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Die Irrungen, oder die Doppelten Zwillinge

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Vierte Scene

Antipholis von Syracus. Das ist gewiß, daß lauter Zaubervolk hier wohnt, und es ist also nicht gut, sich hier lang aufzuhalten. Es graut mir in der Seele vor dem Gedanken, daß diejenige mein Weib seyn sollte, die mich als ihren Mann anspricht. Aber ihre schöne Schwester hat ein so unwiderstehlich angenehmes Wesen, und einen so bezaubernden Umgang, daß sie mich beynahe zum Verräther an mir selbst gemacht hat. Aber wenn ich mich selbst nicht in Unglück stürzen will, muß ich meine Ohren gegen den Gesang dieser Syrene verstopfen. (Angelo tritt mit einer goldnen Kette auf.)

Angelo.

Herr Antipholis —

Antipholis von Syracus.

Ja, so heiß' ich.

Angelo. Das weiß ich wohl, mein Herr: seht, hier ist die Kette; ich dachte ich wollte euch im Stachelschwein antreffen, ich mußte so lange ausbleiben, weil die Kette noch nicht fertig war.

Antipholis von Syracus.

Was wollt ihr daß ich damit thun soll?

Angelo.

Was ihr selbst wollt, mein Herr; ich habe sie für euch gemacht.

Antipholis von Syracus.

Für mich gemacht, mein Herr?Ich bestellte sie ja nicht.

Angelo.

Nicht ein oder zweymal, wohl zwanzig mal habt ihr sie bestellt, geht heim und macht eurer Frauen eine Freude damit; gleich nach dem Nachtessen will ich zu euch kommen, und das Geld dafür abholen.

Antipholis von Syracus. Ich bitte euch, mein Herr, nehmt das Geld lieber izt ein, ihr möchtet sonst weder Geld noch Kette wieder sehen.

Angelo.

Es beliebt euch zu spassen, mein Herr; lebet wohl.

(Er geht ab.)

Antipholis von Syracus. Was ich hievon denken soll, kan ich nicht sagen; aber das denk ich, es ist niemand so albern, der eine so schöne Kette nicht annehme, wenn man sie ihm anbietet. Ich sehe wohl, es hat einer hier keine Kunstgriffe nöthig, um leben zu können, da einem auf der Strasse so kostbare Geschenke in die Hände lauffen. Ich will nun auf den Markt, und den Dromio erwarten, und wenn irgend ein Schiff abgeht, auf und davon!

Vierter Aufzug

Erste Scene

(Die Strasse.)

(Ein Kauffmann, Angelo und ein Gerichtsdiener treten auf.)

Kauffmann. Ihr wißt, die Summe war schon um Pfingsten verfallen, und ich hab' euch seither nicht viel beunruhiget, und würd' es auch izt nicht thun, wenn ich nicht eine Reise nach Persien vor mir hätte, wozu ich Geld brauche; befriedigt mich also auf der Stelle, oder hier ist ein Gerichtsdiener, der sich eurer versichern wird.

Angelo. Die nemliche Summe, die ihr an mich zu fodern habt, ist Antipholis mir schuldig, für eine goldne Kette, die ich ihm einen Augenblik eh ich euch antraf, zugestellt hatte; diesen Abend um fünfe soll ich das Geld davor einnehmen; seyd nur so gut mit mir zu seinem Hause zu gehen, und ich will euch mit Dank bezahlen.

(Antipholis von Ephesus, und Dromio von Ephesus, kommen aus dem Hause der Courtisane, und begegnen den Vorigen.)

Gerichtsdiener.

Ihr könnt euch eine Mühe ersparen; seht, da kommt er selbst.

Antipholis von Ephesus. Indessen ich zum Goldschmidt gehe, geh' du, und kauf mir ein hübsches Stük von einem Seil; ich will meine Frau und Compagnie damit begaben, dafür daß sie mich heut aus dem Haus hinaus gesperrt haben – Aber sachte, da seh' ich den Goldschmidt: Geh' du, und kauffe den Strik, und bring ihn mir nach Hause.

