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Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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Wochenpredigt
von
Gottfried Keller

 
In heißem Glanz liegt die Natur,
die Ernte lagert auf der Flur;
in langen Reihn die Sichel blinkt,
mit leisem Geräusch die Ähre sinkt.
 
 
Doch hinter jenen grünen Matten,
in seines Kirchleins kühlem Schatten
geborgen vor dem Stich der Sonne,
da steht das Pfäfflein der Gemeine,
auf diesem, dann auf jenem Beine,
in seiner alten Predigertonne
hoch an dem Pfeiler grau und fest,
dem Kranich gleich in seinem Nest.
 
 
Schwarz glänzt das kurzgeschorne Haar,
wie Röslein blüht das Wangenpaar;
nur etwas schläfrig blinzen nieder
die Äuglein durch die fetten Lider,
weil er sich seiner Wochenpredigt
mit ziemlich saurer Müh’ entledigt.
So spricht er von dem ewigen Leben,
das nach dem Tod es werde geben:
wie man auch da noch müsse ringen
und immer weiter vorwärts dringen,
und nie von Handel und Wandel frei,
bis man zuletzt vollkommen sei;
von einem Stern zum andern hüpfen
und endlich in den Urquell schlüpfen.
Doch unten in des Kirchleins Tiefen
die Hörer auf den Bänken schliefen.
Sie waren alle hoch an Jahren,
mit weißen oder gar keinen Haaren,
ganz klingeldürre Frau’n und Greise,
gebeugt von ihrer langen Reise;
so lehnten sie an ihren Krücken
mit lebensmüdem, sanftem Nicken.
Sie hatten gelebt und hatten gestritten,
Erde gegraben und Garben geschnitten,
Bürden getragen und Freuden gehabt
und, wenn sie gedürstet, sich gelabt.
Sie hatten nicht ihr Leben verfehlt,
kein Genie und keine Tugend verhehlt,
auch keine Schwänke unterlassen —
wen’s konnten bei der Nase fassen,
den haben sie gar fest ergriffen
und ihn mit Freuden ausgepfiffen,
nicht immer bezahlt, was sie geborgt,
und fleißig doch für Erben gesorgt.
 
 
Die Predigt schweigt, sie sind erwacht,
die Kirchentür wird aufgemacht,
und leuchtend bricht der grüne Schein
der Bäume in die Dämmrung ein.
Die Alten stehen mühsam auf
und setzen sich gemach in Lauf
und schleichen seltsam kreuz und quer
über die grünen Gräber her.
Sie setzen sich auf die Leichensteine
und reiben ihre kranken Beine,
sie hüsteln, spucken aus und lachen
und sprechen bewußtlos kindische Sachen.
Sie schauen in die goldnen Auen,
wo ihre Enkel und Sohnesfrauen
im fernen Sonnenglanze gehen,
die reifen Früchte rüstig mähen;
sie sehen in all den hellen Schein
mit blöden Augen stumm hinein.
Schon ist verklungen leis und weit
das Lied von der Unsterblichkeit.
Und wie vor langen achtzig Jahren
die Flämmlein im Entstehen waren
und mählig aus der tiefen Nacht
sich in ein helles Licht entfacht,
das freilich auch sich ewig schien,
so glimmen sie jetzt wieder hin
und denken bessres nicht zu tun,
als ewig, ewig auszuruhn.
Von Durst nach neuem Kommerzieren,
wenn recht ihr schaut, ist nichts zu spüren.
 
 
Das Pfäfflein ist nach Haus gekommen,
hat einen Schluck zu sich genommen
und wandelt jetzt im schmucken Garten,
den kühlen Abend zu erwarten,
wo er sich freut auf ein Gelage,
zu dem er freundlich ist gebeten;
doch steht die Sonn’ noch hoch am Tage.
Des ist er nun in großen Nöten;
er weiß, die besten Bachforellen
werden auf blumiger Schüssel schwellen,
ausländische Wurst und köstlicher Schinken
reizen ihn zu frohem Trinken;
er kennt die staubigen Flaschen zu gut
in Herrn Confratris frommer Hut,
die schön geschliffnen Gläser dringen
schon in sein Ohr mit feinem Klingen;
er kennt das Tischlein hinter der Türen,
von wo die Flaschen hermarschieren,
bis er eine mit silbernem Hals entdeckt,
die vor dem Abschied doppelt schmeckt.
 
