tali dignus amico

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Aus der Reihe: Classica Monacensia #54
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Hier ist allerdings Folgendes zu betonen: Selbst wenn die Inszenierung der aus dem Abhängigkeitsverhältnis zu Maecenas entstandenen Stadthektik nicht nur bei späteren Autoren (wie in den folgenden Kapiteln darzulegen ist) sowie in der Forschung,24 sondern sogar beim späteren Horaz, etwa in den Episteln, als Teil der Problematik rund um das

patronus-cliens

-Verhältnis behandelt wird, stellt die

clientela

 keinen direkten Grund für die Verzweiflung des Horaz-Sprechers dar. Denn wie gezeigt wurde, ist dessen Stellung bei Maecenas von einer eher vielschichtigen Natur, die zwischen Amtsfunktionen und tatsächlicher Freundschaft changiert.25



Konkreter wird der Horaz-Sprecher zwar in den Episteln, in denen Maecenas nicht nur als aufrichtiger Freund, sondern vor allem als Gönner auftreten wird. Doch aus der Außenperspektive betrachtet Horaz genauere Aspekte des

patronus-cliens

-Verhältnisses schon in den Epoden und Oden, und zwar topisch als Ausgangspunkt für Kritik an mangelnder Fairness und am Stadtleben allgemein anhand eines ethischen Diskurses.





Resümee



Da das Verhältnis des Horaz zu Maecenas in der Literatur der Kaiserzeit, die sich mit der

patronus-cliens-

Beziehung befasst, als Idealfall einer Dichterförderung durch einen

patronus

 verstanden wird, musste die Selbstdarstellung des Horaz vor allem in den Satiren in den Blick genommen werden. Horaz thematisiert dort mehrfach die Vorstellung, die man allgemein von seinem Verhältnis zu Maecenas hat, um sie richtigzustellen. In Satire 1,6 ist die Vorstellung von einem erfolgreichen sozialen Aufstieg das Hauptthema; Horaz beschreibt sein Verhältnis zu Maecenas dezidiert nicht als

patronus-cliens

-Verhältnis (nirgends wird Horaz als

cliens

 des Maecenas zu typischen Aufgaben wie

salutatio

 oder

anteambulatio

 verpflichtet), obwohl die Initiative zu dieser

amicitia

 vor allem auf Maecenas zurückgeht und der soziale Unterschied zwischen den ungleichen Partnern von Horaz betont wird. Doch gerade damit unterstreicht Horaz den ethischen Wert dieser

amicitia

, denn die strengen Auswahlkriterien des Maecenas sind ausschließlich moralischer Natur. Der ideale Tagesablauf des glücklichen Horaz enthält keine klientelären Pflichten. Komplementär dazu wird der Charakter dieser Freundschaftsbeziehung noch einmal in der sog. Schwätzersatire 1,9 als Kontrastbild zu den Vorstellungen des

quidam

 bestätigt. In Satire 2,6 gestaltet sich der Tagesablauf des Horaz in Rom mitsamt den Verpflichtungen nicht mehr so ideal wie im ersten Buch; teils ist dieser Eindruck dem Stadt-Land-Kontrast geschuldet, doch auch die Bekanntschaft mit Maecenas macht Horaz prominent und anfällig für Anliegen von Bittstellern.







b) Horaz als externer Beobachter: Epode 2 und Ode 2,18

i) Klienteläre Pflichten als Kontrast zur Landruhe: epod. 2



Horazepod. 2Die zweite Horaz-Epode zählt zu den bekanntesten Gedichten des Horaz-Corpus. Sie zeigt ein scheinbares Lob1 auf das Landleben, doch in den letzten Versen erfährt der Leser, dass hier nicht das Horaz-Ich spricht, sondern Alfius, ein gewinngieriger

faenerator

,2 der keinesfalls ernsthaft daran denken könnte, auf dem Land ein bescheidenes Leben zu führen.3 In der Forschung wurden einige Aspekte der Epode kontrovers diskutiert, da Horaz die Interpretation und das Ziel sowie letztendlich die Rolle des Sprechers (und des Lesers) nicht ganz deutlich steuert.4



