tali dignus amico

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Aus der Reihe: Classica Monacensia #54
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a) Horaz als amicus des Maecenas: Satiren 1,6; 1,9 und 2,6

Horaz stellt sein Verhältnis zu Maecenas am Anfang seines Œuvres als eine untrennbare Verbindung aus ‚echter‘ Freundschaft und amtlichen Verpflichtungen dar. Er beteuert also seine innere Freiheit, gleichzeitig weiß er sich aber in einem Abhängigkeitsverhältnis gebunden, und daraus wird sich eine Problematik entwickeln. Ob solche Verpflichtungen mit einer clientela gleichzusetzen sind, stellt, wie erwähnt, eine komplexe Frage dar. Denn öfter ist von der besonderen Rolle die Rede, die Horaz für Maecenas spielt und die auf eher amtlichen Verpflichtungen basiert – und dies hat mit dem Verhältnis zwischen Patronen und Klienten wenig gemeinsam. Allerdings galt das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas in der literarischen Nachwelt (und vor allem bei den späteren Autoren wie Martial und Juvenal) als der Inbegriff des dichterischen Patronats, so dass sich die Darstellung ihrer Beziehung doch gut als thematischer Ausgangspunkt der patronus-cliens-Problematik eignet.1

In einem entscheidenden Punkt ist sich der satirische Horaz sicher: Er zählt sich zu den wahren Freunden des Maecenas. In Satire 1,6 steht amicus sowohl für Maecenas als auch für Horaz.2Horazsat. 1,6 Der Ich-Sprecher zeigt sich darüber stolz, in numero amicorum des Maecenas aufgenommen zu sein (sat. 1,6,62) – damit inszeniert er diese amicitia, die auch eine gewisse klienteläre Abhängigkeit impliziert, als Grundlage seines literarischen Schaffens. Doch dieses Verhältnis ist von Ambivalenz gekennzeichnet. Zwar vermittelt der Dichter mit Selbstverständlichkeit etwa in sat. 1,5 den Eindruck seines entspannten Umgangs mit Maecenas optimus (31), und auch in sat. 1,6 schildert er die Entstehung und Entwicklung seiner Beziehung zum Gönner und Freund mit Gelassenheit, doch die Last, eine solche Beziehung zu pflegen, ist ein häufig vorkommendes Thema: Nicht nur erweckt er den Neid vieler (rodere in sat. 1,6,46ff.; invidia in sat. 2,6,48, s.u.), sondern er befindet sich auch selbst in einem Konflikt: War der Horaz-Sprecher in den ersten Satiren darauf stolz, Zeit für sich zu haben (z.B. sat. 1,5,128ff.), so ist im zweiten Satirenbuch eine gewisse Verzweiflung darüber zu spüren, seine Zeit nicht mehr selbst einteilen zu können, weil die Aktivitäten für Maecenas überhandnehmen.3

i) Kontaktaufnahme im Rückblick: in amicorum numero (Satire 1,6)

Horazsat. 1,4Horazsat. 1,5Horazsat. 1,6Das Verhältnis zu Maecenas ist seit der ersten Satire präsent. Doch erst in Satire 5 findet der Leser eine genauere Darstellung des Verhältnisses zwischen ihm und Horaz, und zwar anhand einer Szene aus dem täglichen Leben. Der Horaz-Sprecher inszeniert eine Reise, die er mit Freunden unternimmt. Nachdem er seine poetologischen Absichten in Satire 4 thematisiert hat, beschreibt er nun das sog. iter Brundisinum,1 welches offenbar z.T. auf Lucilius’ iter Siculum anspielt.2 Doch ab Vers 27 wird klar, dass Maecenas dabei eine wichtige Rolle spielt. Diese Reise setzt eine freundliche und vertrauliche Atmosphäre zwischen den Mitgliedern der Maecenas-Gruppe deutlich voraus, nicht nur unter den Dichtern (Horaz, Plotius, Varius und Vergil, vgl. 40ff.),3 sondern auch gegenüber Maecenas. Denn alle werden als enge Freunde präsentiert – Maecenas wird sogar affektiv als optimus charakterisiert (31), und es wird ein vertrauensvoller Umgang mit ihm beschrieben (vgl. lusum it Maecenas, dormitum ego Vergiliusque, 48).4 Die politische Bedeutung der Mission wird nur angedeutet (27–29),5 so dass sie eher als amüsanter Ausflug unter Freunden verstanden werden könnte, zumal sie mit banalen, auf Humor zielenden Beschreibungen kontrastiert wird (vgl. etwa Horaz’ Selbstbetrachtung als lippus gleich nach der eleganten Beschreibung von Maecenas’ Ankündigung: 27ff.).

