt aufgefüllt:

Abb. 28 Die Perforationen werden mit Kaltpolymerisat verschlossen

Abb. 29 Die verschlossenen Außenteleskope

Abb. 30 Die aufgepasste und polierte Teleskopprothese

Abb. 31 Entfernen der Gingivaformer

Abb. 32 Einschrauben der Innenteleskope mit 20 Ncm

 gründliche Reinigung und Trocknung;

 Einbringen eines Pfropfens aus gelber Stangenguttapercha (Abb. 33);Abb. 33 Abdecken der Schraube im Schacht mit gelber Stangenguttapercha

 sorgfältiges Stopfen (Abb. 34);Abb. 34 Sorgfältiges Stopfen

 Aufpinseln eines Metallprimers auf die Schachtinnenwände und Trocknung nach einer Wartezeit von 1 Minute (Abb. 35);Abb. 35 Metallprimer aufpinseln, 1 Minute warten und trocknen

 Einspritzen von fließfähigem Komposit, Glättung mit einem Pinsel, Auspolymerisation und Polymerisation (Abb. 36).Abb. 36 Fließfähiges Komposit einspritzen und aushärten

Abschließend wurde die Teleskopprothese eingegliedert, die Abnahme mit der Patientin geübt (Abb. 37 und 38) und mit ihr das Vorgehen, der Aufwand sowie der Erfolg besprochen. Dies war das Procedere bei der Entfernung einer verklemmten, nicht mehr abnehmbaren Teleskopprothese auf implantatgestützten Innenteleskopkronen. Bei Innenteleskopkronen auf natürlichen Zähnen könnte ich mir den Einsatz des Crown-Lift-Systems vorstellen (vgl. Dentale Trickkiste „Das Abnehmen von Kronen mit dem Crown-Lift-System“ in „Quintessenz“ 5/2001 oder im Buch „Die dentale Trickkiste“ S. 7ff.), aber ich warte ehrlich gesagt nicht unbedingt auf einen solchen Fall!

Abb. 37 Die Prothese ist erfolgreich eingegliedert

Abb. 38 Die Teleskopprothese hat genügend Retention und lässt sich problemlos entferne

Materialliste

1 Implantatsystem XiVE (Fa. Dentsply Friadent, Mannheim; www.friadent.de).

2 Coronaflex-System (Fa. KaVo, Biberach; www.kavo.com).

3 PA-Millimetersonde (Fa. Hu-Friedy, Leimen; www.hu-friedy.de).

4 OPG-Lineal (Fa. Bredent, Senden; www.bredent.com).

5 Rosendiamanten (erhältlich beim Autor).

6 Kronenauftrenner SS White (Fa. American Dental Systems, Vaterstetten; www.adsystems.de).

7 Piezogerät (beliebig, bei mehreren Herstellern erhältlich).

8 Metallprimer (Fa. GC, München; www.germany.gceurope.com).

9 Prothesenkunststoff Paladur rosa (Fa. Heraeus Kulzer, Hanau; www.heraeus-kulzer.de).

10 Stangenguttapercha gelb (Dentalhandel).

11 Fließfähiges Komposit Tetric Flow (Fa. Ivoclar Vivadent, Ellwangen; www.ivoclarvivadent.de).

Die gingivale Verblendung
Problem: Freiliegendes Implantat im Zahnhalsbereich

Zugegeben – das in Abbildung 1 zu sehende Implantat in Regio 12 aus dem Jahr 1993 wurde zu weit nach labial gesetzt. Dadurch ist die labiale Gingiva retrahiert, und der freiliegende Kopf des Implantates im Zahnhalsbereich der Krone 12 beeinträchtigt die dentogingivale Ästhetik der Patientin sehr, was sich besonders beim Lachen bemerkbar macht. Obwohl die Versorgung sicherlich nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügt, wären eine Explantation und eine erneute Rekonstruktion der gesamten Oberkieferfront nicht im Sinne der Patientin gewesen, deren finanzielle Verhältnisse zu der Zeit ohnehin sehr angespannt waren. In diesem Fall stellten sich mehrere Fragen:

Abb. 1 Die äußerst unbefriedigende Ausgangssituation

 Wie lässt sich die bestehende Versorgung ästhetisch verbessern und erhalten?

