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Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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Die Geschichte von der grauen Stute
von
Felix Dahn.
(Nach einem englischen Motiv.)

 
In der Zeit, da noch Altengland
war das lustige Altengland,
da an William Shakespeares Scherzen
Kön’gin Beß sich weidlich freute,
führte Sir John Rash, ein junger
Ritter, Sir John Wises, des klugen
Alten, Tochter heim als Eh’frau.
Quer von Barmouth bis nach Yarmouth,
durch ganz England ging die Reise:
denn am Dee, dem schilfumbüschten,
lag das Schloß des Schwiegervaters,
doch des Eidams Halle ragte
ob dem weidengrünen Bure.
Übern Tanat und den Weaver
übern Terent und die Dove,
über Trent und über Welland,
über Ouse dahin und Yare
und noch andre Flüss’ und Bäche
zog die Fahrt durch’s ganze Eiland. —
Aber ach, noch kaum sechs Monde
waren in das Land gegangen,
als vor seinem Schwiegervater
wieder in dem Schloß bei Barmouth
stand der Schwiegersohn – allein.
„Gott zum Gruße, lieber Johnnie,“
sprach der Alte, „wo ist Ellen?
bist du ihr voraufgeritten?
folgt sie abends oder morgen?“ —
„Nein! nicht abends und nicht morgen
folgt sie, deine liebe Tochter!
denn sie – dieses eben ist es! —
denn sie folgt mir überhaupt nicht! —
Kurz und gut: ich bin gekommen,
dich zu bitten, deine Tochter
wiederum mir abzunehmen,
denn ich kann nicht mit ihr leben!“ —
„Setz’ dich, braver Johnnie, setz dich. —
Buttler, bring vom besten Welschwein!
Lieber Jung’, das ist ja schrecklich!
und gewiß ist sie im Unrecht: —
denn ich kenne meine Tochter,
und ich kenn’ auch meinen Johnnie,
der gewiß um kleiner Ursach’
willen nicht sein Weib verstieße.
Also frisch! Sprich von der Leber:
ist sie dir nicht schön genug, he?“ —
„Ach, sie ist ja schön wie keine!“ —
„Hat sie etwa schiefe Glieder,
oder schwarze Muttermale?“ —
„Tannenschlank ist sie gewachsen,
hat kein Tädelchen am Leibe!“ —
„Spürst zu ihr du keine Neigung?“ —
„Nur zu große, lieber Vater!“ —
„Weigert sie dir ihre Liebe?“ —
„Zärtlich kann sie sein, berückend!“
„Nun, dann weiß ich nicht – was willst du?“ —
„Ach, sie ist so eigensinnig!
Was sie will, das soll geschehen:
ja, was ärger: das geschieht auch,
ich bin nicht der Herr im Hause!“ —
Vor sich hin pfiff leis’ der Alte:
„Das ist alles, lieber Eidam?
Darum bist du hergeritten
über Yare und Ouse und Welland,
Trent und Dove, Terent, Weaver,
Tanat, Bure und andre Wasser?
Solches ist kein Grund zur Trennung!
Reite wieder heim, mein Johnnie,
über all’ die vielen Wasser,
glaube mir, du wirst’s gewöhnen!“ —
„Nein, ich kann es nicht ertragen.
Gehn zum Beispiel wir zu angeln,
ich verstehe mich aufs Fischzeug —
deine Tochter Ellen gar nicht … – “ —
„Weiß es!“ sprach der Schwiegervater. —
„An dem Bure, dem weidengrünen,
schnell’ den Fisch ich aus dem Strudel,
sag’ ich: ‚Welche Prachtforelle!‘
Spricht schön Ellen: ‚Ja, mein Lieber,
schöner Fisch! Doch ist’s ein Karpfe!‘
Nun beschwör’ ich, Schwiegervater,
in dem ganzen Flusse schwimmt auch
nicht ein Karpfe, weil die Strömung … – “ —
„Allzustark ist – weiß es, Johnnie!“ —
„Doch ein Karpfe muß es bleiben,
soll ich sie vergnügt erhalten.
Gehn wir in dem Wald spazieren,
in dem grünen Park am Abend,
flötet von dem Ulmenwipfel
wunderschön herab die Amsel,
ich verstehe Vogelkunde … – “ —
„Meine Tochter Ellen gar nicht!“ —
„Horch’, sag’ ich, wie schön! Die Amsel! —
‚Herrlich!‘ flüstert deine Tochter,
‚aber ’s ist ein Hänfling, Männchen!‘
Nun beschwör’ ich dich, o Vater …“ —
„Amsel sind und Hänfling wahrlich
gar nicht zu verwechseln, Johnnie!“
„Doch ein Hänfling muß es bleiben,
soll sie bleiben guter Laune! —
Reiten wir zur Jagd zusammen … – “ —
„Du verstehst dich auf das Weidwerk,
meine Tochter Ellen gar nicht —
und erlegtest du ein Birkhuhn
und schön Ellen nennt es Wachtel —
eine Wachtel muß es bleiben,
sollst du Ruh’ im Hause haben!“
„Wie? Warst neulich du zugegen
heimlich?“ —
„Nein, das ist nicht nötig.
War ich selbst doch auch vereh’licht!“ —
„Doch es steht schon in der Bibel:
Und es soll der Mann dein Herr sein!“ —
„Neu’re Schriftgelehrte lesen
an der Stelle: und es sollte
eigentlich der Mann dein Herr sein.
Andre lesen: soll dein Narr sein!“ —
„Aber meine sel’ge Mutter
sagte oft, sie habe immer
meinem Vater nachgegeben!“ —
„Sagte solches auch dein Vater?“ —
„Niemals sprach er mir darüber.“ —
„Siehst du! Leere nun den Humpen!
Spät ward’s. Laß uns beide schlafen.
Morgen will ich dir verkünden,
Sohn, wie dir zu helfen ist!“
 
