Kommunikationswissenschaft

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Piktogramm/Ikon

Der „Leser“ erschließt sich aufgrund der erkannten Gestalt und der Zuordnung eines mitgedachten Handlungszusammenhangs, was gemeint sein könnte. Die Grenzen dieses Zeichentyps wurden bei den Symbolzeichen der Windows-Programme erkennbar, wo die Ikonen nicht mehr ohne weiteres Handlungszusammenhänge ausdrücken konnten, weil die anzuzeigenden Inhalte zu spezifisch sind. Ein Ikon zur Wahl der Sprache oder zum Abzählen der Wörter funktioniert nur, wenn es sprachlich ergänzt wird.

SymbolDie arbiträr angelegten Zeichen klassifiziert Peirce als Symbole. Sie können nur funktionieren, wenn der Benutzer aufgrund speziellen Wissens über den Gebrauch des Zeichens von der Zeichengestalt her eine Beziehung über das vorgestellte zum vorfindlichen Objekt herstellen kann. Das setzt einen konventionell angelegten Gebrauch voraus, so dass Nutzer aufgrund des Zeichens auf dasselbe Objekt schließen können, wenn sie die Konventionen kennen, die an den Zeichengebrauch geknüpft sind. Sprache ist dafür das typische Beispiel und die verschiedenen Buchstaben oder Buchstabiersysteme als Morse- oder Flaggenalphabet.

Erklärung

Zeichen leben von der Interpretationsleistung ihrer Benutzer. Diese müssen über Wissen und Erfahrungen im Umgang mit kommunikativen Situationen verfügen, welche ihnen erst die Möglichkeiten geben, aus Datenkonstellationen auf mögliche damit verbundene Zeichen schließen zu lernen. Wissenschaftlich ist der Zugang schwierig, weil faktisch sehr viele Daten mit unterschiedlicher Qualität im Spiel sind, die keineswegs in ihren Details und ihrer Wirkung erklärt werden können, vorausgesetzt sie werden überhaupt bewusst wahrgenommen. Die Herausforderung besteht zu klären, wie aus der vielfältigen Varietät kommunikativ gemeinsames Handeln arrangiert wird.

Der Gebrauch der ZeichenZeichenGebrauch

Das Besondere an Peirce ZeichendarstellungPeirce ist, dass er Zeichen nicht als etwas für sich Gegebenes begreift. Er entwickelte einen dynamischen Zeichenbegriff: Der Nutzer von Zeichen muss Daten, die er vorfindet, in ihrem Zeichencharakter erkennen. Geschwärzte Stellen auf einem Blatt müssen als Buchstaben, Buchstaben als Wörter, Wörter als Sätze und Sätze als Text interpretiert werden. Das Zeichen ist dabei immer ein Ergebnis eines Adaptionsprozesses, bei dem auf dem Hintergrund von Index, Ikon oder Symbol nach passenden Kontexten des Gebrauchs gesucht worden ist. Findet der Akteur einen solchen, kann er die Zeichen lesen und deuten, wobei er ständig herausgefordert ist zu prüfen, ob die gefundene Lesart und Deutung dem erarbeiteten Kontext standhält. Der Akteur wird so permanent mit dem Problem konfrontiert, die sich ihm auftuenden Ordnungen und möglichen Kontexte zu harmonisieren und zu koordinieren. Denn die Offenheit dessen, was als Zeichen erkannt wird, sichert einerseits die Dynamik und Flexibilität im Umgang mit Zeichen, schafft aber andererseits Unsicherheitspotential. Ein gutes Beispiel dafür ist der Umgang mit individuellen Handschriften.

RepräsentamenDer Zeichennutzer kann nach PeircePeirce das Repräsentamen als Rhema, Dicent und als Argument gebrauchen. Auf diese Weise versucht Peirce, Ordnungen zu charakterisieren, wie sie vor allem durch das Zeichensystem der Sprache nahegelegt werden. Deren Wirkmächtigkeit besteht darin, dass sie Objekte, oder allgemeiner formuliert, Entitäten der tatsächlichen oder gedachten Wirklichkeit benennen kann. Dafür werden in der Regel Wortphrasen benutzt. Die Sprache stellt ferner verbale Mittel zur Verfügung, mit denen Eigenschaften und Relationen bezeichnet werden können. So ist es möglich, Objekte zu klassifizieren, zueinander in Beziehung zu setzen und auf diese Weise Ereignisse und Sachverhalte zu besprechen.

