Grammatisches Kompendium

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6.2.1 FunktionsklassenVerbFunktionsklassenFunktionsklassenVerb

Hinsichtlich ihrer Bedeutungen, ihres Anteils am Aufbau von VerbphraseVerbphrasen (▶ Nr. 7.1/1 bis Nr. 7.1/7) und ihrer Kombinierbarkeit sind die folgenden Funktionsklassen von Verben zu unterscheiden:

Übersicht 2 – Funktionsklassen von VerbenVollverbVerbVoll-KopulaverbVerbKopula-unpersönliches VerbVerbunpersönlichesHauptverbVerbHaupt-GefügeverbVerbGefüge-reflexives VerbVerbreflexivesFunktionsverbVerbFunktions-ModalverbVerbModal-ModalitätsverbVerbModalitäts-modifizierendes VerbVerbmodifizierendesGerundiv-VerbVerbGerundiv--NebenverbVerbNeben-Tempus-HilfsverbVerbTempus-Hilfs-HilfsverbVerbHilfs-Konjunktiv-HilfsverbVerbKonjunktiv-Hilfs-Passiv-HilfsverbVerbPassiv-Hilfs-


6.2.1.1 HauptverbHauptverben

6.2/1 HauptverbHauptverbVerbHaupt-en

Verben, die im Satz allein vorkommen können, das heißt nicht auf die Anwesenheit weiterer Verben (NebenverbenNebenverbVerbNeben-, das heißt HilfsverbHilfsverben, ModalitätsverbModalitätsverbVerbModalitäts-en) angewiesen sind (diese können freilich hinzutreten).

Übersicht 3 – HauptverbenVollverbHauptverbKopulaverbGefügeverb


6.2/2 VollverbVollverbVerbVoll-en

Verben mit fest umrissener Bedeutung, die für sich allein ValenzValenzträgerValenzträger sind und in einem Satz allein das PrädikatPrädikat bilden können (▶ Nr. 7.2/1).

Er leidet.

Sie mauert.

Er stellt die neuen Mitarbeiter ein.

6.2/3 KopulaverbKopulaverbVerbKopula-en = KopulaKopulae

Verben wie sein, werden, bleiben, die im Satz mit einem PrädikativumPrädikativum verbunden werden (▶ Nr. 7.2/2). Sie bilden zusammen mit dem Prädikativum das PrädikatPrädikat (▶ Nr. 7.2/1).

Er ist krank.

Sie wird Maurer/Maurerin.

Er bleibt Angestellter.

die Kopula, der Kopula, die Kopulae od. Kopulas (Betonung auf Ko-)

6.2/4 GefügeverbGefügeverbVerbGefüge-en

Verben, die im Satz nicht allein stehen können, sondern mit einer ErweiterungErweiterung kombiniert werden müssen. Die Kombination aus Gefügeverb und Erweiterung bildet ein VerbgefügeVerbgefügeGefügeVerb-. Das Verbgefüge als Ganzes ist Bedeutungs- und ValenzValenzträger (▶ Nr. 6.1/12) und kann in einem Satz das PrädikatPrädikat bilden (▶ Nr. 7.2/1).

Hierher gehören neben den unten genannten besonderen Subklassen alle solche Kombinationen, deren Bedeutung sich nicht aus der Bedeutung ihrer Teile ergibt (z. B. auf die Palme [einteilige Erweiterung] bringen [Gefügeverb], den Kopf in den Sand [zweiteilige Erweiterung] stecken [Gefügeverb]) und bei denen die nichtverbalen Teile nicht als SatzgliedSatzglieder angesehen werden können. So ist z. B. in dem Satz

Er hat ihn um die Ecke gebracht

die Konstituente um die Ecke kein SatzgliedSatzglied, denn sie ist nicht Erfragbarkeiterfragbar (*Wohin hat er ihn gebracht?) und nicht Anaphorisierbarkeitanaphorisierbar (*Er hat ihn dorthin gebracht) – ▶ Nr. 7.2/7. Bei Verbgefügen handelt es sich um LexemgruppenLexemgruppe = PhraseolexemePhraseolexem = PhrasemePhrasem = PhraseologismenPhraseologismus = IdiomeIdiom = idiomatische Wendungidiomatische Wendungen (▶ Nr. 6.1/4).

