Die Rose auf dem Butterbrot

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Die Rose auf dem Butterbrot
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Die Rose auf dem Butterbrot

oder

Die Bedingungslosigkeit der Liebe

Kapitel

- - Die Herkunft

- - Der traurige Wandel

- - Der gute Wandel

- - Der gewünschte Retter

- - Der Nachkomme von bedingungslosem Wunsch

- - Das Kind der Wahrheit

- - Das Leben der so Anderen

- - Die erste Liebe der so Anderen

- - Die Weichenstellung der Anderen

- - Der Ausstieg aus der Bedingungslosigkeit

- - Das Rad des Schicksals

- - Das Vertrauen

- - Der Weg zur Befreiung

- - Geöffneter Übergang ins eigene Paradies

- - Ende und Anfang zugleich

- - Intuition stärker als Angst


Vorwort

Bedingungslosigkeit macht nichts unmöglich....und aus diesem seelischen unangreifbaren Reichtum heraus saß Victoria eines Tages im Zug um sich auf neutralem Ort mit ihrer Mutter zu treffen. Sie hatte ja nie diese Nähe gespürt zu ihr. Diese Nähe, die aus dem Bauch gewachsen war und die unmissverständlich eben nur diesem einen Menschen galt. Dies hatte ihr, trotz ihrer gewonnen Reinheit ihrer Seele und ihrem geheilten Körper zeitlebens einen Schatten auf ihre Seele geklebt. Einen Schatten den man ihr zwar nie ansah, der aber in regelmäßigen Abständen Dunkelheit auf ihre Seele legte. Und der sie immer traurig stimmte. Und deshalb nahm sie all ihre Kraft und Mut zusammen und reiste ihr körperlich und seelisch entgegen. Auch die Mutter verspürte eine Bedingung aus sich heraus, dass die beiden sich wiedersehen sollten. Denn egal was geschehen war, eines ist und war nicht zu verleugnen, sie waren Mutter und Kind und nichts, nein, rein gar nichts auf diesem leb baren Universum konnte an diesem Zustand je etwas rütteln. Und obwohl Victoria all ihre Kräfte schon darauf verwendet hatte, um ihre Seele und ihren Körper zu schützen, wusste sie, sie musste sich dieser Dämonenflut aus Dornen und Schatten aussetzen. Sie war sogar so geheilt, dass ein früherer Versuch, sie zu treffen in ihrer gewohnten alten Umgebung – denn die Mutter lebte weiter in dieser Wohnung, die sie mit dem Vater zu Lebzeiten bewohnte – derart gewaltsam auf ihren Körper einwirkte, dass Victoria, sobald sie die heimischen Räumlichkeiten betrat, asthmatische Anfälle bekam. Sie bekam schlichtweg keine Luft mehr in den Zimmern. Sobald sie sich in den Zimmern aufhielt, schnürte es ihr im wahrsten Sinne die Kehle zu. Sie wusste erst nicht woher diese Krankheit so spontan kam, sie litt nicht unter Asthma und es konnte auch kein Heuschnupfen sein, es war bitterkalter Winter. Die Mutter machte den Weihnachtsbaum dafür verantwortlich, ihre Vielzahl von Blumenstöcken auf den Fensterbänken. Sie schleppte diese in den Keller für ihr Kind. Sie wollte am Feiertag ihren Hausarzt konsultieren, er sollte ihrer Tochter irgendein Präparat verschreiben, welches diese unliebsamen Luftröchelattacken beseitigen sollte. Doch Victoria wehrte ab. Sie fühlte, dass kein Christbaum und keine Blume der Welt daran Schuld trug, dass sie in ihrem Elternhaus keine Luft mehr zum Leben bekam. Es war das Nichterkennen ihrer Persönlichkeit. Nicht ein Gottesgewächs. Sie versuchte diese Symptome erst zu ignorieren. Sie blieb trotz dieser gesundheitlichen Störung über Nacht. Sogar zwei Nächte. Victoria war ja eine „Grenzüberschreiterin“. Sie gab einfach nicht auf. Doch die zweite schlaflose Nacht im Hause war derart schwächend für sie, dass sie rein zum Überleben, am nächsten Morgen einfach gehen musste. Ja gehen. Sie musste ihr Elternhaus verlassen, weil sie in jungen Jahren, seit