 Gibt es eine ästhetisch zufrieden stellende Möglichkeit zur Abdeckung von Metall im Kronenrandbereich?

 Wer kennt eine wirklich ästhetische Methode zur Wiederherstellung der zervikalen Ästhetik?

 Welche Firma stellt Gingivafarben in Keramik oder Komposit her, die dafür tauglich sind?

 Auf welche Weise gelingen der Verbund zum Metall und die optisch dichte Abdeckung des zervikal sichtbaren Metalls?

 Ist eine ästhetische Lösung überhaupt möglich (Abb. 2)?Abb. 2 Das Ziel – die „unsichtbare“ gingivale Verblendung

Die erprobte Lösung: Die gingivale Verblendung

Bei der unsichtbaren gingivalen Verblendung müssen folgende Probleme gelöst werden:

 Verbund und Übergang (chemisch und farblich) zur zervikalen Keramik;

 Verbund des direkt aufgetragenen zahnfarbenen Kompositmaterials zur zervikalen Keramik;

 Verbund des direkt aufgetragenen zahnfleischfarbenen Kompositmaterials zum freiliegenden Metall des Implantatkopfes;

 opake Abdeckung des sichtbaren Metalls mit rosafarbenem opakem fließfähigem Komposit;

 Aufschichtung des rosafarbenen Kompositmaterials und Abdeckung des gingivalen Bereichs;

 Übergang (Camouflage) zur umliegenden Gingiva.

Die Abbildung 3 lässt erkennen, dass im vorliegenden Fall schon einmal der Versuch einer gingivalen Abdeckung unternommen wurde. Diese ist jedoch ausgebröselt und zeigt einen erheblichen orangefarbenen Stich.

Abb. 3 Der freiliegende unästhetische Zahnhalsbereich

Auf dem Sektor der Dentalkeramik gibt es seit etlichen Jahren rosafarbene Zahnfleischmassen von verschiedenen Herstellern, welche aber per se nicht direkt angewendet werden können, da die Auswahl mit der rosa Farbskala (ca. acht Farben) selten der Wirklichkeit entspricht. Es muss immer mühsam zusammengemischt und ausprobiert werden, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Rosafarbene Dentalkeramik wird zunehmend im Rahmen der festsitzenden Implantatprothetik für den Aufbau resorbierter fehlender Kieferkammanteile benötigt.

Doch im vorliegenden Fall war eine direkte Lösung erforderlich. Im Bereich der rosafarbenen Kompositmassen sieht das Angebot noch schlechter aus. Die Sortimente enthalten eine oder zwei rosafarbene Gingivamassen, die allerdings von der gingivalen Wirklichkeit meist weit entfernt sind. Dies ist auch bei dem zurückliegenden Abdeckversuch deutlich zu erkennen: Die Farbe liegt weit im orangefarbenen Bereich (Abb. 3).

Seit kurzem steht für solche Situationen das Ceramage Gum Color Full Set zur Verfügung, das für die gingivale Verblendung sowie Imitation entwickelt wurde und aus folgenden Komponenten besteht (Abb. 4a bis d):

Abb. 4a Ceramage Gum Color Full Set


Abb. 4b Zwei Farben Flow Opaker


Abb. 4c Vier Farben Gingivamasse

Abb. 4d Vier Farben Flowable Composite

 zwei Farben Flow Opaker,

 vier Farben Gingivamasse und

 vier Farben Flowable Composite.

Da es zurzeit leider noch keine Farbskala zur Bestimmung der Gingivafarbe gibt, wurde eine solche kurzerhand im Praxislabor gefertigt (Abb. 5). Mit Hilfe dieser Farbskala ließ sich die Schichtung der geplanten gingivalen Füllung farblich bestimmen (Abb. 6). Schritt für Schritt wurde anschließend die gingivale Füllung gelegt und der Übergang zur natürlichen Gingiva gestaltet:

