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Julius Caesar

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Zweite Szene

Vor Brutus' Zelte im Lager nahe bei Sardes Trommeln werden gerührt. Brutus, Lucilius, Lucius und Soldaten treten auf. Pindarus und Titinius kommen ihnen entgegen

Brutus
 
Halt!
 
Lucilius
 
He! Gebt das Wort und haltet.
 
Brutus
 
Was gibt's, Lucilius? Ist Cassius nahe?
 
Lucilius
 
Er ist nicht weit, und hier kommt Pindarus,
Im Namen seines Herrn Euch zu begrüßen.
 

(Pindarus überreicht dem Brutus einen Brief.)

Brutus
 
Sein Gruß ist freundlich. Wißt, daß Euer Herr,
Von selbst verändert oder schlecht beraten,
Mir gültgen Grund gegeben, ungeschehn
Geschehenes zu wünschen. Aber ist er
Hier in der Näh, so wird er mir genugtun.
 
Pindarus
 
Ich zweifle nicht, voll Ehr und Würdigkeit
Wird, wie er ist, mein edler Herr erscheinen.
 
Brutus
 
Wir zweifeln nicht an ihm. – Ein Wort, Lucilius:
Laßt mich erfahren, wie er Euch empfing.
 
Lucilius
 
Mit Höflichkeit und Ehrbezeugung gnug,
Doch nicht mit so vertrauter Herzlichkeit,
Nicht mit so freiem, freundlichem Gespräch,
Als er vordem wohl pflegte.
 
Brutus
 
Du beschreibst,
Wie warme Freund' erkalten. Merke stets
Lucilius, wenn Lieb erkrankt und schwindet,
Nimmt sie gezwungne Höflichkeiten an.
Einfältge, schlichte Treu weiß nichts von Künsten;
Doch Gleisner sind wie Pferde, heiß im Anlauf:
Sie prangen schön mit einem Schein von Kraft;
Doch sollen sie den blutgen Sporn erdulden,
So sinkt ihr Stolz, und falschen Mähren gleich
Erliegen sie der Prüfung. – Naht sein Heer?
 
Lucilius
 
Sie wollten Nachtquartier in Sardes halten.
Der größte Teil, die ganze Reiterei
Kommt mit dem Cassius.
 

(Ein Marsch hinter der Szene.)

Brutus
 
Horch! Er ist schon da.
Rückt langsam ihm entgegen.
Cassius tritt auf mit Soldaten.
 
Cassius
 
Halt!
 
Brutus
 
Halt! Gebt das Befehlswort weiter.
 

(Hinter der Szene: Halt! – Halt! – Halt!)

Cassius
 
Ihr tatet mir zu nah, mein edler Brutus.
 
Brutus
 
Ihr Götter, richtet! Tu ich meinen Feinden
Zu nah? und sollt ich's meinem Bruder tun?
 
Cassius
 
Brutus, dies Euer würdiges Benehmen
Deckt Unrecht zu, und wenn Ihr es begeht —
 
Brutus
 
Seid ruhig, Cassius! bringet leise vor,
Was für Beschwerd Ihr habt. – Ich kenn Euch wohl.
Im Angesicht der beiden Heere hier,
Die nichts von uns als Liebe sehen sollten,
Laßt uns nicht hadern. Heißt hinweg sie ziehn;
Führt Eure Klagen dann in meinem Zelt;
Ich will Gehör Euch geben.
 
Cassius
 
Pindarus,
Heißt unsre Obersten ein wenig weiter
Von diesem Platz hinweg die Scharen führen.
 
Brutus
 
Tut Ihr das auch, Lucilius. Laßt niemand,
Solang die Unterredung dauert, ein.
Laßt Lucius und Titinius Wache stehn. (Alle ab.)
 

Dritte Szene

Im Zelte des Brutus Lucius und Titinius in einiger Entfernung davon. Brutus und Cassius treten auf

Cassius
 
Eur Unrecht gegen mich erhellet hieraus:
Ihr habt den Lucius Pella hart verdammt,
Weil er bestochen worden von den Sardern;
Mein Brief, worin ich mich für ihn verwandt,
Weil ich ihn kenne, ward für nichts geachtet.
 
Brutus
 
Ihr tatet Euch zu nah, in solchem Fall zu schreiben.
 
Cassius
 
In solcher Zeit, wie diese, ziemt es nicht,
Daß jeder kleine Fehl bekrittelt werde.
 