Bereits Kießling und Heinze bemerkten, dass schon die Wahl des Jambus sowie „die gewollte Einsichtigkeit des Gemäldes“, welches der Sprecher seinem Leser bietet, diesen auf eine Inkongruenz zwischen dem vorgeblichen Lob und den überraschenden Schlussversen aufmerksam machen würden.5 Watson 2003 sieht weitere Hinweise darauf, dass der Leser auf das überraschende Ende („a specialized form of undercutting of bathos“, 86) vorbereitet wird, darin, dass stilistische Elemente so plakativ und topisch eingesetzt werden, dass sie an rhetorische Übungen erinnern, und dass sogar das so idyllische Bild vom Landleben durch die Unruhen im Zuge der von Oktavian in den 30er und 40er Jahren unternommenen Landenteignungen auf das zeitgenössische Publikum nicht mehr überzeugend wirken konnte.6



Trotzdem besteht der Witz dieser Epode m.E. immerhin darin, dass der Leser (zumindest in einer ersten Lektüre) davon ausgeht, dass der Dichter Horaz spricht und seine etwa in Satire 2,6 beschriebene Auffassung von der idealen Lebensweise auf dem Land wiedergibt, denn zunächst irritiert kein Hinweis auf ironische Distanz die Idylle und Luxuskritik.7 Schon Oksala 1979 machte auf „Zwiespalt und Selbstironie von Seiten des Dichters“ und vor allem auf das Verhältnis zu der Darstellung in sat. 2,6,60‑67 aufmerksam: „Horaz hätte doch selbst viele Gedanken des Alfius unterschrieben.“8 Der Schock also, dass ein

faenerator

spricht, lässt den Erstleser so aufschrecken, dass die Idylle ihre Glaubwürdigkeit und Attraktivität verliert9 – eine zweite Lektüre macht die Übertreibungen des heuchlerischen Alfius (und den ironischen Ton des Autors) in der Beschreibung auffälliger.



Die klientelären Aktivitäten spielen schon in den ersten Versen eine bedeutende Rolle. Denn sie werden als anstrengender Teil des Stadtlebens empfunden und mit der dort herrschenden Hektik kontrastiert (epod. 2,1‑8):Horazepod. 2,1-8








            Beatus ille qui procul negotiis,



















            ut prisca gens mortalium,














            paterna rura bubus exercet suis



















            solutus omni faenore














            neque excitatur classico miles truci





            5














            neque horret iratum mare














            forumque vitat et superba civium



















            potentiorum limina.













Was eine

vita beata

 ausmacht, ist nach der Darstellung des Sprechers ein Leben ohne

negotia

(1). Das Soldatenleben, geschäftsbedingte Seefahrten (5‑6) und schließlich die Stadthektik, die in der Betätigung als Anwalt auf dem Forum und eben als Klient bei der

salutatio

 zu spüren ist (7‑8), widersprechen der

vita beata

. Evident ist, dass dabei sowohl

negotium

 (1) als auch

faenus

 (4) Schlüsselwörter sind – denn während sie in einer ersten Lektüre neutral auf Unannehmlichkeiten hindeuten, veranschaulichen sie in einer zweiten ironisch Alfius’ gewinngierige Natur als

faenerator

.10 Das Landleben wird dagegen als Inbegriff der natürlichen, ‚menschlicheren‘ Lebensweise präsentiert (

ut prisca gens mortalium

, 2), in der Familienbesitz (

paterna rura

, 3) in Ruhe und Sicherheit bebaut werden könne11 (3f.). Topisch sind die Gegenüberstellungen von Landleben und Militär bzw. Seefahrt schon in der griechischen Literatur,12 doch sie spielen auch in der römischen Dichtung eine zentrale Rolle, wie schon am Menaechmus-Monolog sichtbar wird.



