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In der Dämmerstunde

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Viertes Kapitel

Signor Andrea d’Arbino suchte seinen Freund Fabio vergeblich durch alle Räume, bis er endlich auch auf den Korridor kam, wo er Fabio allein und in einer tiefen Ohnmacht auf dem Boden liegend fand. d’Arbino wollte die Gäste nicht mit diesem Vorfall bekannt machen und er ging nach dem Vorzimmer, um sich nach einer Hilfe umzusehen. Kavalier Finello ließ sich gerade seinen Mantel umgeben, um sich zu entfernen.

Die beiden Herren trugen Fabio in das Vorzimmer, dessen Fenster sie öffneten. Ein Diener wurde nach Eiswasser ausgeschickt. Diese leichten Hilfsmittel brachten Fabio zu sich selbst zurück. – Er blickte seine Freunde verwirrt an.

»Ich fand Sie ohnmächtig im Korridor,« sagte d’Arbino, »was ist Ihnen begegnet? War die Hitze zu groß?«

Fabio schien seine Gedanken zu sammeln, dann zeigte er auf den Diener. —

Die Herren schickten ihn hinaus.

»Es war nicht die Hitze,« sagte Fabio mit schwerer Stimme, »ich sah – das Gesicht meiner verstorbenen Gattin hinter der gelben Maske!«

»Wirklich!«

»Ja, wirklich! Es war das Gesicht der Toten!«

»Wirklich, Ihrer Gattin?«

»Ja,« fuhr Fabio fort, »ich sah sie nicht, wie sie in den Tagen strahlender Jugend und Schönheit aussah; nicht wie sie auf ihrem Krankenbett aussah, sondern so, wie sie in ihrem Sarg lag!«

»Graf! Graf! Sammeln Sie Ihre Gedanken. Es ist gewiss nur Ihre lebhafte Phantasie, die Ihnen das vorspiegelt?«

»Ersparen Sie mir Weiteres! Ich bin entschlossen, das Geheimnis zu ergründen. Wollen Sie mir dazu behilflich sein? Meine Kraft allein dürfte jetzt kaum dazu ausreichen!«

»Wir werden Ihnen getreu beistehen,« sagten die Herren, die jedoch nicht daran zu glauben schienen, was Fabio ihnen mitgeteilt hatte. Sie hielten es wahrscheinlich nur für eine Fieberphantasie.

»Was wünschen Sie, dass wir jetzt zunächst tun?« fragte Finello.

»Die Gestalt muss durch dieses Zimmer gekommen sein« fragen wir zunächst den Diener, ob er Etwas von ihr gesehen hat.«

Der Diener verneinte es.

Die beiden Herren fragten alle Diener, keiner von ihnen hatte die gelbe Maske gesehen.

Zuletzt wurde der Portier gefragt, und dieser berichtete, dass vor einer halben Stunde eine gelb gekleidete Dame fortgefahren sei.

»Kennen Sie vielleicht den Kutscher?« fragte man ihn.

»O gewiss, er ist ein alter Freund von mir, ein sogenannter Miethskutscher.«

»Und wissen Sie, wo er wohnt?«

»Ja, sehr genau!«

»Gut, so lassen Sie gefälligst einen Andern hier Ihren Posten versehen und führen Sie uns zu dem Manne.«

Der Portier führte die drei Herren durch einige Straßen und zeigte Ihnen endlich das Haus und den Stall, wo der Kutscher eben seine Pferde hinein führte.

d’Arbino reichte dem Manne etwas Geld und fragte:

»Sie fuhren eben eine Dame in gelben Kleidern von dem Balle nach Hause, wohin brachten Sie sie?«

»Ja, Herr, ich war für den ganzen Abend gemietet, ich fuhr sie zu dem Balle und zurück.«

»Wo, wo wohnt sie?«

»An einem sehr sonderbaren Orte,« antwortete der alte Kutscher, »auf dem Kirchhofe von Campo Santo.«

Fabio stand zwischen den Herren; als er dies hörte, stieß er einen Schreckensschrei aus und stützte sich auf seine Freunde.

