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Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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Herbstlied

 
Ein Schluchzen klingt,
Der Herbst er singt
Seine Lieder;
Mein Herz ist bang,
Der müde Sang
Drückt es nieder.
 
 
Die Uhr schlägt, gleich
Wird alles bleich,
Farblos scheinen;
Einst war ich jung,
Erinnerung
Läßt mich weinen.
 
 
Aus meinem Haus
Muß ich hinaus,
Wind und Wetter
Treibt mich umher,
Mich und noch mehr
Tote Blätter.
 

Schäferstunde

 
Rot glänzt der Mond, der tief am Himmel steht,
Die Wolken ziehn dahin, im Nebelschleier
Träumt schon das Tal, das Froschkonzert im Weiher
Schallt aus dem Schilf, durch das ein Windhauch weht.
 
 
Die Wasserblumen schließen sich, die feuchten,
Vom Horizonte hebt sich das Profil
Der leicht umrissnen Pappel wie ein Spiel,
Indes die Käfer durch die Büsche leuchten.
 
 
Das Käuzchen ist aus seinem Schlaf erwacht,
Auf trägem Fittich rudert’s durch das Dunkel,
In ferner Wetter zuckendem Gefunkel
Steigt Venus hell empor. Das ist die Nacht.
 

Mondschein

 
Ein seltsam Bild ist deiner Seele Grund,
Das Spiel der Masken kann ich unterscheiden,
Die dort den Reigen schreiten, doch wie bunt
Das Kleid auch ist, es täuscht mich nicht, sie leiden.
 
 
Zur Laute singen sie ein Lied in Moll
Von Amors Sieg, ein Lied zu seinem Preise,
Des frohen Glaubens scheinen sie nicht voll,
Der Silbermondschein trinkt die zarte Weise,
 
 
Der stille Mondschein, welcher im Geäst
Die Vögel schaukelt, die dort müde träumen,
Der schlanke Wasserstrahlen schluchzen läßt,
Die trunken aus dem Marmorbecken schäumen.
 

Auf dem Spaziergang

 
Dem bleichen Himmel und den dürren Zweigen
Sind unsere hellen Kleider nur zum Spott,
Die mit vergnügten Mienen keck und flott
Sich bauschen und sich leicht beflügelt zeigen.
 
 
Des Windes Atem kräuselt still den Teich,
Der Sonne zarter Strahl fällt durch die Linden,
Die Schatten werden schwächer und sie schwinden
Im fahlen Licht ersterbend blau und bleich.
 
 
Wir losen Schönen, wir geschmeidigen Ritter,
Mit Herzen, zärtlich zwar, doch niemals treu,
Wir plaudern und wir scherzen ohne Scheu,
Und unsere Liebe ist nur Tand und Flitter.
 
 
Es fällt wohl auch einmal von Zeit zu Zeit
Ein leichter Schlag zur Abwehr, darauf müssen
Die Herren schnell den kleinen Finger küssen,
Ganz vorn am letzten Glied. Geht man zu weit,
 
 
Dann wehe! wehe! dann ist’s kein Vergnügen,
Dann zuckt ein Blick, vernichtend, scharf und kalt,
Jedoch das kleine Mäulchen straft gar bald
In gnadenreicher Huld das Auge Lügen.
 

Ein Aufzug

 
Possierlich muß und höchst galant
Ein Affe vor der Dame schreiten,
Ein Spitzentüchlein läßt sie gleiten
Durch ihre wohlgepflegte Hand.
 
 
Stolz trägt der Schleppe leichte Bürde
Ein kleiner Neger, ganz in rot;
Wo nur ein falsches Fältchen droht,
Wehrt er mit Eifer und voll Würde.
 
 
Der Affe hat sich umgedreht,
Den weißen Hals frech anzustieren,
Der Torso müßte Götter zieren,
Den dieser stolze Hals verrät.
 
 
Der Neger hebt die Schleppe höher,
Als es erlaubt, schlau gibt er Acht
Auf Dinge, die in stiller Nacht
Der Traum ihm zeigt, der lose Späher.
 
 
Die Treppe aufwärts schreitet sie,
Es kann sie weiter nicht erregen,
Was an Bewunderung entgegen
Der Herrin bringt das liebe Vieh.
 