Der Sprecher der zweiten Epode drückt sich nicht sehr viel anders als der Horaz-Sprecher aus, wenn er über seine eigene Situation in Sat. 2,6 spricht; doch ist die Aktivität auf dem Forum bei ihm in der Epode noch deutlicher an die

clientela

-Thematik gebunden: Die

salutatio

, die mit der Umschreibung

superba civium | potentiorum limina

 (7f.)13 die unangenehme Distanz zwischen Patron und Klient ausdrückt, wird als Höhepunkt der unangenehmen Verpflichtungen des Stadtlebens genannt. Gerade in dieser Formulierung wird die Nähe zu Vergils Lob des Landlebens in den

Georgica

 (georg. 2, 457‑474; 532‑535) nachweisbar14 (georg. 2,457‑474):Vergilgeorg. 2,457 474








            O fortunatos nimium, sua si bona norint,














            agricolas! quibus ipsa procul discordibus armis














            fundit humo facilem victum iustissima tellus.





            460









            si non ingentem foribus domus alta superbis














            mane salutantum totis vomit aedibus undam,














            nec varios inhiant pulchra testudine postis














            inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera,














            alba neque Assyrio fucatur lana veneno,





            465









            nec casia liquidi corrumpitur usus olivi;














            at secura quies et nescia fallere vita,














            dives opum variarum, at latis otia fundis,














            speluncae vivique lacus, at frigida tempe














            mugitusque boum mollesque sub arbore somni





            470









            non absunt; illic saltus ac lustra ferarum














            et patiens operum exiguoque adsueta iuventus,














            sacra deum sanctique patres; extrema per illos














            Iustitia excedens terris vestigia fecit.













Im letzten Teil des zweiten

Georgica

-Buches preist Vergil die Landwirtschaft als Aktivität, „weil sie die Menschen in den Tugenden übt, nicht zu betrügerischen Geschäften verleitet und zugleich auch die körperliche Tüchtigkeit in Übung hält“, wie Erren 2003, 510 bemerkt. Dies wird dort mit dem Kontrast von Luxus-Elementen zum entfremdend wirkenden Stadtleben verbildlicht. Die

iustissima tellus

15 bietet den glücklichen Bauern ein Leben in Sicherheit und Ruhe. Dies wird anhand von Beispielen gezeigt, die die anstrengenden Elemente des Stadtlebens kennzeichnen: Weder die

salutatio

 (461f.) noch der übertriebene Luxus in den Häusern, in der Kleidung und an Parfüm (463‑7) betreffen die bescheidene Existenz der Landleute.16 Daher ist eine solche

vita

 der einzige Weg zur (beinahe philosophischen)

secura quies

 (467). Idyllisch werden die Elemente dieses Lebens bildhaft in den Versen 468‑71 vorgeführt. Während es in der Epode aber um die Seelenruhe durch Bescheidenheit und um das Glück der selbsterworbenen Mahlzeiten geht, das alle Delikatessen überflüssig macht, betont Vergil wesentlich stärker die moralischen Aspekte der gepriesenen Lebensweise (

nescia fallere vita

, georg. 2,467), indem er mit Justitia, die zuletzt das Landleben verlassen hat, an die moralische Depravation der Menschengenerationen des Goldenen Zeitalters erinnert.17

 



Für Oksala (1979, 106) verspottet Horaz in Epode 2, indem er Alfius als Sprecher auftreten lässt, „die romantische Auffassung vom Landleben – ein Thema, das damals bei den Stadtbewohnern als Mode beliebt war – und benutzt dazu die Ideenwelt der Georgica, die er schon privat kannte“, als wolle er ‚prophezeien‘, „wie der Stadtbewohner – der künftige Leser der Georgica – dieses tiefe Naturepos missbrauchen wird, dessen Echtheit an sich er keineswegs in Frage stellte.“ Dies erklärt die von Kießling-Heinze beobachtete Inkongruenz zwischen dem übertriebenen Ton, in dem Ironie steckt, und der zur horazischen Anschauung eigentlich gut passenden Beschreibung des Landlebens, was in den letzten Epodenversen den Überraschungseffekt bewirke (so auch Watson 2003, 84f.).18