 
Und am andern Morgen rief den
Gast Sir Wise in seinen Schloßhof,
wo gezäumt fünf Pferde standen
und ein großer Sack voll Eier.
„Reite nun, mein Sohn, nach Hause,
– Ralf, mein Knapp’, soll dich begleiten —
reite heimwärts quer durch England,
über all’ die vielen Wasser,
forsche nach in jedem Schlosse,
jedem Haus und jeder Hütte,
findst du, unter einem Dache
sei der Mann der Herr, so schenk’ ihm
eins der Pferde dort. Die graue
Stute ist das schlechtste!“ —
„Freilich!
Und der Fuchshengst ist der beste;
das erkennt, wer je ein Pferd sah.“ —
„Findst du aber, daß die Gattin
führt das Regiment im Hause,
nimm ein Ei aus jenem Sacke —
just fünfhundert sind darin, John! —
und der Hausfrau schenk’ es schweigend.
Wenn du früher die fünf Pferde
los wirst, John, als die fünfhundert
Eier, nehm’ ich dir die Tochter
wieder ab, mein armer Johnnie.
Wirst du aber früher fertig
mit dem halben tausend Eier,
als mit jenen fünf Stück Pferden —
dann behalte meine Tochter:
denn dann siehst du, lieber Eidam,
daß dein Los nicht ungewöhnlich!“
 