Der Faun

 
Ein alter Faun grinst mit Behagen
Im Park uns an. Es prophezeit
Ein Ende voller Traurigkeit
Der dreiste Wicht den heitern Tagen,
 
 
Die dich und mich hierher geleitet.
Wir zweifeln in Melancholie
Auf unserm Pilgerweg ja nie,
Daß trotz des Lärms die Zeit entgleitet.
 

Halblaut

 
Tiefer Waldesschatten hält
Jetzt im Dunkel Moos und Strauch,
Tiefer Waldesschatten fällt
Jetzt auf unsere Liebe auch.
 
 
Und die Seele und der Sinn
Und das Herz, es bebt und lauscht,
Gibt sich müdem Traume hin,
Der im Pinienwipfel rauscht.
 
 
Schließe deine Augen halb,
Hemme der Gedanken Lauf,
Schüttle von der Brust den Alb,
Höre ganz zu denken auf.
 
 
Leise wiegt vom Wind durchhaucht
Grüner Teppich unsern Schritt,
Meine bange Seele taucht
Still ins Nichts, sie wiegt sich mit.
 
 
Steigt der Abendstern empor,
Mahnt der Nachtigallen Schlag
Mich an das, was ich verlor,
An der Hoffnung letzten Tag.
 

Sentimentales Zwiegespräch

 
Der alte Park liegt schweigend da, nur zwei
Gestalten schleichen schemenhaft vorbei
 
 
Mit toten Augen, schlaffen, müden Fratzen,
Kaum hört man, was die beiden leise schwatzen.
 
 
Der alte Park liegt schweigend da, die zwei,
Herauf beschwören sie, was längst vorbei.
 
 
Besinnst du dich der Zeit voll süßer Minne?
… Weshalb verlangst du, daß ich mich besinne? —
 
 
Schlägt noch dein treues Herz für mich allein?
Siehst du mich noch im Traum? So sprich doch! … Nein. —
 
 
Ach, unser Glück erschien uns fast unsäglich,
Und wie wir wild uns küßten …! Das ist möglich. —
 
 
Wie war die Hoffnung groß, der Himmel blau!
… Die Hoffnung ist entflohn, der Himmel grau. —
 
 
Gegangen sind sie ganz wie sie gekommen,
Die Nacht allein hat ihr Geschwätz vernommen.
 

Frau und Katze

 
Die Katze – nein, die Dame drohte,
Oft sieht man sowas, glaub ich, nicht.
Die weiße Hand, die weiße Pfote,
Sie neckten sich im Dämmerlicht.
 
 
Die eine barg – ha, die Verdammte,
Verdammt sei alle Zeit ihr Witz —
In ihres Ärmels dunkelm Samte
Die langen Nägel scharf und spitz,
 
 
Die andere wollte gern gefallen;
Da eingezogen sie die Krallen,
Verlor der Teufel wirklich nichts.
 
 
Er lachte, denn er sah im Dunkeln,
Wie Flackern eines fahlen Lichts,
Vier gelbe Phosphorflecke funkeln.
 

Serenade

 
O Herrin, hör mein Lied! ein Toter singt,
Längst liegt er im Grabe,
Es krächzt die Stimme, die das Ständchen bringt,
Wie ein heiserer Rabe.
 
 
Die Seele öffne, öffne auch das Ohr,
Lausche meiner Zither,
Das Lied ist dein, nur dir trag ich es vor,
Süß klingt es und bitter.
 
 
Dein Auge preis ich und das Gold des Blicks,
Seine Pracht, die klare,
Die Lethe deines Busens und den Styx
Deiner dunkeln Haare.
 
 
O Herrin, hör mein Lied, ein Toter singt,
Längst liegt er im Grabe,
Es krächzt die Stimme, die das Ständchen bringt,
Wie ein heiserer Rabe.
 
 
Gesegnet sei dein Fleisch, wie sich’s gebührt,
Auch der Duft des Leibes,
Hab schlaflos manche Nacht ihn noch gespürt,
Diesen Duft des Weibes.
 
 
Und jetzt besing ich noch zum guten Schluß
Deine blasse Wange,
Die heißen roten Lippen und den Kuß,
Engel du, du Schlange.
 
