Lebendige Seelsorge 4/2021

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LEGITIME VIELFALT ODER UNKLARES BERUFSPROFIL?

Terminologisch lassen die Texte des Konzils und die ihm folgenden Rechtsnormen des CIC von 1983 keinen Zweifel daran, dass auch Lai*innen ‚Amtsträger*innen‘ sein können, insofern sie durch persönliche Befähigung kraft Taufe und Firmung und offizielle Beauftragung durch den Ortsordinarius ein ‚ministerium‘ eigenverantwortlich ausüben (vgl. Demel). In der Praxis fehlt es allerdings nach wie vor an einem einheitlichen Berufsbild für Lai*innen im kirchlichen Dienst. Was in den einen Diözesen seit vielen Jahren üblich und anerkannt ist, wurde in den anderen bisher bewusst nicht eingeführt, wie etwa der Beerdigungsdienst oder die Spendung der Taufe und die Eheassistenz, wie sie u. a. in der Schweiz praktiziert werden (vgl. Kückelmann).

Sind diese Unterschiede in Einsatz und Selbstverständnis hauptamtlicher Lai*innen nun Ausdruck einer legitimen Vielfalt oder einer theologischen Unklarheit im Berufsprofil? Wird in der Begründung der jeweiligen Praxis der Dienst der Lai*innen als Ausprägung einer eigenen kirchlichen Sendung betrachtet oder doch eher von den Aufgaben des Klerikers hergeleitet? Werden die Lai*innen gar von einer überholten Amtstheologie davon abgehalten, ihre ureigenen Rechte auszuüben? Und welches Verständnis der Sakramente und der Kirche liegt diesen unterschiedlichen Deutungen eines ‚Amtes für Lai*innen‘ zugrunde?

Manuel Schlögl

geb. 1979, Dr. theol., Studium der katholischen Theologie in Passau und Münster; 2005 Priesterweihe; Tätigkeit in Gemeindepastoral und Priesterausbildung; 2013 Promotion an der Universität Münster; Habilitand an der Universität Wien; seit 2021 Verwalter des Lehrstuhls für Dogmatik und ökumenischen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie.

Diese Uneinheitlichkeit in der Beurteilung drängt auf eine Neubesinnung in einem größeren Kontext.

Die Diskussion wurde jüngst wieder entfacht durch das Motu proprio Antiquum ministerium von Papst Franziskus, mit dem er ein neues Amt für Lai*innen, genannt ‚Katechet*in‘, einführte. Während Bischof Rudolf Voderholzer dies als ausdrückliche Würdigung des Engagements von Lai*innen in der Kirche deutete und ankündigte, es in seinem Bistum zeitnah umzusetzen (vgl. Voderholzer), bewertete der Religionspädagoge Patrik C. Höring diesen Schritt als problematischen Beschwichtigungsversuch in der Ämterfrage, da die vom Papst genannten Aufgaben in Deutschland bereits von (meist hauptamtlichen) Lai*innen ausgeübt würden (vgl. Altmann). Diese Uneinheitlichkeit in der Beurteilung drängt auf eine Neubesinnung in einem größeren Kontext. Im Folgenden soll ein Blick auf die jüngste kirchliche Lehrentwicklung sowie die gegenwärtige Praxis einige Argumente dafür liefern, um den kirchlichen Dienst von Pastoralassistent*innen in der ihnen eigenen Sendung als Lai*innen neu zu bedenken.