Besondere Subklassen der GefügeverbGefügeverben:

6.2/5 Unpersönliche Verbunpersönliches VerbVerbunpersönlichesen = ImpersonaliaImpersonale

Nur in Kombination mit dem Pronomen esPronomen (ErweiterungErweiterung) verwendbare Gefügeverben.

das ImpersonaleImpersonale, des ImpersonaleImpersonales, die Impersonalia od. ImpersonaleImpersonalien (Betonung auf -na-)

Hierher gehören vor allem Natur- und Witterungserscheinungen bezeichnende Verben (WitterungsverbenWitterungsverbVerbWitterungs-):

Es regnet.

Morgen soll es schneien.

Es hat getaut.

Stürmte es?

So verhalten sich auch Verben wie mangeln, (sich) handeln, geben:

Hat es euch nicht an allem gemangelt?

Es handelt sich um einen Unfall.

Heute gibt es rote Grütze.

Bei es (und seiner in der Umgangssprache möglichen Alternative das) handelt es sich nach unserer Bestimmung des SubjektSubjekts (▶ Nr. 7.2/8) nicht um das SatzgliedSatzglied SubjektSubjekt, sondern um einen Teil des PrädikatPrädikats (man könnte von einem PseudosubjektPseudosubjektSubjektPseudo- sprechen): es ist nicht Erfragbarkeiterfragbar (*Wer regnet? oder *Was regnet? – *Es; *Wer gibt heute rote Grütze? oder *Was gibt heute rote Grütze? – *Es), und es ist nicht durch andere Elemente (bis auf die Variante dasErsetzbarkeit) ersetzbar. In manchen Grammatiken wird es als Subjekt gewertet, und zwar als formales Subjektformales SubjektSubjektformales = FormsubjektFormsubjektSubjektForm-.reflexives VerbVerbreflexives

6.2/6 Reflexive Verben

Gefügeverben, die ReflexivpronomenPronomenReflexiv-Reflexivpronomina (▶ Nr. 6.5/2) als notwendige ErweiterungenErweiterung haben.

Hat er sich geschämt?

Du wirst dich noch wundern.

Ich habe mir das nur so ausgedacht.

Die PronominaPronomen sind mit dem GefügeverbGefügeverb fest verbunden (sie sind nicht weglassbar – *Hat er geschämt?). Sie beziehen sich auf das SubjektSubjekt, sind aber keine SatzgliedSatzglieder (keine ObjektObjekte), denn sie sind nicht Erfragbarkeiterfragbar (*Wen hat er geschämt?) und nicht Ersetzbarkeitersetzbar (*Er hat die Frau/mich geschämt). Die ReflexivpronominaReflexivpronomen sind Prädikatsteile (PrädikatserweiterungPrädikatserweiterungen, ▶ Nr. 7.2/3).

Anders verhält es sich in den folgenden Sätzen:

Ich kämme mir die Haare.

Er wäscht sich.

Hier sind die PronomenPronomina SatzgliedSatzglieder (ObjektObjekte, ▶ Nr. 7.2/9), denn sie sind Erfragbarkeiterfragbar (Wem kämme ich die Haare?) und Ersetzbarkeitersetzbar (Ich kämme dir/dem Kind die Haare). Man sagt, in solchen Sätzen würden die Verben lediglich reflexiv gebrauchtreflexiv gebrauchtes VerbVerbreflexiv gebrauchtes. Im Gegensatz dazu werden Gefügeverben, die stets ein ReflexivpronomenReflexivpronomen fordern, als echt reflexive Verbenecht reflexives VerbVerbecht reflexives bezeichnet.

Nochmals anders verhält es sich in den folgenden Sätzen:

Der Roman verkauft sich gut.

Seide wäscht sich nicht leicht.

Hier feiert es sich super.

Hier auftretende Verben wie verkaufen, waschen, feiern sind »normale« VollverbenVollverbVerbVoll-, keine GefügeverbGefügeverben. Es handelt sich dabei um passivfähige Verbpassivfähig (Verb)Verbpassivfähigesen (▶ Nr. 6.2/35), die in Sätzen wie den genannten mit passivischer Bedeutung (‘Der Roman wird gut verkauft’), in passivPassivischer Konstruktion (der Roman ist SubjektSubjekt und nicht wie im AktivsatzAktivsatz [Jemand verkauft den Roman] AkkusativobjektAkkusativobjektObjektAkkusativ-) und mit hinzugesetztem ReflexivpronomenReflexivpronomenPronomenReflexiv- als ErweiterungErweiterung verwendet werden. Man könnte von medioreflexiven Verbmedioreflexives VerbVerbmedioreflexivesen oder von Verben in medioreflexivem Gebrauch sprechen. In solchen Konstruktionen tritt häufig das modifizierende Verbmodifizierendes Verb lassen hinzu (▶ Nr. 6.2/10).

