BGB-Schuldrecht Besonderer Teil

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6. Nebenpflichten

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Eine letzte Fallgruppe bildet schließlich die Verletzung sonstiger Nebenpflichten des Verkäufers, die sich nicht in einem Sach- oder Rechtsmangel auswirkt. Zu denken ist hier in erster Linie an Verstöße des Verkäufers gegen Aufklärungs- oder Warnpflichten, etwa bei der Lieferung komplizierter und gefährlicher Geräte.[87] Für diese Fälle hat § 437 Nr 3 keine Bedeutung, weil es dabei nicht um die Folgen von Mängeln der Kaufsache geht. Die Haftung des Verkäufers richtet sich vielmehr ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften und damit insbesondere nach den §§ 241 Abs. 2, 276 und 280 Abs. 1, gegebenenfalls in Verbindung mit den §§ 282 und 324.

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › VI. Aufwendungsersatz

VI. Aufwendungsersatz

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Nach den §§ 437 Nr 3 und 284 kann der Käufer ferner bei Lieferung einer mangelhaften Sache anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung (§ 281) und damit unter denselben Voraussetzungen wie dieser (o. Rn 23 ff) Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung des Verkäufers gemacht hat und billigerweise machen durfte, außer wenn der Zweck der Aufwendungen auch ohne die Pflichtverletzung des Verkäufers nicht erreicht worden wäre.[88] Beispiele sind die Kosten des Vertragsabschlusses, Transportkosten, Kosten für die Vorbereitung des Einsatzes der gekauften Sache, etwa in dem Betrieb des Käufers, sowie Aufwendungen auf die gekaufte, später als mangelhaft erwiesene und deshalb nach Rücktritt zurückgegebene Sache. Dem Aufwendungsersatzanspruch des Käufers kommt vor allem dann eigenständige Bedeutung zu, wenn der Käufer wegen des Mangels den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt (s. § 325).

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › VII. Abweichende Vereinbarungen

VII. Abweichende Vereinbarungen

1. Überblick

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Die Haftung des Verkäufers für Mängel der Kaufsache nach Maßgabe der §§ 437 ff (o. Rn 1 ff) ist kein zwingendes Recht, sondern kann vertraglich sowohl beschränkt als auch erweitert werden (§ 311 Abs. 1). § 442 fügt hinzu, dass die Rechte eines Käufers wegen eines Mangels außerdem grundsätzlich ausgeschlossen sind, wenn er den Mangel bei Abschluss des Vertrages kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit verkannte (dazu u. Rn 36 ff). Bei öffentlichen Versteigerungen iS des § 383 Abs. 3 ist zusätzlich die Haftungsbegrenzung des § 445 sowie in der Zwangsversteigerung die des § 806 ZPO zu beachten.

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Vertragliche Haftungsbeschränkungen stellen stets eine erhebliche Gefahr für den Käufer dar, vor allem natürlich, wenn die Kaufsache verborgene Mängel aufweist. Sie sind deshalb grundsätzlich eng auszulegen, so dass z. B. eine so genannte Besichtigungsklausel, nach der die Sache „wie besichtigt“ verkauft ist, nur zum Ausschluss der Haftung des Verkäufers für solche Mängel führt, die für den Käufer ohne weiteres bei einer Besichtigung tatsächlich erkennbar waren, nicht dagegen für verborgene Mängel, die (möglicherweise) ein Fachmann, nicht dagegen Laien zu erkennen vermögen.[89] Außerdem enthält das Gesetz zum Schutze des Käufers gegen übermäßige Haftungsbeschränkungen verschiedene Regelungen, die solchen Bestimmungen unterschiedlich enge Grenzen ziehen. Hervorzuheben ist § 444, nach dem sich der Verkäufer auf eine vertragliche Beschränkung oder einen Ausschluss der Haftung für Mängel nicht berufen kann, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (dazu u. Rn 32, 39 ff; vgl außerdem §§ 438 Abs. 3 S. 1 und § 445). Auf der anderen Seite können die Parteien die Haftung des Verkäufers für Mängel vertraglich aber auch beliebig über den gesetzlichen Rahmen hinaus erweitern. Wichtigster Fall ist die Übernahme einer Garantie durch den Verkäufer im Sinne des § 443 (dazu u. Rn 39 ff).