 
Und noch drei lange, lange Stunden! —
Hier hat er Ranken angebunden,
ein nagendes Räupchen abgelesen,
dort aufgehoben einen Besen
und an das Gartenhaus gelehnt,
dann einen Augenblick gewähnt,
er wolle auf den Sonntag Morgen
noch schnell für eine Predigt sorgen;
doch ist er hievon abgegangen,
hat einen Schmetterling gefangen,
wirft einen Socken über den Hag,
der mitten in einem Beete lag.
Die Sonne steht noch hoch am Tag.
Er wird der langen Weil zum Raube
und sinkt in eine kühle Laube,
macht dort ein Ende seiner Pein,
schläft zwischen Rosen und Nelken ein.
 
 
O Pfäfflein, liebes Pfäfflein, sag,
ist dir zu lang der eine Tag,
was willst du mit all den Siebensachen,
den Millionen Sternen und Jahren machen?
 

Alte Schweizer
von
Conrad Ferdinand Meyer

 
Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang
den von Raffaels Fresken verherrlichten Gang
in der puffigen alten geschichtlichen Tracht,
als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht.
 
 
„Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort,
so kann es nicht gehn und so geht es nicht fort.
Du sparst an den Kohlen, du knickerst am Licht —
an deinen Helvetiern knaus’re du nicht!
 
 
„Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann,
ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!
So galt’s und so gilt’s von Geschlecht zu Geschlecht,
wir pochen auf unser historisches Recht!
 
 
„Herr Heiliger Vater, du weißt, wer wir sind,
bescheidene Leute von Ahne zu Kind!
Doch werden wir an den Moneten gekürzt,
wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!
 
 
„Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!
Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus …
Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!
Wir versteigern dir den apostolischen Stuhl!“
 
 
Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt
und zaudert und langt in die Tasche zuletzt —
da werden die Löwen zu Lämmern im Nu:
„Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns du!“
 

Don Fadrique
von
Conrad Ferdinand Meyer

 
Don Fadrique bringt ein Ständchen
der possierlichen Pepita:
„Liebchen, strecke durch die Türe
deines Füßchens Spitze nur!“
 
 
Und die drollige Pepita
streckt durch eine schmale Spalte
eines allerliebsten Fußes
weißes Spitzchen in die Luft.
 
 
Don Fadrique krümmt den Rücken,
will das weiße Spitzchen küssen,
Knabe Amor steht beiseite,
der den Bogen lachend spannt.
 
 
Nach dem ewigjungen Herzen
zielt er, doch wer lacht, der zielt schlecht:
In des Ritters alten Rücken
schießt er einen Hexenschuß.
 
 
Don Fadriques Knochen rasseln,
Don Fadrique stürzt zusammen,
Figaro holt eine Sänfte,
Figaro bringt ihn zu Bett.
 
 
„Frommer Bruder Agostino,
exorziere mir das frevle
allerliebste weiße Füßchen,
das durch meine Beichte tanzt!“
 
 
Don Fadrique sucht den Hades,
zierlich schreitend wie ein Stutzer,
tänzelnd leuchtet ihm ein weißes
Füßchen durch die Unterwelt.
 

Von Katzen
von
Theodor Storm

 
Vergangenen Maitag brachte meine Katze
zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber – Köchinnen sind grausam,
und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche —
die wollte von den Sechsen fünf ertränken,
fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! – Der Himmel segne
mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
sie wuchsen auf, und schritten binnen kurzem
erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
sie wuchsen auf und nachts vor ihrem Fenster
probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. —
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
und Maitag ist’s! – Wie soll ich es beschreiben,
das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
in Schränken Körben, unter Tisch und Treppen,
die Alte gar, nein, es ist unaussprechlich,
liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
ersäufen will sie alle neun und vierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon —
o Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang’ ich an mit sechsundfünfzig Katzen!
 

Das Mädchen mit den hellen Augen
von
Theodor Storm

 
Das Mädchen mit den hellen Augen,
die wollte keines Liebste sein;
sie sprang und ließ die Zöpfe fliegen,
die Freier schauten hinterdrein.
 
 
Die Freier standen ganz von ferne
in blanken Röcklein lobesam.
„Frau Mutter, ach, so sprecht ein Wörtchen,
und macht das liebe Kindlein zahm!“
 
 
Die Mutter schlug die Händ’ zusammen,
die Mutter rief: „Du töricht’ Kind,
greif zu, greif zu! Die Jahre kommen,
die Freier gehen gar geschwind!“
 
 
Sie aber ließ die Zöpfe fliegen
und lachte alle Weisheit aus;
da sprang durch die erschrocknen Freier
ein toller Knabe in das Haus.
 