Referenz und PrädikationReferenzPrädikationWir können mit sprachlichen Ausdrücken direkt auf Gegenstände hinweisen, sie zeigen und sie uns so verfügbar machen. Sprache erlaubt eine Referenzialisierung und eine Prädikation. Die Prädikation ist ein Akt der Zuschreibung von Eigenschaften, mit denen die Gegenstände charakterisiert werden. Prädikationen können nun aber von den Sprachnutzern aufgrund ihrer Sicht auf die Dinge unterschiedlich bewertet werden, sodass es die Möglichkeit zu ihrer Überprüfung geben muss.

RhemaRhema bezeichnet im Griechischen das Wort. Das Repräsentamen tritt dann als das einzelne Wort in Erscheinung. Es wird gebraucht, um den Bezug zu Objekten zu arrangieren, das geschieht oft durch Nominalphrasen, um Hinweise auf Referenzpunkte in der vorzustellenden Wirklichkeit zu geben. Peter schenkt seiner Schwester eine Blume. Die Wörter Peter, Schwester, Blume lösen Suchvorgänge aus, wir versuchen in einer vorfindlichen oder gedachten Welt Referenzpunkte für sie zu finden.

DicentDer Begriff Dicent leitet sich vom Verb dicere her und bezeichnet Reden. Peirce charakterisiert damit den Umstand, dass durch Äußerungen ein Reden über etwas tatsächlich Existierendes möglich ist. Die Referenzpunkte gewinnen für die Akteure erst Bedeutung, wenn sie auf etwas hin ausgerichtet für die Akteure Sinn erzeugen. Das Dicent oft als Verb realisiert erfüllt diesen Zweck, indem es tatsächliche oder gedachte Objekte in einen bestimmten Zusammenhang rückt und einen Wirklichkeitsanspruch damit verbindet. Der Satz Peter schenkt seiner Schwester Blumen. beinhaltet: Es gibt Peter und er hat eine Schwester und verfügt zum Zeitpunkt der Äußerung über Blumen, und die Blumen werden von Peter an die Schwester gereicht, so dass diese in den Besitz von Peters Schwester gelangen.

ArgumentArgumentMit dem Einbezug der argumentativen Ordnung geht Peirce über die Prädikation hinaus, denn einer Prädikation kann widersprochen werden. Geschieht das, bedarf es einer Bewertungsmöglichkeit. Mit dem Argument wird das Repräsentamen zur Möglichkeit, die dann die innere Logik und verknüpfte WahrheitsansprücheWahrheitsanspruch verbindet. Wenn eine Prädikation als Argument gedeutet wird, folgt sie einer neuen Ordnung. Betrachten wir die Äußerung: Peter schenkt seiner Schwester Blumen. Sie war so unglücklich. In ihr ist Peter jemand, der seiner Schwester etwas schenkt, und es gibt die Schwester von Peter, die zu diesem Zeitpunkt unglücklich ist. Beide Prädikationen können in ein logisches Verhältnis zueinander gebracht werden. Peter schenkt etwas, weil die andere Person unglücklich ist oder er schenkt etwas, damit die Beschenkte glücklich wird.

Erklärung

Um über Dinge miteinander reden zu können, nutzen wir Sprache. Sie erlaubt Aussagen über Gedachtes oder Vorfindliches und stellt dafür sprachliche Mittel zur Verfügung. Kommunikation wird sichtbar, wenn gegen die Aussagen Einspruch erhoben wird. Ein Dialog eröffnet sich und schafft einen Raum gegenseitiger Erfahrung.