Brutus
 
Laßt mich Euch sagen, Cassius, daß Ihr selbst
Verschrien seid, weil Ihr hohle Hände macht,
Weil Ihr an Unverdiente Eure Ämter
Verkauft und feilschet.
 
Cassius
 
Mach ich hohle Hände?
Ihr wißt wohl, Ihr seid Brutus, der dies sagt,
Sonst, bei den Göttern! wär dies Wort Eur letztes.
 
Brutus
 
Des Cassius Name adelt die Bestechung,
Darum verbirgt die Züchtigung ihr Haupt.
 
Cassius
 
Die Züchtigung!
 
Brutus
 
Denkt an den März, denkt an des Märzen Idus!
Hat um das Recht der große Julius nicht
Geblutet? Welcher Bube legt' an ihn
Die Hand wohl, schwang den Stahl, und nicht ums Recht?
Wie? Soll nun einer derer, die den ersten
Von allen Männern dieser Welt erschlugen,
Bloß, weil er Räuber schützte: sollen wir
Mit schnöden Gaben unsre Hand besudeln?
Und unser Würden weiten Kreis verkaufen
Für soviel Plunders, als man etwa greift?
Ein Hund sein lieber und den Mond anbellen,
Als solch ein Römer!
 
Cassius
 
Brutus, reizt mich nicht!
Ich will's nicht dulden. Ihr vergeßt Euch selbst,
Wenn Ihr mich so umzäunt; ich bin ein Krieger,
Erfahrner, älter, fähiger als Ihr,
Bedingungen zu machen.
 
Brutus
 
Redet nur, —
Ihr seid es doch nicht, Cassius.
 
Cassius
 
Ich bin's.
 
Brutus
 
Ich sag, Ihr seid es nicht.
 
Cassius
 
Drängt mich nicht mehr, ich werde mich vergessen;
Gedenkt an Euer Heil, reizt mich nicht länger.
 
Brutus
 
Geht, leichtgesinnter Mann!
 
Cassius
 
Ist's möglich?
 
Brutus
 
Hört mich an, denn ich will reden.
Muß ich mich Eurer jähen Hitze fügen?
Muß ich erschrecken, wenn ein Toller starrt?
 
Cassius
 
Ihr Götter! Götter! muß ich all dies dulden?
 
Brutus
 
All dies? Noch mehr! Ergrimmt, bis es Euch birst,
Das stolze Herz. Geht, zeiget Euren Sklaven,
Wie rasch zum Zorn Ihr seid, und macht sie zittern.
Muß ich beiseit mich drücken? muß den Hof
Euch machen? Muß ich dastehn und mich krümmen
Vor Eurer krausen Laune? Bei den Göttern!
Ihr sollt hinunterwürgen Euren Gift,
Und wenn Ihr börstet; denn von heute an
Dient Ihr zum Scherz, ja zum Gelächter mir,
Wenn Ihr Euch so gebärdet.
 
Cassius
 
Dahin kam's?
 
Brutus
 
Ihr sagt, daß Ihr ein beßrer Krieger seid:
Beweist es denn, macht Euer Prahlen wahr.
Es soll mir lieb sein; denn, was mich betrifft,
Ich werde gern von edlen Männern lernen.
 
Cassius
 
Ihr tut zu nah, durchaus zu nah mir, Brutus.
Ich sagt, ein ältrer Krieger, nicht ein beßrer.
Sagt ich, ein beßrer?
 
Brutus
 
Und hättet Ihr's gesagt, mir gilt es gleich.
 
Cassius
 
Mir hätte Cäsar das nicht bieten dürfen.
 
Brutus
 
O schweigt! Ihr durftet ihn auch nicht so reizen.
 
Cassius
 
Ich durfte nicht?
 
Brutus
 
Nein.
 
Cassius
 
Wie? Durft ihn nicht reizen?
 
Brutus
 
Ihr durftet es für Euer Leben nicht.
 
Cassius
 
Wagt nicht zuviel auf meine Liebe hin,
Ich möchte tun, was mich nachher gereute.
 