»Und wohin fuhren Sie jetzt die Dame?« fragte d’Arbino.

»Zu derselben Stätte,« entgegnete der Kutscher.

Fabio ließ seine Freunde los und sank auf seine Knie; es sah aus, als wenn er beten wollten.

»Warum ist er wieder so bewegt?« fragte Finello.

»Du weißt ja, antwortete d’Arbino, »dass er hinter der gelben Maske das Gesicht seiner verstorbenen Frau erblickt hat.« —

»Ja! Aber weiter!«

»Diese ruht auf dem Friedhof von Campo Santo.

Fünftes Kapitel

Von allen den Personen, welche der Ball des Marquis beschäftigt hatte, war Nanina die erste, welche sich am Morgen danach erhob. Sie hatte nicht schlafen können, so sehr bewegten sie die verschiedenen Erlebnisse, die sie auf dem Balle gehabt hatte. Sie stand auf und schöpfte die frische Morgenluft an ihrem kleinen Fensterchen in langen Zügen ein.

Am meisten beschäftigte sie der Augenblick, in welchem sie Fabio mit der entsetzlichen Maske allein gelassen hatte. Dann nahm sie das mit Bleistift beschriebene Blättchen und überlas wiederholt, was Fabio ihr aufgeschrieben hatte.

Sie überlegte, ob sie wirklich den kleinen Schlüssel zu dem Garten des d’Ascoli-Palais benutzen sollte. – Aber ja! Fabio hatte ihr ja am Schluss gesagt:

»Fassen Sie Vertrauen zu meiner Aufrichtigkeit, wie ich stets Vertrauen zu Ihnen hegte!«

Ja, sie durfte Vertrauen schenken. – Außerdem musste sie ja auch den kleinen Schlüssel zurück geben. —

Als sie noch so in Gedanken auf die Straße hinabblickte, hörte sie, dass an die Tür geklopft wurde.

Der Mann, welcher klopfte, hatte Nanina erblickt und fragte:

»Wohnt die Krankenwärterin Marthe Angrisani hier?«

»Ja,« antwortete Nanina, »ich werde sie gleich rufen. Ist Jemand krank?«

»Ja, rufen Sie sie nur schnellt Sie soll nach dem Palais d’Ascoli kommen, mein Herr, der Graf Fabio, ist krank.«

Nanina flog förmlich zu der Krankenwärterin und rief:

»O, eilt Euch, eilt Euch, Frau Martha! Er ist krank!«

Nanina lief dann zu dem Diener und teilte ihm mit, dass Frau Martha sogleich kommen würde. Dann fragte sie ihn nach der plötzlichen Krankheit seines Herrn, da er ja doch gestern noch auf dem Balle gewesen sei.

»Ich weiß weiter nichts,« erwiderte der Diener, nachdem er etwas überrascht Nanina’s Aufregung bemerkt hatte, »als dass mein Herr Graf bewusstlos von zwei Herren nach Hause begleitet worden ist. Ich hörte, dass er das Gesicht einer Maske gesehen haben soll, welches ihm einen großen Schreck eingeflößt hat; mehr weiß ich nicht! Der Doktor sagt, mein Herr hätte eine Gehirnentzündung und hat uns Allen die größte Vorsicht empfohlen!«

Der Mensch sah noch, dass Nanina bitterlich weinte, als sie in das Haus trat.