DIE SPEZIFISCHE BERUFUNG VON LAI*INNEN IN DEN TEXTEN DES ZWEITEN VATIKANISCHEN KONZILS

Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekanntlich die fundamentale Gleichheit aller Getauften wiederentdeckt, die am Ursprung des Christentums steht (vgl. Bieberstein). Diese drückt sich im allgemeinen Priestertum der Gläubigen (vgl. Lumen gentium 10.32–38) aus, durch das sie auf spezifische Weise am dreifachen Amt Christi als Priester, König und Prophet teilhaben, sowie im Laienapostolat, d. h. in der Berufung zum Zeugnis für Christus in der Welt (vgl. Apostolicam actuositatem). Damit wird deutlich: Lai*innen sind als Getaufte ein originärer Teil der verfassten Kirche. Ihre Bezugsgröße ist nicht das Weiheamt der Kleriker, sondern die Sendung der Kirche selbst. In LG 41 und 42 werden einige Beispiele genannt, auf welche Weise Laien ‚Kirche‘ verkörpern und „zur Heiligkeit und Wirksamkeit in der Kirche beitragen“ können: als Eheleute und Eltern in der Bezeugung des Evangeliums und der christlichen Tugenden füreinander und für ihre Kinder; als Unverheiratete im selbstlosen Einsatz für andere; im Arbeitsleben; in Solidarität mit Armen und Schwachen; im Gebet, in der Betrachtung von Gottes Wort und der Mitfeier der Sakramente. All das baut das Volk Gottes auf und belebt den Leib Christi, insofern jede*r Getaufte in eigener Berufung mitwirkt.

Dem gegenüber steht das dreigliedrige Weiheamt, der ‚ordo‘, dessen spezifische Aufgabe es ist, alle diese Berufungen und Dienste in der Kirche zu ordnen, indem die Amtsträger sie fördern und stärken, aber auch unterscheiden und einen. Insofern ist es nicht richtig, zu sagen, der Klerus leite sich von den Lai*innen her oder das Weihe-Priestertum sei eine bloße Weiterbestimmung des allgemeinen Taufpriestertums. Denn die Weihe schafft eine neue zeichenhafte, von Lai*innen verschiedene Wirklichkeit, „essentia, non gradu tantum“ (LG 10), wie das Konzil sagt.

Diesen wesentlichen Unterschied kann man an den drei Ämtern Christi verdeutlichen. Wenn ein*e Lai*in predigt oder Zeugnis von seinem*ihrem Glauben gibt, tut er*sie das in der ihm*ihr eigenen Berufung zum Apostolat, kraft des ihm*ihr in Taufe und Firmung verliehenen Heiligen Geistes – aber nicht in derselben amtlichen Vollmacht, in der es ein Priester tut. Wenn ein*e Lai*in kirchliche Dienste ausführt, anderen Menschen beisteht und insofern zurecht Seelsorger*in genannt werden kann, ist er*sie es doch auf andere Weise als ein Priester, der zusätzlich zu den menschlich-geistlichen Kompetenzen über die amtliche Kompetenz des Heilungs- und Befreiungsdienstes inklusive der Absolutionsvollmacht verfügt. Und wenn, was das Konzil mehrfach betont, die Lai*innen in der „aktiven Teilnahme“ an der Eucharistie sich selbst zum Opfer darbringen (vgl. LG 33–34; Sacrosanctum Concilium 26.48), vollziehen sie dies als getaufte Glieder am Leib Christi, während der Priester das Opfer in persona Christi feiert und Christus als das Haupt dieses Leibes repräsentiert.

Neben der Gleichheit aller Getauften lehrt das Konzil unübersehbar auch die gegenseitige Zuordnung von Lai*innen und Weiheamt.

Neben der Gleichheit aller Getauften lehrt das Konzil unübersehbar auch die gegenseitige Zuordnung von Lai*innen und Weiheamt – so wie es für die Kirche eben auch nicht nur die Metapher vom ‚Volk Gottes‘ verwendet (vgl. Demel 14–19), sondern auch jene vom ‚Leib Christi‘ und beide in Spannung zueinander setzt. Dieses Kirchenbild entspricht, was oft zu wenig berücksichtigt wird, zutiefst dem trinitarischen Gottesbild, in dem ja auch Einheit und Differenz gleichursprünglich sind (vgl. Forte 1986 und 1987; Hemmerle 1995). Von der Trinitätslehre her gesehen, wird die Einheit zwischen Personen umso tiefer und dichter, je größer ihre Unterschiedenheit ist. Zudem wird die Unterschiedenheit nicht nachträglich aus einer vorgängigen Einheit abgeleitet, sondern ist zugleich mit dieser gegeben. Die ursprüngliche Verschiedenheit der trinitarischen Sendungen, darin auch der Berufungen in der Kirche, wird so verständlich als die eigentliche Garantin einer Einheit, die Unterschiede nicht verwischt, sondern profiliert und so ein fruchtbares Mit- und Zueinander ermöglicht.

Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen.