Brutus
 
Ihr habt getan, was Euch gereuen sollte.
Eur Drohn hat keine Schrecken, Cassius;
Denn ich bin so bewehrt durch Redlichkeit,
Daß es vorbeizieht wie der leere Wind,
Der nichts mir gilt. Ich sandte hin zu Euch
Um eine Summe Golds, die Ihr mir abschlugt.
Ich kann kein Geld durch schnöde Mittel heben.
Beim Himmel! lieber prägt ich ja mein Herz
Und tröpfelte mein Blut für Drachmen aus
Als daß ich aus der Bauern harten Händen
Die jämmerliche Habe winden sollte
Durch irgendeinen Schlich. – Ich sandt um Gold zu Euch,
Um meine Legionen zu bezahlen;
Ihr schlugt mir's ab: war das, wie Cassius sollte?
Hätt ich dem Cajus Cassius so erwidert?
Wenn Marcus Brutus je so geizig wird,
Daß er so lumpge Pfennige den Freunden
Verschließt, dann rüstet eure Donnerkeile,
Zerschmettert ihn, ihr Götter!
 
Cassius
 
Ich schlug es Euch nicht ab.
 
Brutus
 
Ihr tatet es.
 
Cassius
 
Ich tat's nicht; der Euch meine Antwort brachte,
War nur ein Tor. – Brutus zerreißt mein Herz —
Es sollt ein Freund des Freundes Schwächen tragen,
Brutus macht meine größer, als sie sind.
 
Brutus
 
Das tu ich nicht, bis Ihr damit mich quält.
 
Cassius
 
Ihr liebt mich nicht.
 
Brutus
 
Nicht Eure Fehler lieb ich.
 
Cassius
 
Nie konnt ein Freundesaug dergleichen sehn.
 
Brutus
 
Des Schmeichlers Auge säh sie nicht, erschienen
Sie auch so riesenhaft wie der Olymp.
 
Cassius
 
Komm, Mark Anton, und komm, Octavius, nur!
Nehmt eure Rach allein am Cassius;
Denn Cassius ist des Lebens überdrüssig,
Gehaßt von einem, den er liebt; getrotzt
Von seinem Bruder; wie ein Knecht gescholten.
Man späht nach allen meinen Fehlern, zeichnet
Sie in ein Denkbuch, lernt sie aus dem Kopf,
Wirft sie mir in die Zähne. – Oh, ich könnte
Aus meinen Augen meine Seele weinen!
Da ist mein Dolch, hier meine nackte Brust;
Ein Herz drin, reicher als des Plutus Schacht,
Mehr wert als Gold; wo du ein Römer bist,
So nimm's heraus. Ich, der dir Gold versagt,
Ich biete dir mein Herz. Stoß zu, wie einst
Auf Cäsar! Denn ich weiß, als du am ärgsten
Ihn haßtest, liebtest du ihn mehr, als je
Du Cassius geliebt.
 
Brutus
 
Steckt Euren Dolch ein!
Seid zornig, wenn Ihr wollt: es steh Euch frei!
Tut, was Ihr wollt, Schmach soll für Laune gelten.
O Cassius! einem Lamm seid Ihr gesellt,
Das so nur Zorn hegt wie der Kiesel Feuer,
Der, viel geschlagen, flüchtge Funken zeigt
Und gleich drauf wieder kalt ist.
 
Cassius
 
Lebt ich dazu,
Ein Scherz nur und Gelächter meinem Brutus
Zu sein, wenn Gram und böses Blut mich plagt?
 
Brutus
 
Als ich das sprach, hatt ich auch böses Blut.
 
Cassius
 
Gesteht Ihr soviel ein? Gebt mir die Hand.
 
Brutus
 
Und auch mein Herz.
 
Cassius
 
O Brutus!
 
Brutus
 
Was verlangt Ihr?
 
Cassius
 
Liebt Ihr mich nicht genug, Geduld zu haben,
Wenn jene rasche Laune, von der Mutter
Mir angeerbt, macht, daß ich mich vergesse?
 
Brutus
 
Ja, Cassius; künftig, wenn Ihr allzu streng
Mit Eurem Brutus seid, so denket er,
Die Mutter schmäl aus Euch, und läßt Euch gehn.
 

(Lärm hinter der Szene.)

 
 
Ein Poet (hinter der Szene).
Laßt mich hinein, ich muß die Feldherrn sehn.
Ein Zank ist zwischen ihnen; 's ist nicht gut,
Daß sie allein sind.
 
Lucilius (hinter der Szene)
 
Ihr sollt nicht hinein.
 
Poet (hinter der Szene)
 
Der Tod nur hält mich ab.
Der Poet tritt ein.
 
Cassius
 
Ei nun, was gibt's?
 
