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Ich sprang von meinem Stuhl auf. Auf meinem Schreibtisch lag ein Flugblatt, welches ich gelesen und wieder gelesen hatte, bis ich es auswendig konnte. Es war von den Londoner Behörden im ganzen Vereinigten Königreich verteilt worden; und es enthielt die Beschreibung einer Frau, die eines schrecklichen Verbrechens verdächtig war, und die sich der Verfolgung durch die Polizei entzogen hatte. Ich schaute auf das Flugblatt; ich schaute auf den Mann, der mit mir sprach.

»Großer Gott!« schrie ich. »Haben Sie die Narbe gesehen?«

»Ich sah sie, Landvogt, so deutlich wie ich Sie sehe.«

»Und den falschen Eckzahn auf der linken Seite ihres Mundes?«

»Ja, Sir – und das Gold daran, das für sich spricht.«

Jahre sind vergangen, seit dieses Gespräch, auf das ich mich gerade bezog, geführt wurde. Aber einige Personen werden sich an einen berühmten Kriminalfall in London erinnern – und würden, wenn ich mich unbenommen fühlen würde, ihn zu erwähnen, den Namen der grausamsten Mörderin der Moderne wiedererkennen.

VI

Der Haftbefehl für die Frau wurde ausgestellt. Sachkundige Zeugen identifizierten sie und die Voruntersuchungen des Gesetzes nahmen ihren Lauf.

Für mich war der ernste Teil der Entdeckung der Teil, welcher einen Verdacht auf den unglücklichen Benjamin Parley warf. Der Schein war unbestreitbar gegen ihn. Er wurde nicht nur verdächtigt; er wurde sogar der Beihilfe zur Flucht der Mörderin von der Justiz angeklagt. Bei dem Ärger, der ihm zuteil wurde, konnte ich mich nützlich machen, indem ich Parley beistand und seine unglückliche Familie beruhigte.

Man wird die Behauptung kaum glauben, aber ich erkläre, es ist wahr, dass die Verblendung des Mannes von ihm stärker als je Besitz ergriff. Seine eigenen Interessen waren in keiner Weise von Wichtigkeit für ihn; er schien sogar nur wenig betroffen von dem Leid seiner Frau und seiner Familie zu sein; Seine einzige überwältigende Sorge war die um die Gefangene. »Ich glaube an ihre Unschuld«, sagte er tatsächlich zu mir, »wie ich an meine Religion glaube. Sie ist fälschlich dieses schrecklichen Verbrechens angeklagt, Sir.« Er war unfähig, sich über die grausame Täuschung, die sie auf ihn angewandt hatte, zu ärgern oder selbst sie einzusehen. In einem Wort, er war hingebungsvoller in sie verliebt denn je.

Und wohlgemerkt, er war hierbei keineswegs wahnsinnig! Ich kann es aus eigener Erfahrung beantworten; er war im Vollbesitz seiner Kräfte.

Es kam der Befehl, dass die Frau nach London weggebracht werden sollte, um vor das Oberste Strafgericht gestellt zu werden. Parley hatte davon gehört. In den ergreifendsten Worten flehte er mich an, ihn freizustellen und ihn mit der Pflicht, die Führung der Gefangenen zu übernehmen, zu betrauen!

Es war meine Angelegenheit, sie im Eisenbahnwaggon unter ordentliche Aufsicht zu stellen. Der Zug fuhr am Morgen ab. Sie weigerte sich, ihr Bett zu verlassen. Selbstverständlich wurde ich in diesem Notfall gerufen.

Die Mörderin war keine wunderschöne Frau; sie war nicht einmal eine hübsche Frau. Aber sie hatte ein sinnliches Lächeln, eine einzigartige musikalische Stimme, eine feine Figur und ein sehr großes Selbstvertrauen. In dem Augenblick, als ich das Zimmer betrat, erprobte die schreckliche Kreatur ihre Mächte der Faszination am Landvogt – sie nahm die Miene eines unschuldigen Opfers an, welches von Leiden an Körper und Geist überwältigt war. Ich sah auf meine Uhr und sagte ihr, dass sie keine Zeit zu verlieren hätte. Nicht im mindesten beunruhigt, wechselte sie zu einer anderen Miene; sie zog mich unbekümmert und zynisch in ihr Vertrauen. »Mein lieber Sir, Sie hätten mich nie geschnappt«, sagte sie, »wenn ich nicht einen Fehler gemacht hätte. Als Gouvernante in der Familie eines Ex-Polizeibeamten wäre ich vor Entdeckung sicher gewesen, wenn ich nicht wie selbstverständlich angenommen hätte, dass ich Parleys alte Frau um meinen kleinen Finger wickeln könnte wie den Rest von ihnen. Wer hätte gedacht, dass sie auf einen hässlichen, alten Mann in ihrem Alter eifersüchtig sein konnte? Hätten Sie sich nicht selbst gesagt: »All diese Dinge müssen lange vorbei sein, wenn eine Frau sechzig Jahre oder älter ist?« Kann es Eifersucht ohne Liebe geben? Und lieben wir, wenn wir abscheuliche, schwabbelige Wesen sind, die mit Runzeln überdeckt sind? Oh, Pfui! Pfui!«

Ich nahm meine Taschenuhr wieder heraus.

»Wenn ich in zehn Minuten nicht höre, dass Sie aufgestanden und angekleidet sind«, sagte ich, »werde ich sie in eine Decke einwickeln lassen und von einer Polizeitruppe zum Zug bringen lassen.«

Mit dieser Warnung verließ ich den Raum. Die Frau, die sie bewachte, erzählte mir später, dass ihre Redeweise zu schrecklich war, um sie zu wiederholen. Aber sie war klug genug, um schnell einzusehen, dass ich es ernst meinte und sie war rechtzeitig aufgestanden und angezogen für den Zug.