6.2/7 FunktionsverbFunktionsverbVerbFunktions-en

GefügeverbenGefügeverb wie bringen, kommen, finden, stehen, nehmen, die mit SubstantivphrasenSubstantivphrasePhraseSubstantiv- oder PräpositionalphrasePräpositionalphrasePhrasePräpositional-n als Erweiterungen kombiniert sind. Im Vergleich mit den gleichlautenden = homonymhomonym/Homonymen VollverbenVollverb bringen, kommen usw. haben sie nahezu keine eigene lexikalische Bedeutung.

Man vergleiche die folgenden Sätze

Das Buch wurde beachtet.

Er führt die Oper auf.

Über den Gesetzentwurf wird abgestimmt.

mit ihren FunktionsverbgefügeFunktionsverbgefügeGefügeFunktionsverb- enthaltenden Gegenstücken:

Das Buch fand Beachtung.

Er bringt die Oper zur Aufführung.

Der Gesetzentwurf kommt zur Abstimmung.

In diesen Funktionsverbgefügen erscheinen die VollverbVollverben beachten, aufführen und abstimmen als SubstantivierungSubstantivierungen (= NominalisierungNominalisierungen, ▶ Nr. 5.5/11). Die verbale Rolle übernehmen die FunktionsverbFunktionsverben finden, bringen, kommen.

Über die drei genannten, in der Grammatik ausführlicher behandelten Klassen von GefügeverbGefügeverben hinaus gibt es unterschiedlich gebaute LexemgruppeLexemgruppen aus GefügeverbGefügeverb + Erweiterung(en), die sich nur schwer zu Unterklassen zusammenfassen lassen:

 

auf die Palme bringen

sich unter den Nagel reißen

noch alle Tassen im Schrank haben

drauf und dran sein

6.2.1.2 NebenverbenNebenverbVerbNeben-: ModalitätsverbModalitätsverben

6.2/8 ModalitätsverbModalitätsverbVerbModalitäts-en

Verben, die (in dieser Bedeutung) nicht allein, sondern nur in Verbindung mit HauptverbHauptverben auftreten.

Übersicht 4 – Modalitätsverbenmodifizierendes VerbGerundiv-Verb


6.2/9 ModalverbModalverbVerbModal-en

Die Verben brauchen, dürfen, können, möchte (ohne InfinitivInfinitiv und PartizipPartizipien, nur im PräsensPräsens IndikativIndikativ), mögen, müssen, sollen, wollen, sofern sie in Kombination mit einem HauptverbHauptverb (im InfinitivInfinitiv) auftreten.

Er muss nach Paris fahren (im Gegensatz zu:Er muss [HauptverbHauptverb] mal).

Er muss ziemlich dumm sein.

Frauen brauchten nicht in der Bundeswehr zu dienen (im Gegensatz zu:Frauen brauchten [HauptverbHauptverb] nicht zur Bundeswehr).

Er soll sie sehen können.modifizierendes VerbVerbmodifizierendes

6.2/10 Modifizierende Verben

Verben wie drohen, haben, lassen, pflegen, scheinen, vermögen, versprechen, sofern sie in Kombination mit einem HauptverbHauptverb (im InfinitivInfinitiv) auftreten (können).

Er drohte zu ersticken (vs.Er drohte [HauptverbHauptverb], mich zu ersticken).

Du hast zu schweigen.

Du hast mir nichts zu befehlen.

Er versprach ein guter Schüler zu werden (vs.Er versprach [HauptverbHauptverb], ein guter Schüler zu werden).

Der Roman lässt sich gut verkaufen (bei medioreflexiv gebrauchten Verbenmedioreflexiv gebrauchtes Verb, ▶ Nr. 6.2/6).

6.2/11 Gerundiv-VerbGerundiv-Verb

Das Verb sein, sofern es in Kombination mit einem HauptverbHauptverb (im zu-Infinitiv<i>zu</i>-Infinitiv) auftritt.

Du bist zu beneiden.

Er war nicht zu bremsen.

Bedeutung und Konstruktion sind passivPassivisch (‘Du musst/kannst beneidet werden’), die Verbform ist aktivisch (ohne Passiv-HilfsverbPassiv-Hilfsverb, ▶ Nr. 6.2/15).

6.2.1.3 NebenverbenNebenverb: HilfsverbHilfsverben

6.2/12 HilfsverbHilfsverbVerbHilfs-en

Verben, die zur Bildung von zusammengesetzte VerbformVerbformzusammengesetztezusammengesetzten Verbformen dienen.