 
Die Seele öffne, öffne auch das Ohr,
Lausche meiner Zither,
Das Lied ist dein, nur dir trag ich es vor,
Süß klingt es und bitter.
 

Çavitri

Maha-Barata.


 
Einst schwor Çavitri, um zu retten den Gemahl,
Daß sie drei ganze Nächte und drei ganze Tage,
Wie es Vyaça ihr befohlen, ohne Klage
Sich unbeweglich halten wolle wie ein Pfahl.
 
 
Nicht hat Curyas sengend heiße Mittagsglut,
Nicht hat der schlaffe Traum, der in der Nächte Mitte
Auf Tschandras Wink erscheint mit geisterhaftem Schritte,
Den festen Willen ihr bezwungen und den Mut.
 
 
Ob uns Vergessenheit zum bittern Lose fiel,
Ob schwarzer Neid und Mißgunst uns umtosen täglich,
Wir harren gleich Çavitri stumm und unbeweglich,
Steht vor der Seele uns, wie ihr, ein hohes Ziel.
 

Guter Sang

I

 
Ah dein letzter Funken schillernd,
Bleicher Morgenstern, verglüht,
Schmettern trillernd
Tausend Lerchen schon ihr Lied.
 
 
Strahle einmal noch hernieder
Und vergiß den Sänger nicht,
Das Gefieder
Reckt der Fink empor zum Licht.
 
 
Strahlst dem Morgenrot entgegen,
Das die Erde bald erhellt,
Froher Segen
Wogt im reifen Ährenfeld.
 
 
Strahle mild auf meine Sorgen,
Mir auch lacht des Himmels Blau,
Durch den Morgen
Blitzt der silberhelle Tau.
 
 
Noch ist aus den süßen Träumen
Die Geliebte nicht erwacht,
Darfst nicht säumen,
Sieh, die goldne Sonne lacht.
 

II

 
Silbergefunkel
Leuchtet im Wald,
Horch, durch das Dunkel
Raunt es und schallt
Rings von den Zweigen …
O du mein eigen.
 
 
Still und bescheiden
Schaun in den See
Trauernde Weiden,
Zitterndes Weh
Rauscht durch die Bäume …
Stunde der Träume.
 
 
Wunschloses Schweigen
Scheint groß und sacht
Niederzusteigen,
Welten voll Pracht
Messen die Runde …
Selige Stunde.
 

III

 
An einem Sommertage wird’s geschehn:
Die lichte Sonne, Zeuge meiner Freude,
Sie wird, Geliebte, dann in Samt und Seide
Noch schöner deine holde Schönheit sehn.
 
 
Des Himmels tiefes Blau ist in Bewegung,
Ein Baldachin, leicht schwankend, faltenreich;
Dein Antlitz und das meine werden bleich,
Erwartungsvoll in seliger Erregung.
 
 
Und wenn der Abend naht, spielt leis und lind
Sein Hauch mit deinem Schleier, und die Sterne
Sie lächeln gut und friedlich aus der Ferne
Die Gatten an, die dann vereinigt sind.
 

Vergessene Weisen

I

 
Mir ist es oft, mein Lieb, wie wenn ich Chören
Aus längst verklungnen Zeiten könnte lauschen,
Dazwischen wähne ich das helle Rauschen
Des Morgens, welcher kommen wird, zu hören.
 
 
Zwei Augen sind auch meiner Seele eigen,
Und alle Töne schwingen in den Saiten,
Die leise oder laut vorübergleiten
In meiner Tage unruhvollem Reigen.
 
 
O stürbe ich von diesem Spiel umgaukelt!
Du fürchtest dich, der Horen Tanz zu sehen,
Ich aber möchte enden und vergehen,
Wenn sich Vergangenheit und Zukunft schaukelt.
 

II

 
Still gleiten zarte Finger durch die Tasten,
Ein letzter Strahl vergoldet Turm und Dach,
Die alte Weise zwingt den Tag zu rasten,
Entschlafne Zeiten werden wieder wach,
Verschüchtert suchen Töne im Gemach
Nach ihres Atems Hauch, dem längst verblaßten.
 
 
Was ist es nur, das mich zur Ruhe wiegt,
Mag noch ein Glück mein armes Sein umwerben?
Was will das Lied, das schmeichelnd mich umschmiegt,
Die Melodie, die plötzlich mich besiegt,
Die in den kleinen Garten, um zu sterben,
Durch das halboffne Fenster zitternd fliegt?
 