Als Marthe zum Fortgehen bereit war, warf sich Nanina an ihre Brust und bat:

»Wenn Sie mich je lieb hatten, Mutter Marthen so lassen Sie mich mitgehen und ihn pflegen helfen.«

Die Wärterin zögerte Anfangs, aber Nanina weinte so heftig, dass die alte Frau sich entschloss, sie mitzunehmen; denn sie gedachte ihrer eigenen Jugend und der Zeit, wo sie einst auch so heiß zu lieben verstand. – Sie kannte Nanina’s heiße und treue Liebe zu Fabio seit langer Zeit. —

Endlich sagte sie:

»Nimm Deine Mantille und komme mit; aber erscheine so alt und hässlich als Du vermagst, sonst wird es Dir der Doktor nicht erlauben, mir hilfreiche Hand zu leisten; hörst Du, Nanina!«

Diese Vorsicht war unnötig, denn der Doktor wünschte gerade, dass Fabio Menschen an seinem Bett sehe, die er gern habe.

Nanina teilte dem Doktor mit, dass sie dem Grafen einst als Modell gedient habe, und so wurde sie gern an das Krankenbett gelassen.

Sechs Wochen vergingen unter der steten Furcht, dass Fabio ein Opfer des Todes sein würde; aber es kam auch endlich der Tag, wo der Graf wieder ruhig schlief und wo die Fieberphantasien aufhörten, aber die gelbe Maske beschäftigte ihn doch noch unaufhörlich.

Es waren keine Phantasieren, sondern der Kranke sprach ganz vernünftig über seine sonderbare Begegnung.

Er sah Nanina an seinem Bett, sie las ihm vor; aber Wochen vergingen so und der Graf behielt den furchtbaren Ernst, den er, seitdem er seiner Besinnung wieder mächtig war, stets zeigte.

Er schien zufrieden damit, dass das junge Mädchen an seinem Bette war, aber er lächelte ihr auch nicht ein einziges Mal dankbar zu. —

Einst saß sie auch neben seinem Bette, als sich die Tür öffnete und Andrea d’Arbino mit dem Doktor eintrat.

Fabio lag gleichgültig da und schien eben einschlafen zu wollen. Er bemerkte die Herren nicht.

»Es ist recht traurig,« fing der Doktor an, »dass sein Körper gesunden während sein Geist kranker zu sein scheint. Er glaubt noch immer an das Gesicht der Toten hinter der Maske.«

»Ach, Doktor, er ist gewiss noch im Fieber, wenn er so spricht!« sagte d’Arbino.

»Im Gegenteil,« entgegnete der Doktor, er ist körperlich völlig hergestellt; aber da er seit seiner Kindheit abergläubisch ist, ist es viel schwerer, ihn von seiner festgefaßten Idee zurück zu bringen.«

»Hört er nur zu, wenn Sie mit ihm über den Gegenstand sprechen, oder antwortet er auch?« fragte d’Arbino.

»Er hat auf Alles, was ich ihm sage, nur dieselbe Antwort, dass er trotz allen Widersprechens, dennoch das Gesicht seiner toten Frau gesehen habe.

»Als Arzt weiß ich doch genau, dass der Mann jetzt fieberfrei ist, und deshalb muss ich ihm das auszureden suchen.«

»Ich wünsche Nichts sehnlicher, als dass das Geheimnis aufgeklärt werde,« sagte d’Arbino, »und ich habe bereits 200 Scudi Belohnung darauf gesetzt für den, der mir in die Geschichte Licht bringt. Ich habe die Diener des Palais Melani examiniert, war bei dem Nachtwächter des Campo Santo, habe Hotelbücher und Polizeilisten durchforscht, nur Etwas über das Frauenzimmer in der gelben Maske zu erfahren, aber ich habe Nichts gefunden, was Aufklärung geben könnte.

»Und somit bin ich nun an dem Ende meiner Bemühungen.«

Der Doktor begriff das und sagte:

»Und doch werden wir den Kranken nicht früher geheilt sehen, bis wir ihm die Überzeugung verschaffen können, dass er sich geirrt habe.« —

Mit diesen Worten fielen des Doktors Augen auf Nanina, die still stand und zuhörte.

