Closing Words

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Aus der Reihe: Five Dogs #3
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Schweigend betrachtete Neve ihre Frau. Sie erkundete deren Augen nach etwas, was nicht lange auf sich warten ließ. Sie sah wie Verlangen, Begierde und Leidenschaft in ihrer Frau erwachte.

Sam nahm Neves sanfte Hand wahr und glaubte bei diesem Gefühl fast zu zergehen. Ihre Frau so nah und doch so weit entfernt von der erfüllten Vollständigkeit zu sein, zerriss sie fast. Sie wollte Neve spüren. Sie wollte ihre Frau tief in sich aufnehmen und gemeinsam mit ihr von dieser Welt getragen werden. Weg von einigen Sorgen, die sie trotz ihres Lebens noch plagten. Weg von ihrer Eifersucht, die eigentlich keinen Nährboden hatte. Sam wusste, dass sie die einzige Frau für Neve war. Sie wusste es tief in ihrem Herzen. Dennoch machte ihr Verstand ihr alle Naselang einen Strich durch die Rechnung. Dann kam wieder die junge, ungezügelte Sam zum Vorschein und sie verhielt sich wie ein Kleinkind das, im Gegensatz zu allen anderen, keinen Lutscher geschenkt bekommen hat. In diesen Momenten konnte sie sich nicht kontrollieren. Die Eifersucht, die Angst Neve irgendwann an eine andere Frau zu verlieren war einfach zu groß, als dass sie dieses Gefühl bezwingen konnte.

Sams Atmung wurde mit jeder Sekunde schwerer. Neve konnte ihre körperliche Entwicklung nicht nur hören, sondern auch in ihren Augen erkennen. In ihnen wuchs eine Gier, die sie so sehr bei ihrer Frau liebte. Die Gier, die Frau über sich zu nehmen. Zu jeder Zeit und an jedem Ort. Und genau diese Gier schoss unkontrolliert durch Sams ganzen Körper, bis es am Ziel ankam.

Neves Lippen formten sich zu einem überheblichen Lächeln. Diese sexuelle Gier in Sams Augen zu sehen und gleichzeitig zu spüren, dass ihr Schritt immer heißer und feuchter wurde, ließ Neve selbstgefällig grinsen.

Die Frauen blickten sich nur in die Augen. Sie sagten kein Wort und schwiegen sich an. Nur das Band, das sie miteinander verband, war das einzige was auszumachen war. Sie verstanden sich ohne Worte. Sie steigerten sich gegenseitig in ihren Gefühlen, ohne ein Wort zu verlieren oder sich auch nur einen einzigen Zentimeter zu bewegen. Sie schauten sich an und sahen dabei zu, wie die Gier der anderen ins unermessliche wuchs.

Jetzt war es nicht nur Sam, die schwer atmete. Neve folgte ihr. Sie spürte, dass sie vor lauter Sehnsucht richtig aufgeregt wurde. In ihrem ganzen Körper kribbelte es. Sie wusste, dass nur Sam alleine diesen körperlichen Zustand in ihr hervorrufen konnte. Keine andere Frau der Welt, nahm sie jemals mit auf so einen aufregenden Trip, den sie nur mit austauschenden Blicken starteten.

»Das hier, Sam, ist das einzige was ich bis an mein Lebensende spüren will. Das und nichts anderes«, keuchte Neve schwer. Ehe Sam über die Tragweite der Worte nachdenken konnte, spürte sie, wie Neve ihre Hand flink bewegte und zwei Finger gleichzeitig in sie hineinführte. Empfangend bäumte sich Sam auf. Ihre Augen schlossen sich. Verlangend biss sie sich auf die Unterlippe. Ein lustvolles Stöhnen entstand in ihrer Kehle.

»Mummy?« Erschrocken rissen Neve und Sam gleichzeitig die Augen auf. Beide hörten für einen kurzen Augenblick zu atmen auf.

Panisch und peinlich berührt, riss Neve ihren Kopf zurück. Hektisch blickte sie zur Schlafzimmertür, in der Precious völlig verschlafen stand. Ihre Kuscheldecke fest in der einen Hand geklammert.

Neve blickte an ihr entlang. Sofort sah sie den Grund, weshalb ihre Tochter ihr diesen wunderschönen Augenblick zunichte machte.