Bilder aus Belgien

I. Walcourt

 
Häuschen und Lauben,
Fast wie zum Spiel,
Für Turteltauben
Welch ein Asyl.
 
 
Ziegel und Dächer,
Hopfen und Wein,
Tapfere Zecher
Stellen sich ein.
 
 
Bier wird von drallen
Dirnen geschafft,
Ei, die gefallen!
Alle Welt pafft.
 
 
Dort bei der Bude
Hält gleich der Zug …
Ewiger Jude,
Ist dir’s genug?
 

II. Charleroi

 
Kobolde schwärzlich
Schaffen geschwind,
Warum, o Wind,
Stöhnst du so schmerzlich?
 
 
Giftiger Hauch,
Willst du mich beizen?
Sollst mich nicht reizen,
Stinkender Rauch!
 
 
Löcher im Kote,
Nirgends ein Haus,
Welch ein Gebraus,
Qualmende Schlote!
 
 
Rollt dort ein Rad,
Hörst du ein Fauchen,
Siehst du es rauchen,
Wo liegt die Stadt?
 
 
Gräuliche Düfte!
Wie es mich preßt,
Rauscht denn die Pest
Hier durch die Lüfte?
 
 
Dunst überall,
Schwitzende Leiber,
Hetzende Treiber,
Knirschend Metall.
 
 
Kobolde schwärzlich
Schaffen geschwind,
Warum, o Wind,
Stöhnst du so schmerzlich?
 

III. Brüssel

 
Rötlich grüne Töne mischen
In den Hügeln sich, den fernen,
Während trübe Gaslaternen
Alle Formen schon verwischen.
 
 
Langsam scheint das Gold der Hänge
Tief in rotes Blut zu tauchen,
Aus entlaubten Kronen hauchen
Vögel schüchterne Gesänge.
 
 
Trübe Bilder, sie verfliegen,
Ach, der Herbst nur kann so malen,
Müde will ich meine Qualen
In den müden Lüften wiegen.
 

IV. Im Schloßpark

 
Weit, so weit ich seh,
Streckt sich die Allee,
Wie das Auge reicht.
Dieser grüne Pfad
Weiß nichts von Verrat,
Ach, hier lebt sich’s leicht.
 
 
Ernste alte Herrn
Gehn mit Kreuz und Stern
In das Schloß hinein —
Biedermeierstil!
Geben würd’ ich viel,
Könnt’ ich einer sein.
 
 
Blendend weiß das Schloß,
Hoch das Dachgeschoß,
Frieden rings und Ruh.
Welch ein selig Fest,
Fänden hier ein Nest
Einmal ich und du.
 

V. Brüsseler Karussell

 
Dreht euch, wackere Pferdchen, dreht euch schnell,
Dreht euch hundert, tausend mal im Kreis,
Munter, Pferdchen, dreht euch flott, mit Fleiß,
Pfeifen quieken, Hörner schmettern grell.
 
 
Plumpe Infanteristen, dralle Besen
Sind auf eurem Rücken heut zu Hause,
In der Kirmes fröhlichem Gebrause
Treiben sie als Meister keck ihr Wesen.
 
 
Dreht euch, Pferdchen, eurer Reiter Stolz,
Um die Orgel, die so glorreich singt;
Wenn ein Gaffer mit den Augen plinkt,
Dreht euch weiter, Pferdchen ihr von Holz.
 
 
Das ist eine Lust, berauschend, sündlich,
Solch ein Karussell zum Zeitvertreibe!
Schädelbrummen, Hochgefühl im Leibe,
Wohl und übel macht’s, und beides gründlich.
 
 
Dreht euch schnell, ihr tut ja eure Pflicht
Ungespornt, nie wird der Reiter grob,
Ohne Hülfen sprengt ihr im Galopp
Lustig weiter, Hafer gibt es nicht.
 
 
Aber jetzt heißt’s, bald den Tanz erledigen,
Es wird Nacht, und wie ich beinah glaube,
Will der Täuberich zu seiner Taube,
Fern vom Jahrmarkt, fern auch von der Gnädigen.
 