 
Und wie sie bog das wilde Köpfchen,
und wie ihr Füßchen schlug den Grund,
er schloß sie fest in seine Arme
und küßte ihren roten Mund.
 
 
Die Freier standen ganz von ferne,
die Mutter rief vor Staunen schier:
„Gott schütz’ dich vor dem ungeschlachten,
ohn’ Maßen groben Kavalier!“
 

Aanten int Water26
von
Klaus Groth

 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik27,
wat vaern Musik!
 
 
De Wart is wat heesch28: Wat wat wat schüll wie eten?
Murt29, inne Murt, inne Grund is dat fett!
Höja! de graue fangt lud30 an to reden:
Quark un warm Water! Un alle ropt mit.
 
 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
 
 
De Rünnsteen hentlank all int Trünneln un Snappeln31!
Barbeent un plattföt32 un jümmer vergnögt!
Hier is de Kaekenguß33! Beersupp mit Appeln!
Wackeli, gackeli – süh, wa se sökt34!
 
 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
 
 
Nu oppen Wall! un nu ropt wi de Günner35!
Nu kamt se an, un nu gift dat en Snack36.
Nu fleegt wi dal37, un nu dukt wi uns ünner!
All dat warm Water löppt blank vunne Nack!
 
 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
 
 
Wat wat wat wüllt wi? Nu wüllt wi na ’n Misten.
Hör! se döscht Weten38! Wi krupt daer de Rill39!
Kamt man! man sachden! op Töntjen40 mit Listen!
Nückt mit den Kopp, un et gau41, un swigt still!
 
 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten int Stroh —
wat vaern Halloh!
 
 
Dar kumt de Kaeksch42! Neiht man ut, brukt de Flünken43!
Hoch aewern Tun44 un koppheister na ’n Dik!
Swimm’ as de Pocken45, un flegen as Lünken46,
klok as en Minsch – un so dick! un so dick!
 
 
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik.
 

Matten47 Has’
von
Klaus Groth

 
Lütt Matten de Has’,
de mak sik en Spaß,
he weer bi ’t Studeern,
dat Danzen to lehrn,
un danz ganz aleen
op de achtersten48 Been.
 
 
Keem Reinke de Voß49
un dach: das en Kost!
Un seggt: „Lüttje Matten,
so flink oppe Padden50?
Un danzst hier aleen
oppe achtersten Been?
 
 
„Kumm, lat uns tosam!
Ik kann as de Dam!
De Krei51, de spelt Fidel,
denn geit52 dat canditel53,
denn geit dat mal schön
op de achtersten Been!“
 
 
Lütt Matten gev Pot.
De Voß beet54 em dot;
un sett sik in Schatten,
verspis’ de lütt Matten:
de Krei de kreeg55 een
vun de achtersten Been.
 

Spatz
von
Klaus Groth

 
„Lütt Ebbe56, kumm ropper, hier babn na de Föst57,
krup ünner58, ja kik mal, hier bu’t wi en Nest.
Du sittst as Gardrutjen59 er Hahn ünnert Bett,
as en Mus in en Heeddis60, wa nett, o wa nett!“ —
 
 
„Du Spitzbov, du Gaudeef61, man weg, ga man weg!
Weest noch vergangn Jahr? O wa slech, o wa slech!
Wa seet ik un brö62, harr ni Korn oder Kröm63,
un Spatz flog to Dörp, räsonneer in de Böm.
 
 
„Du Spitzbov! du Gaudeef!“ – „Lütt Ebbe, swig still,
vuntjahr64 ward’t ganz anners: will mi betern – ik will!
Mi steken de Fettdun65 – kumm, kik mal, wa schön!
Vuntjahr ward dat anners, schast66 sehn, schast mal sehn!
 
 
„He Hadbar67 kumt bald, wahnt uns dicht aewern Kopp,
bu’t en Hus as en Korf68, stellt sik baben derop69,
op een Been, opt anner, de Näs inne Flünk70!
Wa klappert he fründli: „Gudn Morn, Nawer Lünk71!“
 
 
„Un denn schint de Sünn hier lankt Dack72 rein so blank,
un denn trekt de Rok hier vunn Schösteen hentlank73,
un denn kumt Annstina mit Weten und Kaff74:
Tuck, tuck! – Kikriki! un wi beidn krigt wat af.
 