Beginn ihrer Pubertät, nicht verstanden, nicht erkannt, wurde. Weil sie ein Schwan war. Ein Schwan unter Hühnern. Und sie wurde als Henne erzogen und behütet. Und sie wurde in ihrer ganzen künstlerischen Pracht einfach nicht gesehen. Es wurde ihr dafür noch unzählige Gesteinsbrocken in ihren Weg gerollt. Sie hatte es aber geschafft. Ganz alleine. Sie hatte es geschafft als Schwan ihr Dasein zu leben. Jahrzehnte lang hatte sie so gelitten unter den Dornen und Schatten und unter dem Hühnerdasein. Sie hatte sich Stück für Stück ihr reines Federgefieder wachsen lassen, bis es eben prachtvoll war. Und jetzt wollte sie ihrer Mutter zeigen, dass sie ihr verziehen hatte. Alles verziehen. Der Mutter hatte einfach die richtige Sichtweise gefehlt, um ein weißes Schwanenkostüm zu sehen. Und um ihr Kind nicht zu verliehen, ließ sich Ava, die Mutter, darauf ein. Auch sie litt unter dem Verlust ihres Kindes. Und so trafen sich die beiden wieder. Victoria angereichert und bestimmt durch das Band ihrer Bedingungslosigkeit und eine Mutter, die fast 80 Jahre alt war und die bereit war, in ihrem eigenen Spielraum und Rahmen, den sie zwar nicht verstand, den sie aber spürte, und dies war das Ausschlaggebende. Die Bedingungslosigkeit der Liebe hatte sie beide an einen neutralen Ort geführt. Die Mutter hatte an einer Reiseveranstaltung teilgenommen, weil ihr Arzt ihr Lebensfreude auf einem Rezept verschrieb. Diese Reise brachte die Mutter nur eine Stunde entfernt an ihr Kind. Und Victoria hatte genau zu diesem Zeitpunkt keine andere Verpflichtung und sie war dafür bereit, ihre Zuhause, Berlin, kurz zu verlassen. Berlin verstünde das. Die Liebe hatte diesen Schnittpunkt einer Wiedervereinigung erkannt. Victoria wusste sie konnte damit jeden Dorn und jeden Schatten aus ihrem Herzen die so aberviele Schmerzen verursacht hatten, befreien. Soweit ihre Füße sie tragen würden dorthin, soweit würde sie halt gehen, um diese Wunden zu heilen.... und so war es auch. Das was Victoria jetzt nach dieser Reise in ihrem Herzen und ihrem Gedächtnis an ihre Mutter blieb, war eine Parkbank auf der sie beide saßen. Victoria hatte ihrem Kopf auf die Schultern ihrer Mutter gelegt. Das hatte es in ihrem ganzen Leben bisher noch nie gegeben. Egal was in Victorias Leben je passieren würde, dies war jetzt das Bild, das ihr von ihrer Mutter blieb. Ihr Kopf angelehnt an der Schulter der Frau, die sie geboren hatte und sonst nichts. Keine Schatten und keine Dornen mehr.... das kann nur eine Macht auf Erden, die Liebe.... damit spielte es auch keine Rolle mehr, ob Victoria je noch einmal in ihr Elternhaus gehen würde, oder nicht, um dort auf der ersten Treppe der Haustüre zu sitzen, um auf die Rosenstöcke zu blicken, die ihr von diesem Blickwinkel ihr ganzes Leben, welches sie bei ihren Eltern verbracht hatte, in die Augen stachen. Die Rosen, die auch schon so viele Fröste überstanden hatten und trotzdem jedes Jahr mehr Knospen entstehen ließen. Auch wenn so viele ihrer Blüten zertrampelt wurden und je auf dem Komposthaufen landeten. Es würde keinen Sturm, keinen Eisregen mehr geben, der diese Rosenstöcke vernichten würde. Diese Rosenstöcke hielten einfach durch. Und sie hatten all die vielen Jahre nicht nur durchgehalten, sie hatten immer schönere, weit verzweigtere Knospen auf'´s Neue erblühen lassen. Die Blütenpracht wurde jedes Jahr glanzvoller. Einfach nur dadurch, dass sie durchhielten. Die Rosenstöcke. Und so fühlte sich Victoria von nun an auch. Sie hatte auch jahrzehntelang durchgehalten. Nur um irgendwann in neuem Ganze zu erscheinen und dies war hiermit geschehen.