Poet
 
Schämt ihr euch nicht, ihr Feldherrn? Was beginnt ihr?
Liebt euch, wie sich's für solche Männer schickt;
Fürwahr, ich hab mehr Jahr' als ihr erblickt.
 
Cassius
 
Ha, ha! wie toll der Zyniker nicht reimt!
 
Brutus
 
Ihr Schlingel, packt Euch! Fort, verwegner Bursch!
 
Cassius
 
Ertragt ihn, Brutus! seine Weis ist so.
 
Brutus
 
Kennt er die Zeit, so kenn ich seine Laune.
Was soll der Krieg mit solchen Schellennarren?
Geh fort, Gesell!
 
Cassius
 
Fort! fort! geh deines Wegs!
 

(Der Poet ab.)

 
Lucilius und Titinius kommen.
 
Brutus
 
Lucilius und Titinius, heißt die Obersten
Auf Nachtquartier für ihre Scharen denken.
 
Cassius
 
Kommt selber dann und bringt mit euch Messala
Sogleich zu uns herein.
 

(Lucilius und Titinius ab.)

Brutus
 
Lucius, eine Schale Weins.
 
Cassius
 
Ich dachte nicht, daß Ihr so zürnen könntet.
 
Brutus
 
O Cassius, ich bin krank an manchem Gram.
 
Cassius
 
Ihr wendet die Philosophie nicht an,
Die ihr bekennt, gebt Ihr zufällgen Übeln Raum.
 
Brutus
 
Kein Mensch trägt Leiden besser. – Portia starb.
 
Cassius
 
Ha! Portia!
 
Brutus
 
Sie ist tot.
 
Cassius
 
Lag das im Sinn Euch, wie entkam ich lebend?
O bittrer, unerträglicher Verlust!
An welcher Krankheit?
 
Brutus
 
Die Trennung nicht erduldend;
Und Gram, daß mit Octavius Mark Anton
So mächtig worden – denn mit ihrem Tod
Kam der Bericht – das brachte sie von Sinnen,
Und wie sie sich allein sah, schlang sie Feuer.
 
Cassius
 
Und starb so?
 
Brutus
 
Starb so.
 
Cassius
 
O ihr ewgen Götter!
Lucius kommt mit Wein und Kerzen.
 
Brutus
 
Sprecht nicht mehr von ihr. – Gebt eine Schale Weins!
Hierin begrab ich allen Unglimpf, Cassius. (Trinkt.)
 
Cassius
 
Mein Herz ist durstig, Euch Bescheid zu tun.
Füllt, Lucius, bis der Wein den Becher kränzt;
Von Brutus' Liebe trink ich nie zuviel. (Trinkt.)
Titinius und Messala kommen.
 
Brutus
 
Herein, Titinius! Seid gegrüßt, Messala!
Nun laßt uns dicht um diese Kerze sitzen
Und, was uns frommt, in Überlegung ziehn.
 
Cassius
 
O Portia, bist du hin!
 
Brutus
 
Nicht mehr, ich bitt Euch!
Messala, seht, ich habe Brief' empfangen,
Daß Mark Anton, mit ihm Octavius,
Heranziehn gegen uns mit starker Macht
Und ihren Heerzug nach Philippi lenken.
 
Messala
 
Ich habe Briefe von demselben Inhalt.
 
Brutus
 
Mit welchem Zusatz?
 
Messala
 
Daß durch Proskription und Achtserklärung
Octavius, Mark Anton und Lepidus
Auf hundert Senatoren umgebracht.
 
Brutus
 
Darüber weichen unsre Briefe ab.
Der meine spricht von siebzig Senatoren,
Die durch die Ächtung fielen; Cicero
Sei einer aus der Zahl.
 
Cassius
 
Auch Cicero?
 
Messala
 
Ja, er ist tot, und durch den Achtsbefehl. —
Kam Euer Brief von Eurer Gattin, Herr?
 
Brutus
 
Nein, Messala.
 
Messala
 
Und meldet Euer Brief von ihr Euch nichts?
 
Brutus
 
Gar nichts, Messala.
 
Messala
 
Das bedünkt mich seltsam.
 
Brutus
 
Warum? Wißt Ihr aus Eurem Brief von ihr?
 
Messala
 
Nein, Herr.
 
Brutus
 
Wenn Ihr ein Römer seid, sagt mir die Wahrheit.
 
