Ist Banquo fort vom Hof?
Ja, Herrin, doch er kommt zurück heut abend.
Dem König meld, ich lasse ihn ersuchen
Um wenge Augenblicke.
Ich gehorche.
Nichts ist gewonnen, alles ist dahin,
Stehn wir am Ziel mit unzufriednem Sinn:
Viel sichrer, das zu sein, was wir zerstört,
Als daß Zerstörung schwankend Glück gewährt.
Nun, teurer Freund, was bist du so allein
Und wählst nur trübe Bilder zu Gefährten?
Gedanken hegend, die doch tot sein sollten,
Wie jen', an die sie denken. Was unheilbar,
Vergessen sei's! Geschehn ist, was geschehn.
Verwundet ward die Schlange, nicht getötet;
Sie heilt und bleibt dieselb, indes ihr Zahn
Wie sonst gefährdet unsre arme Bosheit.
Doch ehe soll der Dinge Bau zertrümmern,
Die beiden Welten schaudern, eh wir länger
In Angst verzehren unser Mahl und schlafen
In der Bedrängnis solcher grausen Träume,
Die uns allnächtlich schütteln. Lieber bei
Dem Toten sein, den, Frieden uns zu schaffen,
Zum Frieden wir gesandt, als auf der Folter
Der Seel in ruheloser Qual zu zucken.
Duncan ging in sein Grab,
Sanft schläft er nach des Lebens Fieberschauern.
Sein Ärgstes tat Verrat: nicht Gift noch Dolch,
Einheimsche Bosheit, fremder Anfall, nichts
Kann ferner ihn berühren.
O laß gut sein,
Mein liebster Mann, nun glätte deine Miene,
Sei froh und munter heut mit deinen Gästen!
Das will ich, Liebe, und sei's bitte auch!
Vor allem wend auf Banquo deine Sorgfalt
Und schenk ihm Auszeichnung mit Wort und Blick.
Unsicher noch sind wir genötigt, so
Zu baden unsre Würd in Schmeichelströmen;
Daß unser Antlitz Larve wird des Herzens,
Verbergend, was es ist.
Du mußt das lassen!
Oh, von Skorpionen voll ist mein Gemüt!
Du weißt, Geliebte, Banquo lebt und Fleance.
Doch gilt nicht ewig ihres Lebens Lehnsbrief.
Ja, das ist Trost: man kann noch an sie kommen;
Drum sei du fröhlich! Eh die Fledermaus
Geendet ihren klösterlichen Flug,
Eh, auf den Ruf der dunkeln Hekate,
Der hornbeschwingte Käfer, schläfrig summend,
Die nächtge Schlummerglocke hat geläutet,
Ist eine Tat geschehn furchtbarer Art.
Was hast du vor?
Unschuldig bleibe, Kind, und wisse nichts,
Bis du der Tat kannst Beifall rufen. Komm
Mit deiner dunklen Binde, Nacht, verschließe
Des mitleidvollen Tages zartes Auge,
Streich durch mit unsichtbarer, blutger Hand
Und reiß in Stücke jenen großen Lehnsbrief,
Der meine Wangen bleicht! – Das Licht wird trübe,
Die Kräh erhebt den Flug zum dunstigen Wald;
Zum Schlaf duckt sich des Tages gute Welt,
Indes schwarz Nachtzeug seine Beut anfällt.
Du staunst mich an? Still! – Sündentsproßne Werke
Erlangen nur durch Sünden Kraft und Stärke.
So bitte, geh mit mir!
Wer aber hieß dich zu uns stoßen?
Macbeth.
Man braucht ihm nicht zu mißtraun; denn er kennt
Unser Geschäft, das man uns aufgetragen,
Und weiß genau Bescheid.
So bleib bei uns.
Der West glimmt noch von schwachen Tagesstreifen,
Der Reiter spornt nun eilger durch die Dämmrung,
Zur Schenke noch zu kommen, und schon naht
Der, den wir hier erwarten.
Pferde! – Horcht!
Heda, bringt Licht!
Er muß es sein; die andern,
Die noch erwartet wurden, sind schon alle
Im Schloß.
Die Pferde machen einen Umweg.
Fast eine Meile; und er geht gewöhnlich,
Wie jeder tut, von hier bis an das Schloßtor
Zu Fuß.
Ein Licht!
Er ist es.
Macht euch dran!
So mag er fallen!
Weh mir! Verrat! Flieh, guter Fleance, flieh, flieh!
Du kannst mein Rächer sein. – O Schurke!
Wer schlug das Licht aus?
Wars nicht wohl getan?
Nur einer liegt; der Sohn entfloh.