Wilma Zingara

Die Rose auf dem Butterbrot

oder

die Bedingungslosigkeit der Liebe

Die Herkunft

Es gab einmal ein riesengroßes Gut, ein Stadtgut. Ein landwirtschaftliches Anwesen, mit einem Haupthaus und rechts und links davon mit Nebenhäusern. Im stattlichen Haupthaus wohnte Adalbert mit seiner Familie. Seiner Frau Greta und den Kindern, Ferdinand, Peter, Wilhelm, Ava und Joachim. Die Nebenhäuser wirkten ebenfalls sehr majestätisch, jedoch nicht ganz so imperial wie das Haupthaus. Das Gut war sehr großzügig angelegt. Breite Wege führten zu den Hauseingängen. Sie waren reichlich mit Blumen gesäumt, je nach Jahreszeit. Und es wurde stets sehr darauf geachtet, dass die Anlage sehr gepflegt wirkte. Jeder Besucher empfand sofort ein Gefühl der Großzügigkeit. Die Familie war sehr begütert. Sie hatten viele Angestellte. Diese wohnten in den Nebenhäusern. Weitere Nebenhäuser waren für die Stallungen der Tiere. Hauptsächlich Pferde und ein paar wenige Kühe für den Eigenbedarf. Die Pferde waren für den Ackerbetrieb, sowie als Zugpferde für die Wägen. Die es in drei verschiedensten Ausführungen, je nach Jahreszeit, gab. Ein Schlitten im Winter, ein Jagdwagen im Sommer und ein Planwagen für den Regen und eben die Kühe. Insgesamt hatte Adalbert ein richtiges Imperium. „Ich bin ein reicher Mann“, sagte Adalbert oft. Dabei grinste er liebenswürdig in seiner stattlichen Erscheinung und jeder, der mit ihm zu tun hatte, wusste, dass Adalbert dies nicht auf seinen finanziellen Reichtum bedingte. Er war durchaus auch wirtschaftlich gesehen reich. Sein persönlicher Reichtum erschloss sich bei seiner Person mehr auf den menschlichen Reichtum, den er ausstrahlte. Seine Familie, die bedingungslos hinter ihm stand. Sowohl als auch seine zahlreichen Angestellten, für die er immer ein offenes Ohr hatte und schlichtweg jeder, der beruflich, oder privat mit ihm zu tun hatte, bemerkte den inneren Reichtum seiner Seele. Somit wollte jeder gerne mit Adalbert zu tun haben. Er war eine Erscheinung. Jeder auf der Straße der nach dem Weg fragte, ging auf Adalbert zu, denn es konnte einem gewiss sein, dass er ein Lächeln für ihn übrig hatte. Dies war echter Reichtum. Bedingungslos für jeden. Er war ein gütiger Herrscher. Großzügig in Geld und Tat. „Ich will, dass ihr alle gut zu essen habt“, sagte er oft zu seinen Angestellten. So nahm sich seine Frau Greta täglich darin an, für alle Angestellten selbst zu kochen und sie aßen auch zusammen. Adalbert wusste, dass er so das Vertrauen der Menschen erhielt. Keine Extrawürste für die Herrschaften. Alle bekamen das gleiche und das war immer von bester Qualität. Waren die Angestellten auf dem Felde, gingen die Mägde in einer Selbstverständlichkeit dorthin, um den Arbeitern Brotzeit zu bringen. So sorgte Adalbert auch immer dafür, dass einmal im Jahr geschlachtet wurde. Da kam der Schlachter eigens ins Haus. Der pökelte das Fleisch ein. Auch da halfen alle zusammen und als die Arbeit gemeinsam verrichtet war, da gab Adalbert, Vaddl wie er liebevoll genannt wurde, ein Fest. Er hatte wahrlich einen unsagbaren Stil und menschliche Größe. Weit und breit gab es tatsächlich niemanden, der ihn nicht für seine reiche Persönlichkeit geschätzt hätte. Gleichwohl durch alle Gesellschaftsschichten. Viel, sehr viel später in seinem Leben, als seine Enkelin Victoria seine menschliche Wärme genießen durfte, blieb ihr immer ein Bild vor Augen, „Du bist für mich der Größte“, sagte sie, denn er ließ es sich nicht nehmen Kartoffeln fürs Mittagessen zu schälen, dabei trug er aber immer noch stets einen Anzug, meist einen Nadelstreifenanzug, weißes Hemd, silberne, aufgezogene Taschenuhr in der Anzugweste, geputzte Schuhe und gepflegte Hände. Nur die Anzugjacke blieb dann weg. „Du bist schlichtweg traumhaft, so wie du so sollte später mein Mann sein“, säuselte sie ihm liebevoll ins Ohr. So stellte er lebenslänglich eine Persönlichkeit dar, bis hin ins hohe Alter, auch als Ikone seiner Enkelin. Was ihn ebenfalls so auszeichnete, immer war er für die Belange seiner Umwelt zugegen. „Du solltest Dich nicht immer um alles kümmern“, sagte Greta, seine Frau oft zu ihm. „Warum“, war seine Antwort, „diese Menschen arbeiten für mich, sie machen ihre Sache voller Vertrauen, sie setzen auf mich, dafür können sie auch alles von mir erwarten“. „Aber dies sind doch nur deine Angestellten, du bezahlst sie reichlich dafür, da brauchst du doch nicht ständig für sie da