 
„Ok heff ik man sehn, hier de Koppel int Gras:
Nawer Anton will Rogg sei’n75, dat kumt uns to paß;
un denn hier de Bom vaer uns Kinner to fleegn,
un wi merrn dermank76, watn Vergnögn, watn Vergnögn!“
 
 
„Du Spitzbov, lat sehn: dats dat Nest, dats dat Nest?
Mak to, un hal Feddern un Dun77, dats dat best!
Ol Anton sin Pudelmütz liggt günd achtern Tun78:
Plück as, mak man to, lats man bu’n, lats man bu’n!“
 

Dat is ’e79
von
Fritz Reuter

 
Dat giwwt so’n Lüd’80, dei hewwen Strid81 mit jeden,
dei mit ehr in Gesellschaft sitt82,
un ihre83 sünd sei nich taufreden84,
bet Ein sei köpplings ’ruter smitt85.
Korl Stänker was so’n slimmen Gast,
un einen rechten Ekel86 was’t,
un wo wat los was, dor was hei,
un ümmer gawwt ’ne Demolei87.
Na, mal was denn tau Stargard88 Ball;
un wat dat heit89, dat weit90 wi all:
tau Stargard Ball in ollen Tiden91,
dat wull wat Richtiges bedüden92,
dor danzten ’s bet an hellig Sünn93,
un wer denn nich mihr stahen künn94,
dei danzte up den Kopp herüm.
Na, as dat kamm so gegen Morgen,
lett Korl den Kutscher ’ran besorgen.
De Kutscher höllt twei lang, twei breid95,
de Kutscher höllt, hei weit Bescheid. —
Nu kümmt Ein stramm de Trepp hendal96,
de Husknecht seggt: „Dat is din Herr.“
„Ne,“ seggt Jehann, „dat ’s anners wer97,
min Herr, dei sitt un drinkt noch mal.“ —
En anner kümmt in lichten Draf98,
so recht behen’n de Trepp heraf,
de Husknecht seggt: „Paß up, Jehann,
dat is din Herr!“ – „Ne,“ seggt de Kutscher,
„dat is hei nich, dat is so ’n Flutscher99;
min Herr, dei kümmt ganz anners ’ran.“
Mit einmal ward dat dor en Larm
un en Spektakel – Gott erbarm!
Ein ward de Trepp herunner smeten100,
dunn seggt de Kutscher: „Holt en beten101!“
Un horkt un fött102 sin Mähren wisser103:
„Na smit em mi man ’rin, dat is ’e104.“
 

De blinne105 Schausterjung’
von
Fritz Reuter

 
„Ach, Meister! Meister! ach, ick unglückselig Kind!
Wo geiht106 mi dit? Herr Je, du mein!
Ach, Meister! Ick bün stockenblind,
ick kann ok nich en Spirken seihn107!“
De Meister smitt108 den Leisten weg,
hei smitt den Spannreim109 in de Eck
un löppt110 nah sinen Jungen hen:
„Herr Gott doch, Jung’! Wo is di denn?“
„Ach, Meister! Meister! Kiken S’ hir111!
Ick seih de Botter112 up’t Brot nich mihr!“
De Meister nimmt dat Botterbrot,
bekikt dat nipp von vörn un hinn’n113:
„So slag’ doch Gott den Düwel dod!
Ich sülwst kann ok kein Botter finn’n.
Nu, täuw114!“ Hei geiht tau de Fru Meistern hen
un seggt tau ehr: „Wat makst du denn?
Wo is hir Botter up dat Brot?
Dor slag’ doch Gott den Düwel dod!“ —
„Is dat nich gaud för so en Jungen?
Ji sünd man all so’n Leckertungen115;
ji müggten116 Hus un Hof vertehren117,
un ick sall fingerdick upsmeeren118.
So geiht dat noch nich los! Prahl sacht119!
De Botter gelt en Grösch’ner acht120.“
„Ih, Mudder, ward’ man nich glik bös,
hest du denn nich en beten Kes’121?“
Un richtig! Sei lett sick bedüden122
un deiht den Jungen Kes’ upsniden.
De Meister bringt dat Botterbrot herin,
giwwt dat den Jungen hen un fröggt123,
ob sick sin Blindheit nu hadd leggt124,
un ob hei wedder seihen künn.
„Ja, Meister,“ seggt de Jung’ ganz swipp125,
„ja, Meister, ja! Ick seih so nipp,
as hadd ’ck ’ne Brill up mine Näs’,
ick seih dat Brot all126 dörch den Kes’.“
 

Snider-Begnäugen127
von
Fritz Reuter

 
Dor was mal eins en lütten Mann,
hadd Hosen an,
hadd kunterbunte128 Hosen an,
en fipprig129 Röckschen un so wider,
un was von Profeßschon en Snider130,
un sporsam was hei hellschen131.
 