»Alles gut mein Schatz, Mummy kommt. Es ist alles ok«, versucht sie Precious von der Peinlichkeit einer unkontrollierten Blase im Schlaf abzubringen. Das ist schon lange nicht mehr passiert. Nur hin und wieder waren einige Träume der kleinen Maus so real, dass sie Wirklichkeit und Traum einfach noch nicht unterscheiden konnte. Sie hörte noch nicht die Warnsignale, die ihr Körper ihr sandte. Somit kam es hin und wieder doch noch dazu, dass sie einnässte. Ihr war das immer peinlicher als ihrer Mutter. Die machte sich nichts daraus. Zwar zerschnitt Precious damit einen wundervollen sexuellen Akt, den sie sich mit Sam so schön ausgemalt hatte, aber Precious ging vor.

Wehmütig blickte sie zu Sam zurück.

»Sorry Schatz.« Sie entzog sich ihrer Frau, die das mit einem jammernden und frustrierten Laut quittierte.

***

»Ich wünsche dir ganz viel Spaß in der Schule«. Nach einem liebevollen Kuss, flitzt Precious noch einmal zur Toilette.

»Eines frage ich mich schon seit geraumer Zeit«, wirft Sam zischend in die Küche. Sie stützt sich an der Arbeitsplatte ab.

»Wie fühlt es sich eigentlich an, solche unechten Torpedo Titten in den Händen zu halten?«, grunzt sie böswillig und macht eine abwertende Kopfbewegung zu Jill.

»Sam!«, ermahnt Neve ihre Frau scharf. Bevor sie allerdings mit ihr schimpfen kann, reißt sich Jill vom Türrahmen. Ihre Schuhe treten hart auf den Küchenfließen auf, als sie mit schnellen Schritten auf Sam zugeht. Sie greift sich an die Bluse und reißt diese plötzlich auseinander. Ehe Sam überhaupt nachdenken kann, packt Jill ihre Hände und presst diese mitten auf ihren Busen.

»Und?«, keift sie wütend. Geschockt reißt Sam die Augen auf. Ihr Mund öffnet sich wortlos. Starr blickt sie auf ihre Hände, die mitten auf Jills Brüsten liegen. Sie vergisst zu atmen.

Ein kurzes Prusten dringt durch die Küche, bis sich Neve zurückhaltend räuspert.

»Und Sam? Wie fühlt es sich an, solche unechten Torpedo Titten in den Händen zu halten?«, wiederholt Jill beißend Sams Worte.

Ohne auf eine Antwort der Südländerin zu warten, dreht sich Jill um, beginnt den ersten Druckknopf der Bluse zu schließen und verlässt die Küche.

»Schönen Tag noch«, wirft sie keifend zurück.

Neve braucht ein paar Schreckmomente bis sie sich gefangen hat. Vorsichtig tritt sie an Sams Seite. Die steht noch immer mit ausgestreckten Händen und offenem Mund an der Stelle, an der Jill sie stehen gelassen hat.

»Bis heute Abend, Schatz. Ich liebe dich«, flüstert sie, als sie ihrer Frau einen Abschiedskuss auf den Kopf gibt.

Auf dem Weg aus der Küche und dem Haus, muss sie sich gewaltig zusammenreißen, um nicht laut zu lachen.

Als sie dann aber neben Jill im Auto sitzt und sieht, dass sie noch dabei ist die letzten Knöpfe zu schließen, prustet sie los. Verwirrt blickt ihre Kollegin zu ihr hinüber. Schuldgefühle keimen in ihr auf.

»Entschuldigung, aber mir gehen Sams Eifersuchtsattacken und Spitzen allmählich auf die Nerven.«

Lachend schlägt sich Neve auf die Schenkel. Beschwichtigend wedelt sie mit einer Hand in Jills Richtung.

»Alles gut, mach dir keine Sorgen. Besser hätte ich Sam auch nicht zum Schweigen bringen können. Die wird jetzt den Rest des Tages daran zu knabbern haben, diesen Brocken zu schlucken.« Sie blickt gackernd zu ihrer Kollegin.

»Du hast echt Eier in der Hose.« Jill weiß nicht so recht, ob sie ebenfalls lachen soll oder nicht. Sie braucht noch ein paar Momente, bis sich ein zurückhaltendes Lächeln auf ihren Lippen bildet.

