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Eine Ehestandstragödie

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»Glauben Sie wirtlich, Herr, daß er zögern könnte, sich selbst zu melden, wenn er erfährt, unter welche furchtbare Anklage sein Verschwinden die Lady gebracht hat?« fragte ich. »Ich weiß wohl, daß er ein herzloser Mensch ist, aber —«

»Ich will nicht voraussetzen, daß er dazu Schurke genug wäre, wenn ihn die Sache nicht selbst in Gefahr brächte,« entgegnete der Anwalt. »Aber bedenken Sie, daß er fürchten muß, wegen Bigamie zur Untersuchung gezogen zu werden, so bald man seiner habhaft wird.«

Ich hatte diesen Umstand einen Moment außer Acht gelassen und das Herz sank mir nun gewaltig, als der Adovcat mich daran erinnerte. Ich wußte nichts mehr zu sagen.

»Die Sache sieht sehr ernst aus,« fuhr der Anwalt fort. »Es ist ein Vergehen gegen die Gesetze des Landes, diesem Manne ein Compromiß anzubieten. Da wir einmal um die Sache wissen, so ist es unsere Pflicht, als gute Staatsbürger Alles zu thun, um ihn zur Bestrafung zu bringen. Ich sage Ihnen offen, daß ich, wenn ich Ihrer Lady nicht als Verwandter und Freund ebenso gut, wie als Anwalt zur Seite stünde, mich zwei Mal besinnen würde, ehe ich das Risico unternähme, das ich jetzt zu ihrem Besten zu unternehmen gedenke. Ich habe also, damit ich es kurz sage, Maßregeln ergriffen, um Herrn James Smith zu versichern, daß wir ihn um der Ursache seiner Flucht willen nicht zur Rechenschaft ziehen wollen. Vielleicht vertraut er sich uns an, vorausgesetzt, daß wir ihn auffinden. Die Nachsuchungen in der Nachbarschaft sind ganz vergeblich gewesen. Ich habe heute Privatinstructionen an Herrn Dark gesandt und zugleich ein sehr vorsichtig gehaltenes Inserat für die Zeitungen, das nur Herr Smith selbst verstehen kann. Sie dürfen sich überhaupt darauf verlassen, daß jedes mögliche Mittel, ihn aufzufinden, versucht werden wird. Zugleich habe ich aber auch noch eine wichtige Frage in Bezug aus die Französin an Sie zu richten. Ich vermuthe fast, daß sie mehr weiß, als wir glauben, ja, daß sie das Geheimniß der zweiten Ehe erlauscht hat, und es, sobald es ihr gut dünkt, gegen uns brauchen wird. Indessen das wird sich finden – jetzt sagen Sie mir nur, welches Motiv die Unglückliche zu dieser entsetzlichen Anklage haben konnte.«

Ich erzählte ihm von jenem Vorfall und dem Benehmen Josephinens, als sie mir ihre von dem Schlage geröthete Wange gezeigt hatte.

»Das wäre allerdings ein Grund zur Rache für eine Natur, wie die ihrige,« sagte er. »Aber ist das Alles – mischt sich nicht vielleicht noch ein anderes Interesse in das der Rache? Könnte nicht z. B. Eigennutz in’s Spiel kommen? Denken Sie nach, William, vielleicht besinnen Sie sich auf etwas, was uns auf die Spur ihrer Motive bringt.»

Jetzt kam mir der Verlust an Taschentüchern und Schmuckgegenständen wieder in’s Gedächtnis, über den sich meine Herrin beklagt, den aber Ereignisse wichtigerer Art aus meinem Gedächtnisse verdrängt hatten. Ich erzählte dem Anwalt von dem Vorfalle.

»Beargwöhnte Ihre Herrin die Kammerfrau oder befragte sie dieselbe?« forschte er eifrig.

»Nein, Herr,« entgegnete ich. »Ehe sie noch ein Wort sagen konnte, fragte Josephine ziemlich unverschämt, wem sie in Verdacht habe, und erbot sich, ihre Sachen durchsuchen zu lassen.«

Des Anwalts Gesicht wurde dunkelroth Er sprang von seinem Stuhle auf und gab mir einen Schlag auf die Schulter, daß ich glaubte, er sei wahnsinnig geworden.

»Bei Jupiter, William! rief er, »jetzt haben wir den Satan bei den Hörnern!«

Ich sah ihn erstaunt an.