2. Arglist des Verkäufers (§ 444)

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Nach § 444 kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache im Sinne des § 443 übernommen hat (dazu u. Rn 39 ff). Dasselbe gilt, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 getroffen haben, da einer solchen nach Treu und Glauben der Vorrang vor einem gleichzeitig vereinbarten allgemeinen Haftungsausschluss zukommen muss (§ 242), so dass sich dieser in aller Regel allein auf etwaige weitere Mängel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 1 oder 2 und S. 3 erstreckt.[90] Arglist des Verkäufers iS des § 444 ist gleichbedeutend mit Kenntnis des Mangels und Schweigen trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht, vorausgesetzt, dass sich der Verkäufer dabei bewusst ist, dass der Käufer bei pflichtgemäßer Offenbarung des Mangels möglicherweise von dem Vertragsabschluss Abstand nähme[91]. Bei einer Mehrzahl von Verkäufern genügt bereits die Arglist eines einzigen der Verkäufer für die Anwendung des § 444 auf das Verhältnis zu allen Verkäufern.[92] Gleich steht der Fall, dass der Verkäufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften vorspiegelt (§ 242).

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Die entscheidende Frage bei der Anwendung des § 444 ist in aller Regel, ob den Verkäufer eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der nur ihm bekannten und von ihm verschwiegenen Mängel der Kaufsache bei Abschluss des Vertrages traf, so dass sein Schweigen arglistig war – mit der Folge der Anwendung des § 444. Eine Aufklärungspflicht besteht zunächst immer, wenn der Käufer ausdrücklich nach bestimmten Umständen fragt. Auf solche Fragen muss der Verkäufer wahrheitsgemäß antworten oder die Antwort verweigern; tertium non datur (kein Recht zur Lüge im Privatrechtsverkehr)[93]. Der Verkäufer handelt daher schon dann arglistig, wenn er auf Fragen des Käufers „ins Blaue hinein“ beruhigende Erklärungen abgibt, z. B. ohne Anhaltspunkte dafür harmlose Ursachen bestimmter Schäden behauptet[94] oder, wenn er beim Verkauf eines Gebrauchtwagens – ohne sichere Kenntnis – Unfallschäden verneint.[95]

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Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers bei ihm bekannten oder doch vermuteten Mängeln ist ferner anzunehmen, wenn der Käufer besonders schutzbedürftig ist, wie es etwa typischerweise für Hauskäufer zutrifft. Der Verkäufer eines Hauses muss daher den Käufer grundsätzlich über den Befall des Hauses mit dem Hausbockkäfer sowie über das Vorhandensein von Hausschwamm oder Trockenfäule aufklären. Arglist des Verkäufers ist in derartigen Fällen bereits anzunehmen, wenn er ohne sichere Anhaltspunkte behauptet, die genannten Mängel seien endgültig beseitigt.[96] Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht weiter bei sonstigen schwerwiegenden verborgenen Mängeln wie etwa der Verwendung gesundheitsgefährdender Baustoffe[97], bei Fehlen der Bauerlaubnis für das Haus oder für einzelne Räume[98], allgemein bei baurechtlichen Hindernissen, die der geplanten Nutzung entgegenstehen,[99] sowie schließlich etwa bei der die Belastung des Grundstücks mit Altlasten.[100]

 