Übersicht 5 – HilfsverbenTempus-HilfsverbHilfsverbKonjunktiv-HilfsverbPassiv-Hilfsverb


6.2/13 Tempus-HilfsverbTempus-HilfsverbVerbTempus-Hilfs-HilfsverbTempus--en

Die Verben haben, sein in Verbindung mit dem Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt eines Hauptverbs oder eines mit dem Hauptverb verbundenen ModalitätsverbsModalitätsverbVerbModalitäts- (in Form des ErsatzinfinitivsErsatzinfinitivInfinitivErsatz-, ▶ Nr. 6.2/20 gegen Ende) und das Verb werden in Verbindung mit dem InfinitivInfinitiv eines HauptverbHauptverbs zur Bildung von TempusTempusformenTempusform (das heißt: analytischen Tempusanalytisches TempusTempusanalytischesformen) dieses Verbs im AktivAktiv. Zur Bildung solcher Tempusformen im PassivPassiv verbindet sich das Tempus-Hilfsverb sein mit dem Partizip IIPartizip II worden bzw. gewesen der Passiv-HilfsverbenPassiv-Hilfsverb werden bzw. sein (+ Partizip IIPartizip II des Hauptverbs, ▶ Nr. 6.2/15) bzw. das Tempus-Hilfsverb werden mit dem Infinitiv der Passiv-HilfsverbenPassiv-Hilfsverb werden oder sein.

Alle haben gelacht.

Einige wären gekommen, wenn sie Zeit gehabt hätten.

Keinem wird es schlechter gehen.

Er wird in Paris studiert haben.

Er wird vergessen.

Alle haben lachen müssen.

Er wird vergessen können.

Niemand ist belästigt worden.

Alle waren besiegt gewesen.

Keiner wird bestraft werden.

6.2/14 Konjunktiv-HilfsverbKonjunktiv-HilfsverbHilfsverbKonjunktiv--:

Das Verb werden in der Form des KonjunktivKonjunktivs ImperfektImperfektKonjunktiv Imperfekt = Konjunktivs PräteritumPräteritumKonjunktiv Präteritum (würde, würdest, würden, würdet) in Verbindung mit dem InfinitivInfinitiv eines Hauptverbs, u.a. zur Bildung von ErsatzformErsatzformen des Konjunktivs IIKonjunktiv IIKonjunktivErsatzform.

Ich würde kommen (stattIch käme)

Ich würde lachen (stattIch lachte)

Ich würde meinen, dass …

Würden Sie mir bitte das Salz reichen?

Er würde gelacht haben.

Er würde verhaftet worden sein.

Weitere Beispiele und Erläuterungen ▶ Nr. 6.2/24.

6.2/15 Passiv-HilfsverbHilfsverbPassiv--Passiv-Hilfsverben

Die Verben werden, sein (und bekommen, erhalten, kriegen, gehören) in Verbindung mit dem Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt eines Hauptverbs zur Bildung von PassivPassivformen dieses Verbs.

Alle Plätze wurden besetzt.

Alle Plätze sind besetzt.

Niemand ist belästigt worden.

Er wird vergessen.

Er bekam den Kuchen gebracht.

Er erhält/kriegt die Zeitung geschenkt.

So ein Lehrbuch gehört verboten.

In analytisches TempusTempusTempusanalytischesanalytischen = zusammengesetztenzusammengesetztes TempusTempuszusammengesetztes Tempora (PerfektPerfekt usw., ▶ Nr. 6.2/23) steht statt der VollformVollform geworden des Partizip IIPartizips II von werden die präfixlose Form worden:

Alle Plätze sind besetzt worden.

6.2.2 WortformVerbWortformenWortformenVerbWortformen

Ein Verb kann im Satz in unterschiedlichen Formen auftreten. Diese Formen sind seine RealisierungsformRealisierungsformFormRealisierungs-en = seine KonjugationsformKonjugationsformFormKonjugations-en. Ihre Bildung hängt ab zum einen von den dem betreffenden Verb inhärenten Eigenschaftinhärente EigenschaftEigenschaftinhärenteen oder inhärenten Merkmalinhärentes MerkmalMerkmalinhärentesen, die ihm »von Haus aus« zukommen (Zugehörigkeit zu einer bestimmten KonjugationsklasseKonjugationsklasse usw.), zum anderen erfolgt sie gemäß den grammatischen Kategoriegrammatische KategorieKategoriegrammatischen, die im jeweiligen Satz relevant werden.