Dagegen findet sich in Satire 6, die deutlich vor dem iter Brundisinum spielt, die Darstellung der ersten Kontaktaufnahme mit Maecenas.6 Die Satire setzt mit den Bewertungskriterien ein, die Maecenas an Menschen und ihre Standesherkunft anlegt: Obwohl er selbst von hochadliger Abstammung ist (nemo generosior est te, 2), betrachtet er die adlige Herkunft eines Menschen für die Einschätzung einer Person als irrelevant – einzige Voraussetzung dafür ist die Stellung als frei Geborener (dum ingenuus, 8) (sat. 1,6,1–6):Horazsat. 1,6,1–6


Non quia, Maecenas, Lydorum quidquid Etruscos
incoluit finis, nemo generosior est te,
nec quod avus tibi maternus fuit atque paternus
olim qui magnis legionibus imperitarent,
ut plerique solent, naso suspendis adunco 5
ignotos, ut me libertino patre natum.

Dem stellt Horaz die Bewertungskriterien des populus bei der Wahl der Politiker gegenüber (14–17); zugleich betont er, dass auch er die Entscheidungen eines Censors gutheißen würde, der den non ingenuo patre natus aus dem Senat ausstößt (vel merito, 21). Denn wer als Politiker für das römische Volk sorgen will, sollte sich ausweisen können. Doch erst nach dieser Einleitung kommt Horaz auf seinen eigenen Stand zu sprechen (libertino patre natus, 45). Dabei zeigt Horaz überdeutlich, dass er sich des großen Standesunterschiedes bewusst ist und dass die Voraussetzungen für eine amicitia inter pares faktisch nicht gegeben sind, so dass Horaz jetzt wie der Politiker im vorausgehenden Abschnitt durch seinen Kontakt zu Maecenas prominent und vom Volk kritisch bewertet wird (sat. 1,6,45–48):Horazsat. 1,6,45–48


nunc ad me redeo libertino patre natum, 45
quem rodunt omnes libertino patre natum,
nunc, quia sim tibi, Maecenas, convictor, at olim,
quod mihi pareret legio Romana tribuno.

Horaz hat in seinem Leben schon einmal eine vergleichbare Kritik erfahren, meint er, die er als Neid kennzeichnet,7 nämlich in seinem Rang als Militärtribun im Bürgerkrieg. Jetzt aber stellt er klar, warum die Stellung als convictor des Maecenas eben etwas anderes ist als der Rang eines Militärtribuns.

Der Argumentationsgang der Satire ließe erwarten, dass das Amt des Tribuns eben eine öffentliche Wirkung hatte, während die Freundschaft eine private Angelegenheit sei – aber Horaz geht anders vor: Nicht Horaz ist es, der durch die invidia des Volks angegriffen wird, sondern Maecenas – nämlich in seiner Kompetenz im Bewerten eines amicus, die durch diese Kritik in Frage gestellt wird. Auch und besonders Maecenas muss also verteidigt werden: Die amicitia war kein Zufall (52‑54), sondern ist eine Auszeichnung, weil sie auf einen mehrmonatigen Bewertungsprozess zurückgeht. Dieser beginnt mit der Empfehlung durch Vergil und Varius und reicht über das persönliche Gespräch, bei dem Horaz nicht versucht hat, sich anders darzustellen, als er ist (60‑64), bis endlich nach langer Zeit das positive Ergebnis der Entscheidung mitgeteilt wurde. Die kompetente Bewertung des Maecenas, der turpe und honestum unterscheiden kann (63), steht außer Frage, und deswegen ist die Aufnahme in amicorum numero für Horaz eine so hohe Auszeichnung – im Vergleich zur vorher genannten Bewertung des Politikers durch den populus lässt sich folgern, dass die Auszeichnung größer ist als eine politische Karriere, denn Maecenas’ moralische Kriterien sind strenger, weil sie auf der Persönlichkeit beruhen, nicht auf Äußerlichkeiten. Die moralische Erziehung durch den Vater, dem Horaz diesen Erfolg verdankt, ist folglich das Thema der restlichen Satire (71ff.).