Selbstvergewisserung des ZeichengebrauchsPeirceDie Ideen der Zeichentheorie von Peirce stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung von Kommunikationstheorien. Im Zuge der Aufarbeitung seiner Schriften wurde aber die Dialogizität von Zeichen als ein wichtiges Element für eine Kommunikationstheorie erkannt. Dialogizität beginnt nämlich nicht erst mit der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, sondern setzt bereits mit der präkommunikativen Semiose ein. Bevor wir kommunikativ handeln, sprechen wir quasi probeweise zu uns selbst, um die Wirksamkeit der kommunikativen Handlung zu testen, denn

„[…] eine Person ist nicht völlig ein Individuum. Seine Gedanken sind das, was es sich selbst sagt, d.h. was es jenem anderen Selbst sagt, welches im Fluss der Zeit gerade in Erscheinung tritt.“ (Peirce CP, 421)

Im Alltag erleben wir immer, dass einem ein Wort begegnet, das man zwar zu kennen glaubt, bei dem man aber unsicher ist, ob es nicht auch andere Bedeutungen haben könnte. Entsprechend wird nach Gebrauchssituationen gesucht, in denen sich eine andere Lesart finden lässt. Wir versichern uns unseres Verstehens einer Sache, indem wir mithilfe der Zeichen unsere Erfahrungen prüfen, wie mit den Zeichen auch alternativ umgegangen werden könnte und ob es einen optimaleren Handlungskontext gibt.

Die ständige Benutzung von Zeichen schafft unter den Nutzern gemeinsame Hintergrunderfahrungen, sodass beim Auftreten bestimmter Zeichen feststellbar ist, ob diese zu den den Nutzern bereits bekannten Bezugsgrößen passen oder nicht. PeircePeirce beschreibt das Phänomen mit der Bemerkung, der Interpret habe es mit einer „Nachkopie dieses kopierten Fetzens“ zu tun und müsse wissen, wo genau in seinem Panorama des universellen Lebens er diese einfügen könne. (Peirce Mikrofilm 318, 194–195)

Verstehenshorizonte greifen zu kurz, wenn sie nicht mit anderen geteilt werden. Deshalb fordert Peirce vom Interpretanten, dass er nicht nur kognitiv seinen Standpunkt bestimmt, sondern zu klären versucht, was der Mit-Interpretant denken könnte. Erst im Zusammenspiel beider Positionen wird Kommunikation möglich. Denn das, was ich verstehe, wird kommunikativ nur dann relevant, wenn die Voraussetzung dafür geschaffen ist, dass der Andere etwas ganz ähnlich wie ich verstehen kann.

Sprecher Ein Sprecher beobachtet sich dahingehend selbst, wie das von ihm Geäußerte im Zusammenspiel mit Anderen funktioniert hat und weiterhin funktionieren könnte. Diese Erfahrungen bilden eine Grundlage für sein sprachliches Handeln. Peirce beschreibt dieses Phänomen unter dem Begriff der Selbstbezüglichkeit. Wichtig ist hierbei folgende Annahme: Wenn eine Person eine andere erkennt, so erfolgt dies auf eine Art und Weise, die derjenigen ähnelt, wie sie sich selbst ihrer eigenen Person bewusst wird.

 

„Die Idee der zweiten Person […] wird von der ersten Person ebenso unmittelbar wie das eigene Ich wahrgenommen, nur weniger lebhaft.“ (PeircePeirce CP 6, 160)

Denn ein Sprecher entwickelt die Idee von sich selbst, indem er aus Erfahrungen mit seinem Gegenüber auf sich schließt und diese Erfahrung so internalisiert, dass sie sein Handeln motiviert.

ReziprozitätReziprozitätDer Gebrauch von Zeichen muss gewollt sein und wird darauf ausgerichtet, was der Sprecher ausdrücken möchte. Die Zeichen haben nur dann Erfolg, wenn sie bei den Zeichenbenutzern den erhofften Effekt auslösen. Die Zeichennutzung basiert auf Gegenseitigkeit, dafür muss jedoch dem Anderen unterstellt werden, im Verlauf der Interaktion ganz ähnlich mit den Zeichen umzugehen, sodass der Gebrauch zu gemeinsam gewünschten Ergebnissen führt.