6.2.2.1 Inhärente Merkmaleinhärentes MerkmalMerkmalinhärentes von Verben

Übersicht 6 – Inhärente Merkmale von Verbenregulär (Verb)regelmäßig (Verb)schwachVerbKonjugationsklasseschwachirregulär (Verb)starkVerbKonjugationsklassestarkunregelmäßig (Verb)KonjugationsklassegemischtVerbKonjugationsklassegemischtanomal (Verb)KonjugationsklasseanomalPräteritopräsensKonjugationsklasseKonjugationsklasseKonjugationsklassePräteritopräsenstrennbar (Verb)Trennbarkeitinhärentes MerkmalMerkmalinhärentesnicht trennbar (Verb)Präfix-PartizipPartizipbildungNull-Partizip<i>sein</i>-PerfektPerfektbildunghaben-Perfekt


6.2/16 KonjugationsklasseKonjugationsklasse

Inhärentes Merkmalinhärentes MerkmalMerkmalinhärentes von Verben: Verben gehören einer der folgenden Konjugationsklassen an: schwachVerbKonjugationsklasseschwachschwach, starkVerbKonjugationsklassestarkstark, gemischtVerbKonjugationsklassegemischtgemischt, unregelmäßig (Verb)VerbunregelmäßigesKonjugationsklasseanomalanomalanomal (Verb), PräteritopräsensPräteritopräsensKonjugationsklassePräteritopräsens.

Kennzeichen schwacher VerbenVerbschwaches ist, dass sie ihre ImperfektImperfektformen = PräteritumPräteritalformen und das Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt durch Anfügung des SuffixSuffixes -t bzw. -et (je nach StammauslautStammauslaut) bilden (▶ Nr. 5.2/1):

lachen: lach-t(-e), (ge-)lach-t

reden: red-et(-e), (ge-)red-et

Starke VerbenstarkVerbKonjugationsklassestark sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre ImperfektImperfektformen = PräteritalPräteritalformformen ohne Anfügung eines Suffixes und das Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt durch Anfügung des SuffixesSuffix -en bilden; die AllomorpheAllomorph des Stammes weisen AblautAblaut auf (▶ Nr. 5.2/7):

binden: bind(-en) – band- – (ge-)bund-en

(Ablaut i – a – u)

kommen: komm(-en) – kam- – (ge-)komm-en

(Ablaut o – a – o)

Gemischte VerbengemischtVerbKonjugationsklassegemischt verwenden beide Prinzipien, z. B.

mahlen: mahl-t(-e) (schwach) – (ge-)mahl-en (stark)

spalten: spalt-et(-e) – (ge-)spalt-en

fragen: frug-∅ (stark – veraltet) – (ge-)frag-t (schwach)

Schwache und starke Verben können regulär (Verb)regulär oder irregulär (Verb)irregulär gebildet werden:

Schwach regulär:

trenn(en) – trenn-t(-e) – (ge-)trenn-t

lenk(en) – lenk-t(-e) – (ge-)lenk-t

leb(en) – leb-t(-e) – (ge-)leb-t

swing(en) – swing-t(-e) – (ge-)swing-t

schalt(en) – schalt-et(-e) – (ge-)schalt-et

Schwach irregulär (mit sog. »RückumlautRückumlautUmlautRück-«: e/ia):

nenn(en) – nann-t(-e) – (ge-)nann-t

denk(en) – dach-t(-e) – (ge-)dach-t

bring(en) – brach-t(-e) – (ge-)brach-t

Stark regulär:

heb(en) – hob – (ge-)hob-en

sing(en) – sang – (ge-)sung-en

Stark irregulär:

geb(en) – gab – (ge-)geb-en – gib-st

fress(en) – fraß – (ge-)fress-en – friss-t

ess(en) – aß – (ge-)gess-en – iss-t

sitz(en) – saß – (ge-)sess-en

geh(en) – ging – (ge-)gang-en

seh(en) – sah – (ge-)seh-en – sieh-st

halt(en) – hielt – (ge-)halt-en – hält-st

Bei anomalenanomal (Verb)Konjugationsklasseanomal Verben treten in vielen Formen Irregularitäten auf, z. B.:

haben: hast – hat – hatte

sein: bin – bist – ist – sind – seid – war – (ge-)wes(-en)