zu sein“. „Doch“, widersprach Adalbert äußerst selten seiner Frau und ging noch in den Stall, denn dort sollte in dieser Nacht noch eine Kuh kalben und da wollte er fest mit zupacken. Nie verlor er die Fassung. Seine Stimmung war immer mittig. Er schnaufte einmal tief durch, wenn ein Problem vor ihm auftauchte, dann fand er besonnen eine Antwort aus seinem Inneren heraus und die passende Lösung dazu. Was er als natürlichen Glanz allzeit parat auf den Lippen trug, war ein passender humorvoller Satz. Einen Ausspruch voller satirischem Witz. Stilvoll, makaber. Das alles zeichnete ihn schon sehr besonders aus. Der Vaddl war auf alles stolz, seine Frau, seine Kinder, sein Erreichtes, in jeglicher Form. Er war glücklich mit seiner resoluten Frau, die alle Belange an Haus und Hof mit Weisheit und Disziplin zu handhaben wusste. Er wünschte sich, dass alles, was er erreicht hatte, nie vergehen sollte. So viel als möglich Menschen sollten an seinem Glück, so lange wie möglich teilhaben, er wollte niemanden verlieren, keinen Angestellten und niemanden aus seiner Familie. Seinen inneren Reichtum wollte er so weit als möglich verbreiten und seine Frau so glücklich machen wie es in seiner Macht stand. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er holte sogar für seine Frau eine Friseurin ins Haus, die ihr jeden Morgen die Haare richtete und ansonsten stand diese nach Bedarf Greta's Wünschen auf Abruf rund um die Uhr zur Verfügung. Sonst hatte diese Dame keinerlei Verpflichtungen. Es sollte seiner Frau einfach an nichts fehlen. Sie sollte bedingungslos glücklich sein. Oft flehte er sie an, sie solle etwas mehr für ihre Gesundheit tun. Greta stand für seine Verhältnisse zu viel auf den Beinen, an einem Fleck. Meist in der Küche. Oftmals trieb er sie an, sie soll am Abend noch ein wenig mit ihm spazieren gehen. „Beine vertreten, Greta komm“,… denn Greta hatte sehr dicke Beine. Gentechnisch. Viel Wasser in den Beinen. Das bekommt man nur in den Griff, wenn man täglich etwas dafür täte. Eben laufen, Kneipp - Kuren mit Wassertreten, Beine hoch legen. Doch Greta hörte nicht auf ihren Mann. Das mit dem spazieren gehen, dafür war sie am Abend einfach zu müde, nachdem sie für zwei Duzend Leute den ganzen Tag gekocht hatte und die Nahrungsmittel dafür besorgt hatte. Sie hatte Eimer weise Knödel in ihrem Leben an einem Tag gerollt, wenn es eben Knödel an diesem Tag zum Mittagessen gab. Sie hätte es nicht tun müssen, genauso wenig wie ihr Mann, der ja auch immer für alle da war. Doch sie war genauso stur auf ihre Art und Weise wie ihr Mann. Sie wollte nicht, dass eine Angestellte das Essen zubereitet hätte. Für die Qualität der Nahrungsmittel fühlte sie sich verantwortlich. Mit dem Abgeben an andere, das war nicht ihre Stärke. Da zog sie mit ihrem Mann an einem Strang. Dieser Stolz beeinträchtigte Greta, Muddl, wie sie liebevoll genannt wurde, gesundheitlich jedoch sehr. Ihre Beine wurden immer dicker und dicker. Später sagte er einmal: „Wenn doch meine Greta ein wenig mehr gelaufen wäre, dann hätte sie länger leben können.“ Sie hatte viele Ödeme an den Beinen, oftmals offene Beine, die nur mühsam wieder zu heilten, dickste Krampfadern und Unmengen von Besenreisern. „Du gehst jetzt zur Kur“, bettelte Vaddl seine Muddl. Wassertreten, nach Art des Sebastian Kneipp, doch laufen, spazieren gehen, das lag eben nicht in ihrer Art. „Ich habe meine Beine zugeschnürt und in dicke Gummistrümpfe gepackt, da will ich mich nicht auch noch so viel bewegen müssen“, lautete ihre Meinung. Doch es war wie es war. Als seine Greta nun das vierte Kind unter ihrem Herzen trug – drei Söhne hatte sie schon geboren und waren der volle Stolz des Vaddls – da war es Adalbert klar, Greta würde wieder einem Sohn das Leben schenken. Er war glücklich über die strammen Burschen, die schon frühzeitig an Haus und Hof ihre Freude fanden, doch wahrscheinlich konnte sich Adalbert kein anderes Kind vorstellen. Greta lag in den Wehen, im Hause verstand sich, in eine Klinik ging man damals noch nicht. Vor allem ja, das sollte hier einmal gesagt sein, waren sie eine sehr angesehene Familie, und bei einer Familie in dieser Gesellschaft, da kommt die Hebamme und alles was zur Geburt eines Kindes dazu kam, ins Haus. Das verstünde sich von selbst. Schließlich war auch genug Personal vorhanden, um für solche Gelegenheiten gerüstet zu sein. Vor allem bot das Anwesen ausreichend Platz für „Umstände“ dieser Art. So war nun Adalbert auf dem Felde mit seinen Arbeitern zu Gange – es war Mitte August und da galt es schließlich die Ernte einzubringen. „Wir müssen das gute Wetter ausnutzen“, sagte Adalbert zu seinen Arbeitern, „das Wetter bestimmt die Arbeit“, waren seine Worte. So war es auch zur damaligen Zeit vollkommen in Ordnung, dass der Gatte dem Geburtsvorgang ausblieb. Kein Mann wäre 1933 auf die Idee gekommen, der Frau bei der Geburt beizuwohnen. „Das ist Weiberkram“, hieß es damals. Weib an sich war eher ein Kompliment als eine Abwertung. „ Ein Weib war eine Frau, an der alles dran war“, sagte der Großvater schelmisch. „Keine Magermilchkuh, wo man Angst hat, sich beim Berühren Schmerzen zuzufügen.“So fügte es sich nun, dass die Arbeiter samt ihrem Herrn schweißtreibend auf dem Felde die Ernte einbrachten und Greta ihrer Niederkunft entgegensah.Das Kind wurde gesund, ohne Komplikationen geboren. Doch das Neugeborene war eine Überraschung.Es war ein Mädchen, ein strammes Mädchen. Die Nachricht war so überwältigend, dass Greta noch vollkommen geschwächt von der Akt der Geburt rief: „Geht, geht jemand schnell aufs Feld, Adalbert soll es sofort wissen, es ist diesmal ein Mädel!“„Allerwahrscheinlicher“ Weise, wäre es ein Junge geworden, hätte Adalbert erst am Abend nach der Feldarbeit von der Nachricht eines gesunden Kindes erfahren, denn er war ja gewohnt, Söhne zu bekommen. Doch dieses Mal war es etwas anderes. Also eilte eine Haushaltshilfe eiligst aufs Feld. Sie rannte. Emma ihr Name. Emma war erkoren, die frohe Botschaft an den Herrn des Hauses weiterzuleiten. Es war eine Ehre für sie. So rannte Emma buchstäblich für das Glück ihres Arbeitgebers. Sie war selbst von einem Stolz erfüllt, gleich die leuchtenden Augen ihres Herrn zu sehen. Da kam sie nun völlig entkräftet am Felde an. Dabei verlor sie noch einen Schuh, das bemerkte Emma aber erst später. „Egal, sagte sie zu sich selbst, …da vorn sind sie, was wird der sich freuen“, „japste“ sie vor sich hin. Nun denn, da stand sie aufgelöst vor ihrem Gutsherrn, der sah erst einmal hoch, er war zum Boden gebeugt, bemerkte nur die Erschütterung der Erde, als er dann seine gütige Emma in diesem aufgeregtem Zustand vor fand. „Um Gottes Willen, Emma geht es Dir nicht gut?“ fragte er besorgt. „Doch mein Herr“, antwortete Emma verwirrt, „doch sogar sehr gut“,…“ doch ich bin so schrecklich aufgeregt“, keuchte sie hervor. „Ich hab` eine Nachricht für sie, mein Herr!“….. „was schlimmes, du bist ja so durcheinander?“... „Ne, mein Herr, das Wundervollste, was sie sich vorstellen können, es ist ein Mädel, ja mein Herr, dieses mal ist es ein Mädel, ein gesundes strammes Mädel!“Die Arbeiter auf dem Felde hatten dies alles mitbekommen, sie liefen in Scharen zusammen. Adalbert kämpfte mit den Tränen, das hatte von seinen Arbeitern noch keiner gesehen. „Ich freu` mich so, das ist ein Gottes Geschenk“, jubelte er lauthals. Alle Arbeiter klatschten in die Hände. Sie unterbrachen ihr Tagwerk. Was es noch nie gegeben hatte, Adalbert ließ alles liegen und stehen, er klopfte Emma auf die Schultern, „wir müssen los, sofort, Emma,… beeile dich, meine Frauen erwarten mich,“ … Adalbert hatte seine Arbeit noch nie liegen gelassen, in seiner Pflicht und Ehre als Herr eines großen Gutes wollte er immer ein großes Vorbild sein. Dies war ihm stets gelungen. So rannten die beiden zum Hause zurück. Emma mit einem Schuh. Die Arbeiter widmeten sich weiter der Ernte. Dafür hatten sie Verständnis. Die Arbeit würde an diesem Tage auch ohne den stets fleißigen Herrn weitergehen. Als Adalbert im Hause war eilte er zum Bette seiner Frau. Dort legte man ihm das neugeborene Prachtstück in die Arme. Adalbert, dem Großen, liefen sturzbachartig die Tränen vom Gesicht. Als, er nach einer nimmer endenden Weile den kleinen Wonneproppen wieder in die Arme der wartenden Hebamme gab, sagte er zu seiner Frau: „Ich muss dringend weg“,… er bestellte eine Kutsche, die ihn in den Ort bringen sollte. Dort ging Adalbert zum ortsansässigen Juwelier und bestellte dort umgehend einen Ring. Einen silbernen Siegelring mit den Initialen seiner Tochter. Dieser Tag musste für ihn sehenswert in die Geschichte der Familie eingehen. So wuchs das „probbere“ Mädchen heran. Ava wurde sie unmittelbar nach der Geburt getauft. Sie wurde in ein wundervolles Leben eingeführt. Sie bekam sofort ein eigenes Korbzimmer. Als sie kaum laufen konnte und sich geradewegs, halbwegs