»Ich glaube, Sam ist erst mit sich zufrieden, wenn sie jemanden hat, auf den sie sich stürzen kann. Noch vor drei Jahren war es Jessica. Bis zur Hochzeit von ihr und Laura, machte Sam ihr das Leben zur Hölle. Das Eis zwischen ihnen brach erst, als sie Jessicas Ehegelöbnis hörte. Ich habe Sam noch nie zuvor mit so viel Gefühl weinen gesehen, wie zu dem Zeitpunkt. Es war, als wenn Jessica nicht nur Laura ihre Liebe schwor, sondern auch Sam mit diesen Worten erreichte. Keine Ahnung was danach passierte, aber seitdem sind die beiden ein Herz und eine Seele. Sie hängen wie Glucken aufeinander. Da Sam Jessica als Zielschiebe verloren hat, braucht sie jetzt ein neues Opfer.« Jill blickt zu Neve hinüber und schnaubt ein kurzes »Super«. Unschuldig zieht ihre Kollegin die Schultern hoch.

Stage 2

Wie jeden Tag, kann es sich Neve nicht nehmen lassen, einen flüchtigen Blick zu Nortons Büro zu werfen, als Jill und sie das Großraumbüro der FBI Zentrale betreten. Weil sich eigentlich nie einer richtig um die Ankunft der Kolleginnen kümmert, sieht nur Jill, dass sich jeden Morgen ein Lächeln der Genugtuung auf Neves Lippen bildet. Dieses verschwindet aber ebenso schnell, wie es sich gebildet hat.

»Hach ja«, jauchzt sie vergnügt, als sie sich an ihren Schreibtisch setzt.

Es kommt ihr vor, als wenn es erst gestern gewesen wäre, als Sam zwei Wochen nach ihrer Rückkehr mit einem Handy neben ihr stand und ihr dieses reichte.

»Für dich, Matt.« Erstaunt zog Neve eine Augenbraue hoch, nahm das Handy und fuhr sich fahrig mit einer Hand durch die Haare. Sie war nicht sauer, sondern nervös. Was will Matt? Er hat sich einige Tage nicht blicken lassen. Auch kam keine Nachricht von ihm. Er fuhr damals mit Norton vom Grundstück und war nicht mehr auszumachen. Frisco schien ihn verschluckt zu haben. Selbst sein Handy war aus.

»Ja?« Neve bemerkte, dass ihre Stimme etwas zitterte. Sam beobachtete sie. Scharf aber besorgt. Im nächsten Moment atmete Neve erleichtert aus.

»Ach so, äh ja, lass mich kurz überlegen.« Auch wenn sie nach diesen Worten etwas ruhiger wirkte, fuhr sie sich noch einmal durch die Haare, legte den Kopf in den Nacken und starrte zur Decke hinauf.

»Ok.« Sam konnte beobachten, wie sich Neves Gesichtszüge verhärteten. Ihre Falten vertieften sich.

»Ok, als allererstes muss ich wissen, wo du Norton hingeschafft hast. – Siuslaw National Park?« Neve pfiff beeindruckt.

»Alles klar.« In ihre Gedanken vertieft, wanderte sie los. Ihre Füße trugen sie zuerst in die Küche. Als sie dort allerdings Precious am Tresen sitzen sah, machte sie kehrt und stiefelte zurück zum Wohnzimmer.

 

»Ok, ich gehe davon aus, dass du mit deinem Pick Up gefahren bist? Und sicherlich warst du nicht so blöd, ihn auf die Ladefläche zu packen?« Neve schmunzelte, als Matt antwortete.

»Alles klar. Auch wenn es jetzt unbequem, anstrengend und aufwendig für dich wird, war das die richtige Entscheidung. Durch die Verletzung wegen seines entfernten Tattoos, wird er noch etwas geblutet haben. Das heißt, dass du auf deinen Sitzen Blut hast, richtig? – Gut. Zur Fleckentfernung nutzt du eine Seifenlösung, Ammoniak und Rostentferner. – Nein, Bleichmittel solltest du wirklich nur im allerletzten Fall nutzen. Das riecht noch Tage später nach dem Zeug. – Ja. - Da du zum Glück Stoffsitze hast, kannst du am besten ein Sprühextraktionsgerät dafür benutzen. Das zieht das Blut auch aus den tieferen Ebenen des Stoffes. – Dann wirst du den Rest vom Innenraum auch noch reinigen müssen. Für die Fenster reicht ein ganz normaler Reiniger. Die Spuren verschwinden dadurch gründlich genug. Für die Armaturen genügt ein Cockpitreiniger. – Ich gehe mal davon aus, dass du nicht darauf geachtet hast, ob Norton noch alle Fingernägel dran hat, oder?« Neve senkte lachend den Kopf.

