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Die Traumfrau

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Bevor er antworten konnte, ging sie an ihm vorüber und verließ das Zimmer. Er sah sie die Straße hinauf weggehen.

Würde sie zurückkehren?

Die ganze Nacht wachte und wartete er, aber man hörte in der Nähe des Hauses keine Fußtritte. In der nächsten Nacht legte er sich, übermächtigt von der Müdigkeit, in seinen Kleidern ins Bett, die Tür war geschlossen, der Schlüssel lag auf dem Tisch und die Kerze brannte. Sein Schlummer wurde nicht gestört. Es verging die dritte, die vierte, die fünfte und die sechste Nacht, und nichts passierte.

Er legte sich in der siebten Nacht schlafen, noch immer in seinen Kleidern, noch immer mit geschlossener Tür, dem Schlüssel auf dem Tisch und einer brennenden Kerze, aber ruhiger in seinem Geist.

Mit leichterem Geist und in vollkommener körperlicher Gesundheit schlief er ein. Aber seine Ruhe wurde gestört. Er wachte zweimal, ohne Unbehaglichkeit zu verspüren, auf. Aber beim dritten Mal war es dieses unvergessliche Schaudern aus der Nacht in dem einsamen Gasthof, dieser schreckliche ziehende Schmerz im Herzen, welcher ihn einmal mehr in einem Moment wachrüttelte.

Seine Augen öffneten sich und blickten zur linken Seite des Bettes und dort stand – wieder die Traumfrau? Nein! Seine Frau; die lebende Realität, mit dem Gesicht des Traumphantoms und der Haltung des Traumphantoms; der schöne Arm oben, das Messer ergriffen in der zierlichen weißen Hand.

Er sprang zu ihr fast im Augenblick, als er sie sah, und doch nicht schnell genug, um sie daran zu hindern, das Messer zu verbergen. Ohne ein Wort von ihm – ohne einen Schrei von ihr – fesselte er sie an einen Stuhl. Mit einer Hand tastete er ihren Ärmel nach oben ab und dort, wo die Traumfrau das Messer versteckt hatte, hatte auch seine Frau es versteckt – das Messer mit dem Hirschhorngriff, das aussah wie neu.

In der Hoffnungslosigkeit des schrecklichen Augenblicks war sein Verstand wach und sein Herz ruhig. Er schaute sie unbeweglich mit dem Messer in seiner Hand an und sagte diese letzten Worte:

»Du hast zu mir gesagt, dass wir uns nie wieder sehen werden, und du bist zurückgekommen. Die Reihe ist nun an mir zu gehen, und zwar für immer. Ich sage, dass wir uns nie wieder sehen werden und ich werde mein Wort nicht brechen.«

Er verließ sie und zog in die Nacht hinaus. Es war ein rauer Wind draußen und der Geruch von frischem Regen lag in der Luft. Die entfernte Kirchenuhr schlug die Viertelstunde, als er schnell an den letzten Häusern der Vorstadt vorüberging. Er fragte den ersten Polizisten, den er traf, welche Stunde es war, für die es die Viertelstunde gerade geschlagen hatte.

Der Mann schaute verschlafen auf seine Uhr und antwortete: »Zwei Uhr.« Zwei Uhr morgens. Welcher Tag im Monat war dieser Tag, der gerade begonnen hatte? Er zählte vom Tag der Beerdigung seiner Mutter. Die verhängnisvolle Parallele war vollständig: es war sein Geburtstag!

War er der tödlichen Gefahr entronnen, welche sein Traum vorausgesagt hatte? Oder hatte er nur eine zweite Warnung erhalten?

Als dieser beunruhigende Zweifel sich in seinem Verstand verfestigte, hielt er an, überlegte und wandte sich wieder zurück zur Stadt. Er war noch immer entschlossen, sein Wort zu halten und sie ihn nie wieder sehen zu lassen; aber es gab nun den Gedanken in seinem Knopf, sie beobachten und verfolgen zu lassen. Das Messer war in seinem Besitz; die Welt lag vor ihm; aber ein neues Misstrauen ihr gegenüber – eine unbestimmte, unsägliche, abergläubische Furcht hatte ihn überkommen.

»Ich muss wissen, wohin sie geht, nun, da sie denkt, ich hätte sie verlassen«, sagte er zu sich selbst, als er sich ermüdet zu dem Gehweg seines Hauses hinstahl.