»Nun, Mann, sehen Sie nicht, um was es sich handelt?« fuhr er fort. »Josephine ist der Dieb, ich bin dieser Thatsache gewiß. Die Französin hat recht gut gewußt, daß es für den Schuldigen der größte Vortheil ist, sich selbst zum Ankläger gegen den Beschädigten zu machen. Dies schlaue Verfahren hat ihre Herrin und Sie gehindert, etwas Weiteres in der Sache zu thun, und hat Josephine selbst in die günstige Stellung einer unverdächtigen Zeugin gebracht, während sie aus diese Weise zugleich Zeit gewann, das Gestohlene zu verbergen oder wegzubringen Guten Abend, William, lassen Sie den Muth nicht sinken. Es soll meine Schuld nicht sein, wenn wir die Französin nicht bald auf dem Platze sehen, der ihr gebührt, nämlich aus der Bank der Angeklagten.«

Damit ging er und ich hörte nichts wieder von ihm, bis zu dem Tage, wo ein neues Verhör stattfand. Bei dieser Gelegenheit sah ich auch zum ersten Male seit jenem unglücklichen Abende meine Herrin, und ich gestehe, daß ich über ihren Anblick erschrak. Ihr Gesicht war so bleich und mager geworden, daß sie aussah, wie eine alte Frau. Auch die stumpfe Resignation des Ausdrucks war Besorgniß erregend. Nur als sie mich erblickte, gewann ihr Auge einen Moment Leben. »Ich bin sehr, sehr betrübt, um Ihretwillen, William,« flüsterte sie, aber einen Moment später hatte ihr Gesicht den früheren, gleichgültigen Ausdruck wieder angenommen. Mit vorgeneigtem Kopfe saß sie beinahe wie geistesabwesend da, und sah so hoffnungslos, so ganz verändert aus, daß ihre ältesten Freunde sie kaum erkannt hätten.

Das Verhört, das wir an diesem Tage bestanden, war eine reine Form, denn es ergab weder einen neuen Beweis für, noch gegen uns – und schließlich wurden wir in unsere Gefängnisse zurückgeführt.

Beim dritten Verhöre das wir acht Tage später zu bestehen hatten, bemerkte ich einige Gesichter im Gerichtszimmer, die ich vorher nicht gesehen hatte. Die früheren Verhandlungen waren so geheim als möglich gehalten worden und so war ich nicht wenig erstaunt, dies Mal zwei Domestiken von Darrock-Hall und mehre Einwohner des Kirchspiels anwesend zusehen. Sie waren sämtlich aus der einen Seite des Gerichtslocales placirt. Auf der entgegengesetzten Seite, nahe der Thür, stand mein alter Bekannter, Herr Dark, mit seiner großen Schnupftabaksdose, seinem lächelnden Gesicht und den zwinkernden Augen. Er nickte mir, als ich ihn ansah, so freundlich und lustig zu, als befänden wir uns in der heitersten Lage. Die Französin, welche vor gefordert war, um ihre Aussagen zu wiederholen, saß der Zeugenbank gegenüber auf einem Stuhle in derselben Reihe mit Frau Smith, deren Aussehen, wie ich mit Schmerz bemerkte, sich um nichts gebessert hatte. Ihr zur Seite saß ihr Anwalt – ich stand hinter ihrem Stuhle.

Kaum sahen wir uns in dieser Weise im Zimmer postirt, als der Richter Robert Nicholson mit seinem Bruder erschien und, vielleicht war es nur Einbildung, ich glaubte in ihren Gesichtern zu lesen, daß seit dem letzten Verhör etwas Wichtiges vorgefallen sein müßte.

Die früheren Aussagen Josephinens wurden nun von dem Protokollanten vorgelesen und sie befragt, ob sie etwas hinzuzufügen habe. Sie antwortete verneinend. Dann fragte der Richter den Anwalt der Angeklagten Frau Smith, ob er vielleicht einen Entlastungszeugen vorzuschlagen habe.

»Allerdings habe ich einen solchen,« entgegnete der Anwalt, indem er aufstand, »und ich bitte, denselben hören zu wollen.«

»Wo ist dieser Zeuge?« fragte der Richter, während er die Französin scharf ansah.

»Ganz in der Nähe,« entgegnete Herr Dark, indem er die Thür öffnete.