 

werden: wirst – wird – wurd-e – geworden/-worden

tun: tun – tat – (ge-)ta(-n)Präteritopräsens KonjugationsklassePräteritopräsens

Präteritopräsentia sind Verben, deren PräsensPräsens-(IndikativIndikativ)-Formen wie PräteritumPräteritalformen (= ImperfektImperfektformen) starkVerbstarker Verben gebildet werden. Hierher gehören die (Modal‑)VerbModalverbVerbModal-en dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen und das Verb wissen. Die Endungen der Präsensformen etwa des Verbs können sind dieselben wie die der Imperfekt-Indikativ-Formen des starken Verbs singen: (ich) kann-– sang-∅ (aber: sing-e), (du) kann-st – sang-st, (er) kann-∅ – sang-∅ (aber: sing-t) usw. Im Imperfekt und im Partizip IIPartizip II der Präteritopräsentia treten schwachVerbschwache Formen auf, z. B. konn-t(-e) – (ge-)konn-t.

das PräteritopräsensPräteritopräsens, des Präteritopräsens (Betonung auf -prä(sens)), die Präteritopräsentia od. Präteritopräsenzien (Betonung auf -sen-)

Zusammenfassend als unregelmäßigunregelmäßig (Verb) werden folgende Verben bezeichnet:

 schwachschwachVerbe irreguläreirregulär (Verb) Verben (z. B. nennen, denken, bringen)

 starke regulärregulär (Verb)e Verben (z. B. heben, singen)

 starkstarkVerbe irreguläre Verben (z. B. geben, fressen, essen, sitzen, gehen, sehen, halten)

 gemischtgemischtVerbe Verben (z. B. mahlen, spalten, fragen)

 anomalanomal (Verb)e Verben (haben, sein, werden, tun)

 PräteritopräsentiaPräteritopräsens (z. B. müssen, dürfen)

Regelmäßigregelmäßig (Verb) sind demnach allein die regulären schwachen Verben (z. B. trennen, lenken, leben, flehen, bedingen, pressen, schalten, laben, erden, küssen, schlürfen).

Die Zugehörigkeit eines Verbs zu einer Konjugationsklasse sowie ggf. auftretende Irregularitäten drücken sich in den StammformenStammformFormStamm- = LeitformenLeitformFormLeit- aus. Sie weisen die AllomorphAllomorphe des Stammes eines Verbs auf, die bei der Bildung bestimmter (einfache VerbformVerbformeinfacheeinfacher) Verbformen eingesetzt werden.

Die erste Stammformerste Stammform ist die im InfinitivInfinitiv vorkommende (z. B. bind- im InfinitivInfinitiv bind-en). Mit ihr werden gebildet:

 der Infinitiv Präsens AktivInfinitiv Präsens Aktivbind-en

 das Partizip IPartizip I = Partizip PräsensPartizip Präsensbind-end

 die Formen des PräsensPräsens IndikativIndikativ(ich) bind-e, (du) bind-est, (er, sie, es) bind-et …

 die Formen des PräsensPräsens KonjunktivKonjunktiv(ich) bind-e, (du) bind-est, (er, sie, es) bind-e …

 die ImperativImperativformenbind-e, bind-et … (Ausnahmen s. unten)

Die zweite Stammformzweite Stammform ist die des ImperfektImperfekts = PräteritumPräteritums (z. B. band- in der 1.Pers. und 3.Pers. Sg. Imperf. Ind. band).

 Mit ihr werden die Formen des ImperfektImperfekts IndikativIndikativ = PräteritumPräteritums Indikativ gebildet:(ich) band-, (du) band-est, (er, sie, es) band-∅ …

 Zugleich ist sie Grundlage für die Bildung der Formen des KonjunktivKonjunktiv ImperfektKonjunktivs ImperfektImperfekt = Konjunktivs PräteritumKonjunktiv PräteritumPräteritum:(ich) bänd-e, (du) bänd-est, (er, sie, es) bänd-e …Die Bildung dieser Konjunktivformen geschieht bei den meisten starkVerbKonjugationsklassestarkstarken Verben und bei einigen PräteritopräsensKonjugationsklassePräteritopräsensPräteritopräsentia durch UmlautUmlaut des StammvokalStammvokalVokalStamm-s (vgl. oben Nr. 5.2/5), wenn er umlautfähigumlautfähig ist (band- – bänd-e, muss(te) – müss-t-e); sonst bleibt der StammvokalStammvokal erhalten (ritt- – ritt-e). Bei schwachVerbKonjugationsklasseschwachschwachen Verben sind die Formen des Indikativs Imperfekt und die des Konjunktivs Imperfekt identisch (Ausnahmen: brächte, dächte, bräuchte …).

Die dritte Stammformdritte Stammform ist die des Partizip IIPartizips II = Partizip PerfektPartizips Perfekt (bund- in gebunden).

 Mit ihr wird das Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt gebildet:ge-bund-en

Bei bestimmten Verben kommt eine vierte Stammformvierte Stammform zum Einsatz, gelegentlich sogar eine fünftefünfte Stammform.

