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Ich war nach meiner Abwesenheit so eifrig beschäftigt, dass ich eine Verabredung mit Mrs Parley nur zur Frühstückszeit ausmachen konnte. Die Stunde war so früh, dass sie sicher sein würde, mich allein vorzufinden.

In dem Moment, als sie das Zimmer betrat, bemerkte ich eine Veränderung an ihr, die mich auf etwas ernstes vorbereitete. Es mag vielleicht erwünscht sein, eine gewisse Neigung zu Aufregung und Übertreibung in Mrs. Parleys Art, zu denken und zu sprechen, damit zu erklären, dass sie Waliserin war.

»Stimmt irgendetwas daheim nicht?« fragte ich.

Sie begann zu weinen. »Sie wissen, wie stolz ich auf unser großes Haus und unser glänzendes Einkommen war, Sir. Ich wünschte, wir wären dorthin gegangen, wo wir zuerst hingehen wollten – hunderte Meilen weg von diesem Ort! Ich wünschte, Parley hätte seine Lordschaft nie getroffen und nie die große Belohnung verdient!«

»Sie wollen mir doch nicht erzählen«, sagte ich, »dass Sie und Ihr Ehemann sich gestritten haben?«

»Schlimmer, Sir – schlimmer als das. Parley ist so verändert, dass mein eigener Mann wie ein Fremder für mich ist. Um Himmels willen, sagen Sie nichts! In meinem hohen Alter, nachdem man dreißig Jahre und mehr zusammen geschlafen hat, bin ich abgetragen. Parley hat sein Schlafzimmer und ich habe meins!« Sie sah mich an – und errötete. Mit fast sechzig Jahren errötete das arme Wesen wie ein junges Mädchen!

Es ist unnötig, zu sagen, dass mir die berühmte Frage des französischen Philosophen auf der Zungenspitze lag: »Wer ist sie?« Aber ich schuldete es Parleys makellosem Ruf, zu zögern, bevor ich auf eine Meinung wie diese einging. Die Frage der Betten war eindeutig außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs. »In welch anderer Art scheint Parley sich verändert zu haben?« fragte ich nach.

»Scheint?« wiederholte sie. »Sogar die Mädchen bemerken es! Sie sagen, ihr Vater kümmert sich jetzt nicht mehr um sie. Und es ist wahr! Bei unserem gegenwärtigen Reichtum können wir es uns leisten, eine Gouvernante zu zahlen; und als wir uns in unserem neuen Haus einrichteten, stimmte Parley mir zu, dass die armen Dinger besser unterrichtet werden sollten. Er hat all sein Interesse an ihrem Wohlergehen verloren. Wenn ich die Angelegenheit vor ihm erwähne, sagt er: »Oh! Nur Scherereien!« und entmutigt mich auf diese Weise. Sie wissen, Sir, er zog sich immer ansehnlich an, entsprechend seiner Stellung und seines Alters. Das hat sich nun alles verändert. Er ist zu einem neuen Schneider gegangen; er trägt fesche Mäntel, geschnitten wie für junge Männer; ich fand ein Gummiband unter seinen Kleidern – so eins, welches angepriesen wird, um das Fett zurückzuhalten und die Figur zu bewahren. Sie waren so lieb, ihm eine Schnupftabaksdose an seinem letzten Geburtstag zu schenken. Sie nützt ihm jetzt nichts mehr. Benjamin hat das Schnupfen aufgegeben.«

Hier hielt ich es im Interesse der guten Mrs. Parley selbst für wünschenswert, den Vortrag ihrer Klagen zu einem Abschluss zu bringen. Die Ehetragödie (um in der Sprache der Bühne zu sprechen) war mir mehr als ausreichend enthüllt. Nach einem beispielhaften Leben war der Modellehemann und -vater einer dieser Versuchungen ausgesetzt gewesen, die besonders mit den Straßen einer großen Stadt verbunden sind – und war ihr am Ende seiner Karriere erlegen. Ein katastrophaler Untergang; nicht ganz und gar beispiellos in der Geschichte des schwächlichen Menschengeschlechts, selbst in einem hohen Alter! Ich war betrübt, aufrichtig betrübt; aber was konnte ich in meiner Stellung tun?