Vergil präsentiert ein mit mehr Pathos erfülltes Bild, in dem die Klienten als anonyme Masse (

ingens unda

) nicht selbst gehen, sondern aus dem Palast des Patrons ausgespien werden. Die Außenperspektive des Beobachters ist dabei zwar voreingenommen, zugleich ist daraus aber auch zu schließen, dass der einzelne

cliens

 von seinem

patronus

 nicht mehr als Individuum wahrgenommen wird. Dagegen ist bei Horaz die Umschreibung der

salutatio

 zwar augenscheinlich ähnlich (die

superba limina

 entsprechen den

fores superbae

 bei Vergil), doch der Bürger, aus dessen Perspektive gesprochen wird, bestimmt selbst und vermeidet diese Situation (

vitat

, 7). Der Sprecher inszeniert sich als jemanden, der die Last der Pflichten kennt. Das Horaz-Ich in sat. 2,6 hätte sich wohl diesbezüglich in ähnlichem Ton geäußert19 (auf jedem Fall wird er es in carm. 2,18 machen, wie gleich gezeigt wird20). Der Erstleser der Epode ist sich dessen bewusst, doch am Ende löst sich die Ernsthaftigkeit der Kritik in Luft auf – oder sie wird auf eine komische Weise relativiert.21



In beiden Fällen aber, denkt der Leser nun an einen Horaz- oder an einen Alfius-Sprecher, wirkt die Lage der Klienten gleich beklagenswert. Der moralisierende Ton der Georgica ist in der Epode nicht vorhanden, doch in carm. 2,18 wird der (diesmal tatsächliche) Horaz-Sprecher auf einen moralphilosophischen Diskurs zurückgreifen, der die schwierige Lage der gewöhnlichen Klienten mit der Lage der zum Übermut neigenden Patrone kontrastiert. Dies erinnert an den „natürlichen Gegensatz“, den der Leser in Epode 2 zwischen dem „gewöhnlichen Bauer“ und dem „Latifundienbesitzer“ – so Oksala (1979, 108) als Entsprechung zum

patronus-cliens-

Verhältnis für Klienten und Patron – vorfindet.





ii)

condicio humana

 im

dives-pauper

-Kontrast: carm. 2,18



Horazcarm. 2,18Die Ode 2,18, mit der sich Horaz an ein Enkomion des Bakchylides anlehnte,1 beginnt mit einer Selbstinszenierung des horazischen Ichs, das sich voll Dankbarkeit für Maecenas äußert. Ab der Mitte der Ode wird das kontrastive Bild eines habgierigen und geizigen Reichen ausgeführt, der seinen armen Klienten um dessen Existenz bringt, was in einer archaisch wirkenden Szene gezeigt wird. Der Sprecher appelliert schließlich an den geizigen Reichen mit der mahnenden Erinnerung an die

condicio humana

. Von Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist die Unterteilung des Gedichts in drei Abschnitte, da die

patronus-cliens-

Problematik dabei von großer Bedeutung ist: a) Einerseits wird die Erwähnung von

clientes

 als Prestige-Symbol einflussreicher Familien betont, um sie später mit der persönlichen Beziehung zu Maecenas als

potens amicus

 aus der Ich-Perspektive zu kontrastieren (1‑14). b) Andererseits spielt eine allgemeine Warnung an reiche

patroni

vor Anmaßung gegenüber bedürftigen

clientes

 eine zentrale Rolle; damit wird eine Parallele zwischen der

clientela

 und dem

dives-pauper

-Diskurs geschaffen (14‑28). c) Daran schließt Horaz den Appell an den überheblichen Reichen über den ethischen Diskurs an, in dem die jeweiligen Figuren des