Das Lehramt hat bereits in Ministeria quaedam (1972) und besonders seit Christifideles laici (1988) die Unterschiedlichkeit von laikaler und amtlicher Berufung klar hervorgehoben, so auch in der Instruktion der Kleruskongregation zur Gemeindeleitung durch Lai*innen (vgl. Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche, 2020) und im Motu proprio des Papstes zum Amt der Katechet*innen. Dies bedeutet keinen Rückfall hinter das Konzil, sondern eine authentische Weiterführung dessen, was die Kirchenversammlung ebenso lehrt wie die Berufung aller Getauften zur Heiligkeit und zum Apostolat. Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen. Während das Eigene der Kleriker darin liegt, ‚für‘ die Gläubigen (und mit ihnen auch für alle anderen) da zu sein und das von Christus geschenkte Heil in Sakrament und amtlicher Verkündigung zu vergegenwärtigen, liegt die Berufung der Lai*innen darin, ‚mit‘ allen anderen Gliedern des Gottesvolkes zusammen Kirche zu bilden und so ‚Kirche‘ in den vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Beziehungen ihres Lebens darzustellen.

BEOBACHTUNGEN IN DER DERZEITIGEN PRAXIS

Neben den theologischen Argumenten geben auch einige Beobachtungen in der Praxis zu denken. Erstens sind es vermehrt Lai*innenbewegungen, die das Gesicht von deutschen Orts- oder Personalgemeinden prägen und mit frischem Wind erfüllen, etwa die Focolare-Bewegung oder die Gemeinschaft Emmanuel. Das Zueinander von Lai*innen und Geweihten, von Familien und Alleinstehenden ist dort auf der Basis eines bewusst gelebten Christseins auf unproblematische Weise ‚gelöst‘. Innerhalb der Gemeinschaften können Lai*innen durchaus weisungsbefugt gegenüber Klerikern sein, ohne deshalb deren sakramentale Vollmacht in Frage zu stellen. Diese Differenzierung zwischen struktureller und geistlicher Macht fehlt in der Diskussion der Ämterfrage häufig.

Ein zweites Bedenken tut sich auf, wenn das Priesterbild näher beleuchtet wird, das in entsprechenden Publikationen zum Ausdruck kommt (vgl. Demel). Weder werden die drei evangelischen Räte als Existenzform des Weiheamtes gewürdigt (vgl. Balthasar 1961, 332–348.442–461; 1993) noch die christologische Begründung des Amtes in der Hingabe Jesu Christi erwähnt. Am Priesterbild wird besonders deutlich, wie stark die gegenwärtigen Vorschläge von einem funktionalistischen Denken geprägt sind (vgl. Kückelmann, 236). Doch wie es schon in Christifideles laici 23 heißt, entsteht das Amt nicht aus einer übernommenen Aufgabe. Amtliche Vollmacht wird in der Kirche allein durch sakramentales Wirken verliehen und damit durch das Handeln Gottes, das allem Handeln des Menschen vorausgeht.

 

Amtliche Vollmacht wird in der Kirche allein durch sakramentales Wirken verliehen und damit durch das Handeln Gottes, das allem Handeln des Menschen vorausgeht.

Drittens sei noch an das ebenfalls vom Konzil wieder eingeführte Amt des ständigen Diakons mit Zivilberuf erinnert, das genau an der Nahtstelle angesiedelt ist, an der sich manche Lai*innen sehen wollen. Als geweihter Amtsträger, der in der Lebenswirklichkeit von Familie und Beruf steht, repräsentiert er noch einmal anders als ein nicht geweihter Laie die Verbindung von Kirche und Welt, Liturgie und Diakonie, Alltag und Verkündigung. Dem noch ein eigenes Lai*innenamt (ob mit Weihe oder Beauftragung) hinzuzufügen, würde eher zur weiteren Verunklarung der kirchlichen Dienste als zu ihrer Profilierung beitragen.

PLÄDOYER FÜR EINE GANZHEITLICHE EKKLESIOLOGIE

Wie kann es weitergehen mit hauptamtlich tätigen Lai*innen in der Kirche? Die Frage ist nicht allein rechtlich oder politisch, sondern nur spirituell und theologisch zu lösen, ausgehend von einer ‚ganzheitlichen Ekklesiologie‘, die alle Glieder der Kirche zu einem „kontemplativen und eucharistischen Lebensstil“ (Forte 1987, 16) anhält und das Miteinander der Getauften nicht gegen das Zueinander von Lai*innen und Geweihten ausspielt.