»Weil Norton nicht blöd war. Er wird sich mit Sicherheit absichtlich einen Nagel abgerissen haben. Und zwar so tief, dass entweder Blut oder Haut mit dran war. Unsere Forensik ist beeindruckend gut. Das heißt, du wirst die Rücksitzbank vollständig nach irgendwelchen Überbleibseln absuchen müssen. Mach das am besten mit einer Lupe. – Stell dich nicht so an.« Neve lachte erneut. Sam beobachtete sie dabei, wie sie vom Wohnzimmer zur Waschküche wanderte.

»Norton wird sicherlich auch absichtlich etwas Speichel verteilt haben. Suche den Wagen also mit Schwarzlicht ab. – Achte auch auf Haare oder sonst irgendetwas was der menschliche Körper während einer zehnstündigen Autofahrt absondern könnte. Schweiß, Urin oder oder oder.« Die Waschküche wurde schon nach wenigen Sätzen uninteressant und Neve wanderte in Sams Atelier.

»Ok, das war das Thema. Wir bleiben beim Auto. Ähm, auch wenn du vorsichtig gewesen sein wirst, hast du Reifenspuren hinterlassen. Bedeutet, Reifen wechseln. Mach das ruhig in deiner Werkstatt, aber ziehe keine neuen Reifen auf, sondern gebrauchte. Am besten dieselbe Marke. – Warum? – Du kannst dir aussuchen ob du mit einer Pinzette jedes einzelne Steinchen aus dem Profil puhlst, oder ob du bei deinen Reifen bleibst, aber die gebrauchten keinerlei Hinweis darauf geben, wo du dich befunden hast. Außerdem kann aufgrund von Rechnungen nachverfolgt werden, wann du welche Reifen gekauft hast. Und wenn unsere Leute das überprüfen, du aber ganz andere Reifen aufgezogen hast, wirkt das verdächtig. – Na siehst du. – Ich sagte dir doch, dass es anstrengend wird. – Weiter geht’s.«

Sam verfolgte im sicheren Abstand ihre Frau, als die das Atelier verließ und das Büro betrat. Ihre Falten auf der Stirn zeichneten noch immer den geistigen Zustand ab. Sie war hochkonzentriert.

»Du wirst den Wagen waschen müssen. Und damit meine ich nicht einmal durch die Waschstraße und du hast wieder ein Bling Bling. Fahre dennoch durch eine Waschstraße, damit der grobe Dreck abkommt. Suche dir allerdings eine auf dem Festland aus. Fahre danach zu einem Waschpark wo man selbst Hand anlegt und nimm genug Kleingeld mit.« Neve musste bei ihren Worten selbst schmunzeln. Sie drehte sich im Büro um und wollte dieses verlassen. Sie war etwas erstaunt, dass Sam im Türrahmen stand und ihr selbst bis hierhin gefolgt ist. Neve trat an sie heran, schlang einen Arm um ihre Taille und zog sie dicht an sich. Ihre Augen lagen verträumt auf den Lippen ihrer Frau.

»Du wirst jeden Radkasten fast auseinandernehmen müssen um sie ausreichend zu reinigen. Mache auch eine Unterbodenwäsche und eine Motorwäsche. Beweise können sich wirklich überall absetzen. Suche auch die Ladefläche nach irgendwelchen Blütenknospen ab. – Wieso? Ein Mörder wurde schon einmal überführt, weil er eine Blütenknospe in seinem Wagen übersah. Jeder Baum, jeder Strauch, alles was blüht hat, wie wir Menschen, einen unverwechselbaren Fingerabdruck. Wir könnten nur mit dieser einzelnen Knospe herausfinden, wo du langgefahren bist. Welche Sträucher du gestreift hast und und und. Die ganze DNA einer Pflanze steckt in so einer Knospe. – Ja, unglaublich, nicht wahr?« Neve neigte den Kopf etwas, roch an Sams Hals und konnte es sich nicht nehmen lassen, dort einen hauchenden Kuss zu platzieren. Sie schaute Sam danach verliebt lächelnd an, schlich dann aber an ihr vorbei. Konzentriert begann sie dann den Flur rauf und runter zu laufen.

»Ähm, wie sind deine Stoßstangen beschaffen? Sind die ausgehöhlt oder durchgängig festes Material? – Ok, abschrauben und reinigen. Auch dort könnten sich Reste von der Umgebung festsetzen. Suche wirklich jeden Schlitz und jede kleinste Einkerbung deines Wagens ab. Du glaubst nicht welch feine Spürnasen wir in der Abteilung haben. Wenn der Wagen dann von innen und außen so weit gereinigt ist, dass man ihn glatt als Neuwagen verkaufen könnte, bist du fast fertig. – Wieso keine professionelle Reinigung? Weil das zu auffällig wäre. – Ähm, wenn dein Vehikel also glänzt wie eine Bowlingkugel, dann suchst du dir einen schönen Wald, oder unebenes Gelände und jagst dort ein paar Runden herum. Der Wagen muss ordentlich Dreck aufnehmen.« Sam zuckte kurz zusammen, als Neve lauthals zu lachen anfing. Sie schaute die FBI Agentin an und sah, dass ihre Augen voller Belustigung leuchteten. Sie erfreute sich an dem was Matt ihr sagte.