»Frau Martha,« fragte der Arzt, »geht Ihre junge Gehilfin auch täglich aus? Wenn sie nicht lange Wege macht zu ihrer Erholung, so werde ich bald an ihr eine zweite Patientin haben.«

»Nanina geht nur von hier aus zu ihrer Schwester,« erwiderte die Krankenwärterin.

»So gehen Sie täglich, bevor Sie hierher kommen, recht weit,« sagte der Doktor zu Nanina, »sonst muss ich Sie von Ihrer Hilfe hier entbinden.«

 

»Jetzt bin ich für Sie bereit,« fuhr er zu d’Arbino fort, und die Männer gingen.

Nanina hatte kein Wort von der Unterhaltung verloren und sagte zu sich, als das Zimmer leer war:

»O, wenn ich doch Fabio beweisen könnte, dass er sich getäuscht habe.« —

Als das junge Mädchen nach Hause kam, fand sie einen Brief an sich von Meister Lomi.

Er war nach Pisa zurückgekehrt und fragte an, ob sie ihm vielleicht zu einer Büste sitzen wollte, die er für einen reichen Neapolitaner ausführen sollte.

Da ihr das Schreiben zu unbequem und schwierig erschien, so beschloss sie, dem Meister persönlich die verneinende Antwort zu überbringen.

Als sie eben das Atelier betreten wollte, kam ihr die Idee, dass sie vielleicht Pater Rocco dort finden werde, aber es war zu spät zum Umkehren, denn ein Gehilfe öffnete eben die Tür

Ihre erste Frage war nach Pater Rocco, doch sie erfuhr, dass er nicht bei seinem Bruder sei, und so betrat sie ruhig die Werkstätte des Künstlers.

Sie ging zu Meister Lomi und sagte ihm, dass sie Krankenwärterin sei, und dass es ihr dadurch unmöglich werde, zu den Sitzungen zu erscheinen.

Meister Lomi bat so dringend, aber Nanina konnte eben nichts versprechen, weil es ihr in der Tat an Zeit fehlte, bei dem Meister zu erscheinen.

Luca Lomi staubte eben zum ersten Male seine geliebten Statuen und Büsten eigenhändig mit einer Federbürste ab und blieb auch bei der Beschäftigung während er mit Nanina unterhandelte.

Luca Lomi kam jetzt zu seiner Lieblingsstatue, der Minerva, zu welcher ihm seine nun verstorbene Tochter einst gesessen hatte.

Er hatte sie schon einmal abgestaubt, aber es war ihm, als läge noch etwas Staub auf der Stirn der Göttin. – Er nahm seine Federbürste, stieg auf einen Stuhl und wollte den Staub fortblasen. —

Nanina wollte sich eben entfernen. – Mit einem Male hörte sie aber den Meister ausrufen: »Hier ist Gips auf der Stirn der Minerva!«

Er nahm sein Taschenmesser und entfernte den Gips aus den feinen Falten des Haares.

»Es ist Gips über dem Gesicht dieser Figur gewesen.

Jemand hat hiernach eine Maske angefertigt!« rief Lomi.

Der Meister blickte sich scheu um und rief weiter:

»Hier muss ich Aufklärung haben! Ich ließ die Statuen unter Roccos Aufsicht, ich muss ihn gleich fragen, wer diesen Diebstahl hier ausführte!«

Sechstes Kapitel

Nanina entfernte sich nun und bedauerte zum zwanzigsten Male wenigstens, dass sie nicht kommen könne. Der Meister erwiderte, dass er es ebenfalls bedauere; dann benachrichtigte er den zurückkommenden Gehilfen, dass er sich zu seinem Bruder begebe, wenn Jemand nach ihm fragen sollte.

Als Nanina sich am nächsten Morgen mit starkem Kopfschmerz erhob, gedachte sie der Mahnung des Arztes und beschloss einen Spaziergang zu unternehmen. Sie ging zur Stadt hinaus.