So ist
Die beste Hälfte unsrer Müh verloren.
Gut, gehn wir denn und melden, was getan.
Prunksaal im Schloß, gedeckte Tafel)
Ihr kennt selbst euren Rang: nehmt Platz! Willkommen
Seid ein für allemal!
Dank Euer Hoheit!
Wir wollen Uns in die Gesellschaft mischen
Als aufmerksamer Wirt. Die Wirtin nahm
Schon ihren Sitz; doch mit Vergünstigung
Ersuchen Wir um ihren Gruß und Willkomm.
Sprich ihn für mich zu allen unsern Freunden;
Denn herzlich heiß ich alle sie willkommen.
Sieh, ihres Herzens Dank kommt dir entgegen.
Gleich voll sind beide Seiten. Hier will ich
Mich in die Mitte setzen.
Ungehemmt
Sei nun die Lust; gleich soll der Becher kreisen. —
Auf deiner Stirn ist Blut.
So ist es Banquos.
Viel besser draußen an dir, als in ihm drinnen!
So ist er abgetan?
Herr, seine Kehle
Ist durchgeschnitten. Das tat ich für ihn.
Du bist der beste Kehlabschneider; doch
Auch der ist gut, der das für Fleance getan;
Warst du's, so hast du deinesgleichen nicht.
Mein königlicher Herr, Fleance ist entwischt.
So bin ich wieder krank; sonst wär gesund ich
Und stark wie Marmor, fest wie Fels gegründet,
Weit, allgemein, wie Luft und Windeshauch;
Doch jetzt bin ich umschränkt, gepfercht, umpfählt,
Geklemmt von niederträchtger Furcht und Zweifeln.
Doch Banquo ist uns sicher?
Ja, teurer Herr, im Graben liegt er sicher:
In seinem Kopfe zwanzig tiefe Wunden,
Die kleinst ein Lebenstod.
Nun, Dank! Da liegt
Die ausgewachsne Schlange; das entflohne
Gewürm ist giftig einst, nach seiner Art;
Doch zahnlos jetzt. – Nun mach dich fort; auf morgen
Vernehm ich mehr.
Mein königlicher Herr,
Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil,
Wird nicht das Mahl durch Freundlichkeit gewürzt,
Durch Willkomm erst geschenkt. Man speist am besten
Daheim; doch auswärts macht die Höflichkeit
Den Wohlgeschmack der Speisen; nüchtern wäre
Gesellschaft sonst.
Du holde Mahnerin! —
Nun, auf die Eßlust folg ein gut Verdauen,
Gesundheit beiden!
Gefällt es Eurer Hoheit, sich zu setzen?
Beisammen wär uns hier des Landes Adel,
Wenn unser Freund nicht, unser Banquo, fehlte;
Doch möcht ich lieber ihn unfreundlich schelten,
Als eines Unfalls wegen ihn bedauern.
Da er nicht kommt, verletzt er sein Versprechen.
Gefällts Eur Majestät, uns zu beglücken,
Indem Ihr Platz in unsrer Mitte nehmt?
Die Tafel ist voll.
Hier ist ein Platz noch.
Wo?
Hier, teurer König. Was erschreckt Eur Hoheit?
Wer von euch tat das?
Was, mein guter Herr?
Du kannst nicht sagen, daß ichs tat! O schüttle
Nicht deine blutgen Locken gegen mich!
Steht auf, Ihr Herrn, dem König ist nicht wohl.
Bleibt sitzen, Herrn, der König ist oft so
Und wars von Jugend an – o steht nicht auf!
Schnell geht vorbei der Anfall, augenblicks
Ist er dann wohl. Beachtet Ihr ihn viel,
So reizt Ihr ihn, und länger währt das Übel.
Eßt, seht ihn gar nicht an. – Bist du ein Mann?
Ja, und ein kühner, der das wagt zu schauen,
Wovor der Teufel blaß wird.
Schönes Zeug!
Das sind die wahren Bilder deiner Furcht;
Das ist der luftge Dolch, der, wie du sagtest,
Zu Duncan dich geführt! – Ha, dieses Zucken,
Dies Starrn, Nachäffung wahren Schrecks, sie paßten
Zu einem Weibermärchen am Kamin, Bestätigt von
Großmütterchen. – O schäm dich!
Was machst du für Gesichter, denn am Ende
Schaust du nur auf 'nen Stuhl.
Ich bitt dich, sieh, blick auf, schau an! – Was sagst du?
Ha, meinethalb! Wenn du kannst nicken, sprich auch!
Wenn Grab und Beingewölb uns wiederschickt,
Die wir begruben, sei der Schlund der Geier
Uns Totengruft!