»Nein Matt, ich will dich nicht verarschen. Du hast mich schon richtig verstanden. Du sollst deinen Wagen wieder versauen, nachdem du ihn so schön poliert hast. Wenn wir uns deinen Wagen schnappen, fällt uns natürlich auf, dass dieser ungewöhnlich sauber ist. Also musst du den wieder verdrecken, um den Eindruck zu erwecken, dass du dort schon ewig keine Hand mehr angelegt hast. Für den Innenraum kann ich dir Precious mit einer Tüte Popcorn vorbeibringen«, gluckste Neve. Sie erfreute sich an ihrem fluchenden und grummelnden Boss.

»Jetzt lass den Kopf nicht hängen. Du wolltest meine Hilfe, also. - Ok, kommen wir zu dir. Ich denke mal, dass du Norton nicht einfach nur abgeladen hast und wieder abgehauen bist. So wie ich dich kenne, wirst du es schon einige Zeit genossen haben?! Gut. – Ähm, bei deiner Ernährung hast du darauf geachtet, so wenig Müll wie möglich produziert zu haben? Du hast den entstandenen Müll dann auch wieder mitgenommen? – Super. – Wie sieht es mit Urin und Exkrementen aus? – Ein Fluss? Perfekt. Das können wir nicht nachverfolgen, sehr schön. – Ähm, hast du unterwegs irgendwelche Zahlungen mit deiner Kreditkarte getätigt, sodass du eine virtuelle Spur hinterlassen hast? – Nicht? Klasse. – Du hast auch auf Blitzer und derartiges geachtet, was deinen Aufenthaltsort verraten könnte? – Hervorragend. – Ok, dann lass mich nochmal kurz überlegen. – Nein, ich denke das war es dann. Den Rest werde ich dann bei den Ermittlungen übernehmen. – Klar, aber mach dich darauf gefasst, dass wir in den nächsten Tagen bei dir aufschlagen und dich zu einer Vernehmung mitnehmen werden. Ich werde versuchen das Verhör selbst zu führen, kann aber nichts versprechen. Halte dir also schon mal ein Alibi bereit. – Ach, hast du schon? Ja sehr schön. Das gefällt mir. – Super, dann haben wir alles. – Klar, kein Thema. – Dir auch einen schönen Abend.« Neve legte auf, drehte sich um und machte erschrocken einen Schritt zurück. Sam stand unmittelbar vor ihr. Ihre Augen lagen auf ihrer Frau. Regungslos betrachtet sie sie, was Neve etwas verunsicherte. Sie konnte in den braunen Augen ihrer Frau sehen, dass es in ihr arbeitete. Irgendetwas ging in ihrem wunderschönen Köpfchen vor.

Neve versuchte sich daran, es lesen zu können. Die neuen Augen von Sam machten es ihr noch etwas schwer. In ihren alten konnte sie sofort lesen was Sam dachte und fühlte. Aber diese neuen Augen waren etwas anders. Sie waren dunkler und tiefer.

»Du bist unglaublich«, flüsterte Sam. Fragend hob Neve eine Augenbraue.

»Du weißt schon was du da eben getan hast, oder?« Mit einem Schlag fühlte sich Neve schuldig. Verurteilte Sam sie in diesem Moment tatsächlich? Missfiel es ihr, dass Neve ihrem Boss den Arsch gerettet und seinen Kopf aus der Schlinge gezogen hat? War es ihr zuwider, dass eine FBI Agentin einem Kriminellen dabei half seine Spuren zu verwischen?

Neve wusste nicht wie sie auf diesen einen Satz von Sam reagieren sollte. Auf so eine Konfrontation war sie nicht vorbereitet. Daher straffte sie ihre Körperhaltung. Sie legte ihre entspannte Haltung ab. Ihre Statur wuchs dadurch nur wenige Zentimeter.

»Ich bin und bleibe ein Hund. Das ändert nichts daran, was auf meinem monatlichen Gehaltsscheck steht.« Neve spürte leichten Zorn in sich aufsteigen. Wieso verurteilte Sam sie wegen dem was sie eben tat? Sie beide sprachen Stunden über diesen Spagat, den Neve damit täglich absolvieren muss. Sie waren sich einig, dass beide es schaffen würden. Dass sie es akzeptieren und tolerieren.