 Entweder weist diese Stammform gegenüber der erste Stammformersten Stammform e/i-Wechsele/i-Wechsel (= »BrechungBrechung« = »HebungHebung«, ▶ Nr. 5.2/6) auf (z. B. empfiehl- in empfiehlst) und wird zur Bildung der 2.Pers. und 3.Pers. Sg. Präs. Ind. und des ImperativImperativs SingularSingular benutzt:(du) empfiehl-st, (er, sie, es) empfiehl-t, empfiehl-(du) hilf-st, (er, sie, es) hilf-t, hilf-

 Oder sie steht zur erste Stammformersten Stammform in UmlautUmlaut-Beziehung (z. B. träg- in trägst – ▶ Nr. 5.2/5) und wird zur Bildung der 2.Pers. und 3.Pers. Sg. Präs. Ind., nicht aber zur ImperativImperativbildung verwendet:(du) träg-st, (er, sie, es) träg-t, aber: trag-∅

 Zusätzlich kann der Fall eintreten, dass der Konjunktiv ImperfektKonjunktiv Imperfekt = Konjunktiv PräteritumKonjunktiv Präteritum nicht nur von der zweiten Stammform gebildet wird, sondern zusätzlich eine eigene Stammform aufweist, z. B. hälfe und hülfe, ränne und rönne.

 Gelegentlich weist der Konjunktiv ImperfektKonjunktiv Imperfekt = Konjunktiv PräteritumKonjunktiv Präteritum eine nur ihm zukommende eigene Stammform auf, z. B. schwömme.

Bei einer Anzahl von starken Verben fallen zweite und dritte (z. B. reiten: ritt-, (ge-)ritt(-en); biegen: bog-, (ge-)bog(-en)) oder erste und dritte Stammform (z. B. geben: geb-, (ge‑)geb(-en); heißen: heiß-, (ge-)heiß(-en)) zusammen. Bei regulären schwachVerbKonjugationsklasseschwachschwachen Verben (z. B. kochen, lieben, arbeiten, reden) fallen alle StammformStammformen zusammen, das heißt, für die Bildung aller Formen wird ein und dasselbe Allomorph (abgesehen von Erscheinungen wie AuslautverhärtungAuslautverhärtung – ▶ Nr. 5.2/4) eingesetzt.

6.2/17 TrennbarkeitTrennbarkeit

Inhärentes Merkmalinhärentes MerkmalMerkmalinhärentes von Verben: Trennbare Verbtrennbar (Verb)Verbtrennbaresen bestehen aus einem betonten VerbzusatzVerbzusatzZusatzVerb- (▶ Abschnitt 9.3.3) und einem verbalen StammStamm, wobei diese Bestandteile unter bestimmten Bedingungen im Satz voneinander getrennt erscheinen. Die übrigen Verben sind nicht trennbar.

abwickeln: wickele … ab; aufessen: isst … auf; aufhören: hör … auf; einschlafen: schliefen … ein; unterbuttern: buttert … unter; übersetzen: setz … über – ernst nehmen: nahmst … ernst; leichtnehmen: nähmest … leicht

Ein Verb wie einschlafen hat Formen wie beispielsweise schläftein und einschläft; letztere kommt in Sätzen mit Verb-Letzt-StellungVerb-Letzt-StellungStellungVerb-Letzt-- (▶ Nr. 7.4/3) vor:

Ob sie gleich einschläft?

Er freut sich, wenn sie abends einschläft.

TrennungTrennung (Verb) = diskontinuierliche Stellungdiskontinuierliche Stellung (Verb)Stellungdiskontinuierliche (Verb) = TmesisTmesis liegt vor bei einfachen Verbformeinfache VerbformVerbformeinfacheen (▶ Nr. 6.2/26) in Sätzen mit Verb-Erst-StellungStellungStellungVerb-Erst--Verb-Erst- und Verb-Zweit-StellungVerb-Zweit-StellungStellungVerb-Zweit-- (▶ Nr. 7.4/1 und Nr. 7.4/2):

Schlaf nicht ein.

Der Junge schläft spät ein.

Die beiden Verbbestandteile werden auch bei der Bildung des InfinitivInfinitivs Präsens AktivInfinitiv Präsens Aktiv mit zu<i>zu</i>-InfinitivInfinitivzu-- (ein-zu-schlafen) und des Partizip IIPartizips II = Partizip PerfektPartizips Perfekt mit ge- (ein-ge-schlafen) getrennt.

die TmesisTmesis, der Tmesis, die Tmesen (Betonung auf Tme-)

Trennbare Verbentrennbar (Verb) sind entweder WortbildungenWortbildung, und zwar VerbkompositaVerbkompositumKompositumVerb- (▶ Nr. 5.5/2) oder PräfigierungenPräfigierung = PräfixbildungenPräfixbildung (▶ Nr. 5.5/7); oder es handelt sich um lexikalisierte Bildungenlexikalisierte BildungBildunglexikalisierte (▶ Nr. 5.5/13).