artikulieren konnte, durfte sie sich schon alle Möbel nach ihren Wünschen aussuchen. Ein Kindermädchen wurde eigens für sie geordert. Damit stetig jemand da war, der ihr die persönlichen Wünsche von den Augen ablesen konnte. Am liebsten hätten es die Eltern gesehen, dass Ava zu einem Mädchen heran wuchs, das sich ausschließlich um die Belange eines Mädchens kümmern sollte. Puppe spielen, sich fein zurecht machen, die Haare immer hübsch frisiert. Doch Ava entwickelte sich zu einem etwas burschikoserem Typ. „Darf ich mit aufs Feld“, bat sie ihren Vater oftmals bettelnd, als sie gerade sprechen und laufen konnte. „Aber Kind,“ sagte der Vaddl, „die Arbeit auf dem Felde ist so schweißtreibend; wie könnte dies einem kleinen Mädel Freude bereiten, die harte Arbeit auf der Flur zu verrichten?“ Aber Ava ließ sich von diesem Wunsch nie abbringen. Sie hatte auch eine feste Freundin bekommen, Gerda, die mit ihrer Mutter täglich zum frische Milch holen kam, die Mütter hatten sich auch angefreundet, sie saßen dann beim täglichen Ritual in der Küche, bei einer frisch aufgegossenen Tasse Tee, während die Mädchen sich heimlich in den Stall zu den Pferden schlichen, um bei der Fütterung der Tiere beizuwohnen und vor allem mit zu helfen. Das war Avas Welt. Ihre Brüder, die ja schon einige Jahre älter waren als sie, gingen immer mit den Knechten zur rauschenden Oder, einem mächtigen Fluss, um die Tiere darin schwimmen zu lassen. Dieser Vorgang diente zur Bewegung der Tiere und zum Reinigen. Die Pferde hatten übergroße Freude an dieser Tätigkeit; doch es war von der Gefährlichkeit nicht ganz ohne. Die Tiere, wenn sie diese Wohltat einmal spürten, empfanden eine Art Wollust bei diesem Ritual. „Im wahrsten Sinne der Worte, mit denen geht der Gaul durch“, sagte Avas Bruder Wilhelm häufig, bei der Freude der Tiere. Sie wurden ziemlich haltlos und es erwies sich oftmals als ziemlich gefährlich, die Kalt- und Warmblüter an der langen Leine, an der sie geführt wurden, unter Kontrolle zu bekommen. Enorme Manneskraft war von Nöten, diese Wildheit zu kontrollieren. Aber genau das machte ja so viel Spaß daran, vor allem war es ja eine Herausforderung, vor allem für ein kleines Mädchen, diesem Wildsein zu begegnen. Ava bekam immer Schelte, wenn sie später von ihren Eltern hören musste, wie riskant dieses Baden wieder einmal gewesen war. Aber Ava hatte auch andere Wünsche. So blieb es nicht aus, dass sie sich nach einem ständigen Begleiter sehnte, der unter ihrer Regie heran wuchs. Ava wollte einen Hund haben. Sie bekam ihn auch. Sie bekam eben alles was sie sich wünschte. Einen schwarzen Kurzhaardackel. Mohrle wurde er getauft. Eine Familie aus dem Nachbarort hatte ihn als Welpe. Ava war sehr stolz, ihr Bruder Wilhelm ging heimlich los und besorgte für Mohrle ein wunderschönes Glitzerhalsband mit passender Leine. Ava strotzte vor Stolz. „Das hat außer mir niemand“, sagte sie zu Wilhelm und ging so oft sie konnte erhobenen Hauptes mit ihm spazieren. Eines Tages jedoch war Mohrle auf einmal verschwunden. Keiner wusste, wo er war. Einen Suchtrupp hatte der Vaddl organisiert. Doch weit und breit kein kleiner schwarzer Dackel zu finden. Mit ihrer Freundin Gerda zusammen saßen sie im Korbzimmer, Arm in Arm und weinten hemmungslos. Da kam ein Angestellter eines Abends vom Nachbarort nach Hause, er hatte Verwandte besucht, und sah am Straßenrand einen toten Dackel liegen. Er hatte sofort erkannt, es war Mohrle. Es wurde ein Tierarzt bestellt, der den Dackel abholte und in seiner Praxis untersuchte. Der hatte festgestellt, Mohrle hatte Rattengift gefressen. Er war wohl zu seiner Hundemama ausgebüchst und auf dem Weg dorthin hatte er von dem Rattengift gefressen. Ein schrecklicher Schmerz für Ava. Ihr erster Schmerz im Leben. Doch Ava hatte bald daraufhin einen neuen „Spielkameraden“ zu erwarten. Muddl trug wieder ein Kind unter ihrem Herzen. Obwohl sie es gar nicht wusste. Ihre Regelblutungen waren normal jeden Monat gekommen, wie als wenn nichts sei, doch Muddl fühlte sich immer elender. Sie war, trotz ihrer von Natur vorgesehenen, festeren Gestalt, eine blasse, sehr erschöpfte Frau geworden. Die viele Arbeit während der langen Jahre, ohne Pause? War es die innerste Angst, dass ein Krieg käme? Vaddl bemerkte ihren Zustand ebenfalls und erflehte, dass sie zum Arzt ginge. Nach langem Zögern willigte sie ein. Der Arzt untersuchte Muddl lange und als er die Vorsorge