(Dromio geht ab.)

Antipholis. Dem ist wohl geholfen, der sich auf euch verläßt; ihr versprachet mir eure Gegenwart und die Kette; aber es kam weder Kette noch Goldschmidt; ihr habt vermuthlich gedacht, unsre Freundschaft möchte zu lange dauren, wenn sie mit einer Kette zusammengebunden wäre, und darum seyd ihr nicht gekommen.

Angelo. Mit Erlaubniß des lustigen Humors, worinn ihr heute seyd, hier ist die Note, wie viel eure Kette auf den äussersten Carath wiegt, die Feinheit des Goldes, und die mühsame Arbeit; alles beläuft sich auf drey Ducaten mehr als ich diesem Herrn hier schuldig bin; ich bitte euch, übernehmet es, ihn sogleich zu befriedigen; er muß über Meer reisen, und wartet nur um dessentwillen.

Antipholis von Ephesus. Ich habe nicht so viel baares Geld bey mir, und überdas hab' ich Geschäfte in der Stadt; mein lieber Herr, führt den Fremden in mein Haus, und nehmt die Kette mit euch, und saget meiner Frau, daß sie euch nach Empfang derselben bezahlen soll; vielleicht bin ich so bald dort, als ihr.

Angelo.

Wollt ihr also die Kette nicht lieber selbst mitbringen?

Antipholis von Ephesus. Nein, tragt ihr sie hin, auf den Fall, daß ich etwann nicht früh genug kommen könnte.

Angelo.

Ganz gut, mein Herr; habt ihr die Kette bey euch?

Antipholis von Ephesus. Wenn ich sie nicht habe, Herr, so hoff' ich, ihr habt sie; oder ihr könnt ohne euer Geld wieder fortgehen.

Angelo. Nein, mein Herr, ich bitt' euch, gebt mir die Kette; Wind und Fluth warten auf diesen Herrn hier, ich darf ihn nicht länger aufhalten.

Antipholis von Ephesus. Mein guter Herr, ihr wollt vermuthlich mit dieser Schäkerey entschuldigen, daß ihr euer Wort nicht gehalten und ins Stachelschwein gekommen seyd: Ich hätte euch deßwegen ausschelten sollen, aber ihr macht es wie die bösen Weiber; wenn sie Keiffe verdient haben, so fangen sie zuerst an zu schnurren.

Kauffmann.

Die Zeit verläuft; ich bitte euch, mein Herr, beschleunigt die Sache.

Angelo.

Ihr hört ja selbst wie er mir's macht; die Kette —

Antipholis von Ephesus.

Gebt sie meiner Frauen, sag' ich ja, und laßt euch euer Geld geben.

Angelo.

Kommt, kommt, ihr wißt ja, daß ich sie euch nur erst gegeben habe.

Entweder schikt die Kette, oder gebt mir sonst ein Merkzeichen mit, wodurch ich mich eurer Frauen legitimiren kan.

Antipholis von Ephesus. Fy, Herr, ihr treibt den Spaß zu weit; kommt, wo ist die Kette; ich bitt' euch, laßt mich sie sehen.

Kauffmann. Meine Geschäfte können diese Kurzweile nicht aushalten; mein Herr, erklärt euch, ob ihr mich bezahlen wollt oder nicht; wenn nicht, so will ich ihn dem Gerichtsdiener überlassen.

Antipholis von Ephesus.

Ich euch bezahlen?Was soll ich euch bezahlen?

Angelo.

Das Geld, so ihr mir für die Kette schuldig seyd.

Antipholis von Ephesus.

Ich bin euch kein Geld schuldig, bis ich die Kette habe.

Angelo.

Ihr wißt, daß ich sie euch vor einer halben Stunde gegeben habe.

Antipholis von Ephesus. Ihr habt mir nichts gegeben; ihr thut mir Unrecht, wenn ihr das sagt.