 
Dei seggt tau sinen Jungen: „Hal132
uns doch enmal
den Hiringsschwanz von’n Baen hendal133,
för mi en Finzel134, di en Finzel
un mine Fru hal ok en Finzel,
un’n Finzel, den’n lat liggen.“
 
 
De drei, de sitten üm den Disch.
De Jung’ will frisch
inhauen up sin Finzel Fisch,
dunn ritt de Meister mit de Gabel
de Hälft em weg vör sinen Snabel:
„’t künn up de Nacht di schaden!
 
 
„Du frettst di ganz ut Rick un Schick135,
du ward’st tau dick.“ —
Fru Meistern nimmt dat anner Stück:
„Du frettst di noch ut Rand und Band,
bringst Hungersnot noch in dat Land,
wi will’n kin Fettswin136 mästen.“
 
 
De Jung’ steiht trurig up un schüwwt137
mit eine Tüft138
nah’n Baen herup un sitt un riwwt139
an’t Schapp140, wo noch de Finzel steiht,
mit sine Tüft: „Wer weit141? Wer weit?
Sei künn doch dornah smecken.“
 

Scholmeiste Boars
von
John Brinckman

 
Scholmeiste Boars – je de was echt
un de vestünn to backsen142,
un ümme hett sien Sprüch he seggt,
wull he üns aw eng jacksen143.
 
 
Ens set bi’t saewt144 Gebot ick wiß
un künn nich rut mi trecken145:
– „Je,“ röp he dunn, „all wat nich is,
doa kan’n ook nicks vun seggen!
 
 
„Na, kumm ens rut doa ut dien Bänk,
wat helpt all dat Bisinnen!
denn wat en nich velüst146, dat, denk
ich, kann en ook nich finnen!“
 
 
Sien Fust147 was knakendrög148 un swer;
irst hett se aw mie knuffelt,
backst linksch un rechtsch mie nahst149 un sär:
– „Süh, äwe Krüz höllt duwwelt!“
 
 
Ick schnöw un speeg150: man he höll fast,
grar as mit iesen Klannen151
un röp doato: – „Sonn Amt, sonn Last —
en Düwel’s äwe’n annen152!
 
 
„Wen alltoneeg153 an’n Graben führt,
is oft all’ rinne schaten154, —
un wen de Koh to eegen hührt,
möt ’s ook an’n Swanz anfaten!
 
 
„Man nich so ängstlich, dreig die ründ,
dat geit di nich an’t Leben;
süh, Murjahn was’n steenolt Hund
un müß sick doch noch geben.
 
 
„Sonn Pott, sonn Stülp155, – sonn Boom, sonn Block,
sonn Woar, mien Sähn, sonn Drüttel156!
Dat Hemd is nege157 as de Rock, —
nu treck158 ens aw dien Kittel!“
 
 
Un as ick dunn vespreken deer,
wat ick nu betern wull mie, —
doa langt he flink den Tagel159 her
un slög för blind un dull mie.
 
 
„Süh, Wühr160, mien Sähn, de sünd nich dühr,
dat künn mie doch bilur’n161;
vespreken dohn de Eddellühr,
man hollen dohn de Bur’n!“ —
 
 
Ick blölkt lurrhals162. Dunn schreeg he: „Jung,
schrie driest to! Du schast blarren!
Unglück harr stets ’ne scharpe Tung,
un de perrt Pogg de quarren163.
 
 
„So heet, as ick die dat upfüll,
brukst du’t jo nich to eeten;
wenn sick dien Tung vebrennen schüll,
möst du die’t sülst biemeeten164!“ —
 
 
– „Mien Puckel,“ schreg’k, „möt gäl un grön165,
mien lew Herr Boars, all wesen!“ —
Dunn särr he: „Unwennt Arbeit, Sähn,
dat’s ümme so, bringt Kwesen166.
 