 
Wohl zufrieden war’s der Eidam,
stieg zu Roß und ritt von dannen
mit den Pferden und den Eiern
und mit Ralf, dem alten Knappen.
Und an jedem Schlosse hielt er,
hielt an jedem Haus und Hüttlein,
überall mit Fleiß erforschend
bei dem Ritter, Bürger, Bauer,
wer im Haus die Herrschaft führe.
Übern Tanat und den Weaver,
übern Terent und die Dove,
über Trent und über Welland,
über Ouse dahin und Yare
kam er und die andern Wasser: —
vieler Eier ward er ledig,
daß der Sack schon beinah’ leer war.
Und inzwischen wuchs gewaltig
ihm die Sehnsucht nach der Süßen,
nach der Holden, nach der Blonden,
mit den blauen Heil’gen-Augen;
wie sie schwebet, wie sie ruhet,
wie sie lächelt, wie sie schmollet,
ach, im Schmollen noch so lieblich,
ach, und vollends, wie sie küsset —
Tag und Nacht mußt’ er’s gedenken.
Und so kam er, nah’ der Heimat,
mit fünf Pferden und fünf Eiern
in das Schloß des Grafen Warwick,
welchen Schotten und Franzosen
nur den „Lord von Eisen“ nannten,
dessen Wille nie gehemmt ward,
dessen grimmer Zorn gescheut ward
in Paris und Edinburgh.
„Hier werd’ ich das Pferdlein los doch!“
denkt der Gast und sieht mit Freude,
wie die kleine, zarte Lady —
Maud war eigentlich ihr Name,
Lady Demut nannt’ ihr Mann sie —
ganz zerschmilzt in eitel Sanftmut.
Niemals wagt sie andre Meinung:
Tritt der Lord nur in die Halle —
auch im Haus in Eisen geht er —
zittert alles: und am meisten
zittert vor ihm Lady Demut. —
Nach drei Tagen sagt der Gast den
Wirten offen seiner Einkehr
Ursach’ und ersucht den Hausherrn,
mit ihm in den Stall zu schreiten
und das Pferd sich von den fünfen,
das ihm ansteht, auszusuchen.
„Und Mylord, Ihr seid der erste
Eh’mann zwischen Bar- und Yarmouth,
dem ein Rößlein ich darf schenken.
Denn – bestätigt, Lord und Lady! —
wie ich’s fand in den drei Tagen,
so steht’s immer hier im Hause:
Widerspruch und Eigenwille
Lady Mauds wird nie geduldet?“ —
„Ei behüte, welche Sünde!“
ruft die Lady und verkriecht sich
stirnesenkend, augensenkend,
an der breiten Brust des Gatten.
Dieser aber, waffenklirrend,
ruft: „Bei Gott! ich heiße Warwick!
Fragt in Schottland, fragt in Frankreich,
was das heißt. – Und dieses Weiblein —
mit zwei Fingern bräch ich’s mitten … —
sollte mir? – “ der Zorn erstickt ihm
beim Gedanken schon die Stimme.
In dem Stall stehn Gast und Wirte.
„Dort den Fuchshengst,“ sprach Lord Warwick,
„werd’ ich wählen; ’s ist das beste
von den fünfen unverkennbar.“ —
„Nein, du nimmst die graue Stute!“ —
„Aber Weibchen, nimm Vernunft an!“ —
„Brauch’ ich die erst anzunehmen?
Bin ich also regelmäßig
unvernünftig? Warwick, Warwick!
dort die graue Stute nimmst du,
’s ist das beste Tier von allen.
Nimm’s! Sonst – sonst wirst du’s lang bereu’n!
Nun, wie oft noch soll ich bitten?“
Und das kleine Füßlein stampfte,
daß die Streu im Stall umherflog.
„Ja, – ’s ist wahr,“ sprach zögernd Warwick,
„ja – wenn ich es recht erwäge, —
’s ist die beste von den fünfen.
Ja, die graue Stute wähl ich!“ —
Doch John Rash rief: „Ralf, den Sack her!“
Aus dem Sack zog er ein Eilein,
bot es zierlich dar der Lady:
„Dies gebührt Euch, Lady Demut,
und dazu mein Dank auf ewig!
Spornstracks reit’ ich jetzt nach Hause.
O wie freu’ ich mich auf Ellen!
Ralf, vier Eier und fünf Pferde
bring zurück dem Schwiegervater
und dazu des Eidams Segen!“ —
 
Nachschrift
 
Diese Dichtung wollt’ ich widmen
meinem lieben Weib Therese,
hatte schon das Wort geschrieben.
Da jedoch sie – selbstverständlich
nur erraten konnt’ ich’s ahnend —
nicht so sehr dadurch erfreut schien,
als ich eigentlich erwartet,
hab’ ich’s wieder ausgestrichen:
ungewidmet bleibt das Werk! —
 

Rothaarig ist mein Schätzelein
von
Julius Wolff

 
Rothaarig ist mein Schätzelein,
rothaarig wie ein Fuchs,
und Zähne hat’s wie Elfenbein
und Augen wie ein Luchs.
 
 
Und Wangen wie ein Rosenblatt
und Lippen wie ein’ Kirsch’,
und wenn es ausgeschlafen hat,
so schreitet’s wie ein Hirsch.
 
 
Im Köpfchen sitzt ihm ein Kobold,
ein Grübchen in dem Kinn;
ein Herzchen hat es klar wie Gold
und kreuzfidelen Sinn.
 
 
Wie Silberglöcklein spricht’s und lacht’s,
wie eine Lerche singt’s,
und tanzen kann’s und Knickse macht’s,
und wie ein Heuschreck springt’s.
 
 
Und lieben tut’s mich, Zapperlot!
das weiß, was lieben heißt,
und küßt es mich, – Schockschwerenot!
ich denk manchmal, es beißt.
 
 
Doch weiter kriegt ihr nichts heraus,
und fragt ihr früh und spat,
es kratzt mir sonst die Augen aus,
wenn ich noch mehr verrat.
 