 
Dreht Euch flink, des Himmels Samt ist hell,
Reich mit goldnen Sternen schon bestickt,
Manches Pärchen hat sich längst gedrückt …
Trommelwirbel! Pferdchen, dreht euch schnell!
 

VI. Mecheln

 
Die Wetterfahnen lädt zum Tanze
Der Wind – , an diesem stolzen Bau
Des alten Schöffen fügt genau
Sich jede Einzelheit ins Ganze,
Die Ziegel rot, der Schiefer blau – ,
 
 
Dann pfeift er durch die grünen Wiesen;
Die Eschen schaffen die Idee
Von Horizonten, eine Fee
Hat sie gestaffelt, diese Riesen,
Luzerne gibt es, bunten Klee.
 
 
Und durch den tiefen Frieden gleiten
Die Züge selbst in stiller Ruh.
Schlaf ungestört, du brave Kuh,
Ihr Stiere, denen diese Weiten
Gehören, macht die Augen zu!
 
 
Geräuschlos rollen alle Wagen,
Die Zeit der Reisenden verfließt,
Man plaudert oder man genießt
Das Bild der Landschaft mit Behagen,
Die wie der Fenelon sich liest.
 

Aquarell von Spleen

 
Die Rose hältst du in den Händen,
Es rankt sich um dich wilder Wein,
Und scheinst du dich nur abzuwenden,
Stürmt die Verzweiflung auf mich ein.
 
 
Zu blau ist dieses Himmels Schimmer,
Zu zärtlich fast, das Meer zu grün,
Geliebte Frau, ich fürchte immer,
Du könntest jählings mir entfliehn.
 
 
Die dunkeln Rosen, die so glühten,
Der Buchsbaum, längst verblaßt sind sie,
Wie müde bin ich aller Blüten …
Nur deiner müde werd’ ich nie!
 

Weisheit

I

 
Lauscht jetzt des Friedens stillem Sange!
Ein Hauch ist er, zart und verschwiegen,
Ein Grashalm, den die Winde wiegen,
Er weint, doch deshalb seid nicht bange.
 
 
Die Stimme war euch einmal teuer,
Seit langer Zeit hat sie gefeiert;
Wie eine Witwe dicht verschleiert
Verrät sie doch noch Stolz und Feuer.
 
 
Was vordem heilig ihr gewesen
Verbirgt sich keusch. Den Schleier heben
Die Lüfte, die vorüber schweben,
Die klare Wahrheit könnt ihr lesen.
 
 
Und solches wird euch dann verkündet:
Das Gute nur wird ewig bleiben,
Von allem eurem wilden Treiben
Bleibt nichts, denn Haß und Neid entschwindet.
 
 
Ein einziger Ruhm nur ist erquicklich,
Zu kämpfen und nichts zu erstreben,
Nehmt dankbar hin, was euch gegeben,
Nur Frieden ohne Sieg macht glücklich.
 
 
Ihr dürft Gehör der Stimme gönnen,
Sie will nicht locken noch berücken;
Ach, eine Seele zu beglücken
Ist ja das beste, was wir können.
 
 
Doch eilt, die Stunde währt nicht lange,
Wir müssen leiden und nicht klagen,
Nicht zürnen, wenn wir Schmerz ertragen,
Lauscht jetzt der Weisheit stillem Sange.
 

II.
Kaspar Hauser singt:

 
In Städte voller Lug und Trug,
Zu Menschen kam ich, eine Waise
Mit stillen Augen, scheu und leise,
Die Männer fanden mich nicht klug.
 
 
Im Frühling ließ der warme Föhn
Des Herzens kalte Decke tauen,
Schön fand mit einmal ich die Frauen,
Die Frauen fanden mich nicht schön.
 
 
Kein König zahlte je mir Sold,
Kein Vaterland hat meine Wiege
Geschirmt, trotzdem sucht ich im Kriege
Den Tod, er hat mich nicht gewollt.
 
 
Kam ich zu früh, kam ich zu spät?
Weshalb bin ich auf dieser Erde?
Wie drückt mich meines Seins Beschwerde …
Sprecht für den Kaspar ein Gebet.
 

III

 
Lang gestreckte Hecken wogen
Wie ein Meer in feuchter Luft,
Voll an schwerem Blütenduft
Hat der Nebel sich gesogen.
 