Er verließ das Zimmer, kehrte aber im nächsten Moment zurück und ließ den fraglichen Zeugen eintreten.

Bei seinem Anblick fühlte ich mein Herz einen Moment stillstehen. Es war Herr James Smith – nur die langen Haare waren kurz geschnitten und der starke, schwarze Backenbart war glatt weg rasirt.

Die eiserne Natur der Französin widerstand dieser Ueberraschung mit bewundernswürdiger Stärke. Nur ihre dünnen Lippen preßten sich einen Moment noch fester zusammen, einige Muskeln an ihrem Halse zuckten, sonst verrieth nichts an ihr eine Bewegung. Selbst ihre gelbliche Gesichtsfarbe veränderte sich nicht einen Augenblick.

»Es ist nicht nöthig, Herr,« sagte der Anwalt, indem er sich zu Herrn Nicholson wandte, »daß ich Zeit und Worte zur Rechtfertigung meiner Clientin verschwende. Der einzige, aber glänzendste Beweis ihrer Unschuld steht in der Person dieses Gentleman vor Ihnen. Es ist der angeblich ermordete Herr James Smith von Darrock-Hall, welchen ich die Ehre habe, Ihnen gesund und lebendig vorzustellen.«

»Das ist nicht Herr James Smith!« rief Josephine mit ihrer scharfen, klaren Stimme. »Dieser Mann ist ein Betrüger! Ich bestreite, daß der Vorgeführte Herr James Smith ist!«

»Das steht Ihnen frei,« entgegnete der Anwalt. »Wir hingegen wollen seine Identität trotz alledem beweisen.«

Der erste Zeuge, welcher aufgerufen wurde, war Herr Philipp Nicholson. Er konnte beschwören, daß er Herrn James Smith mehr als ein Dutzend Mal gesehen und gesprochen, und erkannte den vor ihm stehenden Mann als selbigen Herrn James Smith, obgleich derselbe durch das Abscheeren der Haare und des Bartes ein Wenig verändert war.

»Eine Verschwörung!« rief die Französin, die Worte beinahe zwischen den Zähnen hervorzischend.

»Wenn Sie nicht schweigen, bin ich genöthigt, Sie aus dem Saale entfernen zu lassen ,« sagte der Richter. Und zu dem Anwalt gewendet, fuhr er fort: »Es wird die Verhandlung abkürzen, wenn Sie zuerst solche Zeugen vernehmen lassen, welche täglich Gelegenheit hatten, Herrn Smith zu sehen.«

Man führte nun einen Domestiken aus Darrock-Hall auf die Zeugenbank.

Der Mann war offenbar verwirrt, durch die Veränderung, die sich nicht nur im Aeußern seines Herrn, sondern in seinem ganzen Wesen bemerklich machte. Ich muß zur Ehre des Herrn Smith gestehen, daß er, so nichtswürdig er auch von Charakter war, dennoch beschämt die Augen niederschlug, als er seiner unglücklichen Frau gegenüberstand, und der Diener, welcher gewöhnt war, seinen Herrn mit ungeduldig blitzenden Augen und hochmüthigem Gesicht zu sehen, stammelte eine Entschuldigung , als er seine Identität beschwören sollte.

»Ich kann das kaum mit Gewißheit sagen, Heer,« stotterte der Mann verlegen. »Er gleicht meinem Herrn und gleicht ihm doch auch nicht. Trüge er einen Backenbart und lange Haare und wäre er rauher und heftiger in seinen Manieren, so wollte ich darauf schwören, daß ich meinen Herrn vor mir sähe.«

 

Glücklicherweise wurde die Situation, in der er sich versetzt sah, Herrn Smith in diesem Moment unerträglich. Der Zweifel an seiner Identität und das Anstarren seines eigenen Dieners ärgerte ihn.

»Könnt Ihr nicht in kurzen Worten sagen, ob Ihr mich erkennt oder nicht, Dummkopf!« rief er dem Manne zornig zu.