Die Biondella würde auch mit ihr gegangen sein, aber sie hatte gerade eine große Bestellung Flechtarbeit. Der gelehrte Pudel Scarammucia begleitete seine Herrin allein.

Der Pudel tanzte lustig bald neben dem Mädchen, bald eilte er vor ihr her, bald blieb er wieder zurück. —

Sie achtete nicht viel auf den Hund, denn sie beschäftigte sich lebhaft mit dem, was sie gestern von dem Doktor über die gelbe Maske gehört hatte. Endlich fühlte sie sich ermüdet und sah sich nach einem Platze um, wo sie sich ein wenig ausruhen könne.

Sie sah eine Art Wirtshaus mit einem Garten daran in welchem Arbeiter ein Feuerwerk vorzubereiten schienen. Das ganze Lokal stand leer, denn die Bürger Pisas besuchten es gewöhnlich erst Abends als Erholungsort. Nina trat in den Garten und setzte sich auf das schattigste Plätzchen nieder. Mit einem Male vermisste sie den Pudel und sah ihn, ziemlich entfernt von sich, hinter einem hölzernen Gartenhaus mit gespitzten Ohren stehen.

Es saß ein Herr darin mit einer Dame, dies sah Nanina, als sie näher ging, um den Hund an sich zu locken. Sie stand hinter dem Gartenhäuschen und blickte durch ein Astloch und erkannte an dem Kleide die Dame aus dem Geschäfte der Modehändlerin Grifoni, aber sie erkannte nicht allein Brigitte, sondern auch den Mann an ihrer Seite, es war – Pater Rocco.

Die Arbeiter in dem Garten hatten bis jetzt gehämmert und lautes Geräusch gemacht, nun fingen sie zu sägen an und Nanina konnte deutlich hören, dass Brigitte den Namen des Grafen Fabio aussprach.

Nanina nahm des Pudels Schnauze in ihre Hand, damit er nicht bellen sollte und horchte weiter.

Brigitte fragte den Priester: »Haben Sie verstanden, was ich Ihnen sagte?«

»Nein,« entgegnete der Priester leise.

»Ich möchte wissen, weshalb Sie den abergläubischen Grafen Fabio d’Ascoli nicht weiter ängstigen wollen?« fragte sie.

»Erstlich,« antwortete der Mann der Kirche, »habe ich mit meinem ersten Experiment sehr viel erreicht, mehr als ich hoffte.«

»Ist das Alles?« fragte Brigitte.

»Zweitens, glaube ich nun der Kirche zur Genüge gedient zu haben, indem ich ihn von einer zweiten Heirat zurückgeschreckt habe; aber ein Verbrechen auf mich zu nehmen, habe ich nicht Lust. Fabio würde den Verstand verlieren, wenn er noch einmal das Gesicht sehe.«

»Ach,« sagte Brigitte, »ich vermute, dass dies nicht alle Ihre Gründe sind, sondern dass Sie noch mehre haben. Dass Sie mich so plötzlich hierher bestellten, an diesen einsamen Ort, ist doch gewiss wichtig? Außerdem wünschten Sie, dass ich die Wachsmaske mitbringen solltet – Was bedeutet das Alles? Ich bin eine Frau, bin also auch neugierig, teilen Sie mir also mit, um was es sich wieder handelt.«

»Es ist weder etwas Geheimnisvolles noch etwas Wichtiges, was Ihrer wartet,« sagte Rocco kühl, und fuhr dann fort: »Sie wissen doch, dass die Wachsmaske, welche Sie auf dem Balle trugen, von einer Statue meines Bruders abgenommen wurde?«

»Ja! ich weiß das!«

»Mein Bruder fand bei seiner Rückkehr noch Spuren von dem Gips auf dem Gesicht der Statue und fragte mich nach der Erklärung dieses Fundes. Meine Erklärung genügte ihm jedoch nicht und er will jetzt weiter forschen. Ich halte es also für notwendig, dass diese Maske zerstört werde und deshalb bat ich Sie, hierher zu kommen, damit ich sie vor meinen eigenen Augen zusammenschmelzen sehe. Jetzt wissen sie Alles? Haben sie die Maske bei sich?«

»Nein,« erwiderte Brigitte.