»Ich bin Ihnen zu Diensten«, sagte ich, »wenn Sie mir nur erzählen wollen, wie ich Ihnen beistehen kann.«

»Irgendein Flittchen hat sich Benjamin ergattert«, rief die arme Frau. »Und ich weiß nicht, wo ich sie finden kann. Was soll ich tun? Benjamin ist zu scharfsinnig für mich – Ich glaube, ich werde noch verrückt!«

Sie fiel zurück auf ihren Stuhl und begann, ihre Hände auf ihren Schoß zu schlagen. Hätte ich diese hysterische Aufregung weiter in ihrem gewöhnlichen Entwicklungsverlauf voranschreiten lassen, wäre der Haushalt durch einen Ausbruch von Schreien alarmiert worden. Es gab nur einen Weg, Mrs. Parley zu beruhigen, und ich schlug ihn ein.

»Angenommen, ich spreche mit Ihrem Mann?« schlug ich vor.

»Oh, Herr Landvogt – !«

In Mrs. Parleys nervöser walisischer Natur drohte sich selbst Dankbarkeit in hysterischer Weise auszudrücken. Ich hielt den neuerlichen Ausbruch auf, indem ich einige notwendige Fragen stellte. Die wenigen Fakten, die ich herauszulocken im Stande war, stellten mein bevorstehendes Gespräch mit dem Ehemann in keinem vielversprechenden Licht dar.

Nach dem Umzug in das neue Haus hatte Parley einige Schwierigkeiten, sich mit der Veränderung in seinem Leben auszusöhnen (was allzu natürlich war). Von Zeit zu Zeit schaute er (wie seine Frau vorgeschlagen hatte) auf der Polizeiwache vorbei und hatte den Nutzen seiner Erfahrung seinen Kollegen angeboten, wenn sie Rat brauchen sollten. Eine Weile lang erzeugten diese Besuche in der Stadt die guten Ergebnisse, die von ihnen erwartet worden waren. Dann folgte der sehr vollständige und sehr verdächtige Wandel mit ihm, von dem mir bereits berichtet worden war. Da Mann und Frau nachts noch dasselbe Zimmer belegten, entdeckte Mrs. Parley, dass Benjamins Schlaf durch Träume gestört wurde. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, hörte sie ihn im Schlaf sprechen. Hier und dort entschlüpften ihm Worte, die auf eine Frau hinzudeuten schienen – eine Frau, die er »mein Liebes« nannte – eine Frau, die anscheinend irgendein umtriebiges Vertrauen zu ihm erlangt hatte. Unter anderen Umständen vernünftig genug, hatte Mrs. Parleys Eifersucht sie zu einer Tat der Albernheit getrieben. Sie weckte ihren Mann und bestand auf einer Erklärung. Das Ergebnis war die Einrichtung getrennter Schlafzimmer gewesen – unter dem Vorwand, dass Parleys Ehepflichten ihm es nicht erlauben würden, die Ruhe seiner Frau auf diese Art zu stören. Allzu richtig zu dem Schlusse gelangend, dass er Angst davor hatte, sich selbst zu verraten, hatte Mrs. Parley das verzweifelte Experiment gewagt, ihn heimlich zu verfolgen, sobald er das nächste Mal das Haus verlassen würde. Ein Polizeioffizier mit 40 Jahren Erfahrung und einem Geheimnis, das er schützen will, sieht vor und hinter sich, und nach links und rechts, zu ein und derselben Zeit. Die arme Mrs. Parley, als Spion entlarvt, fühlte den Blick, den ihr Mann ihr sandte (um ihren eigenen Ausdruck zu gebrauchen) »im Mark ihrer Knochen.« Seine Sprache war gleichermaßen beängstigend. »Versuch es noch einmal«, sagte er, »und du wirst das letzte von mir gesehen haben.« Sie hatte natürlich Angst davor, es noch einmal zu versuchen und nun war sie da, an meinem Frühstückstisch, mit nur noch einer einzigen Hoffnung – der Hoffnung, dass der Landvogt ihr beistehen würde!