Messala
 
Tragt denn die Wahrheit, die ich sag, als Römer:
Sie starb, und zwar auf wunderbare Weise.
 
Brutus
 
Leb wohl denn, Portia! – Wir müssen sterben,
Messala; dadurch, daß ich oft bedacht,
Sie müß einst sterben, hab ich die Geduld,
Es jetzt zu tragen.
 
Messala
 
So trägt ein großer Mann ein großes Unglück.
 
Cassius
 
Durch Kunst hab ich soviel hievon als ihr,
Doch die Natur ertrüg's in mir nicht so.
 
Brutus
 
Wohlan, zu unserm lebenden Geschäft!
Was denkt Ihr? Ziehn wir nach Philippi gleich?
 
Cassius
 
Mir scheint's nicht ratsam.
 
Brutus
 
Euer Grund?
 
Cassius
 
Hier ist er:
Weit besser ist es, wenn der Feind uns sucht;
So wird er, sich zum Schaden, seine Mittel
Erschöpfen, seine Krieger müde machen.
Wir liegen still indes, bewahren uns
In Ruh wehrhaften Stand und Munterkeit.
 
Brutus
 
Den bessern Gründen müssen gute weichen.
Das Land von hier bis nach Philippi hin
Beweist uns nur aus Zwang Ergebenheit,
Denn murrend hat es Lasten uns gezahlt.
Der Feind, indem er durch dasselbe zieht,
Wird seine Zahl daraus ergänzen können
Und uns erfrischt, vermehrt, ermutigt nahn.
Von diesem Vorteil schneiden wir ihn ab,
Wenn zu Philippi wir die Stirn ihm bieten,
Dies Volk im Rücken.
 
Cassius
 
Hört mich, lieber Bruder!
 
Brutus
 
Erlaubt mir gütig! – Ferner müßt Ihr merken,
Daß wir von Freunden alles aufgeboten,
Daß unsre Legionen übervoll
Und unsre Sache reif. Der Feind nimmt täglich zu;
Wir, auf dem Gipfel, stehn schon an der Neige.
Der Strom der menschlichen Geschäfte wechselt;
Nimmt man die Flut wahr, führet sie zum Glück;
Versäumt man sie, so muß die ganze Reise
Des Lebens sich durch Not und Klippen winden.
Wir sind nun flott auf solcher hohen See
Und müssen, wenn der Strom uns hebt, ihn nutzen;
Wo nicht, geht unser schwimmend Gut verloren.
 
Cassius
 
So zieht denn, wie Ihr wollt; wir rücken selbst
Dem Feind entgegen nach Philippi vor.
 
Brutus
 
Die tiefe Nacht hat das Gespräch beschlichen,
Und die Natur muß frönen dem Bedürfnis,
Das mit ein wenig Ruh wir täuschen wollen.
Ist mehr zu sagen noch?
 
Cassius
 
Nein. Gute Nacht!
Früh stehn wir also morgen auf, und fort.
 
Brutus
 
Lucius, mein Schlafgewand! (Lucius ab.) Lebt wohl, Messala!
Gute Nacht, Titinius! Edler, edler Cassius,
Gute Nacht und sanfte Ruh!
 
Cassius
 
O teurer Bruder,
Das war ein schlimmer Anfang dieser Nacht.
Nie trenne solcher Zwiespalt unsre Herzen,
Nie wieder, Brutus.
 
Brutus
 
Alles steht ja wohl.
 
Cassius
 
Nun, gute Nacht!
 
Brutus
 
Gute Nacht, mein guter Bruder!
 
Titinius und Messala
 
Mein Feldherr, gute Nacht!
 
Brutus
 
Lebt alle wohl.
 

(Cassius, Titinius und Messala ab.)

 
 
Lucius kommt zurück mit dem Nachtkleide.
 
Brutus
 
Gib das Gewand, wo hast du deine Laute?
 
Lucius
 
Im Zelte hier.
 
Brutus
 
Wie? Schläfrig? Armer Schelm,
Ich tadle drum dich nicht; du hast dich überwacht.
Ruf Claudius her und andre meiner Leute,
Sie sollen hier im Zelt auf Kissen schlafen.
 
Lucius
 
Varro und Claudius!
Varro und Claudius kommen.
 
Varro
 
Ruft mein Gebieter?
 
Brutus
 
Ich bitt euch, liegt in meinem Zelt und schlaft;
Bald weck ich euch vielleicht, um irgendwas
Bei meinem Bruder Cassius zu bestellen.
 