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Für die Annahme von Arglist des Verkäufers genügt bedingter Vorsatz[101], so dass der Verkäufer bereits arglistig handelt, wenn er einen bestimmten Mangel lediglich für möglich hält und er für diesen Fall eine Täuschung des anderen Teils bewusst in Kauf nimmt[102]. Arglist des Verkäufers ist dagegen zu verneinen, wenn er die Ware, wenn auch irrtümlich, für vertragsgemäß hält[103]. Grobe Fahrlässigkeit steht nicht gleich, auch dann nicht, wenn sich dem Verkäufer nach den Umständen die Kenntnis eines Mangels geradezu aufdrängen musste,[104] wobei man bedenken muss, dass den Verkäufer grundsätzlich keine Untersuchungs- oder Nachforschungspflicht trifft (Rn 25a). Selbst Gebrauchtwagenhändler müssen ein Fahrzeug nur dann auf mögliche Unfallschäden untersuchen, wenn sich dafür bei einer äußeren Besichtigung ernstzunehmende Anhaltspunkte ergeben.[105] Maßgebender Zeitpunkt ist der des Vertragsabschlusses,[106] und zwar auch dann, wenn der Vertrag zunächst formnichtig ist und der Formmangel erst später (und nach Kenntniserlangung des Käufers) geheilt wird, so dass dann die nachträgliche Kenntnis des Käufers von dem Mangel nicht schadet (s. §§ 125 und 311b Abs. 1 S. 2 in Verb mit § 442)[107]. Wird für den Verkäufer ein Vertreter oder Verhandlungsgehilfe tätig, so muss der Verkäufer auch für eine arglistige Täuschung des Käufers durch diese Personen einstehen (§§ 166, 278)[108].

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Nicht erforderlich ist der Nachweis, dass das arglistige Verschweigen des Mangels für den Kaufentschluss des Käufers kausal war; Arglist des Verkäufers führt vielmehr in jedem Fall zur Unanwendbarkeit des Haftungsausschlusses[109]. Davon unberührt bleibt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen (s. § 444: „… soweit …“)[110]. Die Beweislast für die Arglist des Verkäufers trägt an sich der Käufer, der sich auf die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses beruft.[111] Gleichwohl ist es bei einem entsprechenden Einwand des Käufers zunächst einmal Sache des Verkäufers darzulegen, ob und wie er gegebenenfalls seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist[112]. Bei Arglist des Verkäufers kann der Käufer außerdem anfechten (§ 123 Abs. 1) sowie Schadensersatz aus cic und aus Delikt verlangen (§§ 311 Abs. 2, 823 Abs. 2 und 826; s. u. Rn 50 ff). Zwischen den genannten Rechtsbehelfen hat der Käufer die Wahl; keiner schließt den anderen aus (s. u. Rn 50, 54).

3. Kenntnis des Käufers (§ 442)

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Nach § 442 Abs. 1 S. 1 hat der Verkäufer einen Sach- oder Rechtsmangel (ausnahmsweise) nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel schon bei Abschluss des Vertrages kennt. Dies deshalb, weil der Käufer widersprüchlich handelte, wenn er trotz des Vertragsabschlusses in Kenntnis des Mangels (mit dem er den Mangel im Grunde in Kauf nimmt) gleichwohl anschließend Gewährleistungsrechte geltend machte. Gleich steht nach § 442 Abs. 1 S. 2 der Fall, dass dem Käufer der Mangel nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, außer wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat (s. dazu schon o. Rn 32 ff) oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache, d. h. für ihre Freiheit von Sach- oder Rechtsmängeln übernommen hat (s. Rn 39). Weist die Sache mehrere Mängel auf, so ist die Haftung des Verkäufers nur hinsichtlich derjenigen Mängel ausgeschlossen, auf die sich tatsächlich die Kenntnis des Käufers erstreckt; wegen weiterer Mängel bleibt es bei der gesetzlichen Mängelhaftung des Verkäufers.[113] Außerdem beschränkt sich auch hinsichtlich der dem Käufer bekannten Mängel der Haftungsausschluss zum Schutze des Käufers auf dessen Rechte aus den §§ 437 ff, sodass sein Erfüllungsanspruch sowie die Rechte aus den §§ 320 bis 322 trotz seiner Kenntnis grundsätzlich unberührt bleiben[114].