»Das meinte ich nicht.« Neve stutzte. Nicht? Was meinte sie dann?

»Ja, du hast einem Verbrecher dabei geholfen, seine Spuren zu verwischen, das stimmt. Aber du hast das mit solch einer Eleganz, Selbstsicherheit und Intensität getan, dass du einem damit vollkommen in einen Bann gezogen hast. Dir liegt das alles so sehr im Blut, dass du diese Seite von dir niemals ablegen könntest, egal wie mächtig dein innerer Hund sein mag. Du hast diese beiden Seiten in dir. Eine Gute und eine Böse und du schaffst es tatsächlich, diese beiden Seiten voneinander zu trennen. Sie auseinanderhalten zu können, ohne dich dabei selbst zu verraten. Und das ist es was dich so unglaublich macht.«

Auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte, atmete Neve erleichtert aus. Sie glaubte eine hitzige Diskussion mit Sam beginnen zu müssen. Sie vergaß tatsächlich für einen Moment, dass Sam weiß, dass sie ihre Hunde niemals verraten würde, oder ihren Job vernachlässigte.

Sam machte einen letzten Schritt auf Neve zu. Ihre Augen sahen besorgt aus.

»Hast du tatsächlich geglaubt, ich würde an dir zweifeln? Daran zweifeln, dass du ein Hund und eine FBI Agentin sein kannst? Dass du diesen Spagat nicht schaffen würdest?« Neve wurde nervös. Ihre Augen wanderten hektisch durch den Flur. Sie glaubte tatsächlich für einen kleinen Augenblick an diese Dinge. Dass Sam ihr nicht glaubte was sie da tat. Dass sie es verurteilen würde. Dass sie die Hunde früher oder später verraten würde, weil sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren konnte.

Eigentlich hätte Sam Recht haben können. Neve ist mit Leib und Seele Bulle. Das Gesetz liegt ihr trotz allem im Blut. Für sie ist es eine Lebensaufgabe dieses zu vertreten, auch wenn gerade diese verdammten Paragraphen soviel Scheiße mit ihnen gebaut haben. Dennoch weiß Neve, dass sie diesen Teil ihres Lebens nicht einfach ablegen kann. Dafür ist er zu tief verankert. Zu sehr ein wichtiger Teil von ihr. Sie wünschte sich als Kind nichts Sehnlicheres als zur Polizei zu gehen. Und als sie das dann schaffte, ging sie in dieser Tätigkeit auf. Sie liebte und lebte diesen Job. Mit jeder Faser ihres Körpers. Sie hätte noch solange als Hund dagegen ankämpfen können, ihr Blut hätte sie nicht verleugnen können. Sie war dem Gesetz gegenüber loyal. Aber ebenso war sie ein Hund. Ein Hund, der damals Morde beging und eine verdammt dunkle Seite von sich preisgab. Neve tötete ganz offen, oder mit List, aber sie tötete. Erschreckenderweise sogar mit einer gewissen Leidenschaft. Sie verkaufte Waffen und Drogen und machte der Polizei das Leben schwer. Sie trieb auf eine unglaublich feinfühlige und intelligente Art die Verbrechenszahlen in Frisco fast ins Unermessliche. Und sie hatte Spaß daran. Sie liebte es ihre ehemaligen Kollegen zu verarschen und an der Nase herumzuführen. Sie machte sich einen Spaß daraus, falsche Fährten zu legen und falsche Spuren zu falschen Personen führen zu lassen. Sie war Matt gegenüber ebenso loyal wie der Polizei. Und das alles nur wegen einer einzigen Frau. Die Frau die ihr gegenüberstand und sie nachdenklich anschaute. Wenn es Sam nicht geben würde, wäre Neve noch immer Detective beim Department und würde durch die Straßen streifen. Aber die Liebe zu dieser jungen südländischen Frau, hat einen fast anderen Menschen aus ihr gemacht. Sie weiß, dass sie dem Gesetz und den Hunden gegenüber gleich loyal sein kann, ohne sich dabei selbst zu verraten. Für Außenstehende mag das unverständlich wirken, aber für sie selbst war es eine Erfüllung. Sie fühlte sich mit diesen beiden Seiten erstmals vollständig. Sie hatte diese gute Seite und vertrat das Gesetz. Und sie hatte diese böse Seite, mit der sie eben dieses hinterging. Unverständlich, aber diese beiden Seiten in sich, vervollständigten sie.