Lacrimae Christi
von
Rudolf Baumbach

 
Es war in alten Zeiten
ein schwäbischer Fiedelmann,
der kräftig strich die Saiten
und lustige Mären spann.
 
 
Mit Friederich, dem andern,
ins Welschland zog er ein,
und kostete im Wandern
von einem jeden Wein.
 
 
Und als auf seinem Zuge
er nach Neapel kam,
quoll ihm aus ird’nem Kruge
ein Tropfen wundersam.
 
 
Er trank mit durst’gem Munde
und rief den Wirt herbei:
„Viellieber, gebt mir Kunde,
was für ein Wein das sei.
 
 
„Er rinnt mir altem Knaben
wie Feuer durchs Gebein;
von allen Gottesgaben
muß das die beste sein.“
 
 
Der dicke Kellermeister
gab ihm die Auskunft gern:
„Lacrimae Christi heißt er,
denn Tränen sind’s des Herrn.“
 
 
Da überkam ein Trauern
den fremden Fiedelmann;
er dachte an den Bauern,
der in der Heimat rann.
 
 
Und betend sank er nieder,
den Blick empor gewandt:
„Herr, weinst du einmal wieder,
so wein’ im Schwabenland!“
 

Der Pfropfenzieher
von
Rudolf Baumbach

 
Nun laßt uns tapfer brechen
den Rheinweinflaschen den Hals,
und füllt mit goldnen Bächen
die Höhlung des Kristalls.
Erhebt euch von dem Tische
und steht in Reih’ und Glied,
und singt das ewig frische,
uralte Zecherlied:
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch ’nein,
alles muß vertrunken sein!
 
 
Der diesen Spruch ersonnen,
ein frommer Ritter was,
der lieber denn am Bronnen
bei vollen Fässern saß,
und als der letzte Gulden
aus seinem Beutel schied,
da machte er fröhlich Schulden
und sang sein altes Lied:
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch ’nein,
alles muß vertrunken sein!
 
 
Die Lehen und Allode
ertranken im Malvasier;
als letztes der Kleinode
blieb ihm ein Pfropfenzieh’r.
Das Alter tät ihm färben
die Haare silberlicht.
Er gönnte seinen Erben
den Pfropfenzieher nicht.
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch ’nein,
alles muß vertrunken sein!
 
 
Er zog aus seiner Tasche
das Kleinod glatt und blank
und gab’s für eine Flasche,
gefüllt mit Lautertrank.
Ein Schlag, da sank in Scherben
der Flaschenhals zu Tal.
Er trank und sang im Sterben
zum allerletztenmal:
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch ’nein,
alles muß vertrunken sein!
 
 
Nun trinken wir die Minne
des alten, durst’gen Herrn,
und blieb ein Tropfen drinne,
er säh’s gewiß nicht gern.
Erhebt euch von dem Tische
und steht in Reih’ und Glied,
und singt das ewig frische,
uralte Zecherlied:
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch ’nein,
alles muß vertrunken sein!
 

’s Gebet
von
Franz von Kobell

 
A gar kleans Dirndl mit der Muatta
hat in der Kirch’ in Sunnta180 bet’t,
und’s Maderl war so voller Andacht,
als wenn se’s halt recht nöti hätt;
dees hat der Muatta gar gut g’fall’n,
und nach der Kircha sagt dazua:
„Du bist amal a rechti Frummi181,
du hast schon bet’t in aller Fruah’.
Was hast jetzt bet’t, dees muaßt ma sag’n,
du Schatzerl, du, so brav und nett.“
Und’s Madel sagt auf ihra Frag’n:
„Daß d’ Kirch bald aus werd’, hab’ i bet’t!“
 

Canzone
von
Friedrich Stoltze

 
Merr hawwe uns zwar gestern was gekippelt
un ohne Abschid is se fortgehippt182. —
Ich haw’ err heut en lange Brief geschriwwe;
doch hat se, scheint’s, des beste iwerhippelt183
un brotzt184 noch fort un is noch stark verschnippt,
sonst wär se heint net schned eweckgebliwwe185.
 
 
Ich schriew err: Komm um sechs. Jetz is es siwwe.
Was mir draa leiht186! – Ich wart noch bis e Vertel,
dann geh ich. Ja, verlaß sich ääns uff Mensche!
Sie utzt sich selbst um e Paar neue Hännsche187
un um e Stahlschnall un en Moiree-Gertel.
 