Angelo. Ihr thut mir grössers Unrecht, Herr, daß ihr's läugnet; bedenket, daß mir mein Credit darauf steht.

Kauffmann.

Wohlan, Gerichtsdiener, arretirt ihn auf mein Ansuchen.

Gerichtsdiener. Ich thu es, und befehl euch hiemit in des Herzogs Namen mir zu folgen.

Angelo. Das greift meine Ehre an. Entweder bezahlt das Geld für mich, oder ich versichre mich eurer durch diesen Gerichtsdiener.

Antipholis von Ephesus. Ich soll für etwas bezahlen, das ich nie empfangen habe?Laß mich arretiren, du närrischer Kerl, wenn du das Herz hast.

Angelo. Gerichtsdiener, hier ist dein Tax; sez' ihn feste; ich wollte meines eignen Bruders nicht schonen, wenn er mir so niederträchtig begegnete.

Gerichtsdiener. Mein Herr, ich arretire euch; ihr habt gehört, daß es an mich gefordert wird.

Antipholis von Ephesus.

Ich unterwerfe mich dir, bis ich dir Bürgschaft stellen werde. Aber ihr, Bursche, sollt mir diesen Spaß so theuer bezahlen, daß alles Metall in euerm Laden nicht zureichen soll.

Angelo. Herr, Herr, ich will wol Justiz in Ephesus finden, und ihr werdet wenig Ehre davon haben, das glaubt mir.

Zweyte Scene

(Dromio von Syracus zu den Vorigen.)

Dromio von Syracus. Herr, es ist eine Barke von Epidamnum, die nur noch so lange wartet, bis der Schiffspatron an Bord kommt, und dann gleich absegelt. Ich habe unser Gepäke schon an Bord gebracht, und das Oel, den Balsam und den Aquavit gekauft. Das Schiff ist wohl geladen, es bläßt ein muntrer Wind vom Land her; und man wartet nur noch auf den Patron und auf euch.

Antipholis von Ephesus. Was, zum Henker, bist du toll?Du dummer Schöps, was für ein Schiff von Epidamnum wartet auf mich?

Dromio von Syracus. Ein Schiff, worauf ihr mich geschikt habt, unsre Ueberfahrt zu miethen.

Antipholis von Ephesus. Du besoffner Schurke, ich schikte dich um ein Seil, und sagte dir, wozu ich es brauchen wollte.

Dromio von Syracus. Ich weiß von keinem Seil, ich; ihr schiktet mich an die Rhede, Herr, um ein Schiff.

Antipholis von Ephesus. Ich will diese Materie zu einer andern Zeit berichtigen, und deine Ohren lehren besser aufzumerken, wenn ich dir was sage. Lauf izt straks zu Adriana, du Galgenvogel, gieb ihr diesen Schlüssel, und sag' ihr, in dem Pult, der mit Türkischer Tapezerey überzogen ist, werde sie einen Beutel mit Ducaten finden, den sie mir schiken soll; sag' ihr, ich sey auf der Strasse arretirt worden, und dieses müsse mich loskauffen; pake dich, Sclave, geh'; – Nur fort, Gerichtsdiener, ins Gefängniß bis es kommt.

(Sie gehen ab.)

Dromio von Syracus. Zu Adriana! Das ist ja, wo wir zu Mittag gegessen haben, und wo Dowsebel mir zumuthete, daß ich ihr Mann seyn müsse; ich hoffe sie ist zu dik, als daß wir zusammenpassen könnten. Indessen muß ich doch gehen, weil es mein Herr so haben will.

(ab.)

Dritte Scene

(Verwandelt sich in des Ephesischen Antipholis Haus.)

(Adriana und Luciana treten auf.)

Adriana. Ah, Luciana, sezt' er dir so zu?Sahest du es würklich in seinen Augen, daß es ihm Ernst war?Sah' er roth oder blaß aus, verdrießlich oder aufgeräumt?Was für Beobachtungen machtest du über die Meteore seines Herzens, die in seinem Gesichte kämpften?