»Das ist seine Stimme,« rief der Zeuge. »Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß er es ist, obwohl ihm die langen Haare und der Backenbart fehlen.«

»Wenn die Haare des Gentleman Schwierigkeiten machen sollten,« fiel hier Herr Dark ein, indem er ein Papier aus der Tasche zog, »so könnte ich wenigstens eine Probe liefern! Dabei hatten er das Päckchen geöffnet und einige Locken daraus hervorgezogen, die er an Herrn Smiths Kopf hielt. »Sie sehen, die Probe ist passend. Leider können wir den Backenbart nicht auch probiren, obgleich ich ihn vollständig in diesem Papier habe.«

»Eine Lüge, eine Betrügerei!« rief die Französin noch ein Mal.

Der Richter gab zweien der Constabler einen Wink und diese begleiteten Mademoiselle Durand in ein Nebenzimmer.

Der zweite Diener, sowie die übrigen Zeugen machten nach dem, was sie gesehen und gehört, keine Schwierigkeiten mehr, ihres Herrn Identität anzuerkennen.

»Es ist nicht nöthig, mehr Zeugen wegen der Person des Herrn Smith abzuhören,« sagte der Richter, als die Leute ihre Aussagen gemacht hatten. »Damit ist übrigens auch der Form genügt. Die Anklage gegen die Gefangenen fällt von selbst und ich habe das Glück, die beiden inhaftirten Persönlichkeiten entlassen zu können, da nicht der Schatten eines Verdachtes auf ihnen ruht.« Er verbeugte sich bei diesen Worten vor Frau Smith, schwieg einen Moment und sah dann fragend nach Herrn James Smith.

»Ich habe bis jetzt vermieden, eine Bemerkung zu machen, die nicht im unmittelbarsten Zusammenhange mit der Sache steht, die wir verhandeln,« fuhr er fort. »Jetzt indessen, da meine Pflicht nach dieser Seite hin erfüllt ist , kann ich nicht umhin, meine Mißbilligung über das Betragen des Herrn James Smith auszusprechen, ein Betragen, das – mögen die Beweggründe dazu sein, welche sie wollen – geignet war, eine Lady von unbescholtenem Rufe und eine andere Person von zwar geringerm Stande, aber unzweifelhafter Rechtlichkeit, zu compromittiren und in falschen Verdacht zu bringen. Herr Smith hat die Freiheit, seine heimliche Entfernung von Darrock-Hall und die wunderliche Veränderung seines Aeußern zu erklären. Es liegt keine legale Anklage gegen ihn vor, aber vom moralischen Standpunkte aus kann ich nicht verhehlen, daß er gewissenlos und in höchstem Grade verwerflich gehandelt hat.«

Aus diese scharfe Reprimande entgegnete Herr Smith, dem man ohne Zweifel die genaueste Weisung über sein Verhalten gegeben hatte, daß er gewünscht, durch sein Erscheinen hier einer Pflicht nachzukommen, daß er sich aber auch darauf beschränken werde. Es sei seine Pflicht gewesen, fuhr er fort, sich dem Gericht zu stellen und durch Zeugen seine Identität beweisen zu lassen. Nachdem er dieser Pflicht genügt, ziehe er vor, sich dem Tadel des Richters zu unterwerfen, statt sich auf Erklärungen einzulassen, durch die zugleich häusliche Verhältnisse der traurigsten Art preisgegeben würden. Dieser kurzen Erklärung hatte er nichts beizufügen, als die Bitte, sich zurückziehen zu dürfen.

Die Erlaubniß wurde ihm ertheilt. – Als er quer durch das Zimmer schritt, blieb er in der Nähe seiner Frau stehen und sagte in flüsterndem Tone:

»Ich habe Ihnen manche Sorge bereitet, aber daß es soweit kommen sollte, ist nicht meine Absicht gewesen. Ich beklage es sehr, glauben Sie mir das! Haben Sie mir noch etwas zu sagen, ehe ich gehe?«

Meine Herrin verbarg ihr Gesicht in den Händen. Er wartete einen Moment – da sie ihm indessen nicht antwortete, verbeugte er sich höflich und verließ das Zimmer. Ich wußte damals nicht, daß ich ihn zum letzten Male gesehen hatte.

Nachdem er sich entfernt, wandte sich der Advocat an Herrn Robert Nicholson und erklärte, daß er ihm in Bezug auf Josephine Durand eine Mittheilung zu machen habe.

Bei der Nennung dieses Namens flüsterte Frau Smith ihrem Anwalt einige Worte zu und dieser sah zu Herrn Philipp hinüber, welcher sogleich herbeikam, um der Lady seinen Arm zu bieten und sie aus dem Gerichtszimmer zu führen. Ich war eben im Begriff, ihr zu folgen, als Herr Dark auf mich zukam und mich aufforderte, einige Minuten zu bleiben, um das Ende der Sache mit anzuhören.