 
Se kimmt net! – No, heut krieht se’s noch ze wisse,
mein Ring eraus! mei Brosch un ’s Nadelkisse!
Mei Sache! – ’s läg merr uff! des wär net bitter,
so Hahlgäns, so bredale188, wetterwenn’sche!
Un nemm dei lumpig Sigar-Etwie189 widder!
 

Absagebrief
von
Friedrich Stoltze

 
„Jean, leb wohl! mei Vatter leidt’s net,
un merr soll die Eltern ehrn;
ohne Sege da gedeiht’s net,
wann merr noch so glicklich wern.
 
 
„Ewig zwar wern ich dich liewe,
nimmermehr vergeß ich dich;
doch die Eltern zu betriewe,
des breng ich nicht iwer mich.
 
 
„Geh net mehr am Haus voriwer,
daß dich nicht mei Vatter sieht,
dann ich krieh sonst Vorwerf driwer,
wie ich se schon oft hab’ krieht.
 
 
„Teurer Jean, du des bedenke!
Gelt, du dust’s for ganz gewiß?
Du den alten Mann net krenke
un komm erscht, wann’s dunkel is!
 
 
„Awer komm’ dorchs Hinnerpörtche!
Dann mei kindlich Ehrlichkeit
wääs zwar des gehääme Örtche,
wo der Vorderschlissel leiht;
 
 
„Doch die Eltern zu betriehe,
liewer Jean, sei fern von mir! —
Nää! un kräg ich’s ääch verziehe —
drum komm dorch die Hinnerdir.
 
 
„Stolper ja net uff de Stäge,
dann mei Vatter is ze Haus;
du’s um seines Schlummers wege!
Liewer zieh die Stiwel aus!“
 

Die Wacht am Rhein
von
Friedrich Stoltze

 
Die Wacht am Rhei – merr hat kää Ruh,
merr heert se alsfort brille.
Merr wisse’s ja, zum Deiwel zu,
un ääch um Gotteswille.
 
 
Heint Nacht um zwelf ehrscht schlaf ich ei,
da stolpern zwää voriwer
un brille laut die Wacht am Rhei,
so daß ich uffwach driwer.
 
 
Ich haw en ääch mein Dank gezollt:
ihr Männer ihr, ihr brave!
Wacht ihr am Rhei, so viel derr wollt,
in Frankfort laßt mich schlafe!
 

Die schöne Predi’
von
Karl Stieler

 
Der alte Pfarrer von Waxelmoos,
der hat neuli ’predigt. Ah der schießt los!
Kreuzhimmelsakra – der hat’s ihna g’sagt,
all Leut’ hab’n g’woant und an jeden hat’s packt,
nur oaner lahnt so an der Kirchtür dran.
„No“, sag i, „kann dir denn jetzt gar nix an?“190
„Ja“, sagt er und rührt si gar nit dabei,
„Ja wissen ’s, i bin nit aus dera Pfarrei!“
 

Bei Wörth
von
Karl Stieler

 
Der Preußen-Kronprinz fragt bei Wörth
an Jager von die Boarn191, an kloan:
„Warst sechsasechz’ge aa scho mit?“
„Ja,“ sagt der sell, „dös wollt i moan.
 
 
„Aber dort hamma g’habt koa Glück.
I glaub allweil und b’steh’s ganz laut:
Hä’n Sie uns damals aa schon g’führt,
na hä’n ma d’ Preußen grad so g’haut.“
 

A scharfer Zeug’n
von
Karl Stieler

 
Beim G’richt, da ham’s zum Zeug’n g’sagt:
„Du warst dabei!
Jetzt sag’s, wenn192 hast an Hans begeg’nt?“
„Um halbe drei.“
 
 
„Kunnt’s nit dreiviertel g’wesen sein?
So sag’s nur frei!
Auf dös kimmt jetzt dös Ganze an!“ —
„Um halbe drei!“
 
 
„Ja, geht dei Uhr denn so akkrat?
So b’sinn di nur!“
„Ja,“ sagt der Zeug’n, „akkrat geht’s nit,
i han koa Uhr!
 