So wie ein Priester sein Amt nicht allein ausüben kann, sondern angewiesen bleibt auf das Mitglauben und Mitgehen der Gemeinde, so sind auch die Gläubigen angewiesen auf geistliche Begleitung und sakramentale Stärkung. Es ginge darum, „demütig die Notwendigkeit der anderen an[zu]erkennen“ (Forte 1987, 66) und gerade dadurch die eigene Berufung tiefer zu verstehen und fruchtbarer zu leben – und so den Glauben wachzuhalten in dieser winterlichen Zeit der Kirche.

LITERATUR

Balthasar, Hans Urs von, Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, Einsiedeln 1961.

Balthasar, Hans Urs von, Gottbereites Leben. Der Laie und der Rätestand. Nachfolge Christi in der heutigen Welt, Einsiedeln 1993.

Bieberstein, Sabine, „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7). Überlegungen zu den Rahmenstatuten aus biblischer Perspektive, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013, 32–51.

Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013.

Forte, Bruno, La Chiesa, icona della Trinità. Breve ecclesiologia, Brescia 1986.

Forte, Bruno, Laie sein. Beiträge zu einem ganzheitlichen Kirchenverständnis, München u. a. 1987.

Hemmerle, Klaus, Leben aus der Einheit. Eine theologische Herausforderung, hg. von Blättler, Peter, Freiburg i. Br. 1995.

Altmann, Matthias, Neues Katechetenamt: „Hierzulande würde es zu Schwierigkeiten führen“. Katechetik-Professor Patrik C. Höring über Papst-Dekret „Antiquum ministerium“; abrufbar unter: https://www.katholisch.de/artikel/29840-neues-katechetenamthierzulande-wuerde-es-zu-schwierigkeiten-fuehren.

Kückelmann, Barbara, Nichts Neues unter der Sonne. Gedanken zu den deutschen Rahmenstatuten aus Schweizer Sicht, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, 224–243.

Voderholzer, Rudolf, Predigt beim Pontifikalamt am Vorabend von Christi Himmelfahrt (12.5.2021); abrufbar unter: https://bistum-regensburg.de/fileadmin/Dateien/pdf/20210512_P_VAM_Christi_Himmelfahrt_Antiquum_Ministerium.pdf.

[Links zuletzt eingesehen am 30.06.2021]