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Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 442 ist der Umstand, dass den Käufer nach dem BGB anders als beim Handelskauf (s. § 377 HGB) weder eine Untersuchungs- noch eine Rügepflicht bei Mängeln trifft. Deshalb wird Kenntnis des Käufers iS des § 442 Abs. 1 S. 1 nur angenommen, wenn er den Mangel positiv kennt, während eine leicht fahrlässige Unkenntnis ebenso wenig wie – im Falle von Rechtsmängeln – die bloße Kenntnis der den Mangel begründenden Tatsachen ausreicht; der Käufer muss sich vielmehr, wenn § 442 Abs. 1 S. 1 anwendbar sein soll, über das Vorliegen eines Mangels und dessen Reichweite im klaren sein[115]. Gleich stehen grundsätzlich grobe Fahrlässigkeit des Käufers (§ 442 Abs. 1 S. 2) sowie der Fall, dass der Käufer bewusst das Risiko eingeht, es könne ein Mangel vorliegen[116]. Grobe Fahrlässigkeit schadet dem Käufer nur dann nicht, wenn der Verkäufer eine Beschaffenheitsgarantie iS des § 443 Abs. 1 übernommen hat (s. dazu u. Rn 39 ff) oder wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat (s. dazu schon o. Rn 32 ff). § 442 enthält eine den § 254 ausschließende Sonderregelung, sodass dem Käufer bei einfacher Fahrlässigkeit auch kein mitwirkendes Verschulden entgegengehalten werden kann[117].

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Abweichend von § 442 Abs. 1 BGB hat der Verkäufer Grundpfandrechte selbst dann zu beseitigen, wenn der Käufer diese Belastung kennt (§ 442 Abs. 2). Die Parteien können jedoch etwas anderes vereinbaren (§ 311 Abs. 1). Verbreitet ist insbesondere die Abrede, dass der Käufer die auf dem Grundstück ruhenden Grundpfandrechte in Anrechnung auf den Kaufpreis übernehmen soll.

4. Garantien

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Die Haftung des Verkäufers kann vertraglich nicht nur beschränkt, sondern auch erweitert werden (s. §§ 276 Abs. 1 S. 1, 311 Abs 1). Der wichtigste Fall ist die Übernahme einer Garantie im Sinne des § 443 durch den Verkäufer. Für den Verbrauchsgüterkauf findet sich aufgrund der Vorgaben der Richtlinie eine besondere Formvorschrift in § 479 (o. Rn 43). Die Reichweite von Garantien hängt ganz von den Abreden der Parteien ab (§ 311 Abs. 1). Man muss insbesondere selbstständige und unselbstständige Garantien sowie – unter einem anderen Aspekt – Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantien unterscheiden. Der Unterschied zwischen selbstständigen und unselbstständigen Garantien besteht darin, dass die einen Bestandteile des Kaufvertrages sind, während die anderen selbstständig neben dem Kaufvertrag stehen. Dagegen geht es bei der Unterscheidung zwischen Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantien um den Zeitpunkt oder Zeitraum, auf den sich die Garantie bezieht: Während eine Beschaffenheitsgarantie dem Käufer die vertragsgemäße Beschaffenheit der Kaufsache gerade (und nur) bei Übergabe gewährleisten soll (Rn 41 f), bedeutet eine Haltbarkeitsgarantie nach § 443 Abs. 2, dass der Verkäufer oder ein Dritter eine Garantie dafür übernimmt, dass die Kaufsache für eine bestimmte Dauer, die so genannte Garantiefrist, eine bestimmte Beschaffenheit behält, dass maW in dieser Zeit keine Mängel auftreten (Rn 43). Eine besondere Rolle spielen derartige Garantien im Handel mit hochwertigen Gebrauchsgütern, insbesondere im Kraftfahrzeughandel. Die Verjährung von Ansprüchen aus einer Garantie richtet sich nach den §§ 195 und 197 und nicht etwa nach § 438.[118]

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Die Vorschrift des § 443 ist eine unnötig umständliche und wortreiche Regelung (nur) einzelner Aspekte der genannten Garantien. Der Sache nach besagt die komplizierte Regelung folgendes: Als Garantiegeber kommen nach § 443 Abs. 1 gleichermaßen der Verkäufer, der Hersteller oder ein sonstiger Dritter in Betracht, wobei insbesondere an weitere Vertriebsunternehmen zu denken ist. Als Garantie bezeichnet das Gesetz in diesem Zusammenhang Erklärungen einer der genannten Personen, durch die sie zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung des Verkäufers nach den §§ 437 ff weitere Verpflichtungen für den Fall eingehen, dass die Kaufsache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung beschrieben sind (sog. Garantiefall). Gleich steht nach § 443 Abs. 1 HS 1 derartigen Erklärungen auch eine „einschlägige Werbung“, die vor oder bei Abschluss des Vertrages verfügbar war. Die dabei übernommene zusätzliche Verpflichtung kann sich, immer nach § 443 Abs. 1, insbesondere auf die Erstattung des Kaufpreises, den Austausch oder die Nachbesserung der Kaufsache oder die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Reparatur der Sache beziehen. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so kann der Käufer im Garantiefall „unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche“, also neben oder über die §§ 437 ff hinaus, die Rechte aus der Garantie gegen den oder die Garantiegeber geltend machen (§ 443 Abs. 1). Zu beachten bleibt, dass nach § 311 Abs. 1 der oder die Garantiegeber vertraglich auch noch andere und weitergehende Verpflichtungen als in § 443 Abs. 1 genannt übernehmen können.