 

Luciana.

Fürs erste, so läugnete er, daß ihr ein Recht an ihn habet.

Adriana.

Er meynt', er lasse mir mein Recht nicht wiederfahren.

Luciana.

Hernach schwur er, er sey hier fremde.

Adriana.

Und schwur die Wahrheit, ob er gleich dadurch meineydig wurde.

Luciana.

Und da nahm ich eure Parthey.

Adriana.

Und was sagt' er dazu?

Luciana.

Die Liebe, um die ich ihn für euch bat, erbat er von mir.

Adriana.

Durch was für Ueberredungen sucht' er eure Liebe zu gewinnen?

Luciana. Durch Worte, die bey ehrlichen Absichten hätten bewegen können; er lobte zuerst meine Schönheit, hernach meinen Verstand.

Adriana.

Redtest du freundlich mit ihm?

Luciana.

Seyd geduldig, ich bitte euch.

Adriana. Ich kan nicht mehr still halten, ich will nicht; ich will wenigstens meiner Zunge den Lauf lassen. Er ist ungestalt, krumm- beinicht, alt und kalt, häßlich, mißgeschaffen, lasterhaft, ungesittet, albern, grob und unartig; eine Mißgeburt am Leib, und noch schlimmer am Gemüth.

Luciana.

Wie mögt ihr denn über so einen eifersüchtig seyn?Man beweint den Verlust eines Uebels nicht, dessen man los worden ist.

Adriana. Ach! ich denk' ihn doch besser als ich sage; mein Herz betet für ihn, ob ihm gleich meine Zunge flucht.

Vierte Scene

(Dromio von Syracus zu den Vorigen.)

Dromio von Syracus

(ausser Athem.)

Hier, geht; der Pult, der Beutel; ich bitt' euch, macht hurtig.

Luciana.

Wie bist du so aus dem Athem gekommen?

Dromio von Syracus.

Weil ich stark geloffen bin.

Adriana.

Wo ist dein Herr, Dromio?Ist er wohl?

Dromio von Syracus.

Nein, er ist im Tartar-Limbo, der noch ärger als die Hölle selbst ist. Ein Teufel in einem immerwährenden Rok hat ihn; einer, dessen Herz mit Stahl zugeknöpft ist; ein böser Feind, eine unbarmherzige Furie, ein Wolf, nein, noch was ärgers, ein Kerl über und über in Büffelsleder; ein Rüken-Freund, ein Schulter-Klopfer, einer der die Zugänge der Strassen, die Schiff-Länden und enge Pässe besezt;

einer der, vor Gericht, arme Seelen zur Hölle führt; mit einem Wort, Frau, ein Gerichtsdiener.

Adriana.

Wie, Mann, was ist die Sache?

Dromio von Syracus. Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß er im Arrest ist. Wollt ihr ihm kein Lösegeld schiken, Frau?Das Geld ist in seinem Pult.

Adriana.

Geht, Schwester, holt es.

(Luciana geht ab.)

Das ist wunderbar, daß er Schulden haben soll, wovon ich nichts weiß! Sag mir, hat man ihn wegen einer Obligation in Verhaft genommen?

Dromio von Syracus. Wegen etwas weit stärkerm, wegen einer Kette; einer Kette; hört ihr sie nicht klingeln?

Adriana.

Was, die Kette?

Dromio von Syracus. Nein, die Gloke; es ist Zeit, daß ich gehe; es war zwey, da ich ihn verließ, und nun schlägt die Glok, eins.

Adriana.

Das hab ich nie gehört, daß die Stunden zurük gehen.

Dromio von Syracus. O ja, wenn eine Stunde einen Gerichtsdiener antrift, so lauft sie vor Schreken zurük. (Luciana kommt wieder.)

Adriana.

Geh, Dromio; hier ist das Geld, trag es hin, und bring deinen Herren unmittelbar nach Hause. – Kommt, Schwester, ich weiß nimmer, wo ich hin denken soll —

(Sie gehen ab.)