 
„Süh, Moltspriet hührt to Suerkohl167
sonn Säg, mien Sähn, sonn Farken168, —
fuhl Lühr kam’ uppen güllen Stohl169, —
dat wast nu sacht die marken!“ —
 

Günd, achter de Blompütt170
von
Johann Meyer

 
Günd, achter de Blompütt, schreeg öwer de Strat,
Persepter171 sin Döchder – dat is di en Staat!
Persepter sin Lischen, sin Witjen un Trin,
dree Deerns, als dree Rosen, künnt all dree all fri’n172.
 
 
Wa hebbt se för Haar, – rein so blank un so glatt!
un Ogen173, – de Swarte, als Aalbein so swatt174,
de Gehle175, – so blau als Vergißmeinnichtblom,
de Brune, – so brun als Kastanjen vun’n Bom.
 
 
Se danzt un se springt un se hüppt als en Reh,
sünd rot, als en Ros’, un so witt, als de Snee,
se singt, als en Drossel, un lacht, als en Duv176,
un scheert sick den Deuwel um Hochtid un Huv177.
 
 
Günd, achter de Blompütt, schreeg öwer de Strat,
Persepter sin Döchder – dat is di en Staat!
Un schull ick een rutnehm’n178, un günn179 he mi een,
ick sä: „Herr Persepter, all dree – oder keen!“ —
 

Ein Augenblick
von
Friedrich Theodor Vischer

 
Um die alte Stadt auf der Promenade,
dem bequemen, beliebten Pfade,
den die Platanen beschatten und zieren,
ging ich am Sommerabend spazieren.
Ein Sonntag war’s und ein Sonnentag,
es wandelten Leute von allerhand Schlag,
festlich geputzt, und alle dem Volke
stand auf dem Gesicht keine einzige Wolke.
 
 
Da kam mir im goldenen Abendschein
entgegen ein Kinderwägelein,
ein nett geflochtnes, auf leichten Rädchen,
es zog ein sauberes Ulmermädchen.
Mein Blick fiel just ins Gefährt hinein,
da lag ein Knabe, gebettet fein,
kaum jährig etwa, sein Angesicht
umwob ein Schimmer von Rosenlicht,
als ruht’ er in einem Rosenhag,
denn in dem Schatten, worin er lag,
fiel erhellend ein Widerschein
vom farbigen Obdach im Wägelein,
auch kam von außen der Glanz ergossen,
denn ganz mit Licht war die Luft durchschossen;
ja vom Kind auch schien es mir auszugehen,
denn ein schöneres hab’ ich noch nie gesehen;
man glaubte Herz und Auge zu laben
an einem von Raphaels Engelknaben,
es schwamm wie ein Bild im erleuchteten Raum,
wie ein Feenkind, wie ein seltener Traum.
 
 
Stillbeglückt sah es vor sich hinaus
in seinem fahrenden kleinen Haus,
in seiner Welt ein kleiner König,
lächelte auch dazu ein wenig,
als schwebten ihm an der Zukunft Tor
schon die allerhand lustigen Streiche vor,
die man verübt in den Tagen der Jugend,
welche – man weiß ja – nicht hat viel Tugend;
er schaute so hell aus den dunkeln Augen,
als möcht’ er nicht immer gar zu viel taugen.
Ich sah ihn an, blinzte und nickte
schmunzelnd. Der reizende Knabe blickte
mich an und blinzte, schmunzelte, nickte.
Gelt du, es ist eben gar etwas Gutes
ums Existieren, schmecken tut es?
Und ein bißl Spitzbüberei
ist eben immer auch dabei?
 
 
Er hat es mir richtig im Auge gelesen,
der Schelm, das kleine, kaum ahnende Wesen,
er hat es verstanden und hat es bejaht,
der liebliche Lebenskandidat.
 