 
Mühlen stehen auf dem Plan,
Bäume, die sich aufwärts recken,
Fohlen tummeln sich und necken
Munter sich in freier Bahn.
 
 
Sonntag! frohe Lämmer grasen,
Schwankend wie ein zarter Hauch
Lösen sich im Morgenrauch
Weiße Vließe von dem Rasen.
 
 
Leise kräuselt sich ein Meer
Grüner Auen, grüner Wellen,
Durch die Nebelschleier schwellen
Glockenklänge ferneher.
 

Prolog

 
Vorwärts jetzt, verruchte Truppe!
Habt zu lange schon geweilt,
Was euch zukommt, ward euch, eilt,
Die Chimäre streckt die Kruppe.
 
 
Schwingt euch auf, sprengt durch den Raum,
Durch die Zeit, verlorne Kinder,
Dieser Renner fliegt geschwinder,
Als das kranke Hirn im Traum.
 
 
Endlich, endlich fand ein Ende
Meines Fiebers toller Wahn,
Tastend suchen heiße Hände
Einem Leben neue Bahn.
 
 
Doch sie segnen euch, ihr schrillen
Schreie wilder Angst, habt Acht,
Meiner schwarzen Sonne Grillen,
Grillen meiner weißen Nacht.
 
 
Geht jetzt! ich verstoß euch heute,
Was auch gestern noch geschah,
Denn mein Herz sucht andere Beute,
Packt euch, aegri somnia!
 

Pierrot

 
Das ist der Mondscheinschwärmer nicht, der frech und frank
Den Vätern durch die Tür gelacht in alten Tagen;
Wie seine Kerze starb sein Witz, mit blödem Zagen
Geht sein Gespenst nur schlotternd um, bleich, hager, krank.
 
 
Im rauhen Wind beim Schein des Blitzes flattert bang
Die weiße Jacke wie ein Leichentuch. Längst nagen
Die Würmer an dem Hirn. Der welke Mund will klagen,
Er grinst breit aufgesperrt, verzerrt von Schmerz und Zwang.
 
 
Die Ärmel winken links und rechts verrückte Zeichen
Gleich Fledermäusen, die durch’s Abenddunkel streichen,
Doch keiner nimmt Notiz von dem erfrornen Witz.
 
 
Aus leeren Augenhöhlen zucken Phosphorstrahlen,
Und gräßlich steht in dem Gesicht, dem blutlos fahlen,
Die mehlbestaubte Totennase, starr und spitz.
 

Die Kunst des Dichters

 
Erst Musik, Musik vor allen Dingen!
Dazu braucht es keine Symmetrie,
Wie ein Lufthauch steigt die Melodie,
Nichts darf wuchtig, nichts gekünstelt klingen.
 
 
Sorge nicht, wenn auch das Wort verfehlt,
Dem Begriff sich ängstlich anzupassen;
Kannst du’s, dann versuch dich so zu fassen,
Daß dem Sinn das Rätsel sich vermählt.
 
 
Sahst du Augen nie durch Schleier spähen,
Nie den Mittag zittern heiß und schwer,
Nie der Sterne unentwirrbar Heer
Klar am lauen Herbsteshimmel stehen?
 
 
Nur Nuancen, leise abgestimmt!
Decke stets mit Tönen, die sich brechen,
Nur Nuancen glätten so die Flächen,
Daß die Flöte und das Horn verschwimmt.
 
 
Übermaß an Geist geht in die Brüche,
Lach nicht immer, sei nicht gar zu spitz,
Weint der Himmel über deinen Witz,
Ist es Knoblauch aus der Sudelküche.
 
 
Schönen Worten brich nur das Genick,
Nötig ist es auch den Reim zu zähmen,
Deiner Führung muß er sich bequemen,
Er geht durch, drum halte ihn am Strick.
 
 
Wie wird dieser Reim gerühmt, verhimmelt!
Welcher Nigger, welcher taube Fant
Prägte diesen hohlen Jahrmarktstand,
Der vergnügt wie falsches Kleingeld bimmelt?
 
 
Nur Musik und davon nie genug!
Verse tönen wie befreite Seelen,
Die den Weg zu andern Sternen wählen,
Die zu anderer Liebe trägt ihr Flug.
 