Voraussetzung ist, dass das mentale Handeln bei den Betroffenen grundsätzlich selbstreferentiell erfolgt. Jeder verwendet sich selbst als Bezugsrahmen. Das steht zuerst einmal im Widerspruch zum kommunikativen Anliegen, welches auf einen Anderen gerichtet ist. Dennoch kann dieses Verhalten für Kommunikation nutzbar gemacht werden, denn es basiert auf der Unterstellung der Gegenseitigkeit. Der Produzent geht davon aus, dass der Rezipient in der jeweiligen Situation etwas ganz Vergleichbares tun wird; man spricht von der Annahme der Reziprozität. PeircePeirce hat mit seinem Zeichenbegriff bereits früh die Notwendigkeit betont, die Verarbeitungsbedingungen des Rezipienten stets im Blick zu behalten. Es entsteht zeitweilig sogar der Eindruck, dass er seine Zeichentheorie aus der Sicht des Zeichenrezipienten konzipiert hat. Sicher ist, dass seine Theorie eine differenzierte Sicht auf die verschiedenen Relationen ermöglicht, in denen das Zeichen steht.

Weitgefasster ZeichenbegriffZeichenBegriffAuf die Theoriebildung der Kommunikationswissenschaft hat der Ansatz von Peirce bisher eher wenig Einfluss genommen. Ungenutzt blieben die Offenheit des Zeichenbegriffs und die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Zeichens. Denn Peirce erkennt ein Schriftstück ebenso als Zeichen an wie ein Wort oder ein Bild. Das Zeichenverständnis erschließt sich erst durch die Analyse des Zeichengebrauchs bei den Benutzern, der ja alles Mögliche zum Zeichen machen und kommunikativ nutzen kann, wenn es einen Anderen gibt, der mitspielt. Zeichen stehen also nicht für sich alleine, sondern bedürfen immer einer Kontextualisierung, um Bedeutungen zu erlangen. Als grundlegend dafür wird die Erfahrung der Selbstreferentialität angesehen. Der Einzelne setzt sich ins Verhältnis zu seiner Umwelt und glaubt, das sei kommunikativ zugänglich, weil der Adressierte sich auf dieselbe Weise zu den Dingen, die ihn umgeben, verhalten wird.

Andere Zeichen und Funktionshintergründe

ZoopragmatikZoopragmatikDie vorausgegangenen Überlegungen zur Spezifikation des Zeichenbegriffs haben Hinweise darauf gegeben, mit welchen Problemen Kommunikation konfrontiert ist, wenn Zeichen ins Spiel kommen. Es baut sich sehr rasch eine Komplexität auf, welche das Modellieren der Vorgänge unmöglich erscheinen lässt. Methodisch ist es daher reizvoll, sich der Komplexität schrittweise zu nähern, indem zunächst einfachere Systeme betrachtet werden. Einen interessanten Zugang bietet hierfür die sog. Zoopragmatik, die sich mit der Zeichenverarbeitung von Tieren in der Interaktion mit ihrer Umwelt beschäftigt. Dabei geht es nach Sebeok (1992, S. 78) um die Verarbeitung von Zeichen aus der belebten und unbelebten Umwelt.


Thomas A. Sebeok (1920–2001)

Biosemiotiker, amerikanischer Professor für Semiotik, Schwerpunkte: Untersuchung der Kommunikation von nicht-menschlichen Lebewesen (Zoosemiotik), Begründer der Biosemiotik

Die kognitive Zoosemiotik setzt bei der Wahrnehmung eines Reizes an. Dabei handelt es sich nicht um eine dyadische Reiz-Reaktions-Kette, sondern es liegt eine triadische Interaktion vor: Der Zeichenprozess ist in einen Funktionskreis eingebunden, der den Organismus mit seiner Umwelt in einer komplementären Relation verbindet. Die Zeichenwahrnehmung kann dabei beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein. Von einer intentionalen KognitionIntention ist dann die Rede, wenn eine Situation von einem Organismus beobachtet wird. Dabei kann sich die Beobachtung auf Zeichen einer belebten oder nicht-belebten Umwelt beziehen. Stammen die Zeichen von einem Lebewesen, ist die Frage der Absicht zu klären. Kann eine solche unterstellt werden, kommt der Begriff der Kommunikation ins Spiel. Dabei muss das intendierte Zeichen nicht von einem fremden Organismus ausgehen.