»Und warum nicht? fragte Rocco.

In demselben Augenblicke fing Scarammucia zu heulen an, denn Nanina hatte in ihrer Überraschung die Schnauze des Hundes losgelassen. Sie rief den Hund wieder leise an sich, legte ihre Wangen an seinen rauen Hals und küsste das Tier; – er wurde wieder ruhig, so lauschte sie weiter.

Wohl hatte sie eine Frage und eine Antwort verloren, aber nun hörte sie das Folgende:

»Wir sind hier allein,« fing Brigitte an, »ich bin eine Frau und Sie sind vielleicht bewaffnet gekommen und doch gebe ich die Maske nur unter Bedingungen zurück.«

»Sie sprachen früher nie von Bedingungen,« sagte Rocco.

»Ja, es ist wahr,« entgegnete Brigitte, »ich ging vorläufig nur mit der Maske meiner toten Feindin auf den Ball um Fabio dafür zu strafen, dass er sich einst über mich lustig gemacht hat. Aber diese Angelegenheit fesselte mich nun länger in dieser Stadt, als ich, vermutete und ich bin nun in Geldverlegenheit gekommen. – Jetzt frage ich Sie, ob Sie mir die Maske für zweihundert Scudi ablaufen wollen?«

»Ich besitze nicht einmal zwanzig Scudi!« entgegnete der Priester.

»Sie müssen mir das Geld anschaffen,« sagte Brigitte, »sonst werde ich mit der Wachs-Maske anderweitig Handel treiben. Diese Summe ist nämlich durch Fabios Freund, für denjenigen bestimmt, der die Person nennt, welche die Maske trug. Ich brauche also nur zu gehen und die Maske zu zeigen, so erhalte ich das Geld. Ihnen wird es natürlich übel ergehen, wenn man erfährt, dass Sie die Maske anfertigten und die Verkleidung ersannen.

»Glauben Sie wirklich, dass ich auf Ihre Aussage verdächtig sein würde?« fragte Rocco achselzuckend.

»Ah, Sie sind zum ersten Male unhöflich gegen mich, Pater Rocco,« sagte Brigitte.

»Ich gehe jetzt, wollen Sie die Maske, so finden Sie sich bis vier Uhr mit dem Gelde in meiner Wohnung ein; um fünf Uhr ist es jedoch schon zu spät, das sage ich Ihnen!«

Nanina hörte Schritte, Brigitte musste sich entfernt haben.

Pater Rocco schien die Angst zu verzehren, er schritt unmutig auf und ab, endlich hörte sie, dass der Priester das Gartenhaus verließ und fast in demselben Augenblick stand er ihr gegenüber.

»Du hast gehorcht,« sagte der Priester strenge, »ich sehe es Deinem Gesicht an, Du weißt Alles!«

Sie antwortete kein Wort und sah ihn fest an, aber sie hätte eine Welt darum gegeben, hätte sie vor ihm entfliehen können.

»Ich habe Dich einst überwachen lassen,« sagte der Priester traurig, »es ist wahr, und jetzt hast Du es mir vergolten. Ist es bloßer Zufall, oder die Rache des Himmels?« fragte sich Rocco gedankenvoll.