Der Richter gab nun Befehl, die Französin wieder ins Zimmer zu bringen. Sie trat so stolz und voll Selbstvertrauen ein, wie gewöhnlich.

»Sie klagen Mademoiselle Durand des Meineides an, nicht wahr?« sagte Herr Nicholson.

»Des Meineides?« rief Josephine mit einem boshaften Lachen. »Nun wohl, dann habe ich auch noch eine Kleinigkeit vorzubringen. Sie denken, ich müßte mich auf Gnade und Ungnade ergeben! Bah, noch habe ich meine Waffen nicht verbraucht!«

»Sie weiß von der zweiten Heirath!« flüsterte Dark mir zu.

Und in der That ließ sich das kaum noch bezweifeln. Sie hatte aller Wahrscheinlichkeit nach in jener Nacht, als Herr Smith zurückkam, bereits länger an der Thür gehorcht, als ich vorausgesetzt. Sie hatte die Worte: «Ihre neue Frau« gehört und vielleicht sogar den Effect gesehen, den diese auf Herrn James Smith hervorgebracht hatten.

»Ich klage Josephine Durand gegenwärtig nicht des Meineides an,« sagte der Anwalt, »sondern eines andern Vergehens. Ich beschuldige sie, ihrer Herrin zwei Armbänder, drei Ringe und ein und ein halbes Dutzend mit Spitzen besetzter Taschentücher gestohlen zu haben. Die fraglichen Gegenstände wurden diesen Morgen in der Matratze ihres Bettes gefunden. Ebenso ein Brief, Welcher klar beweist, daß sie diese Gegenstände für ihr Eigenthum ausgegeben und versucht hat, sie an einen Händler in London zu verkaufen.«

Während der Anwalt sprach hatte Herr Dark die Schmuckgegenstände, die Taschentücher und den Brief herbeigebracht und vor dem Richter ausgebreitet.

Dieser Attacke hielt selbst die ungewöhnliche Selbstbeherrschung der Französin nicht Stand. Bei den ersten Worten der unerwarteten Beschuldigung schlug sie die Hände heftig zusammen, knirschte mit den weißen Zähnen und sprudelte eine Fluth von französischen Worten hervor, die ich nicht verstand und deren Inhalt ich deshalb nicht angeben kann.

»Ich denke, daß jetzt die Mamsell schachmatt,« flüsterte Dark mit seinen Augenzwinkern. »Ich glaube, William, Sie gehen jetzt nach Darrock-Hall und besorgen einen Krug von dem bekannten alten Ale. Ich komme, sobald die Geschichte hier zu Ende ist.«

Wenige Minuten später befand ich mich auf dem Wege nach Darrock-Hall – endlich wieder ein freier Mann. – Eine Viertelstunde nach mir traf Herr Dark ein und trank drei Gläser Ale auf meine Gesundheit, mein Glück und meine Zukunft. Nachdem er diese Ceremonie vollbracht, nickte er mir mit allen Zeichen großer Freude und ausnehmender Befriedigung zu.

»Ein prächtiger Fall, William,« sagte er, indem er mit seinen dicken Händen auf die fetten Kniee schlug, »ein ganz entzückender Fall! Was ist es doch für ein Vergnügen, bei einer so interessanten Angelegenheit thätig und mitwirkend zu sein. Ist's nicht so, William?«

Ich meinestheils hatte nun zwar von diesem gerühmten Vergnügen eine andere Anschauung, aber ich wagte kaum, dieselbe auszusprechen. Ich war zu begierig zu hören, auf welche Weise Herr James Smith aufgefunden und herbeigeschafft worden war, um mich auf Streitigkeiten einzulassen. Herr Dark errieth übrigens meine Wünsche. Er bat mich also, mich zu ihm zu setzen und fing an zu erzählen.