Sebeok (1972, S. 72) beschreibt als ein sehr anschauliches und einfaches System die Echo-Ortung, wie sie im Tierreich auftritt. Hier wird beispielsweise von der Fledermaus ein akustischer Laut erzeugt, dessen Funktion darin besteht, Raumdistanzen zu erkennen. Der Laut wird akustisch von Objekten widergespiegelt und kann so empfangen und im Gehirn zu einer Raumkonstruktion verarbeitet werden. Das Fledermaus-Beispiel ist ein Beleg für die Selbstreferentialität. Der Organismus verfügt über eine Verarbeitungseinrichtung, die Daten aus der Außenwelt als exterozeptive Zeichen wahrnimmt und im Gehirn als propriozeptive ihm eigene erkennt und zur Selbstorientierung auswerten kann. Ähnlich verhält es sich bei Blinden, die sich aufgrund der Geräusche eine Raumkonstrukt für ihre Orientierung aufbauen.

Erklärung

Wenn wir die kognitiven Prozesse im Hinblick auf die kommunikative Qualität näher bestimmen wollen, dann ist, bezogen auf die möglichen Einflussfaktoren (z.B. Repräsentamen, Selbstvergewisserung oder Reziprozität) die Kommunikation hier nur als schwach motiviert zu bezeichnen: Es gibt eine Zeichenverarbeitung, aber die Zeichen sind hochgradig spezialisiert auf ein sehr enges Anwendungsfeld. Die Zeichenproduktion und -verarbeitung erfolgt zielgebunden, sie ist selbstreflexiv, aber nicht ohne weiteres reflexiv zugänglich.

„Zeichenverarbeitung“ in der PflanzenweltKommunikationPflanzenDie Signalverarbeitung im Pflanzen- und Tierreich lässt weitere Aspekte der kommunikativen Funktionsweise sichtbar werden. Eine Blume baut ein Signal aus Farb- und Duftstoffen auf. Dieses Signal kann nun aufgrund organischer Ausstattung von einer Biene oder einem Vogel verarbeitet werden. Eine von Bienen bestäubte Pflanze ist nie rot, und zwar weil das Verarbeitungsprogramm einer Biene dafür nicht eingerichtet ist. Die Pflanze kann nur solche Farben benutzen, die von den sie befruchtenden Tieren „verstanden“ werden. Die Signalverarbeitung zielt nach Zahavî und Zahavî (1997) auf die Arterhaltung ab, indem versucht wird, mit auf bestimmte Adressaten ausgerichteten Signalvorgaben, deren Verhalten zu beeinflussen.


Avishag Zahavi (*1922) und Amotz Zahavi (*1928)

Professorin für Pflanzenphysiologie (links); Israelischer Zoologe und Naturschützer (rechts); Schwerpunkte: Verschränkung der Überlegungen aus der Evolutionsforschung und empirische Befunde aus der Verhaltensforschung miteinander zum Handicap-Prinzip

PhytosemiotikPhytosemiotikDie Interaktion ist auf fremde Organismen ausgelegt. Sie ist erfolgreich, wenn es einen Organismus gibt, der für die Verarbeitung des Signals ausgestattet ist und daher das Signal wahrnehmen und artgemäß verarbeiten kann. Das Signal selbst muss diesen anderen Organismus erreichen und ebenfalls entsprechend ausgestattet sein. Wir haben es also mit einer sehr starken Zielorientierung zu tun. Interessant ist dabei, dass die Zeichenverwendung auch im Dienste der Täuschung Anderer stehen kann. Das geschieht im Tierreich oft durch Farben, die aus Schutzgründen artfremde Organismen zu Fehlinterpretationen veranlassen sollen.