 
„Mir hat mei Lebtag neamand nie
no koane g’schenkt.“
„Wie woaß’st denn na, daß’s halbe war?“
„I hab mir’s – denkt!“
 

Der Taubenkobel
von
Ludwig Anzengruber

 
Wonn mer en Michelbauern frogt,
wie er si mit sein’ Wei vatrogt193,
so tut er zun vasteh’n oam194 geb’n,
daß s’ all’ zwoa wie dö Täuberln leb’n.
 
 
Do denkt a seiner G’vattersmon:
„Schaugts d’r den Taubenkobel on!
I siech fürs Leben gern so poor
valiabti Kesstelflickerwor’195!
 
 
„Fahrst hin zu dö zwoa glücklig’n Leut’.
Es kost’t koan Haus, machst eahna d’ Freud’!“
Er setzt sich af dö Eiserbohn,
mit derer kimmt mer schnell hindon.
 
 
Er trifft ins Ort, jed’s Kind woas Red’,
wo Michelbauers Hütt’n steht.
Doch wie er klopfen will an d’ Tür,
da macht’n a Spektakel irr’.
 
 
Drein geht’s wie in ’ra Reitschul’ zua,
es kirrt196 a Dirn, es fluacht a Bua,
a Wickelkind is a no z’hör’n,
dös d’ Seel si aus ’n Leib will plärr’n.
 
 
Den G’vattern aber neugiert’s groß,
er druckt dö Tür schnell aus ’m G’schloß,
und is am erschten Blick scho g’wiß,
daß er beim Michelbauern is.
 
 
Durch d’ Stuben laft a Kinderpaarl,
dös gleicht ’en Eltern af a Haarl,
da kloane Bua oan Borschtwisch führt,
dö Dirn’ si mit oan Holzschuach wihrt197.
 
 
Sö jag’n anander um dö Wieg’n
und wonn sa si zun fassen krieg’n,
so setzt’s ganz g’hörig Pläscher198 oh.
Der G’vatter schreit: „Wos treibt ’s denn do?“
 
 
Da stengen199 s’ steif als wie dö Schrog’n200
und wissent onfongs nix zan sog’n,
donn keift es Dirndel in da Still’n:
„Na, Voda-Muada tan mer spiel’n!“
 

Därf ih ’s Dirndl liab’n?
von
Peter Rosegger201

 
Ih bin jüngst verwich’n
hin zan Pforra g’schlich’n:
„Därf ih ’s Dirndl liab’n?“ —
„Untasteh dih nit, bei meina Seel’,
wonstas202 Dirndel liabst, so kimst in d’ Höll’!“
 
 
Bin ih vull Verlonga203
zu da Muata gonga:
„Därf ih ’s Dirndl liab’n?“
„O mei liaba Schotz, es is no z’frua204,
noch funfzehn Jahrln erst, mei liaba Bua!“
 
 
War in groß’n Nöt’n,
hon ih ’n Votan bet’n:
„Därf ih ’s Dirndl liab’n?“
„Duners Schlangl205!“ schreit er in sein Zurn,
„willst mein’ Steck’n kost’n, konst es tuan!“
 
 
Wos is onzufonga?
Bin zan Hergott gonga:
„Därf ih ’s Dirndl liab’n?“
„Ei jo freili,“ sogt er und hot g’locht,
„weg’n an Büaberl hon ih ’s Dirndl g’mocht!“
 

Just und expressi nit!
von
Peter Rosegger

 
Do206 kapriziert sih ums Geld
da Wirt auf da G’stät,
hiazt207 zohl ih expressi
und justament nöt!
 
 
Mei Weib is von Schnaunzbort drahn208
neama ka Freind;
hiazt loß ih’n expressi stean,
grod weil sie greint.
 
 
Won ih a por Flügerl hät,
kunt fliag’n wiar a Taub’n;
zan Dirndl expressi nöt,
grod weil d’ Leut’ glaub’n.
 
 
Ih kriagad209 mei Nochbars Dirn
leicht olli Tog;
ih nim ma s’ expressi nit,
weil ih nit mog.
 