Eine Antwort auf die Frage, ob das Verhältnis zu Maecenas ein patronus-cliens-Verhältnis ist, gibt Horaz hier nicht, denn in seinem Text geht es nicht um die soziale Stellung, sondern um die moralische Bewertung.8 Nur als er auf die Einschätzung des volgus zu sprechen kommt, begibt er sich auf die Argumentationsebene, die den sozialen Rang berücksichtigt. Er verwendet dabei, wie gezeigt, den Begriff convictor (47). Horaz selbst nutzt den Ausdruck allerdings sonst nicht, um sein Verhältnis zu Maecenas zu kennzeichnen, von dem er immer als amicitia spricht. Wie dieser Terminus also einzuschätzen ist und ob er hier ein parasitäres Verhältnis vorzuwerfen scheint, stellt eine wichtige Frage dar.9

Der Begriff ist nicht häufig belegt10 und tritt i.d.R. im umgangssprachlichen Kontext auf, wie eine Stelle in Ciceros Briefcorpus zeigt: Ciceros Sohn schreibt an Tiro und betont, in Athen eine Wandlung weg von seinen Jugendsünden vollzogen zu haben. Zum Beweis spricht er über die iucundissima convictio mit seinem Kameraden Bruttius, dessen guten Lebenswandel er hervorhebt (fam. 16,21,4), sowie über seine enge Beziehung zu seinem Lehrer Cratippus und dessen gelehrten Freunden aus Mitylene: utor familiaribus et cotidianis convictoribus, quos secum Mitylenis Cratippus adduxit, hominibus et doctis et illi probatissimis (fam. 16,21,5). Hier kann also keine negative Konnotation des Begriffs vorliegen, denn der junge Cicero will ja einen guten Eindruck auf Tiro machen.11Cicerofam. 16,21

 

Horaz selbst verwendet den Begriff noch einmal, um den Spott des Satirikers von der hinterhältigen scheinbaren Verteidigung eines verurteilten Freundes in der spottlustigen Runde eines convivium abzusetzen: Der Spötter beteuert zunächst seine enge Vertrautheit mit dem Opfer des Spotts (me Capitolinus convictore usus amicoque | a puero est causaque mea permulta rogatus, Hor. sat. 1,4,96f.). Neben der amicitia betont convictor offenbar die Vertrautheit im Verhältnis noch stärker. Horaz leitet das Thema mit einer (para-)etymologischen Anspielung ein, indem er der Quelle des schweren Vorwurfs nachgeht: Es mache ihm offenbar Spaß, andere zu verletzen (est auctor quis denique eorum, | vixi cum quibus?, sat. 1,4,80f.). Auch hier ist die Vertrautheit die zentrale Aussage. Ähnlich verhält es sich bei Ovid, als er über die Treulosigkeit der ehemaligen Freunde klagt, die nach der Verurteilung nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen (ille ego convictor densoque domesticus usu, Ov. Pont. 4,3,15). Das Vertrauensverhältnis betont auch das Augustus-Zitat aus Suetons Horazvita:Horazsat. 1,4,80f.Horazsat. 1,4,96f.OvidPont. 4,3,15Suetonvit. Hor.

sume tibi aliquid iuris apud me, tamquam si convictor mihi fueris; recte enim et non temere feceris, quoniam id usus mihi tecum esse volui, si per valetudinem tuam fieri possit.

Das vorausgehende Augustus-Zitat in dieser Vita spricht das parasitäre Verhältnis zu Maecenas an, wenn auch mit bewusster (auf Humor zielender) Übertreibung, denn Augustus möchte Horaz als amicus gewinnen und von Maecenas abwerben; deswegen stellt er das Verhältnis zu Maecenas als parasitäres, also abwertend dar:Suet. vit. Hor.

ante ipse sufficiebam scribendis epistulis amicorum: nunc occupatissimus et infirmus Horatium nostrum a te cupio abducere. veniet ergo ab ista parasitica mensa ad hanc regiam et nos in epistulis scribendis adiuvabit.