Verarbeitet ein System solche Reize als Signal, schlägt Krampen (1983) Krampen vor, in diesem Fall von der Phytosemiotik zu sprechen. Die Funktion der Signale ist dabei für die Verarbeiter des Signals eine andere als für die, welche das Signal senden. Die Pflanze muss ihren Bestand sichern, die Biene sucht nach Nahrung. Obwohl es sich um dyadische Interaktionsprozesse zwischen Organismen handelt und obwohl sie zielgeleitet und selbstbezüglich angelegt sind, fehlt es ihnen an der Gegenseitigkeit. Es sind daher Interaktionsformen, die ebenfalls als schwach kommunikativ bezeichnet werden müssen.

Signalaustausch unter VögelnKommunikationTiereDas Merkmal der Gegenseitigkeit findet sich beim lautlichen Signalaustausch von Vögeln. Hier gibt es auch eine Symmetrie, denn verschiedene Organismen können die gleichen Zeichen verwenden. Die Verwendung ist dialogisch angelegt und mit einer bewussten Reaktionserwartung verknüpft. Das Eintreten oder Nicht-Eintreten der Reaktion löst in gewissen Spielräumen Entscheidungshandlungen zu bestimmten Verhaltensweisen des Organismus aus.

Die gesendeten Zeichen besitzen Botschaftscharakter: Sie können anderen drohen, sie anlocken oder warnen. Die Zeichen vermitteln also in Abhängigkeit von der Art des Gebrauchs und in Abhängigkeit vom Produzenten unterschiedliche Inhalte. Ihnen haftet eine appellative Funktion an, d.h. wir begegnen auch im Tierreich Interaktionsformen, die deutlichere kommunikative Eigenschaften aufweisen als die bereits angesprochenen. Die Organismen verfügen mit mehr Bewusstheit über Zeichen, die sie an einen fremden Organismus senden können. Die Zeichensendung ist nicht auf eine eindimensionale und monodirektionale Verarbeitung beschränkt und es ist nicht nur eine spezielle Signalform verarbeitbar. Die Reaktion auf die gesendeten Zeichen bedarf einer Zeicheninterpretation und hat Freiheitsgrade. Es gibt nicht nur eine Interpretation bzw. die richtige oder falsche. Entscheidungen über die Interpretation basieren auf einer strukturellen Kopplung mit anderen Organismen.

Zeichen zwischen Mensch und TierKommunikationTiereEin weiterer Forschungsbereich betrifft die interspezifische Kommunikation. Ein Beispiel dafür ist der Umgang zwischen Mensch und Tier. Auch hier bilden spezielle Zeichen die Grundlage für die Interaktion. Marler (1965, 544–584) Marlerentwickelte schon sehr früh eine ZeichentypologieZeichenTypen, die zwischen Identifikatoren, Präskriptoren, Designatoren und Bewertungszeichen unterscheidet.

IdentifikatorenDie Identifikatoren sind selbstreferentiell. Sie verweisen auf den Zeichenproduzenten und erlauben es, ihn hinsichtlich bestimmter Eigenschaften wie Alter, Geschlecht und Gattung zu identifizieren.

PräskriptorenBei der Verhaltensorientierung spielen Präskriptoren eine Rolle. Die Akteure nehmen im Verhalten Eigenschaften wahr, aus denen sie Schlüsse auf die zu erwartende Interaktion ziehen.

DesignatorenDesignatoren informieren über die Beziehung zu anderen Artgenossen oder über das Verhältnis zur Umwelt. Sichtbar werden sie beim Paarungsverhalten oder in der Fürsorge und lassen sich bei der Organisation von Nahrung, Fortpflanzung und Reviersicherung beobachten.