Was! Ganz entmannt von Torheit!
So wahr ich leb, ich sah ihn!
O der Schmach!
Blut ward auch sonst vergossen, schon vor alters,
Eh menschlich Recht den frommen Staat verklärte,
Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord,
Zu schrecklich für das Ohr: da wars doch so,
Daß, war das Hirn heraus, der Mann auch starb,
Und damit gut. Doch heute stehn sie auf,
Mit zwanzig Todeswunden an den Köpfen,
Und stoßen uns von unsern Stühlen: Das
Ist wohl seltsamer noch als solch ein Mord.
Mein König, Ihr entzieht Euch Euren Freunden.
Ha, ich vergaß!
Staunt über mich nicht, meine würdgen Freunde;
Ich hab ein seltsam Übel, das nichts ist
Für jene, die mich kennen. Allen Wohlsein
Und Lieb! Ich will mich setzen. Wein! Füllt voll!
Und Banquos, unsers Freunds, den wir vermissen.
Wär er doch hier! Sein Wohlergehen wie aller
Trink ich: Ihm, Euch!
Wir danken pflichtergeben.
Aus meinen Augen! – Weg! – Die Erd verberg dich!
Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt,
Du hast kein Anschaun mehr in diesen Augen,
Mit denen du so stierst.
Nehmt dies, Ihr Herrn,
Als was Alltägliches, nichts weiter ists;
Nur daß es uns des Abends Lust verdirbt.
Was einer wagt, wag ich!
Komm du mir nah als zottger russischer Bär,
Geharnischt Nashorn, Tiger aus Hyrkanien,
Nimm jegliche Gestalt, nur diese nicht —
Nie werden meine festen Nerven beben.
Oder sei lebend wieder, fordre mich
In eine Wüst aufs Schwert; verkriech ich mich
Dann zitternd, ruf mich aus als Dirnenpuppe!
Hinweg, gräßlicher Schatten,
Unkörperliches Blendwerk, fort!
Ha, so!
Du nicht mehr da, nun bin ich wieder Mann. —
Ich bitte, steht nicht auf!
Ihr habt die Lust
Verscheucht und die Geselligkeit gestört
Durch höchst fremdartge Grillen.
Kann solch Wesen
An uns vorüberziehn wie Sommerwolken,
Ohn unser mächtig Staunen? Ihr entfremdet
Mich meinem eignen Selbst, bedenk ich jetzt,
Daß ihr anschaut Gesichte solcher Art,
Und doch die Röte eurer Wangen bleibt,
Wenn Schreck die meinen bleicht.
Was für Gesichte?
Ich bitt Euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer;
Fragen bringt ihn in Wut. Gut Nacht mit eins!
Beim Weggehn haltet nicht auf Euern Rang,
Geht all zugleich!
Wir wünschen Eurer Hoheit
Gut Nacht und beßres Wohl.
Gut Nacht Euch allen!
Es fordert Blut, sagt man; Blut fordert Blut.
Man sah, daß Fels sich regt' und Bäume sprachen,
Auguren haben durch Geheimnis-Deutung
Von Elstern, Krähn und Dohlen ausgefunden
Den tief verborgnen Mörder. – Wie weit ist die Nacht?
Im Kampf fast mit dem Tag, ob Nacht, ob Tag.
Was sagst du, daß Macduff zu kommen weigert
Auf unsre Ladung?
Sandtest du nach ihm?
Ich hörts von ungefähr; doch will ich senden.
Kein einzger, in des Haus mir nicht bezahlt
Ein Diener lebte. Morgen will ich hin
Und in der Frühe zu den Zauberschwestern;
Sie sollen mehr mir sagen, denn gespannt
Bin ich, das Schlimmst auf schlimmstem Weg zu wissen.
Zu meinem Vorteil muß sich alles fügen;
Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen,
Daß, wollt ich nun im Waten stillestehn,
Rückkehr so schwierig war als durchzugehn.
Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand
Und muß getan sein, eh noch recht erkannt.
Dir fehlt die Würze aller Wesen, Schlaf.
Zu Bett! – Daß selbstgeschaffnes Graun mich quält,
Ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt.
Wahrlich, wir sind zu jung nur.
Was gibt es, Hekate, warum so zornig?
Ihr garstgen Vetteln, hab ich denn nicht recht?
Da ihr euch, dreist und unverschämt, erfrecht
Und treibt mit Macbeth euren Spuk,
In Rätselkram, in Mord und Trug?
Und ich, die Meistrin eurer Kraft,
Die alles Unheil wirkt und schafft,
Mich bat man nicht um meine Gunst,
Zu Ehr und Vorteil unsrer Kunst?