»Warum bist Du so schweigsam und erschrocken?« fragte er weiter. »Ich kann Dir kein Leid zufügen, dort sind die Arbeiter und hier Dein Hund und ich wünsche Dir auch kein Leid zuzufügen. Gehe nach Pisa zurück und erzähle, was Du hier hörtest. Ruiniere mich und mache den Mann Deiner Liebe gesund! Tue es nur! Ich war nie Dein Feind und werde es auch nie sein. Ich handelte als ein Werkzeug der heiligen Kirche, mich trifft kein Vorwurf. Gehe jetzt, Kind, und bringe Deine Botschaft nach Pisa! Ich will mich inzwischen auf die Dinge vorbereiten, die da kommen können. Ich verlasse Dich jetzt ohne Groll, trotzdem ich weiß, dass das erste Wort, welches Du in Pisa sprichst, mich moralisch töten und dass große Werk zerstören wird, welches ich mir zur Lebensaufgabe gestellt habe.«

Er sprach so ruhig wie immer und sagte ihr dann auch ein freundliches Lebewohl, bevor er unter den Bäumen verschwand.

Das junge Mädchen sann noch einige Augenblicke über den sonderbaren Mann nach und ging dann, von ihrem treuen Pudel begleitet, der Stadt zu.

Sie kam in dem Palast an und erwartete den Doktor mit brennender Sehnsucht; als er endlich kam, bat sie ihn, ihr zu folgen und erzählte ihm Alles.

»Sie haben ihn gerettet!« rief der Doktor freudig – aus. »Lassen wir die Frau hierher kommen, dass sie die Belohnung erhalte. Verlassen Sie den Palast nicht, bis ich es Ihnen wieder erlaube,« sagte der Doktor freundlich zu Nanina.

»Ich gehe jetzt zu Signor Andrea d’Arbino und sage ihm, dass wir ihm Entdeckungen machen wollen. Lesen Sie nun dem Grafen vor, wie gewöhnlich, bis ich Sie hier wieder her bitten lasse, aber sagen Sie ihm kein Wort von dem Geheimnis. Er muss sorgfältig auf die Entscheidung des Betrugs vorbereitet werden.«

D’Arbino kam und Nanina teilte nun auch ihm mit, was sie wusste

Die Herren beratschlagten beide hinter verschlossenen Türen

Um vier Uhr ließen sie Nanina wieder zu kommen bitten und sie wurde hinter einem Vorhang verborgen.

Um einviertel fünf trat Brigitte in das Zimmer, der Doktor verbeugte sich und d’Arbino reichte ihr einen Stuhl.

»Ich glaube, ich befinde mich den Freunden d’Ascolis gegenüber?« begann Brigitte, »darf ich fragen, ob Sie an mich schrieben, um für den Grafen zu handeln?«

Der Doktor betrachtete das Briefchen und sagte, dass es von ihm komme, dann zeigte er auf das Geld vor sich.

»Sie haben sich schon darauf vorbereitet,« fing Brigitte lächelnd an, »die 200 Scudi auszuzahlen, wenn Sie erfahren, welche Dame auf dem Balle die gelbe Maske trug, die der verstorbenen Gräfin d’Ascoli so ähnlich sah?«

»Wir sind Männer von Ehre und halten unser Wort,« erwiderte d’Arbino.

»Ja,« setzte der Doktor hinzu und schob das Geld von sich, »aber wir müssen auch Beweise haben, dass sie die Person wirklich sind, welche uns Aufklärung verschaffen kann.«

Brigitte blickte gierig nach dem Gelde. —

»Beweise?« rief sie aus. »Hier sind sie!« Mit diesen Worten nahm sie eine kleine Schachtel aus ihrem Kleide und übergab sie den Herren.

Der Doktor öffnete und erblickte die Wachsmaske, er überreichte sie d’Arbino und zog das Geld wieder näher an sich.

»Der Inhalt der Schachtel erklärt allerdings einen großen Teil der Wahrheit,« mit diesen Worten schob der Doktor das Geld artig nach der Seite hin, wo Brigitte saß, deckte aber seine Hand darüber. »Aber ich hörte,« fuhr er fort, »die Dame, welche die Maske trug, soll dieselbe Größe gehabt haben, wie die Gräfin.«

»Genau so groß,« begann Brigitte wieder.