 
Verse mußt du in den Frühwind säen,
Auf gut Glück verstreuen, wenn er leicht
Durch die Minze, durch den Thymian streicht,
Sonst kann nur Literatur entstehen.
 

Schlaff

 
Ich bin das Römerreich, das seine Zeit vollendet,
An blonder Nordlandvölker Heerfahrt längst gewöhnt,
Das Verse drechselnd eitlen Nichtigkeiten fröhnt,
Voll Pomp und Prunk, vom trüben Sonnenlicht geblendet.
 
 
Nur seine Seele ahnt, wie dieses Spiel sie schändet,
Sie hört den Schlachtenlärm, der in der Ferne dröhnt;
O Ohnmacht, die sich feig und wunschlos selbst verhöhnt,
O Willenlosigkeit, dem Leben abgewendet!
 
 
Kein Wollen, keine Kraft, zum Sterben fehlt der Mut …
Bathyll, der Becher ist geleert, hör auf zu lachen,
Vorüber ist der Schmaus, jetzt heißt’s ein Ende machen!
 
 
Nur ab und zu ein Vers, fürs Feuer grade gut,
Nur Lüste, die vor frechen Sklaven sich entschleiern,
Nur Langeweile, unerklärlich, dumpf und bleiern.
 

Liebe

 
Jawohl, gequält bin ich, geplagt,
Bin wie ein Wolf gehetzt, gejagt,
Der nirgends eine Freistatt findet,
Den schon die Meute fast umringt,
Den seine Wunde niederzwingt,
Daß er in Angst und Not sich windet.
 
 
Die drei, der Haß, das Gold, der Neid,
Spürhunde sind’s, sie wittern weit,
Ich bin gestellt, kann mich nicht wehren;
Des Morgens Schreck, des Abends Qual,
Das ist seit Jahr und Tag mein Mahl,
Davon kann sich kein Bettler nähren.
 
 
Längst grinst er mich von weitem an,
Der widerliche Jägersmann,
Die Krallen an den dürren Händen;
Halb hat er mich, er höhnt und sperrt
Die Wege mir und zieht und zerrt
Am Herzen und will doch nicht enden.
 
 
Ihr Wölfe, seht, so schleppe ich
Zum finstern Strome blutend mich,
Laßt, Brüder, endlich das Geläster,
Gebt mir zu sterben freie Bahn,
Ihr seid ja alle untertan
Dem Weibe, meiner grimmen Schwester.
 

Allegorie

 
Ein alter Tempel, dessen Bau schon weicht,
Der vormals stolz von sonniger Höhe ragte,
Schaut wie ein König, den der Feind verjagte,
Sein Bild im Strom, der träg vorüber schleicht.
 
 
Mit einer Weidengerte züchtigt leicht
Den Faun, der lüstern sie zu necken wagte,
Die schläfrige Najade, die betagte,
Er lacht des Zorns, der ihn mit Ruten streicht.
 
 
Der fade Vorwurf bringt mich um die Laune.
Welch Dichter schuf dies Werk, das ich bestaune,
Welch düsterer Stümper dachte dich nur aus,
 
 
Verblichenes, zerschlissenes Gewebe?
Wie ein Theatervorhang blöd – , und kraus,
Ach, wie das Leben, das ich ärmster lebe!
 

Hirngespinste

I

 
Dame Mäuschen trottet
Schwarz in grauer Abendstund,
Dame Mäuschen trottet
Grau auf schwarzem Grund.
 
 
Eine Glocke läutet
Die Gefangnen in den Schlaf,
Eine Glocke läutet,
Schlaft und seid hübsch brav.
 
 
Keine bangen Träume,
Denket an die Liebste jetzt,
Keine bangen Träume,
Träumt was euch ergetzt.
 
 
Strahlt der Mond vom Himmel,
Schnarcht der müden Schläfer Schar,
Strahlt der Mond vom Himmel,
Ist es eben wahr.
 
 
Wolken ziehn vorüber,
Finster wird es, wie im Loch,
Wolken ziehn vorüber,
Und der Tag kommt doch.
 
 
Dame Mäuschen trottet
Rosig, ringsum ist es hell,
Dame Mäuschen trottet,
Auf, ihr Schläfer, schnell!