pauper

 und des

dives

 (parallel zu den Figuren des

cliens

 und des

patronus

) im Mittelpunkt stehen (29‑40).2



Wenig überzeugend ist die Deutung bei Nisbet und Hubbard, denen zufolge die kritische Tendenz der Ode auf Maecenas ziele (N./H. 1978, 287ff., insb. 289f.), weil die im ersten Teil der Ode erwähnten Luxus-Motive auf Maecenas’ Wohlstand anspielten und die

villa maritima

 des Maecenas an die Villa in Baiae erinnere, die Horaz im zweiten Teil der Ode dem habgierigen Reichen als Zeichen seiner hemmungslosen Bausucht zuschreibt. Schließlich stelle die Unterwelt-Thematik eine evidente Anspielung an „Maecenas’s own morbid obsessions“ dar.



Da Maecenas aber in der vorausgehenden Ode von Horaz als

pars animae meae

(carm. 2,17,5) und in der abschließenden Ode 2,20,7 als

dilecte Maecenas

 angesprochen wird, wirkt eine solche Kritik im Kontext des Odenbuchs eher deplatziert – dass zwischen dem hochadligen Maecenas (

edite regibus

, carm. 1,1,1), und einem

Attali ignotus heres

(carm. 2,18,5f.) eine gedankliche Assoziation hergestellt werden soll, ist kaum überzeugend. In Ode 2,18 hat das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas eher eine positive Exempel-Funktion, und Maecenas wird dabei nicht direkt angesprochen.3



Wie eine erste Lektüre des Textes erweist, handelt es sich dabei um ein Gedicht „im Stil der philosophischen Predigt“ (K./H. 1, 234) bzw. um eine „Predigt gegen Verschwendungssucht und Habgier“ (Holzberg 2009, 146). Thematisch knüpft die Ode in der Gesamtkomposition des Buches vor allem an carm. 2,17 und 2,20 sowie an 3,1 an.



(Topische) Luxus-Elemente und (1-8) und die Selbstinszenierung des Dichters (9-14).



Horazcarm. 2,18,1-14In den Anfangsversen der Ode kontrastiert sich der Horaz-Sprecher als

pauper

 mit der Figur des

dives

 und stellt seine eigenen Kriterien entgegen (carm. 2,18,1‑14):








            Non ebur neque aureum



















            mea renidet in domo lacunar,














            non trabes Hymettiae



















            premunt columnas ultima recisas

































            Africa neque Attali





            5














            ignotus heres regiam occupavi














            nec Laconicas mihi



















            trahunt honestae purpuras clientae.

































            at fides et ingeni



















            benigna vena est pauperemque dives





            10









            me petit: nihil supra



















            deos lacesso, nec potentem amicum

































            largiora flagito,



















            satis beatus unicis Sabinis.













Der Sprecher gibt sich bescheiden mit seinem „einzigen Landgut“ zufrieden und betont seine innere Aufrichtigkeit als Basis des Verhältnisses zum

potens amicus

. Zentral ist also der Gedanke, dass ein

patronus

 nicht wegen seines Reichtums gewählt wird. Dies dient als Erklärung für die Behauptung in Vers 10: Paradoxerweise werde der Sprecher als

pauper

 vom

dives

 besucht (eine Verkehrung eines traditionell klientelären Abhängigkeitsverhältnisses), und zwar auf Grund seiner bescheidenen Aufrichtigkeit (9‑11).4 Dabei inszeniert sich der Sprecher offen als der Dichter Horaz und dankt seinem

potens amicus

 Maecenas dafür, für ihn materiell gesorgt zu haben.