Es war noch immer dunkel. Er hatte die Kerze im Schlafgemach brennen lassen, aber als er nun zu dem Fenster des Zimmers hinaufschaute, war dort kein Licht. Er schlich vorsichtig zur Haustür. Er erinnerte sich, dass er sie beim Weggehen geschlossen hatte; als er sie nun probierte, fand er sie geöffnet.

Bis zum Morgengrauen wartete er draußen, wobei er nie das Haus aus den Augen verlor. Dann wagte er sich hinein – er horchte und hörte nichts – schaute in die Küche, die Spülküche, das Empfangszimmer und fand nichts; er ging endlich hinauf in das Schlafzimmer – es war leer. Ein Dietrich lag auf dem Boden, welcher erkennen ließ, wie sie in der Nacht Zutritt erlangt hatte, doch dies war die einzige Spur von ihr.

Wohin war sie gegangen? Keine sterbliche Zunge konnte ihm dies sagen. Sie war im Schutz der Dunkelheit geflohen; und als der Tag anbrach, konnte niemand sagen, wo das Licht sie entdeckt hatte.

Bevor er Haus und Stadt für immer verließ, gab er einem Freund und Nachbar Anweisungen, seine Möbel für alles, was sie einbringen würden, zu verkaufen und die Erlöse dafür zu verwenden, die Polizei für die Verfolgung nach ihr einzusetzen. Den Anweisungen wurde aufrichtig Folge geleistet und das ganze Geld wurde verbraucht, jedoch führten die Ermittlungen zu nichts. Der Dietrich auf dem Schlafzimmerboden blieb die letzte, einzige Spur der Traumfrau.

An diesem Punkt stockte der Gastwirt und schaute, während er sich dem Fenster des Zimmers, an dem wir saßen, zugewandt hatte, in die Richtung der Stallungen.

»So weit«, sagte er, »habe ich ihnen erzählt, was mir erzählt wurde. Das wenige, was noch hinzuzufügen bleibt, kann ich aus eigenen Erfahrungen berichten. Zwischen zwei und drei Monaten nach den Ereignissen, die ich gerade geschildert habe, kam Isaac Scatchard zu mir, welk und vor seiner Zeit gealtert, gerade so wie Sie ihn heute sehen. Er hatte seine Empfehlungsschreiben, die ihm einen guten Leumund ausstellten und er fragte hier nach einer Anstellung. Ich wusste, dass meine Frau und er entfernt verwandt waren und machte mit ihm unter Betrachtung dieser Verwandtschaft einen Versuch und ich mochte ihn trotz seiner seltsamen Angewohnheiten. Er ist ein schlichter, ehrlicher und bereitwilliger Mann, wie man ihn in ganz England findet. Was seine Ruhelosigkeit des Nachts und das Verschlafen seiner Freizeit tagsüber betrifft, wer kann sich noch darüber wundern, nachdem man seine Geschichte gehört hat? Überdies widerspricht er nie, wenn man ihn weckt, falls er gebraucht wird, es gibt also letztlich nicht viel Unannehmlichkeiten, über die man sich beschweren könnte.«

»Ich vermute, er hat Angst vor dem schrecklichen Traum und davor, daraus im Dunkeln zu erwachen?«

»Nein«, entgegnete der Gastwirt, »Der Traum hat ihn so oft heimgesucht, dass er ihn nun ziemlich gleichgültig erträgt. Es ist seine Frau, die ihn des Nachts wachhält, wie er mir oft erzählt hat.

»Was? Hat man nie wieder etwas von ihr gehört?«

»Niemals. Isaac hat den einen beständigen Gedanken, dass sie noch lebt und nach ihm sucht. Ich glaube, er würde sich nicht mal für alles Geld in der Welt schlafen legen und bis zwei Uhr morgens schlafen. Zwei Uhr morgens, sagt er, ist die Zeit, wenn sie ihn eines Tages finden wird. Zwei Uhr morgens ist das ganze Jahr über die Zeit, wenn er sicher sein will, dass das Klappmesser sicher bei ihm ist. Es macht ihm nichts aus, allein zu sein, solange er wach ist, außer in der Nacht auf seinen Geburtstag, wenn er fest davon überzeugt ist, in Lebensgefahr zu sein. Sein Geburtstag war bis jetzt nur einmal, seit er hier ist, und damals saß er die ganze Nacht beim Nachtpförtner. ‚Sie sucht nach mir‘, ist alles, was er sagt, wenn irgendjemand mit ihm über die einzige Sorge in seinem Leben spricht; ‚sie sucht nach mir.‘ Er könnte recht haben. Sie könnte nach ihm suchen. Wer weiß?«

»Wer weiß?« sagte ich.

E N D E