Abb. 5 Die handgefertigte Farbskala

Abb. 6 Farbbestimmung der Gingiva mit der Farbskala

 Der Defekt wurde mittels Diamant und Hartmetallfräse sorgfältig ausgeschliffen, und nach Beseitigung aller bestehenden Kompositreste wurde ein definierter begrenzender Füllungsrand angelegt (Abb. 7a und b).Abb. 7a Präparation des Keramikanteils mit dem DiamantschleiferAbb. 7b Präparation des Metallanteils mit der Hartmetallfräse

 Der Metallanteil wurde mit dem Pulverstrahlgerät sandgestrahlt (Abb. 8).Abb. 8 Sandstrahlen des Metallanteils mit dem Pulverstrahlgerät

 Der Verblendkeramikanteil wurde für 1 Minute mit Porcelain Etch angeätzt und ebenfalls für 1 Minute silanisiert (Abb. 9a und b).Abb. 9a Ätzung der Keramik mit Porcelain EtchAbb. 9b Silanisierung der Keramik

 Der Zahnverblendungsanteil des Metalls wurde mit zahnfarbenem und der gingivale Anteil mit rosafarbenem Opaker sorgfältig abgedeckt (Abb. 10a und b).Abb. 10a Der zur zahnfarbenen Verblendung vorgesehene Anteil wird mit zahnfarbenem Opaker abgedecktAbb. 10b Der zur gingivafarbenen Verblendung vorgesehene Anteil wird mit gingivafarbenem Opaker abgedeckt

 Das zahnfarbene Kompositmaterial wurde mit der Spritze aufgespritzt, ausmodelliert und lichtgehärtet (Abb. 11a bis c).Abb. 11a Aufspritzen des KompositsAbb. 11b Konturierung des Komposits mit dem GummispatelAbb. 11c LichthärtungAbb. 11a bis c Der zahnfarbene Verblendanteil

 Der gingivale Anteil sollte dünn auf die umliegende Gingiva auslaufen, um einen optisch unsichtbaren Übergang zur natürlichen Gingiva zu schaffen. Diese Überlappung sollte glatt und putzbar gestaltet werden. Dazu haben sich Klebematrizen bewährt, welche aus Lochverstärker-Klebefolienringen (Bürotechnik) individuell angepasst und auf die trockene Gingiva aufgeklebt werden (Abb. 12a bis c).Abb. 12a die transparenten Edding LochverstärkerringeAbb. 12b Konturierung mit der SchereAbb. 12c Aufkleben der Matrize auf die getrocknete GingivaAbb. 12a bis c Die gingivale Matrize

 Die Schichtung und die Gestaltung der gingivalen rosafarbenen Verblendung erfolgten mit dem ausgewählten Kompositmaterial sowie mittels Gummispatel und geeigneter Pinsel (Abb. 13a bis c).Abb. 13a Aufspritzen des Komposits mit der Centrix-SpritzeAbb. 13b Konturierung mit dem GummispatelAbb. 13c Glätten mit dem AquarellpinselAbb. 13a bis c Der gingivale Verblendanteil

 Der rekonstruierte Zervikalbereich der implantatgestützten Krone wurde zum Abschluss sorgfältig finiert und poliert (Abb. 14a bis c).Abb. 14a Ausarbeitung mit dem FeinkorndiamantenAbb. 14b Politur mit dem GummipoliererAbb. 14c Hochglanzpolitur mit der OcclubrushAbb. 14a bis c Finieren und Polieren des rekonstruierten Zervikalbereichs

 Zuletzt wurde mit Pinzette und Skalpell die Matrize vorsichtig herausgezogen und der gingivale Verblendungsanteil auf Festigkeit überprüft (Abb. 15a und b).Abb. 15a Ablösen der MatrizeAbb. 15b Entfernung der Matrize

Die Reinigung der überhängenden Gingiva mit Superfloss wurde nach der Behandlung mit der Patientin geübt (Abb. 16). Das Endergebnis überzeugt ästhetisch und kann als gelungen bezeichnet werden (Abb. 17). Sollte die Notwendigkeit einer gingivalen Abdeckung bei einer einzelnen Keramikkrone bestehen, kann diese Überlappung im Labor angebrannt werden.

Abb. 16 Reinigung der überhängenden gingivalen Verblendung mit Superfloss

Abb. 17 Das Endergebnis überzeugt ästhetisch und kann als gelungen bezeichnet werden