Die topischen Elementen für Luxus-Beschreibungen dienen dabei als Kontrast zur bescheidenen Dichterstimme. Einerseits greift der

dives-pauper

-Diskurs damit das Bakchylides-Modell wieder auf, indem er das letzte dort im Luxus-Trikolon vorkommende Element einführt (die πορφύρεοι τάπητες5) und danach mit

at

einen Gegensatz schafft, um die persönliche Ebene zu betonen (dies spiegelt sich im Bakchylideischen ἀλλά wider:

at fides et ingeni | benigna vena est

– ἀλλὰ θυμὸς εὐμενής).6 Andererseits weicht Horazens Darstellung vom griechischen Modell ab, indem sie sich mit einem römischen Charakter präsentiert – nicht zuletzt durch ein Element der

clientela

. Denn nach den prunkvollen Bauelementen werden als letztes Luxus-Symbol

honestae clientae

 eingeführt, die für den Patron einen kostbaren Purpurmantel7 herstellen (7‑8): brave Hausfrauen also, die weben und die folglich an das Penelope-Bild erinnern.

 



Zum ersten Mal seit Plautus und Afranius kommt das Wort

clienta

 literarisch vor. Die weibliche Form des

cliens

wird dort im Sinne von

famula

 bzw.

 serva libertina

 gebraucht, wie aus den jeweiligen Passagen hervorgeht.8 Pseudo-Acron erklärt das Wort zwar ähnlich als

familiares

 oder

vicinae

, doch hält der Kommentator sie gleichzeitig für die

uxores clientium

, welche der Ehefrau des Patrons beim Weben helfen. So deutet auch Porphyrio die Horaz-Stelle.9 Das Bild ist in der vorliegenden Passage allgemein gehalten, denn beide Assoziationen passen gut (sowohl die

famulae

 weben für ihren Herrn als auch die Ehefrauen der Klienten für die Ehefrau des Patrons). Im Auftrag des Patrons (bzw. seiner Ehefrau, folgt man Ps.-Acrons und Porphyrios ἐξηγήσεις zur Passage) stellen also die

clientae

 die wertvollen Textilien für diesen her. Dies deutet auf den hohen Stand des Patrons hin, der über verschiedene Elemente des materiellen Luxus verfügt, wie eben auch über ehrenvolle Klienten. Der Horaz-Sprecher kontrastiert sich damit und beteuert, solcherlei nicht zu besitzen, sondern nur den inneren Wert der Aufrichtigkeit aufzuweisen.



Mit dem Gegenbild, das der Horaz-Sprecher ab Vers 9 von sich gibt, knüpft er an das Motiv der Zufriedenheit in Satire 2,6 an.10 Die aus der so angestrebten

vita rustica

resultierende

beatitudo

 wird allerdings nun als vollkommen inszeniert (

satis beatus unicis Sabinis

, 14): Es handle sich also nunmehr um ein Verhältnis, in dem

divitiae

 keine Rolle (mehr) spielen. Denn indem Maecenas mit

potens amicus

genannt wird, legt der Sprecher einerseits offen, dass

amicitia

 eine fundamentale Rolle spielt, andererseits dass er doch davon materiell profitiert hat. Dabei argumentiert er aus der Sicht des

dives

(nicht aus seiner persönlichen Sicht), denn er gibt sich mit dem einen Landgut zufrieden, das ihm sein

amicus

 zugeteilt hat.11



Doch Maecenas wird hier nicht wie der

dives

der ersten Verse bewertet: Ihm wurde ja schon die Fähigkeit ethischer Bewertung bescheinigt (

turpi secernere honestum

, Hor. sat. 1,6,36) – folglich erkennt er die Aufrichtigkeit des Horaz. Dass der Sprecher ihn damit als Einzelfall betrachtet, wird durch die nächsten Verse betont, in denen ein

dives avarus

 Ziel der Kritik wird. Dabei spielt die

clientela

-Thematik zum zweiten Mal eine wichtige Rolle.Horazsat. 1,6,36



Warnung vor Anmaßung gegenüber bedürftigen

clientes

(15‑28).