Aber hier wird der Begriff eben auch so verwendet, wie er gemeint ist. Es ist also unwahrscheinlich, dass convictor nur im Sinne eines parasitus abwertend gebraucht wird. Die antike etymologische Herleitung von convictor mit victus (Serv. ad Aen. 1,214)12 würde das zwar nahelegen. Aber selbst der offenbar entsprechende griechische Begriff συμβιωτής ist nicht unbedingt negativ konnotiert. Cicero verwendet ihn zum Beispiel in Verbindung mit einem gemeinsamen Mahl (fam. 9,10,2), als er Dolabella erzählt, dass er Schiedsrichter im Streit um die Echtheit eines Schuldscheins sei, den der gemeinsame Bekannte Nicias nicht anerkennen wolle. Cicero stellt sich nun mit einem Augenzwinkern vor, wie Dolabella ihm zum Wohlwollen gegenüber Nicias rät, weil er an die gute Bewirtung bei Nicias denken müsse, der als suavissimus noster συμβιωτής bezeichnet wird.13Cicerofam. 9,10

Die umgangssprachliche Bezeichnung convictor, mit der das Volk das Verhältnis des Horaz zu Maecenas beschreibt, soll also das enge Vertrauensverhältnis ausdrücken, das ähnlich wie der Rang des tribunus, den Horaz einmal eingenommen hat, Neid erweckt. Dass Horaz trotzdem den Ausdruck convictor für sich selbst nicht verwendet, mag mehrere Gründe haben: Zum einen zeigen die Belegstellen, dass (außer Ovid) kein Sprecher sich selbst als convictor bezeichnet, man spricht immer von anderen Personen als convictor einer dritten Person. Zum anderen scheint es Horaz überhaupt zu vermeiden, seine Beziehung zu Maecenas sozial konturiert im Sinne eines patronus-cliens-Verhältnisses zu bezeichnen. Stattdessen versteht er sich als amicus im Sinne des ethischen amicitia-Diskurses; darauf weist auch der dreifache Einsatz von amicus im nächsten Abschnitt der Satire hin (50f.; 53; 62). Die Freundschaft ist für Horaz eine moralische Selbstaufwertung.14 Er fühlt sich dadurch geadelt, dass er die strengen moralischen Kriterien des Maecenas (qui turpi secernis honestum, 63)15 erfüllt hat – keine äußerlichen (non patre claro, sed vita et pectore puro, 64). Seine Ehrlichkeit im ersten Gespräch mit Maecenas, die er zunächst selbst als Ungeschicklichkeit (infans… pudor, 56) bewertet und so auch von den Neidern wahrgenommen würde, erweist sich im Nachhinein als Zeichen der Vertrauenswürdigkeit, die Maecenas sucht.

Die kontrastive Hervorhebung der externen Äußerungen über das Wesen der Beziehung zwischen Horaz und Maecenas wird noch deutlicher ausgeführt: Der Horaz-Sprecher charakterisiert sich selbst so, dass er sich mit seinem bescheidenen Elternhaus zufrieden gibt, sogar stolz darauf ist, und das dient als Defensio gegen die neidischen Angriffe des volgus (sat. 1,6,92‑105):Horazsat. 1,6,92 105


sic me defendam. longe mea discrepat istis
et vox et ratio. nam si natura iuberet
a certis annis aevum remeare peractum,
atque alios legere, ad fastum quoscumque parentes 95
optaret sibi quisque, meis contentus honestos
fascibus et sellis nollem mihi sumere, demens
iudicio volgi, sanus fortasse tuo, quod
nollem onus haud umquam solitus portare molestum.
nam mihi continuo maior quaerenda foret res 100
atque salutandi plures, ducendus et unus
et comes alter, uti ne solus rusve peregre‹ve›
exirem, plures calones atque caballi
pascendi, ducenda petorrita. nunc mihi curto
ire licet mulo vel si libet usque Tarentum 105