Der besondere Weltcharakter der Kirche

Die Replik von Sabine Demel auf Manuel Schlögl

Habe ich da Manuel Schlögl richtig verstanden? Will er wirklich Terminologie und Inhalt trennen? Behauptet er tatsächlich, dass Lai*innen zwar terminologisch auch Amtsträger*innen sein können, aber nicht theologisch? Je weiter ich seinen Beitrag lese, desto mehr bestätigt sich für mich, was ich zu Beginn der Lektüre nicht für möglich gehalten habe: Für Schlögl ist die Terminologie des laikalen Amtes eine rechtliche und politische Lösung, von der die spirituelle und theologische Lösung zu unterscheiden ist. Und die heißt: Es gibt kein laikales Amt, sondern nur ein dreigliedriges Weiheamt. Oder wie Schlögl formuliert: „Dem [sc. Diakonat als erstes Glied des Weiheamtes] noch ein eigenes Lai*innenamt (ob mit Weihe oder Beauftragung) hinzuzufügen, würde eher zur weiteren Verunklarung der kirchlichen Dienste als zu ihrer Profilierung beitragen.“ Und an anderer Stelle: „Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen.“ Das klingt doch sehr danach, den Lai*innen den sog. Weltdienst zuzuweisen, während den Klerikern der sog. Heilsdienst zukommt. Für Schlögl scheint damit das Spezifikum der Lai*innen in deren sog. Weltcharakter zu liegen. Zugegebenermaßen kann er sich dafür auch auf das Zweite Vatikanische Konzil berufen, das in der Tat an einigen Stellen davon spricht, dass den Lai*innen „der Weltcharakter ganz besonders zu eigen“ (LG 31,1; vgl. AA 2.4.7.29) sei. Doch die Frage ist, was das Konzil mit dieser Aussage zum Ausdruck bringen wollte. Formuliert es hier eine theologische Umschreibung oder eine soziologische Beschreibung des Lai*in-Seins in der Kirche? Meines Erachtens spricht vieles dafür, dass es eine Beschreibung des damaligen Ist-Zustands ist. Das machen schon einige Anfragen an die Aussage über den Weltcharakter deutlich: Wieso soll nur den Lai*innen ein besonderer Weltcharakter eigen sein? Leben denn die Kleriker woanders als „inmitten der Welt“ (AA 2)? Haben es nicht auch die Kleriker mit den weltlichen Dingen zu tun? Und haben nicht auch sie, wie die Kirche überhaupt, die Aufgabe, der Verwandlung der Welt in Gottes Herrschaft zu dienen (vgl. Werbick, 592f.; Bausenhart, 50)? Zumindest werden die Priester auch im Dekret über den Dienst und das Leben der Presbyter „mitten in der Welt“ (Presbyterorum ordinis 17,1) gesehen. So stellt auch die Churer Dogmatikerin Eva-Maria Faber fest: „Einmal abgesehen davon, dass auch der hier gemeinte ‚Weltdienst‘ ein ‚Heilsdienst‘ ist, wurde verkannt, dass Beschreibungen der Laien wie in LG 31 phänomenologischen Charakter haben, nicht als theologische Wesensaussage zu verstehen sind und jedenfalls nicht dazu herhalten können, den Laien eine innerkirchliche Verantwortung und Sendung abzuerkennen“ (Faber, 66). Und der Frankfurter Dogmatiker Knut Wenzel geht noch eine Ebene tiefer und macht darauf aufmerksam, dass letztendlich in dieser gelegentlichen Hervorhebung des besonderen Weltcharakters der Lai*innen „die Ambivalenz so vieler konziliarer Formulierungen beobachtet werden [kann]: Einerseits wird die Möglichkeit offen gehalten, in die grundlegende Sendung der Kirche doch wieder eine ‚ständische‘ Differenz (zwischen Laien und Klerus) einzutragen; andererseits findet eine formale Würdigung der Eigentätigkeit der Laien im Volk Gottes statt“ (Wenzel, 182). Der ‚konziliaren Ambivalenz‘ in der Lai*innenfrage kommt aber noch eine viel tiefergehende Bedeutung zu. Sie trägt nämlich eine Dynamik in sich, die geradezu als prophetisch bezeichnet werden kann. Denn die besondere Zuschreibung des Weltcharakters an die Lai*innen führt dazu, dass die „Konzilstexte sich gewissermaßen selbst überholen. Wenn [in AA 2 …] das Apostolat der Laien inhaltlich durch ‚ihr Bemühen um die Evangelisierung und Heiligung der Menschen und um die Durchdringung und Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums‘ bestimmt wird, und wenn man bedenkt, dass genau darin die Sendung der Kirche insgesamt besteht, dann wird faktisch ausgesagt, dass die Laien in suffizienter Weise Träger der Sendung der Kirche in der Welt sind“ (Wenzel, 182).

In dieser Verhältnisbestimmung von Lai*innen, Kirche und Welt ist das laikale Amt in der Kirche theologisch verankert, und zwar ohne dem geweihten Amt etwas wegzunehmen oder mit diesem identisch zu sein. Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil vollzogene Öffnung des Amtes auf die Lai*innen hin trägt der Erkenntnis Rechnung, dass „jede Amtstheologie dogmatisch gesehen immer in Abhängigkeit zur Ekklesiologie steht“ und „die Ämter darum auch von ekklesialen Notwendigkeiten her zu bestimmen [sind]. In diesem Sinne ist die Amtstheologie durchaus funktional anzusetzen: Amtsträger ‚fungieren‘ für die der Kirche eigenen und notwendigen Lebensvollzüge“ (Rahner mit Bezug auf Eva-Maria Faber, 11).

LITERATUR

Bausenhart, Guido, Theologischer Kommentar zum Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, in: HThK [Bd. 4], 1–123.

Faber, Eva-Maria, Dringliche Fingerübungen theologischer Erkenntnislehre. Zu ungeklärten Fragen hinter den Rahmenstatuten aus dogmatischer Perspektive, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013, 52–77.