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Die Beschaffenheitsgarantie iS des § 443 Abs. 1 muss vor allem von der Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 unterschieden werden, durch die die Sollbeschaffenheit der verkauften Sache – als Maßstab für das Vorliegen eines Mangels – festgelegt wird (s. o. § 4 Rn 13 ff). Der Unterschied zwischen beiden Abreden liegt vor allem in der strengeren, weil verschuldensunabhängigen Haftung des Verkäufers bei einem Verstoß gegen eine Beschaffenheitsgarantie iS des § 443[119].

 

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Bedeutung besitzen Beschaffenheitsgarantien insbesondere im Kraftfahrzeughandel, weil hier der Käufer typischerweise besonders schutzbedürftig ist, so dass die Gerichte hier oft eine besondere Großzügigkeit bei der Annahme von Garantien an den Tag legen. So enthält z. B. der Verkauf eines „Neuwagens“ gewöhnlich die Garantie der Fabrikneuheit des Fahrzeugs[120]. Macht der Käufer den Abschluss ausdrücklich vom Vorhandensein bestimmter Eigenschaften des Fahrzeugs abhängig, so werden ihm diese ebenfalls in der Regel (konkludent) garantiert[121]. Besonders großzügig verfährt die Rechtsprechung schließlich bei der Annahme von Garantien vielfach mit Rücksicht auf die hier nochmals gesteigerte Schutzbedürftigkeit des Käufers im Gebrauchtwagenhandel. So wird etwa häufig bereits in der bloßen Marken- oder Typbezeichnung eine Garantie zumindest derjenigen Eigenschaften des Fahrzeugs gesehen, von denen die abstrakte Betriebserlaubnis abhängt[122]. Dasselbe gilt für Angaben des Verkäufers über die bisherige Fahrleistung des Wagens, über dessen Alter oder über die Art der Vorbenutzung, vorausgesetzt, dass die Angaben von gewerblichen Gebrauchtwagenhändlern stammen, da die Käufer auf deren Angaben vertrauen können müssen.[123]

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Von der Beschaffenheitsgarantie (Rn 42) muss, wie § 443 Abs. 2 zeigt, die Haltbarkeitsgarantie unterschieden werden, durch die der Verkäufer oder ein Dritter wie insbesondere der Hersteller (dieser im Wege einer selbstständigen Garantie, o. Rn 39) verspricht, dass die Sache für eine bestimmte Dauer die vereinbarte Beschaffenheit behält, dass z. B. während der ganzen Garantiefrist kein Sachmangel auftritt. In diesem Fall haftet der Verkäufer oder der Hersteller bereits, sofern nur der fragliche Mangel während der Garantiefrist auftritt, gleichgültig wann und deshalb gegebenenfalls auch erst nach Gefahrübergang. Hierher gehören vor allem die üblichen Herstellergarantien bei Kraftfahrzeugen. Für diese Fälle enthält das Gesetz in § 443 Abs. 2 ergänzend eine Regelung der Beweislast. Der Käufer muss danach nur beweisen, dass der fragliche Mangel unter die Garantie fällt und während der Garantiefrist aufgetreten ist, während es anschließend Sache des Verkäufers oder des Herstellers ist zu beweisen, dass der Sachmangel ausnahmsweise von der Garantie nicht gedeckt wird, etwa, weil er vom Käufer verschuldet ist[124]. Zusätzlich zu beachten bleibt in jedem Fall die besondere Formvorschrift für Garantien bei dem Verbrauchsgüterkauf in § 479 Abs. 1 und Abs. 2 von 2017, von deren Einhaltung indessen – im Interesse des Käuferschutzes – nicht die Wirksamkeit der Garantie abhängt (§ 479 Abs. 3).