Varro
 
Wenn's Euch beliebt, wir wollen stehn und warten.
 
Brutus
 
Das nicht! Nein, legt euch nieder, meine Freunde. —
    (Die beiden Diener legen sich nieder.)
Vielleicht verändert noch sich mein Entschluß. —
Sieh, Lucius, hier das Buch, das ich so suchte;
Ich steckt es in die Tasche des Gewandes.
 
Lucius
 
Ich wußte wohl, daß mein Gebieter mir
Es nicht gegeben.
 
Brutus
 
Hab Geduld mit mir,
Mein guter Junge, ich bin sehr vergeßlich.
Hältst du noch wohl die müden Augen auf
Und spielst mir ein paar Weisen auf der Laute?
 
Lucius
 
Ja, Herr, wenn's Euch beliebt.
 
Brutus
 
Das tut's, mein Junge.
Ich plage dich zuviel, doch du bist willig.
 
Lucius
 
Es ist ja meine Pflicht.
 
Brutus
 
Ich sollte dich
Zur Pflicht nicht über dein Vermögen treiben;
Ich weiß, daß junges Blut auf Schlafen hält.
 
Lucius
 
Ich habe schon geschlafen, mein Gebieter.
 
Brutus
 
Du tatest recht und sollst auch wieder schlafen.
Ich will nicht lang dich halten; wenn ich lebe,
Will ich dir Gutes tun.
 

(Musik und ein Lied.)

 
Die Weis ist schläfrig – Mörderischer Schlummer,
Legst du die blei'rne Keul auf meinen Knaben,
Der dir Musik macht? – Lieber Schelm, schlaf wohl,
Ich tu dir's nicht zuleid, daß ich dich wecke;
Nickst du, so brichst du deine Laut entzwei;
Ich nehm sie weg, und schlaf nun, guter Knabe.
Laßt sehn! Ist, wo ich aufgehört zu lesen,
Das Blatt nicht eingelegt? Hier, denk ich, ist's. (Er setzt sich.)
    Der Geist Cäsars erscheint.
Wie dunkel brennt die Kerze! – Ha, wer kommt?
Ich glaub, es ist die Schwäche meiner Augen,
Die diese schreckliche Erscheinung schafft.
Sie kommt mir näher – Bist du irgendwas?
Bist du ein Gott, ein Engel oder Teufel,
Der starren macht mein Blut, das Haar mir sträubt?
Gib Rede, was du bist.
 
Geist
 
Dein böser Engel, Brutus.
 
Brutus
 
Weswegen kommst du?
 
Geist
 
Um dir zu sagen, daß du zu Philippi
Mich sehn sollst.
 
Brutus
 
Gut, ich soll dich wiedersehn?
 
Geist
 
Ja, zu Philippi. (Verschwindet.)
 
Brutus
 
Nun, zu Philippi will ich denn dich sehn.
Nun ich ein Herz gefaßt, verschwindest du;
Gern spräch ich mehr mit dir noch, böser Geist. —
Bursch! Lucius! – Varro! Claudius! wacht auf!
Claudius!
 
Lucius
 
Die Saiten sind verstimmt.
 
Brutus
 
Er glaubt, er sei bei seiner Laute noch.
Erwache, Lucius!
 
Lucius
 
Herr?
 
Brutus
 
Hast du geträumt, daß du so schrieest, Lucius?
 
Lucius
 
Ich weiß nicht, mein Gebieter, daß ich schrie.
 
Brutus
 
Ja doch, was tatst du; sahst du irgendwas?
 
Lucius
 
Nichts auf der Welt.
 
Brutus
 
Schlaf wieder, Lucius. – Heda, Claudius!
Du, Bursch, wach auf!
 
Varro
 
Herr?
 
Claudius
 
Herr?
 
Brutus
 
Weswegen schriet ihr so in eurem Schlaf?
 
Varro und Claudius
 
Wir schrieen, Herr?
 
Brutus
 
Ja, saht ihr irgendwas?
 
Varro
 
Ich habe nichts gesehn.
 
Claudius
 
Ich gleichfalls nicht.
 
Brutus
 
Geht und empfehlt mich meinem Bruder Cassius;
Er lasse früh voraufziehn seine Macht,
Wir wollen folgen.
 
Varro und Claudius
 
Herr, es soll geschehn.
 

(Alle ab.)