Rahner, Johanna, Amtstheologische Zukunftsmusik, nicht nur im Blick auf Viri probati, in: Anzeiger für die Seelsorge 130 (2021), 11–15.

Wenzel, Knut, Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine Einführung, Freiburg i. Br. 2014.

Werbick, Jürgen, Laie, in: LThK 6, 592f.

Der Sakramentalität der Kirche ist nichts vorzuziehen

Die Replik von Manuel Schlögl auf Sabine Demel

Beipflichten möchte ich den pointierten Ausführungen von Kollegin Demel gerne in der Aussage, der Begriff ‚Amt‘ dürfe nicht gegen jenen des ‚Dienstes‘ ausgespielt werden, so als sei der eine für Kleriker, der andere für Lai*innen bestimmt. Denn jede*r, die*der ein Amt in der Kirche bekleidet, weiß sich verpflichtet zu einem ‚Dienst‘, was ja nichts anderes heißt als Dasein für andere nach dem Vorbild Jesu Christi.

Ebenso richtig ist es, vom Amt als ‚Relationsbegriff‘ zu sprechen. Jedes Amt ist ein Beziehungsgeschehen – allerdings nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Wenn Sprache Wirklichkeit abbildet, dann scheint es mir für den Text von Frau Demel bezeichnend, dass empirisch-soziologische, juristische und organisatorische Fragen jede theologische Reflexion über das Amt und die Berufung der Lai*innen in der Kirche überdecken.

Was wäre denn der Vorteil, wenn Pastoralreferent*innen nun ausdrücklich als Amtsträger*innen bezeichnet und eingesetzt würden? Geht es am Ende nicht einfach um eine ‚größere Unabhängigkeit‘ gegenüber geweihten Amtsträgern? Leitet man damit nicht die Kompetenz der Lai*innen doch wieder ex negativo von den priesterlichen Kompetenzen ab statt sie positiv in ihrer eigenen Berufung durch Taufe, Firmung und eigene amtliche Beauftragung her zu sehen? Wie soll es praktisch umsetzbar sein, wenn Pastoralreferent*innen direkt dem Bischof unterstehen und der Pfarrer, der doch die Gesamtverantwortung in der Pfarrei trägt, keinerlei Weisungsbefugnis mehr besitzt? Solche Vorschläge scheinen mir an der Realität heutiger Pastoral vorbeizugehen und mehr ein Gegeneinander der Dienste in der Kirche zu provozieren als ein fruchtbares Miteinander zu fördern.

Wenn die sakramentale Dimension der Kirche (die eben nicht nur ‚Volk Gottes‘, sondern als dieses Volk auch ‚Leib Christi‘ ist) und die Sakramentalität des Amtes keine Rolle mehr spielen, wird die Kirche zum Verein, der sich seine Statuten selbst gibt statt sie aus dem Ruf Christi zu empfangen. Dann verliert das Amt seine konstitutive Bedeutung als Gegenüber der Gemeinde und reduziert sich auf eine bloße Funktion der Gemeinschaft, die dann auch nicht mehr unbedingt durch Weihe übertragen oder mit einer bestimmten Lebensform verbunden werden müsste.

 

Sabine Demel hat natürlich Recht, wenn sie sagt, der dogmatische Amtsbegriff dürfe nicht dem kirchenrechtlichen entgegengestellt werden. Das bedeutet aber umgekehrt auch, dass der CIC im Licht der dogmatischen Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils interpretiert werden muss – und diese gehen von einer klaren Zuordnung der Lai*innen zum Amt und beider zum Christusbekenntnis, zur Menschwerdung und so auch zur Sakramentalität der Kirche aus.

Zukunftsweisend hingegen scheint mir die Bemerkung aus einer Umfrage unter Pastoralreferent*innen, dass „es weniger um Strukturen und Ämter, sondern mehr um Sendung und Charismen geht“. Jede*r Christ*in ist zum Zeugnis des Glaubens befähigt und berufen, besitzt eigene Geistesgaben zum Aufbau des Leibes Christi. Dies aus einer tiefen Verbundenheit mit der Kirche und ihren Sakramenten heraus zu leben und anderen Glaubenden nahezubringen, könnte tatsächlich eine wichtige „Brückenfunktion“ sein – und ein wichtiger missionarischer Auftrag von Pastoralreferent*innen in dieser Zeit.

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