 
Ich hätt’ ihn mögen vor lauter Entzücken
aus den Polstern heben, verküssen, verdrücken,
doch ich sagte mir: „Laß es lieber gehen,
es soll so bleiben, wie es geschehen,
es soll bleiben ein Augenblick.“
 
 
Fürbaß ging ich, sah nicht zurück.
Ein alter Bekannter begegnete mir,
er stellte mich, fragte: „Was ist’s mit dir?
Es strahlt ja ordentlich dein Gesicht,
so heiter sah ich dich lange nicht;
wart’, ich merk’s schon, du kommst vom Wein!
ein guter muß es gewesen sein!“
„Ja,“ sagt’ ich, „er war nicht eben schlecht,
noch Most, aber Ausstich, feurig und echt.“
 
26Enten im Wasser.
27Teich.
28Der Enterich ist etwas heiser.
29Morast.
30laut.
31Den Rinnstein entlang alle in Tümpel und Pfützen.
32barbeinig und plattfüßig.
33Küchenausguß.
34sieh, wie sie suchen.
35jetzt rufen wir die Hinteren (Letzten).
36jetzt gibt das ein Geschwatz.
37fliegen wir herunter.
38sie dreschen Weizen.
39wir kriechen durch die Ritze.
40auf Zehen.
41geht.
42Köchin.
43kneift nur aus, braucht die Flügel.
44Zaun.
45Frösche.
46Spatzen.
47Martin.
48hintersten.
49Reinecke Fuchs.
50auf den Pfoten.
51Krähe.
52geht.
53lustig.
54biß.
55kriegte, bekam.
56kleine Elsbeth.
57oben nach dem First.
58krieche unter.
59wie Gertrudchen.
60Maus in einer Hede (Werg, Nest).
61Tagedieb.
62brütete.
63Krume.
64von diesem Jahr an.
65mich stechen die Fettdaunen (mich plagt der Übermut).
66sollst.
67Storch, Adebar.
68Korb.
69oben darauf.
70Flügel.
71Nachbar Spatz.
72das Dach entlang.
73zieht der Rauch den Schornstein entlang.
74Weizen und Spreu.
75Roggen säen.
76mitten drin.
77hole Federn und Daunen.
78dort hinterm Zaun.
79Das ist er!
80gibt solche Leute.
81Streit.
82sitzt.
83eher.
84zufrieden.
85bis man sie kopfüber hinauswirft.
86ekliger Mensch.
87Schlägerei.
88mecklenb. Stadt.
89heißt.
90wissen.
91in alten Zeiten.
92bedeuten.
93helle Sonne, Morgen.
94stehen kann.
95zwei lang, zwei breit, d. h. unaufhörlich, lange.
96hinunter.
97ein anderer.
98im leichten Trab.
99Leichtfuß.
100geschmissen.
101halt ein bißchen.
102horcht und faßt.
103Pferde fester.
104schmeiß, wirf ihn mir nur herein, das ist er.
105blinde.
106geht.
107nicht ein Spierchen (bißchen) sehen.
108schmeißt.
109Spannriemen.
110läuft.
111sehen Sie hier.
112Butter.
113beguckte es ganz genau von vorne und hinten.
114warte!
115Ihr seid nur alle solche Leckerzungen.
116möchte.
117verzehren.
118aufschmieren.
119prahle leise, etwa: nicht so hoch hinaus.
120ungefähr acht Groschen.
121Käse.
122läßt sich bedeuten.
123fragt.
124gelegt.
125rasch, vorlaut.
126schon.
127Schneider-Genügsamkeit.
128sehr bunte.
129tändelnd, hüpfend.
130Schneider.
131höllisch, sehr.
132hole.
133vom Boden herunter.
134Schnitzel.
135Du frißt dich ganz aus Rand und Band.
136Fettschwein.
137schiebt.
138Kartoffel.
139sitzt und reibt.
140Schrank.
141Wer weiß?
142schlagen.
143uns die Jacke vollhauen.
144siebenten.
145konnte mich nicht herausziehen.
146verliert.
147Faust.
148knochentrocken.
149nahe.
150schnaubte und spuckte.
151wie mit Eisenklammern.
152ein Teufel ist wie der andere.
153allzunah.
154reingefallen.
155wie der Topf, so der Deckel.
156wie die Ware, mein Sohn, so der Verdienst.
157näher.
158ziehe ab.
159Prügel, Stock.
160Worte.
161betrügen.
162ich schrie aus vollem Hals.
163die getretenen Frösche, die wimmern.
164beimessen.
165gelb und grün.
166Schwielen.
167Essig gehört zu Sauerkohl.
168wie die Sau, so das Ferkel.
169faule Leute kommen auf den goldenen Stuhl.
170Dort, hinter den Blumentöpfen.
171Präzeptor.
172könnte alle drei zusammen freien.
173Augen.
174wie schwarze Johannisbeeren so schwarz.
175die Gelbe.
176wie eine Taube.
177Haube.
178sollte ich eine herausnehmen (heiraten).
179gönnte.