 
Won ih nur d’ Miazl210 hät;
de war nit schiach211;
ih heirat s’ expressi nöt —
weil ih s’ nit kriag. —
 

Seelenbündnis
von
Josef Willomitzer

 
Ich öffne zögernd ihren Brief.
Der kleine Brief, was tut er kund?
Vielleicht nimmt es Mathilde schief,
daß ich sie lieb’ aus Herzensgrund.
Vielleicht hat sie mein Fleh’n erhört,
vielleicht ist all’ mein Glück zerstört?
Ich seufzte tief,
bevor mein Blick das Blatt durchlief. —
 
 
Sie schreibt: „Wir wollen Freunde sein
wie Goethe und die Frau von Stein!“
Da ruf’ ich jubelnd: „Frisch voran!
dem Glück will ich entgegenzieh’n.“
Im Flug trägt mich die Pferdebahn
zu meiner Göttin Tempel hin.
„Komm an mein Herz, du süßes Glück!“
ruf’ ich ihr zu. Sie weicht zurück
und staunt mich an:
„Wie könnt Ihr mir so stürmisch nah’n?
Wir wollen doch nur Freunde sein
wie Goethe und die Frau von Stein.“
 
 
Und nun erzählt sie mir genau,
was sie gelernt im Pensionat
vom Seelenbündnis jener Frau
mit Goethe, dem Geheimen Rat,
wie tadellos und einwandfrei
der zarte Bund gewesen sei. —
„Mathilde, schau,
was du da sagst, ist mir zu blau.
So wird es nicht gewesen sein,
denn Goethe, der war nicht von Stein!“
 
 
Da widersprach sie hochgemut,
so ging die Rede hin und her.
An Worten gab es eine Flut,
ein weites sturmbewegtes Meer.
Es schwoll die Flut, es wuchs der Zank,
bis blutig flammend die Sonne sank …
Und kurz und gut:
dann küßten wir uns in Liebesglut
so ganz allein im Kämmerlein
wie Goethe und die Frau von Stein.
 

Der Bettler
von
Richard von Volkmann-Leander

 
Wintertag. Die Flocken trieben
durch die enge Flucht der Gassen,
und hernieder von den Dächern
hängen kalt und schwer die Zapfen.
Aber drin im dunkeln Stübchen,
wo die Mutter mit der Tochter
spinnend sitzt am warmen Herde,
prasselt lustig auf die Flamme
und die roten Lichter wirft sie
spielend auf den blanken Estrich.
 
 
Horch! da klopft es an der Türe,
leise klopft es, doch vernehmlich —
wär’s auch nur für Mädchenohren,
die versteckt im Busch der Locken
lauschen und die feinsten Dinge
hören auf der weiten Erde.
Zögernd auf nach kurzem Säumen
hebt die Jungfrau sich vom Sitze;
leise auf den Zehen schreitet
sie hinaus. Da steht der Liebste
vor der Tür: „Um Gottes willen,
geh, die Mutter ist zu Hause!
Warte doch!“ Und beide Arme
schlingt sie um den Hals dem Jüngling,
drückt ihn an die Brust und küßt ihn. —
In das Zimmer tritt sie wieder,
schüttelt sich den Schnee vom Kleide.
 
 
„War’s ein Bettler?“ „Ja, ein Bettler,
Mütterchen, ein armer Bettler!“
„Sag, was hast du ihm gegeben?“
„Eine Kleinigkeit nur, Mutter!“
spricht das Mädchen, und errötend
beugt sie sich und schürt das Feuer,
daß die Flamme lohend aufschlägt,
und wie goldne Mückenschwärme
tanzend über ihrem Scheitel
im Kamin die Funken fliegen.
 
 
„Gib den Bettlern nicht zu reichlich,“
mahnt die Mutter sorgend wieder,
„denn sie kommen viel zu oft.“
Schweigend rückt den Stuhl zum Herde
sich das Mädchen. Schweigend greift es
wieder zur verlass’nen Spindel,
und wie sie im Kreise wirbelt,
wiederholt es in Gedanken
still die Worte: Viel zu oft!
 
180am Sonntag.
181eine recht Fromme.
182fortgelaufen.
183übersehen.
184zürnt.
185heut nicht schnöde weggeblieben.
186liegt.
187Handschuhe.
188Hohlgänse, so brutale.
189Zigarren-Etui.
190Geht dir gar nichts zu Herzen.
191Einen Jäger von den Bayern.
192wann.
193verträgt.
194einem.
195Verliebte Kesselflickerleute.
196zankt.
197wehrt.
198Haue.
199stehen.
200Schragen, Holzgestell.
201Abgedruckt aus Roseggers „Zither und Hackbrett“, Gedichte in steirischer Mundart. Graz: Verlag Leykam.
202wenn du’s.
203Verlangen.
204zu früh.
205vertrackter Schlingel.
206da.
207jetzt.
208Schnurrbart drehn.
209kriegte, bekäme.
210Marie.
211häßlich.