Und, schlimmer noch: was ihr getan,
Nützt nur dem eigensinnigen Mann,
Voll Tück und Grimm. Wie alle Welt
Ers nur mit sich, mit euch nicht hält.
Das bessert nun! Macht euch davon,
Und an dem Pfuhl des Acheron
Trefft morgen früh mich! Er kommt hin,
Zu hören seines Schicksals Sinn.
Mit Hexenspuk und Sprüchen seid
Und jedem Zauberkram bereit.
Ich muß zur Luft hinauf; die Nacht
Wird auf ein Unheilswerk verbracht;
Groß Werk vor Mittag werden soll.
Ein Tropfen, giftger Dünste voll,
An einem Horn des Mondes blinkt,
Den fang ich, eh er niedersinkt;
Der, destilliert mit Zauberflüchen,
Ruft Geister, die mit listgen Sprüchen
Ihn mächtig täuschen, daß Betörung
Ihn treibt zu eigener Zerstörung.
Schicksal und Tod soll er verachten,
Nicht kennen Furcht, nach Gnad nicht trachten.
Ihr wißt es ja, daß Sicherheit
Des Menschen Erbfeind jederzeit. (Musik hinter der
Szene. Gesang: "Komm hinfort, komm hinfort" etc.)
[Fort jetzt] Hört zu! Dort sitzt mein kleiner Geist, o schaut,
In einer dunkeln Wolk und ruft mich laut.
Komm herbei, komm herbei!
Hekate, o komm herbei!
Ich komm, ich komm, ich komme!
So schnell ich immer kann!
So schnell ich immer kann!]] (Ab.)
Fort, laßt uns eilen; bald kommt sie zurück.
Mein Wort berührt nur leicht, was Ihr gedacht;
Sinnt ferner drüber nach. Ich sage nur,
Seltsam gings zu: der gnadenreiche Duncan
Ward von Macbeth beklagt. Nun, er war tot!
Der wackre Banquo ging zu spät noch aus.
Wollt Ihr, so könnt Ihr sagen: Fleance erschlug ihn,
Denn Fleance entfloh. Man muß so spät nicht ausgehn.
Wer kann wohl anders, als es schändlich finden,
Daß Donalbain und Malcolm töteten
Den gnadenreichen Vater? Höllsche Untat!
Wie grämte Macbeth sich! Erschlug er nicht
In frommer Wut die beiden Täter gleich,
Die weinbetäubt und schlaf versunken waren?
Wars edel nicht getan? Ja, klüglich auch;
Denn jedes Menschen Seel hätt es empört,
Ihr Leugnen anzuhören. Also sag ich,
Alles verfügt' er wohl. So denk ich auch,
Hätt Duncans Söhn er hinter Schloß und Riegel
– Was, mit des Himmels Hülfe, nie geschehn soll – ,
Sie würden fühlen, was es sagen will,
Den Vater zu ermorden; so auch Fleance.
Doch still, für dreiste Wort, und weil er ausblieb
Beim Feste des Tyrannen, fiel Macduff
In Ungunst, wie ich hör. Wißt Ihr, wo Malcolm
Sich aufhält?
Duncans Sohn, durch den Tyrannen
Beraubt des Erbrechts, lebt an Englands Hof,
Wo ihn der fromme Eduard aufgenommen,
So huldreich, daß des Glückes Bosheit nichts
Ihm raubt an Achtung. Dorthin will Macduff,
Des heilgen Königs Hülfe zu erbitten,
Daß er Northumberland und Siward sende,
Damit durch ihren Beistand, nächst dem Schutz
Des Himmels, wir von neuem schaffen mögen
Den Tafeln Speis und unsern Nächten Schlaf,
Fest und Bankett befrein von blutgen Messern,
Mit Treuen huldgen, freie Ehr empfangen,
Was alles uns jetzt fehlt; und diese Nachricht
Hat so den König aufgeregt, daß er
Zum Kriege rüstet.
Sandte er zu Macduff?
Ja; doch mit einem kurzen "Herr, nicht ich"
Schickt er den finstern Boten heim; der murmelt,
Als wollt er sagen: Ihr bereut die Stunde,
Die mich beschwert mit dieser Antwort.
Dien ihm
Als Warnung das, so fern zu bleiben, wie
Ihm seine Weisheit rät. Ein heilger Engel
Flieg zu dem Hof von England und verkünde
Die Botschaft, eh er kommt, daß Segen schnell
Dies Land erfreue, von verfluchter Hand
So hart gedrückt!
Auch mein Gebet sei mit ihm!