abgeschlossen hatte, lächelte er Muddl freundlich zu. „Tja, liebe Frau“, sagte er, beileibe könne er keine schlimme Krankheit finden, dass was ihren Zustand beeinträchtige, sei das Kind, das unter ihrem Herzen sich Platz geschaffen hatte. Muddl war sprachlos. Sie war schwanger, obwohl sie ihre Tage bekommen hatte. Da fiel ihr ein Stein vom Herzen. Der Arzt verordnete ihr aufbauende Präparate, damit sie wieder zu Kräften käme. Diese Mittel machten Muddl schnell wieder fit, jedoch gewann sie auch unmittelbar an Gewicht und das nicht nur weil sie schwanger war, sondern sie merkte, überall legte ihr Körper zu, die Beine quollen an. Ava freute sich sehr auf das Geschwisterchen. Endlich jemand, der kleiner war als sie. „Das behandle ich wie mein Püppchen“, sagte Ava zu ihrer Freundin Gerda. „Weißt du“, sagte Ava, endlich mal jemand der macht, was ich möchte!“ Gerda lachte laut auf und meinte: „Das tun doch alle anderen Menschen, jeder möchte dir die Wünsche von den Augen ablesen, ich kenne niemanden der nicht dazu bereit wäre, dir alles zu erfüllen!“ Dann lagen die beiden besten Freundinnen sich innig in den Armen und lachten. Der Bruder wurde geboren.... Später wusste man, dass schon neun Tage zuvor der Krieg ausgebrochen war. Der kleine Bub, der wiederum im Hause, bzw. im Schlafzimmer der Eltern, das Licht der Welt erblickte, kam mit einem Karacho zur Welt. Mit anderen Worten, just als der kleine Bruder das Licht der Welt betrat, krachte im Hauruck die Gardinenstange von der Wand. Die Stores fielen zu Boden. Halleluja! Willkommen auf Erden. Nach einer Schreckensfassung, als die Ansässigen, sprich die Hebamme und eine Hausangestellte, die der Hebamme zur Hand ging, die Gardinen zur Seite über einen Sessel warfen, konnte erst der Neuankömmling begrüßt und umsorgt werden. Er wurde gewaschen und gemessen. Dann durften alle ins Schlafzimmer und den Neuankömmling begutachten. Dieser wurde in ein Steckkissen gestopft und in die Wiege gelegt, wie die anderen Geschwister vor ihm auch. Die Muddl hatte in Auftrag gegeben, dass für jedes ihrer Kinder zur Feier des Ereignisses eine Tafel Schokolade in die Wiege gelegt werden sollte. Das war eine Freude. Das Geschwisterchen war schnell ein Riesenkind geworden und mächtig schwer. Ein fester, gigantischer Geselle, namens Joachim. Ava kümmerte sich rührend um ihn. Sie ging ihrer Mutter hilfreich zur Hand und sie wusste bereits da, „ich will auch Kinder haben, das ist ja toll, so einen kleinen Menschen zu umsorgen“, vertraute sie sich ihrer Mutter an, während sie eng gekuschelt bei ihrer Mama am Bettrand saß. Es sollte auch so geschehen. Als ihr Brüderchen größer wurde und schon laufen konnte, da führte sie ihn immer heimlich in ihr Zimmer, packte ihn mit aller Kraft zusammen und legte ihn in ihr Puppenbettchen zum Schlafen. Joachim blieb auch liegen; er schlief sogar ein und Ava setzte sich zufrieden neben ihn auf einen Kinderstuhl und beobachtete ihn dabei. Sie holte sich ein Strickzeug dazu; Handarbeiten war eines ihrer Lieblingsbeschäftigungen geworden. Darin war sie dann später in der Schule auch Klassenbeste. Nichts und niemand konnte sie in diesem Moment glücklicher machen, als solche Augenblicke.Ava hatte sich das Handarbeiten schon früh von den Angestellten im Hause abgekuckt. Ihre Eltern hatten ja auch mehrere Näherinnen eigens nur für ihr Gut angeheuert. Davon eine Näherin fürs Feine. Tischdekorationen und die vornehmen Kleider der Muddl, sowie Festtagsbekleidung für Ava fertigte diese an und nicht zu vergessen, die Maßanzüge des Vaddls und die der Brüder für edle Gesellschaften. Das war deren Aufgabe. Die anderen beiden Näherinnen waren ausschließlich damit beschäftigt, Säcke zu nähen, die Kleidung der Angestellten anzufertigen, sowie die täglich anfallenden Flickarbeiten für die gesamte Wäsche in Ordnung zu bringen. Man würde sagen: „Sie waren alle vollauf beschäftigt.“Als Joachim dann einmal nicht schlafend im Puppenbettchen lag, gab er Ava pausenlos das Zeichen: „Ich sehne mich nach Liebe! Kannst du mich küssen? Knuddeln? Bringst du mir etwas zu spielen? Bringst du mir etwas zu trinken?