»Sie trug die Lieblingsfarbe der verstorbenen Gräfin, nämlich gelb. Hatte dieselben schwarzem glänzenden Augen und trug unter der gelben Maske, diese farblose Wachsmaske, welche jetzt in Ihren Händen ist.

 

»Soviel über den ersten Teil des Geheimnisses.

– »Niemand hat bis jetzt entdecken können, wer die Dame ist, welche die Maske trug. —«

»Ich bin entzückt, mein Herr, Ihnen darüber Aufklärung geben zu können. —«

»Ich danke Ihnen, Madame,« erwiderte der Doktor kurz, »wir wissen das bereits!« —

Brigitte errötete und erhob sich.

»Verstehe ich Sie recht?« sagte sie hochmütig. »Sie ziehen Vorteil aus meinen Mitteilungen und verweigern mir vielleicht die Belohnung dafür?«

»Unter keinen Umständen, Madame!« antwortete der Doktor. »Wir halten, was wir versprachen.«

»Gut! Gab ich Ihnen nicht Alles, was ich wusste? Und jetzt, bin ich sogar zu weiteren Enthüllungen bereit,« sagte Brigitte.

»Ja,« entgegnete der Doktor, »aber leider sind dieselben wertlos für uns, da Ihnen bereits Jemand zuvorgekommen ist, der uns mitteilte, wer die Dame war, – die die Maske auf dem Balle trug, und auch, wie sie zu derselben gekommen ist. Natürlich hat diese Person ältere Ansprüche auf die ausgesetzte Belohnung. Nanina, treten Sie hervor! Das Geld gehört Ihnen!«

Nanina trat hinter dem Vorhang hervor. Brigitte betrachtete das junge Mädchen und rief dann aus:

»Dieses Mädchen!« Dann blieb sie atemlos stehen.

»Dieses junge Mädchen hat Ihre und Ihres Mitschuldigen Unterhaltung heute früh, ungesehen, mit angehört,« sagte der Doktor ernst.

D’Arbino hatte Brigittens Gesicht fest beobachtet und war zu ihr getreten, denn er fürchtete nicht mit Unrecht einen Wuthausbruch.

Sie ergriff auch in demselben Augenblick ein schweres Lineal und hätte es unfehlbar auf Nanina geschleudert, wenn d’Arbino nicht ihren Arm festgehalten hätte.

»Mögen Sie mich nur festhalten,« schrie Brigitte mit kreideweißem Gesicht, »ich kann aus eine bessere Gelegenheit warten.«

Mit diesen Worten ging sie zur Tür, kehrte sich aber noch einmal gegen Nanina und rief: »Ich bedauere, dass ich mit dem Lineal nicht schneller war!« Dann eilte sie fort.

»Nun,« sagte der Doktor, als sie fort war, »gedient hat sie uns doch, denn wir haben jetzt nicht nötig, zu ihr zu gehen, um ihr die Maske abzuzwingen. —«

»Sie können jetzt mit Ihrem Gelde nach Hause gehen,« sagte der Doktor zu Nanina gewendet; »ich werde Ihnen einen Diener mitgeben, damit das Frauenzimmer Sie nicht etwa auf der Straße anfalle.«

»Ich lasse das Geld hier,« erwiderte Nanina.

»Warum?« fragte der Doktor erstaunt.

»Sie würde das Geld auch genommen haben,« – sagte Nanina errötend.

»Gut, gut,« entgegnete der Doktor! »Ich werde das Geld und die Maske noch einige Tage aufheben. – Kommen Sie morgen hier her wie gewöhnlich, mein liebes Kind, bis dahin werde ich mir überlegt haben, wie der Graf am Besten aus die Enthüllungen vorzubereiten ist. Wir müssen vorsichtig und langsam verfahren, wenn wir einen guten Erfolg haben wollen.«