BewertungszeichenDie Bewertungszeichen helfen, den sozialen Umgang mit den Artgenossen zu organisieren. Sie regulieren Nähe und Distanz. Das Mienenspiel eines Schimpansen enthält z.B. eine Reihe von Merkmalen, die über seine Artgenossen hinaus als Drohung „gelesen“ werden können. Das heißt es gibt eine Gruppe von Organismen, die spezielle Signale erkennen können, auch wenn sie nicht zu derselben Gattung wie der Sender gehören. Die Interaktionen sind dyadisch und zielorientiert angelegt. Viele sind symmetrisch und basieren auf gegenseitigen Erwartungen hinsichtlich spezifischer Reaktionsmuster. Das rezeptive Verhalten ist nicht auf die Verarbeitung nur einer Botschaft eingeschränkt, sondern der Angesprochene nimmt aktiv teil, indem er das Dargebotene bestimmten situativen Bedingungen zuweist und daraus den Fokus für eine Botschaft ableitet. Das steht im Zusammenhang mit einer zunehmenden Selbstreferentialität der Zeichenverwendung. Auf diese Weise gewinnen die Interaktionen bereits eine gut erkennbare kommunikative Dichte.

Zeichengebrauch der PrimatenKommunikationTierIn der Primatenforschung ist man sich nicht einig, inwieweit Menschenaffen über symbolische Zeichen verfügen. Preuschoft (1990) Preuschoft vertritt die These, Menschenaffen verwendeten Zeichen mit einer deskriptiven Funktion. Sie sei gegenüber der menschlichen Sprache nur quantitativ begrenzt. Demgegenüber glaubt Sebeok (1991) nachweisen zu können, dass die vorliegenden Ergebnisse Artefakte von Dressurakten seien. Differenzierter urteilt Deacon (1998)Deacon. Er sieht in den bisherigen Forschungsreihen einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Tiere ein Symbolverständnis haben. Donald (1991) glaubt darüber hinaus, dass die Tiere die Fähigkeit haben, semantische Relationen aufzubauen. Ungeklärt ist auch der Status von syntaktischen Regeln. Einig ist man sich, dass komplexe Konstruktionen nicht verwendet werden. Unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten ist offenkundig, dass die Primaten ein interaktives Verhalten zeigen, das eine gewisse kommunikative Dichte besitzt.

 

Terrance William Deacon (*1959)

Amerikanischer Neuroanthropologe, Schwerpunkte: Biosemiotik, Linguistiktheorien und kognitive Neurowissenschaften


Merlin Donald (*1939)

Kanadischer Psychologe, Kognitions- und Neurowissenschaftler, lehrte Neuroanthropologe, Schwerpunkte: Kritik an der Computermetapher, wenn es um das Verstehen des menschlichen Geistes und seinen Umgang mit Symbolen und Sprache geht.

Grundsätzlich gilt: Ein Datenaustausch ist bereits auf einer sehr elementaren Ebene von Organismen unbestreitbar. Diese Daten werden zu Informationen, wenn zwischen ihnen unterschieden wird bzw. unterschieden werden kann.DatenVerarbeitung Es gehört dann zum Selbsterhalt eines Organismus, dass nur diejenigen Daten wahrgenommen werden, die Relevanz besitzen. Für einen solchen Organismus existieren gewissermaßen Ordnungen zum Selbsterhalt, die nicht hintergehbar sind. Auch der menschliche Organismus funktioniert auf diese Weise, wenn sich Körperorgane über Nervenbahnen gegenseitig wahrnehmen oder sich die Zellverbände in einem Organ organisieren.

Zusammenfassung

Das Grundprinzip, Daten aus der Umgebung zur Sicherung des eigenen Selbst zu nutzen, entwickelt sich weiter, wenn Freiheitsgrade im Umgang mit solchen Ordnungen entstehen, systematisch vergrößert werden und man sich schließlich durch Selbstkontrolle selber beobachten kann. Wenn über Kommunikation gesprochen wird, ist daher zu klären, worauf die daran Beteiligten achten und warum sie das tun. Erst dann werden Daten sichtbar, die als Informationen fungieren können. Das bedeutet, es muss Erfahrungen geben, um solche Daten zu erkennen und sie mit bestimmten Bereichen der bekannten Lebenswelten zu verbinden. Ist das nicht möglich, werden die Daten erst gar nicht wahrgenommen oder bleiben unverstanden und sind gewissermaßen unsichtbar.