 

Neve senkte den Kopf. Angestrengt atmete sie laut aus. Sie zog die Schultern hoch.

»Keine Ahnung. Irgendwie ist das für mich auch noch etwas komisch. Aber ich weiß, dass ich das schaffen werde.«

»Daran zweifle ich nicht eine Sekunde«, hauchte Sam, als sie einen letzten Schritt auf Neve zumachte. Sie stand ihr jetzt so dicht gegenüber, dass Neve keine andere Möglichkeit hatte, als den Kopf zu heben und sie anzusehen. Es war unglaublich. Auch mit diesen neuen Augen, schaute Sam sie mit so einem ausdrucksstarken Blick an, dass Neve fast für eine Sekunde ihre Tochter vergessen und sie am liebsten ins Schlafzimmer gezogen hätte.

Neve hob einen Arm. Sanft strich sie mit dem Zeigefinger über Sams vollen Lippen. Verträumt schaute sie dem Finger nach.

»Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich schon manchmal deinen alten Körper vermisse. Dieser hier ist faszinierend, sexy und atemberaubend, aber er ist eben nicht…« Neve suchte die richtigen Worte.

»… nicht Sam.« Anstatt gekrängt zu wirken, lächelte Sam spitzbübisch.

»Wenn du so ein großes Verlangen nach meinem alten Körper hast, kann ich ihn dir gerne ausgraben. Ich weiß allerdings nicht wie weit der Verwesungsprozess vorangeschritten ist, oder ob die Maden und Würmer noch etwas davon übrig gelassen haben. Damit kennst du dich besser aus«, gluckste sie frech. Erschrocken und zugleich angeekelt riss Neve die Augen auf.

»Boah, du bist widerlich«, schimpfte sie wie ein Rohrspatz. Sam hatte als Antwort darauf nur ein kurzes Lachen, als sie wie ein Wiesel vor Neve flüchtete. Die ältere Frau wollte sich nicht mit einem so ekelerregenden Gedanken abfertigen lassen, den sich Sam als Spaß ausdachte und rannte ihr hinterher.

Auch wenn Precious den Grund dafür nicht kannte, weshalb sich ihre Mütter lachend durch das Haus jagten, hüpfte sie dennoch vom Hocker des Tresens und rannte ihnen quietschend hinterher.

***

Neve schaut flüchtig zu Nortons Büro. Ihren neuen Vorgesetzten kann sie ebenso wenig leiden, wie Norton. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. Dieser Grünschnabel kam frisch von der Uni. So kam es ihr jedenfalls vor, als dieser Jungspund der Abteilung vor drei Jahren vorgestellt wurde. Sicherlich hat der noch nie eine Leiche gesehen, noch nie Blut gerochen, oder dabei zusehen müssen, wie Gliedmaßen zusammengesucht werden mussten, damit der Körper als eine Einheit beerdigt werden konnte. Sicherlich wohnte er auch noch nie einer Autopsie bei.

Als sie Jill das erste Mal zu so einer mitnahm, musste sie innerlich schon etwas schmunzeln. Sehr zum Leidwesen von Jill, hoffte sie, dass sie ihrer Kollegin eine Brechtüte reichen konnte. Oder sie zumindest heldenhaft auffangen konnte, wenn diese in Ohnmacht fiel, nur weil der Brustkorb des Leichnams aufgeschnitten wurde. Allerdings kam alles anders als es sich Neve erhoffte. Jill stand interessiert neben ihr und beobachtete den Rechtsmediziner bei seiner Arbeit. Sie stellte Fragen, saugte die Antworten wissbegierig auf, beugte sich über den Körper und blickte fasziniert über die menschlichen Innereien. Selbst als der Rechtsmediziner das Herz des Opfers aus dem Körper nahm, um es zu wiegen, stand Jill noch auf ihren Beinen. Sie folgte ihm zur Waage und beobachtete jede seiner Handlungen.

»Wahnsinn«, staunte sie Bauklötze. Neve schlenderte hingegen enttäuscht durch die Räumlichkeit. Damit hat sie tatsächlich nicht gerechnet. Dass Jill wahrhaftig dieses Interesse an toten Körpern zeigte. Dass sie keine Probleme mit diesem Bild und all den Gerüchen hatte. Es schien ihr nicht das Geringste auszumachen. Offensichtlich genoss sie das sogar.

»Hör auf so sehnsüchtig an die alten Zeiten zu denken.« Jills flüsternde Stimme reißt Neve aus ihren Gedanken.