»Als ich von meinem Prinzipal Nachricht über Das empfing, was sich hier zugetragen hatte, begann er, »wunderte ich mich keinen Augenblick, zu hören, daß Herr James Smith zurückgekommen war, aber ich erstaunte dennoch über die bedenkliche Wendung, welche die Dinge genommen hatten. Ich hatte nach Allem, was ich hörte, keine große Hoffnung, unsern Mann aufzufinden, aber ich befolgte sogleich den Auftrag meines Principals und ließ einen Aufruf in die öffentlichen Blätter einrücken, der zwar an Herrn James Smith adressirt, aber in Bezug auf die Sache um die es sich handelte, sehr vorsichtig gehalten, war. – Zwei Tage später kam eine Zuschrift von weiblichen Hand in unser Geschäftsbureau. Da es mein Amt war, alle eingehenden Briefe zu öffnen, so erbrach ich auch diesen. Das Schreiben war kurz und räthselhaft. Es verlangte, daß eine Vertrauensperson aus unserm Bureau Nachmittags zwischen drei und vier Uhr in einem gewissen Hause erscheinen sollte, um nähere Auskunft über die Annonce zu geben, die wir hätten einrücken lassen. Natürlich wahr ich der Jemand, der dieser Einladung folgte. Nachdem ich das Haus glücklich gefunden, wurde ich in ein Zimmer geführt, wo ich eine ungewöhnlich schöne Frau auf dem Sopha liegend fand. Sie war in einen Morgenrock gekleidet und sah aus, als wäre sie eben von einer Krankheit erstanden. Ihr zur Seite lag ein Zeitungsblatt.

»Der Name meines Mannes ist James Smith,« sagte sie, nachdem sie mir einen Stuhl, ihrem Sopha gegenüber, angewiesen hatte, »und ich habe Gründe, die es mir wünschenswerth erscheinen lassen, zu wissen, ob er die gesuchte Persönlichkeit ist.«

Ich beschrieb unsern Mann als einen Herrn James Smith von Darrock-Hall in Cumberland.

»Den kenne ich nicht,« entgegnete sie.

Ich nannte nun den Namen der Yacht Herrn Smiths und hatte das Vergnügen, sie überrascht vom Sopha auffahren zu sehen, auf dem sie lag.

»Ich glaube, Sie haben sich in Schottland verheirathet, Madame,« sagte ich.

Sie wurde bleich wie Asche und sank auf das Sopha zurück.

»Es ist ohne Zweifel mein Mann, den Sie suchen,« flüsterte sie dann mit schwacher Stimme. »O, sagen Sie mir, Herr, was passirt ist, was Sie von ihm wollen? Hat er vielleicht Schulden?«

Ich dachte einen Moment nach über Das, was ich zu thun hätte und beschloß endlich, ihr Alles zu sagen, weil ich fürchtete, sie möchte ihrem Manne, wie sie ihn nannte, eine Warnung zugehen lassen, wenn ich sie dadurch erschreckte, daß ich die Sache als Geheimniß behandelte. Ich kann Ihnen aber sagen, William, daß die Scene ernsthaft wurde, als ich ihr die doppelte Verheirathung Herrn Smiths mittheilte. Sie weinte, schrie, beschuldigte mich bald der Unwahrheit bald der Grausamkeit, und hielt mich auf diese Weise beinahe eine Stunde fest, hielt mich so lange fest, bis Herr James Smith selbst von einem Ausgange zurück kam. – Ich überlasse Ihnen, zu beurtheilen, ob das die Situation verbesserte! Er fand mich, wie ich die Schläfe der armen Frau mit Eau de Cologne und Wasser benetzte und er hätte mich, so wahr als ich hier sitze, zum Fenster hinaus geworfen, wenn ich ihn nicht gleich mit der Nachricht überrascht hätte, daß seine Frau des Mordes angeklagt und verhaftet wäre. Diese Mittheilung brachte ihn in dessen schnell zur Ruhe. Gehen Sie in’s Nebenzimmer,« sagte er, »ich werde sogleich kommen und mit Ihnen sprechen.«

Da ich wußte, daß er mir nicht durch die Fenster entwischen konnte und die Thür im Bereich meiner Augen lag, so that ich ihm den Willen, ging und ließ ihn allein mit der Lady, welcher gegenüber er durchaus keinen leichten Stand hatte, wie ich im Nebenzimmer deutlich vernehmen konnte. Indessen hat Alles in der Welt ein Ende und ein Mann von einigem Verstande macht mit einer Frau, die ihn liebt, doch was er will. Ich hörte bald, wie sie weinte und ihn küßte. – »Ich kann nicht nach Hause zurückehren,« schluchzte sie. »Du hast gegen mich gehandelt wie ein Ungeheuer – aber ich kann Dich nicht aufgeben! O, geh’ nicht wieder zu Deiner Frau, geh’ nicht wieder zu ihr!« – »Mache Dir keine Sorge darum« entgegnete er. »Meine Frau würde mich kaum wieder haben wollen, selbst wenn ich käme.«