Selbst wenn das volgus ihn für schwachsinnig hielte (demens | iudicio volgi, 97f.), würde Maecenas ihn verstehen (sanus fortasse tuo [iudicio], 98). Damit wird die moralische und geistige Parität zwischen den beiden Figuren betont, was eine aufrichtige amicitia (also inter bonos) ermöglicht. Die Bescheidenheit des Horaz garantiert ihm zudem die Ruhe, nach der er sucht. Dabei konzentriert sich Horaz auf den Kontrast zwischen seiner bescheidenen Abstammung und dem sozial hohen Status einflussreicher Personen. Denn dass Horaz ein sorgenfreies Leben führen kann, verdankt er der Freundschaft zu Maecenas, der ihm dies ermöglicht.

Er distanziert sich damit von dem typischen onus molestum der Klientelverhältnisse: Mit der Profitgier (maior quaerenda … res, 100) geht die Verpflichtung einher, als cliens für mehrere Herren Dienste zu leisten, die hier mit der salutatio bezeichnet sind, oder als patronus tätig zu werden, was an dieser Stelle durch die anteambulationes (101f.) zum Ausdruck kommt: Die Freiheit, die in dem Verzicht auf Reichtum liegt, exemplifiziert Horaz an der Möglichkeit, schnell einmal eine Kurzreise zu unternehmen. Das ist ab einem bestimmten sozialen Status nicht mehr denkbar, denn es ist eine große Zahl an Begleitern notwendig, um nicht schäbig zu wirken (102ff.). Seine eigene Lebensführung entsprechen dem Glück der Bescheidenheit im Alltag, das kontrastiv zu dem, was dem prominenten Senator versagt ist, geschildert wird. Innerhalb dieser Szenen einer sorglosen vita urbana finden sich keinerlei Klientelpflichten, aber auch die cena mit Maecenas, die ihn als convictor ausweisen würde, wird hier ersetzt durch das frugale Mahl, das ihm sein Sklave daheim vorbereitet hat (sat. 1,6,110‑131):Horazsat. 1,6,110 131


hoc ego commodius quam tu, praeclare senator, 110
milibus atque aliis vivo. quacumque libido est,
incedo solus, percontor quanti holus ac far,
fallacem circum vespertinumque pererro
saepe forum, adsisto divinis, inde domum me
ad porri et ciceris refero laganique catinum; 115
cena ministratur pueris tribus et lapis albus
pocula cum cyatho duo sustinet, adstat echinus
vilis, cum patera guttus, Campana supellex.
deinde eo dormitum, non sollicitus, mihi quod cras
surgendum sit mane, obeundus Marsya, qui se 120
voltum ferre negat Noviorum posse minoris.
ad quartam iaceo; post hanc vagor aut ego lecto
aut scripto quod me tacitum iuvet unguor olivo,
non quo fraudatis inmundus Natta lucernis.
ast ubi me fessum sol acrior ire lavatum 125
admonuit, fugio campum lusumque trigonem.
pransus non avide, quantum interpellet inani
ventre diem durare, domesticus otior. haec est
vita solutorum misera ambitione gravique;
his me consolor victurum suavius ac si 130
quaestor avus pater atque meus patruusque fuisset

Dieses Idealleben eines freien Menschen, der im epikureischen Sinn durch bescheidene Bedürfnisbefriedigung die Ruhe und damit auch die Muße für intellektuelle Beschäftigung (122f.) findet, wurde zu einem Topos, auf den etwa Martial zurückgreifen kann.16

 

Horaz ist in dieser Satire bemüht, sein Verhältnis zu Maecenas frei von allen Vorstellungen zu halten, die üblicherweise mit der Beziehung zwischen einem mächtigen Mann und einem sozial niedriger Stehenden verknüpft sind: Die amicitia beruht auf moralischen Kriterien. Horaz hat durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht als ehrgeiziger Aufsteiger den Kontakt zu Maecenas sucht. Das unterscheidet ihn ebenfalls von den üblichen Träumen des volgus.17 Horaz bestreitet zwar nicht, ein convictor des Maecenas zu sein, aber er bestätigt es auch nicht: Sein idealer Tagesablauf wird als frei von klientelären Verpflichtungen geschildert.