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › VIII. Verjährung

VIII. Verjährung

1. Nacherfüllung und Schadensersatz

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Die Regelverjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers aus § 437 Nr 1 und Nr 3, insbesondere also für die Ansprüche auf Nacherfüllung und Schadenersatz bei Lieferung einer mangelhaften Sache, beträgt grundsätzlich zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr 3).[125] Das gilt indessen allein für die Mängelansprüche des Käufers (s. die Überschrift des § 438). Bei allen anderen Ansprüchen der Parteien verbleibt es somit bei der Anwendbarkeit der §§ 195 und 197. Hervorzuheben sind die Erfüllungsansprüche beider Parteien sowie die auf andere Anspruchsgrundlagen gestützten Ersatzansprüche des Käufers wie z. B. Ansprüche aus cic, wegen der Verletzung von Nebenpflichten oder aus Delikt (s. auch Rn 47).

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Von der regelmäßigen Verjährungsfrist von zwei Jahren für Mängelansprüche (§ 438 Abs. 1 Nr. 3; Rn 44) gibt es vor allem zwei Ausnahmen: Eine besonders lange Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt zunächst nach der Nr. 1 des § 438 Abs. 1, wenn der Mangel in dem dinglichen Recht eines Dritten besteht, aufgrund dessen der Dritte Herausgabe des Grundstücks verlangen kann (lit. a des § 438 Abs. 1), sowie bei sonstigen im Grundbuch eingetragenen Rechten (lit. b des § 438 Abs. 1); gleich steht der Fall, dass der Verkäufer gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, dem Käufer das Eigentum an der verkauften Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 1 und dazu schon o. § 4 Rn 35). Fünf Jahre beträgt die Verjährungsfrist dagegen mit Rücksicht auf die werkvertragliche Regelung der Verjährung (s. § 634a Abs. 1 Nr 2 von 2017) bei Bauwerken und in einer Reihe gleichstehender Fälle (§ 438 Abs. 1 Nr 2).

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Die Verjährungsfrist beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe und sonst (im Anschluss an § 477 aF) mit der Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 2. Man versteht darunter den Zeitpunkt, in dem die Kaufsache dergestalt in den unmittelbaren Besitz des Käufers gelangt, dass er sie untersuchen kann. Bei Hol- und Bringschulden ist dafür in aller Regel die Übergabe der Sache an den Käufer erforderlich[126], während es bei Schickschulden genügt, wenn die Sache dem Käufer am Bestimmungsort vertragsgemäß zur sofortigen Abholung zur Verfügung gestellt wird[127]. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen (dazu o. Rn 32 ff), so tritt außerdem nach Abs. 3 des § 438 an die Stelle der besonderen Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Nrn 2 und 3 die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 (drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Käufer von der arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt, § 199 Abs. 1 Nr 2).

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Die geschilderte gesetzliche Regelung wirft besondere Probleme im Falle der Nacherfüllung auf. Zum Teil wird angenommen, dass die Nacherfüllung in Gestalt der Nachlieferung oder der Ablieferung der reparierten Sache eine neue Verjährungsfrist auslöse. Dagegen spricht indessen, dass die Folge eine Verdoppelung der Verjährungsfrist für den Verkäufer wäre. Auf der anderen Seite läuft der Käufer Gefahr, in eine „Verjährungsfalle“ zu geraten, wenn der Verkäufer bewusst die Nacherfüllung verschleppt. In dem zuletzt genannten Fall hilft dem Käufer wohl nur rechtzeitige Klageerhebung (§ 204 Nr 1). Treten die Parteien in Verhandlungen über die Nacherfüllung ein oder macht der Verkäufer sogar Versuche der Nacherfüllung, wenn auch möglicherweise vergeblich, so sollte außerdem zum Schutze des Käufers eine Hemmung der Verjährung analog § 203 angenommen werden. Erklärt sich der Verkäufer schließlich uneingeschränkt zur Nacherfüllung bereit, so dürfte darin im Regelfall ein Anerkenntnis liegen, so dass eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt (§ 212 Abs. 1 Nr 1)[128].