“ und das bestätigte Ava immerfort, „Kinder, ja, Kinder“, das ist Meins, das ist etwas für mich. Das gibt mir das große Glück und es bestätigte ihr Vorhaben nochmals für spätere Eigene. Das Gefühl „gebraucht“ zu werden. Das war es. Schon bei ihrem kleinen Joachim dachte sie somit heimlich: „Das ist mein Kind“. Er fand das nur toll. Sie war ja für ihn die Große, Wissende, Kümmernde. Ava konnte Joachim ja auch ihre geheimsten Wünsche anvertrauen. „Ich will auch, wenn ich groß bin, einmal Gutssekretärin werden! Dann kann ich das Ganze einmal verwalten, was in einem so großen Betrieb vor sich geht, ich habe den Überblick des Unternehmens, nichts passiert ohne mein Wissen!“ schmunzelte sie ihrem Joachim zu. „Ich bin dann eine richtig wichtige Person, nicht nur für „Vaddl“ und „Muddl“, sondern vielleicht sogar für andere Höfe auch, juhu!“ sang sie vor sich hin und war sich ihrer Sache völlig sicher. Ava lernte sehr schnell die umfassenden Aufgabenbereiche eines so komplexem Ansehens kennen. Sie wuchs ja sozusagen hinein. Dies war ja nicht nur die Verwaltung der Angestellten, sondern dem eigenen Unternehmen war auch noch ein Fuhrunternehmen angeschlossen. Hier gab es Arbeiter, die mit den Kutschen Kohle und Sand transportierten. Auch Eisschollen wurden für die Kühlschränke der Brauereien und Gastronomie ausgefahren. „Merk` dir das, sagte Ava voller Stolz zu ihrem kleinen Joachim. „Das Bier dürfen wir nicht vergessen“, argumentierte Ava vor sich hin, nein, eher zu Joachim, sie war ja die schlaue Lehrerin, die das alles weitergeben konnte. „Wir fahren auch das Bier, für die Gasthöfe, die Menschen brauchen uns, die haben ja Durst und wenn es unsere Eltern nicht gäbe, wer würde dann verantworten, dass die Postsäcke aufs Land gebracht würden?“ Zusätzlich bestellt unser Vaddl noch die Äcker, die im Eigentum der Stadt sind! Wenn man so angesehen ist, dann übernimmt man auch gerne die Aufgaben Hochzeiten zu fahren, oder Taufen, Konfirmationen und Kommunionen. Unsere Eltern lassen die Kutschen, je nach Anlass fein heraus schmücken. Auch für die Trauerfeierlichkeiten des Ortes übernimmt unsere Familie die Verantwortung, das Geleit passend zu kreieren.“Einer der tollsten Sachen, lieber kleiner Joachim, darfst du nicht vergessen, im Winter wird die Jagd auf unseren Feldern abgehalten, das ist eine Ehre. Für unsere Pferde ist das eine riesige Freude, die wollen sich in der kalten Jahreszeit auch viel bewegen.“So wurde der Familien jüngste allmählich in die Geschäfte und die Wichtigkeit seiner großen Herkunft eingewiesen.„Ist unsere Kindheit nicht wunderbar und bedingungslos schön“, fragte Ava oft ihre vier Brüder, als es wieder einmal darum ging, ob zum Spazierfahren im Sommer der Jagdwagen eingespannt werden sollte, oder doch lieber der Planwagen fürs Regenwetter, weil sich einige Wolken am Himmel auf taten und die Entscheidung, ob zu oder offen zu fahren, einer der größten Entscheidungen in so einem gesegneten Kinderleben, waren. Sowie im Winter, ob nun ihre Kinderrodel an das Schlittengespann der Pferde gehängt werden sollten, oder eben doch nicht. Schließlich gab es ab und zu abschüssige Feldwege, um dort voller Freude die Abhänge herunter rasen zu können. Wenn keine Ausflüge, dann konnte Ava immer nachfragen, ob ihre Klavierlehrerin nicht bereit wäre, ihr Stunden zu geben. Damit sie bei gesellschaftlichen Anlässen, wie Geburtstage, Weihnachten, oder Ostern, der Familie etwas vorspielen konnte. Selbst das Helfen am Hof war für die Kinder der reinste Traum. Es war ja ihres und für alle immer eine Ehre am Gemeinsamen teilzuhaben. Ob es das Ernteeinbringen war, beispielsweise der Zuckerrüben, oder anderer Getreidesorten. Oder ob das Getreide gedroschen werden musste, alle waren dabei. Es war ja auch immer etwas anderes. Jeden Tag eine andere Überraschung des Lebens. Sogar Sirup wurde am Hause eingekocht, das war speziell etwas für Ava, „ich kann dann besonders viel naschen“, scherzte sie zu ihrer Freundin Gerda, die wenn sie im Hause war, einfach immer mit half. Das ganze Jahr ein bunter Reigen an Vielfalt. Einer der lustigsten Arbeiten war das Federn schleißen. „Da sieht`s aus wie bei Frau Holle“, lachte Ava und steckte sich Federn hinter die Ohren. Sollte es wirklich einmal geben, dass nicht so viele Hände benötigt wurden, dann klemmte sich Ava eine ihrer Handarbeiten unter dem Arm, am liebsten Stricken, und machte es sich wieder in ihrem hübschen Korbzimmer bequem. Und einer der tollsten Sachen, wo die Kinder das ganze Jahr darauf warteten, war, die Muddl fuhr jedes Jahr mit ihren Kindern und den Angestellten, die sie einlud, zur Belohnung mit mehreren Pferdegespannen in die Großstadt Breslau, um den Zirkus zu besuchen. So hätte alles wunderbar weiter gehen können…………