Horazcarm. 2,18,15-28Der zweite Teil der Ode konzentriert sich auf die Thematik der Vergeblichkeit menschlichen Ehrgeizes. Einem unbestimmten

tu

 (17) – offenbar der Typus des reichen, überheblichen Patrons (nicht aber Maecenas)12 – wird vorgeworfen, er kümmere sich nur um den äußeren Wohlstand, während er sich seiner Sterblichkeit nicht bewusst sei (

sepulcri inmemor

, 19). Der Wohlstand schlägt sich topisch in Baumotiven wie

marmor

,

domus

,

Baiae

, die Vergänglichkeitsthematik in Motiven des Todes wie

funus, sepulcrum

,

urgere

 nieder und wird damit zu einem deutlichen Signal für den ethischen Diskurs. Kritik an

luxuria

 und

avaritia

, wie der Ich-Sprecher letztlich topisch exemplifiziert, stellt den geizigen Reichen also an den Pranger. Wegen seiner Grenzen- bzw. Hemmungslosigkeit versucht er nicht nur, die Natur zu bezwingen, sondern gefährdet sogar die Existenz anderer (carm. 2,18,15‑28):








            truditur dies die





            15














            novaeque pergunt interire lunae:

































            tu secanda marmora



















            locas sub ipsum funus et sepulcri














            inmemor struis domos



















            marisque Bais obstrepentis urges





            20




























            submovere litora,



















            parum locuples continente ripa.














            quid quod usque proximos



















            revellis agri terminos et ultra

































            limites clientium





            25














            salis avarus? pellitur paternos














            in sinu ferens deos



















            et uxor et vir sordidosque natos.













Der Reiche wolle seine Villa am Strand noch auf das Meer ausdehnen, sonst halte er sich nicht für reich genug; dafür okkupiert er nicht nur die Strände, sondern beraubt auch seine Nachbarn ihres Landguts. Letzteres stellt eine Angelegenheit dar, die im römischen Recht streng verurteilt wurde. Die Grenzverschiebung des Grundstücks des Nachbarn (

proximos | revellis agri terminos

) sowie des Klienten (

limites clientium | salis

) wurde im archaischen Rom sogar als schweres sakrales Delikt empfunden.13 Wie noch gezeigt wird, knüpft dieses Motiv an archaisierende Elemente an, die den traditionellen ‚römischen‘ Charakter der Komposition betonen. Denn die sog.

exaratio termini

, also die Grenzverschiebung, ist ein Verstoß gegen eines der heiligsten Elemente der römischen Weltanschauung. Der Kult des Gottes Terminus wurde mythologisch auf König Numa zurückgeführt14 (wie auch der Fides-Kult). Ein Verstoß gegen die zwischen Anrainern vereinbarten Flurgrenzen stellte einen klaren Fall der ἀδικία dar (Plut. Num. 16,2) und führte ursprünglich sogar zur sog. Sazertät.15 Somit ist die Parallele zum Verstoß gegen die

fides

beim

patronus-cliens-

Verhältnis in dieser Ode offensichtlich:16 Beging ein Patron

fraus

gegenüber seinem Klienten (missachtete er also die

fides

), wurde er zum

homo sacer

erklärt (so die schon oben behandelte Lex XII Tab

.

:

patronus si clienti fraudem fecerit, sacer esto

)Lex XII tab.8,21 – genau wie derjenige, der die Grenzen des Nachbarn (oder noch schlimmer: der

clientes

)17 nicht beachtet.18 Eine solche Verletzung verschärft sich allerdings im

patronus-cliens-

Verhältnis, weil die Fürsorgepflicht verletzt wird. Dies lässt sich auch im folgenden Beispiel bemerken.



Nicht umsonst zitiert Servius in seinem Kommentar zu Aen. 6,609 genau diese Horaz-Stelle, um das nur durch ihn überl