Beispiele:

 VerbkompositaVerbkompositumernst nehmen, leichtnehmen, krankschreiben

 PräfigierungenPräfigierung mit HalbpräfixenHalbpräfix = PräfixoidenPräfixoidzuhören, auffangen, abnehmen, übersetzen

 lexikalisierte Bildungenlexikalisierte Bildungaufhören, anfangen, zunehmen, absetzen

6.2/18 PartizipbildungPartizipbildung

Inhärentes Merkmalinhärentes MerkmalMerkmalinhärentes von Verben: Präfix-Partizip-VerbPräfix-Partizip-VerbVerbPräfix-Partizip--en bilden ihr Partizip IIPartizip II = Partizip PerfektPartizip Perfekt mit dem PräfixPräfix bzw. Infix (▶ Nr. 5.4/6 und Nr. 5.4/8) ge. Die übrigen Verben bilden dieses Partizip ohne ge: Null-Partizip-VerbenNull-Partizip-VerbVerbNull-Partizip--.

Präfix-Partizip-Verben haben folgende Kennzeichen:

 einsilbige (betonte) WurzelWurzel (= GrundmorphemGrundmorphemMorphemGrund- = StammmorphemStammmorphemMorphemStamm-) oder mehrsilbige Wurzel mit AnfangsbetonungAnfangsbetonungBetonung (»È« kennzeichnet die betonte Silbe); ge als Präfix:Èlieb-: geliebt; Èkriech-: gekrochen – Èklecker-: gekleckert; Èsammel-: gesammelt

 betonter VerbzusatzVerbzusatzZusatzVerb- + einsilbige (betonte) Wurzel oder mehrsilbige Wurzel mit Anfangsbetonung; ge als Infix:Èauf + Èhör-: aufgehört; Èunter + Èbutter-: untergebuttert; Èab + Èwickel-: abgewickelt

In allen anderen Fällen wird das Partizip II ohne ge gebildet. Solche Null-Partizip-Verben haben folgende Kennzeichen:

 (mehrsilbige) Wurzel, die nicht anfangsbetont ist:marÈschier-: marschiert; comÈputer-: computert; reÈcycel-: recycelt; geÈling-: gelungen; verÈlier-: verloren

 betonterbetont VerbzusatzVerbzusatz + mehrsilbige Wurzel, die nicht anfangsbetont ist:Èüber + reaÈgier-: überreagiert; Èab + marÈschier-: abmarschiert

 betonter Verbzusatz + unbetonter Verbzusatz + Wurzel:Èum + beÈsinn-: umbesonnen; Èan + verÈtrau-: anvertraut

6.2/19 PerfektbildungPerfektbildung

Inhärentes Merkmalinhärentes MerkmalMerkmalinhärentes von Verben: Sein-Perfekt-Verb<i>sein</i>-Perfekt-VerbVerbsein-Perfekt--en bilden ihre PerfektPerfekt-, PlusquamperfektPlusquamperfekt- und Futur IIFutur-II-Formen mit dem Tempus-HilfsverbTempus-HilfsverbHilfsverbTempus-- sein, haben-Perfekt-Verben bilden diese Formen mit dem Tempus-HilfsverbHilfsverb habenhaben-Perfekt-VerbVerb<i>haben</i>-Perfekt--.

Sein-Perfekt-Verben sind vor allem

 nicht passivPassivfähige, perfektivperfektives VerbVerbperfektivese (einen Vorgang als abgeschlossen kennzeichnende, ▶ vor Abschnitt 6.2.1) Verben, z. B.:aufwachen: ist aufgewacht; zusammenfallen: wird zusammengefallen sein

 nicht passivfähigepassivfähig (Verb) BewegungsverbenBewegungsverbVerbBewegungs-, z. B.:fahren: ist gefahren; fliegen: war geflogen; schwimmen: wird geschwommen sein

 die Verben sein, bleiben, werden:ist gewesen; war geblieben; wird geworden sein

Die meisten Verben bilden ihre PerfektPerfekt-, PlusquamperfektPlusquamperfekt- und Futur IIFutur-II-Formen mit dem HilfsverbHilfsverb haben.