Nachdem er sie auf diese Weise beruhigt hatte, kam er endlich zu mir in’s Zimmer, aber sobald er meiner ansichtig wurde, fing er wieder an zu fluchen und sich und mich zu verwünschen, als ob das zu irgend etwas gut wäre. »Verzeihen Sie, Herr,« entgegnete ich, als ich zu Worte kam. »Lassen Sie uns erst das Geschäft abmachen und fluchen Sie dann, soviel es Ihnen nur irgend angenehm ist.« Nach diesem Eingange, der seinen Effect nicht verfehlte, bat ich ihn, er möchte mir das Vergnügen machen, mich nach Cumberland zu begleiten. Er schien diesem Vorschlage anfänglich sehr zu mißtrauen, nachdem ich ihm aber gesagt, daß ich mich durch ein rechtsgültiges Document verpflichten wolle, ihn ohne allen Schaden durch den Proeeß hindurch zuführen – ein Document das natürlich keinen andern Nutzen und Zweck hatte, als ihn zu beruhigen – und nachdem ich ihm die Gefahr dargestellt, in der seine rechtmäßige Frau schwebte, willigte er endlich ein.

Die zweite Frau, von der ich einigen Widerstand gegen mein Project erwartet hatte, fuhr Herr Dark fort, war leichter zu bestimmen, als ich gehofft. Ich stellte ihr den Fall genau so dar, wie er lag, sagte ihr, daß Herrn James Smiths erste Frau jedenfalls keinen Anspruch an ihren Mann erheben würde und nachdem ich sie davon überzeugt, verbündete sie sich mit mir, um Herrn Smith auf seine Pflicht hinzuweisen. Sie sagte, daß sie die Herrin von Darrock-Hall von Grund ihres Herzens bedaure und mit dieser unerwarteten Hilfe hatte ich nun eben keine Furcht mehr, daß mein Mann seine Entschlüsse ändern möchte – dennoch ließ ich der größern Sicherheit wegen die Nacht über seine Thür bewachen.

 

Am nächsten Morgen, als ich kam, um ihn abzuholen, fand ich ihn bereits fertig und eine Viertelstunde später waren wir schon unterwegs. Wir machten die Reise per Extrapost, sowohl um die Gesellschaft neugieriger Personen zu vermeiden, als auch der größeren Schnelligkeit wegen, und wurden bald die besten Freunde. Ich erzählte ihm, wie wir ihm nach Schottland nachgereist waren und er seinerseits theilte mir dafür die näheren Umstände seiner Rückkehr nach Darrock-Hall mit.

Ich erfuhr also, daß Herr Smith mit Numero Zwei wirklich nach dem Mittelländischen Meere segelte. Sie begaben sich anfänglich nach der spanischen Küste und gingen von dort nach kurzem Aufenthalt nach der französischen Seestadt Cannes. Dort sah Herr Smith ein Haus mit schönem Garten, das ihm für seine zweite Frau sehr passend erschien. Da ihm aber zum Ankauf der Besitzung nichts fehlte, als das Geld, so entschloß er sich, aus der Noth eine Tugend zu machen, d.h. auf dem Landwege zu seiner rechtmäßigen Gattin zurückzukehren und eine Attake auf ihren Geldbeutel auszuführen. Numero Zwei hatte natürlich keine Lust, bis zur Rückkehr ihres Gatten allein in Frankreich zu bleiben und begleitete ihn bis London, wo er sie unter dem Vorgeben, daß er aus seinen Besitzungen in Linicolnshire Renten einkassiren müsse, daß aber sein Haus dort nicht zu ihrer Aufnahme geeignet sei, für einige Tage zurückließ. Kühn und keck brach er nun nach Darrock-Hall auf. Es war seine Absicht, die Besitzerin auf gütlichem Wege zur Herausgabe des nöthigen Geldes zu bewegen, aber die Sache wurde von vornherein durch die Anwesenheit Herrn Meekes verdorben.