»Hä?« Plump wie sie manchmal sein kann, schaut sie ihre Kollegin und Freundin an.

»Du erinnerst dich doch eben sicherlich daran, wie ihr damals Norton gefunden habt, nicht?« Neve ist erstaunt, dass Jill in ihr lesen kann. Wenn auch etwas am Ziel vorbeigeschossen, aber scheinbar hat ihre Kollegin keine allzu großen Schwierigkeiten damit.

Neve blickt zu Nortons Büro zurück.

»Nein, das war es nicht ganz. Ich hätte damals vielleicht doch die Gelegenheit nutzen sollen, den Posten anzunehmen. Dieser junge Hüpfer da drüben bereitet mir jeden Morgen schlechte Laune.« Jill kichert leise. Auch ihr passt der Jungspund nicht, ergab sich aber dieser Entscheidung.

Als Norton damals ermordet aufgefunden wurde, wurde Neve, genauer genommen Eden, das Angebot gemacht, die Chefin der Abteilung zu werden. Sie lehnte es nach reichlicher Überlegung dankend ab. Ihr war es einfach zuwider Mordfälle nur noch auf dem Papier zu bearbeiten. Sie brauchte die Straße und den engen Kontakt zum Verbrechen. Hinter dem Schreibtisch wäre ihr das alles verwehrt geblieben. Etwas was sie einfach nicht wollte.

Jetzt bereut sie es manchmal. Ihrem Vorgesetzten muss sie einige Fälle manchmal so kleinlich auseinandernehmen, damit dieser versteht wovon sie redet, dass sie irgendwann müde davon wird. Müde wegen den Erklärungen, müde wegen dem Unwissen ihres Vorgesetzten, müde wegen der eigentlich unnütz gebrauchten Energie. Mit wem hat der Typ nur geschlafen, dass er diesen Posten bekam?

Zwangsläufig, weil Jill sie darauf ansprach, driften Neves Gedanken ab.

Vor drei Jahren stand Trevor neben ihr am Tisch. Sein Gesicht war aschfahl. Es hatte fast den Anschein, als wenn er jeden Augenblick ohnmächtig wurde.

Gerade als sie ihn fragte wollte was mit ihm sei, hauchte dieser »Sie haben Norton gefunden. Oder das was von ihm übrig ist«. Trevor schluckte bei diesen Worten. Neve wusste hingegen nicht, ob sie jubeln oder ebenso geschockt wirken sollte. Sie entschied sich für letzteres.

Bei der Ankunft im Siuslaw National Park, tummelten sich unzählige Polizeibeamte. Ebenso viele FBI Kollegen. Neve war sich nicht sicher, ob diese als Schaulustige dienten, oder an dem Fall mitwirken wollten. Denn mit dem Leichenfund wurde Norton automatisch zu einem Fall.

Trevor und Neve bekamen diesen Fall zugesprochen, weil Neve als Eden schon immer einen guten Draht zu ihrem Vorgesetzten hatte. Es lag also nahe, dass sie und Trevor seinen Tot aufklären sollten.

Die beiden Kollegen betraten den Tatort. Es schien Trevor schwer zu fallen das Absperrband zu heben, damit sie dort drunter durchlaufen konnten. Es wirkte, als wenn es aus Stahl angefertigt worden wäre.

»Versucht die Nerven beisammen zu halten. Das ist wirklich kein schöner Anblick«, warnte ein anderer Kollege die beiden vor.

Während der langen Fahrt zum Park, malte sich Neve schon die tollsten und buntesten Bilder aus wie sie Norton auffinden würde. Wie er erhängt, erschossen oder erstochen irgendwo in diesem Park vor sich hin verwesen würde. Aber der gebotene Anblick übertraf selbst ihre kühnsten Vorstellungen.

Unzählige Menschen umgaben den Leichnam, den man in diesem Zustand nur noch schwer als einen Menschen erkennen konnte. Kollegen, Fotografen und andere Polizeibeamte tummelten sich um den toten Körper.

Als Neve an den Leichnam vollständig herantrat, wusste sie nicht, ob sie würgen oder lachen sollte. Sie war stolz auf Matt, unglaublich stolz. Dennoch durchfuhr sie ein eiskalter Schauer. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ihr Boss so bestialisch sein kann. Matt ließ sich Zeit, sehr viel Zeit.

Nortons Gliedmaßen ragten in alle Himmelsrichtungen ab. Mit Seilen wurden diese an Pfähle gebunden, die tief in den Boden gerammt wurden. Allerdings waren sie nur noch mit wenigen Sehnen und ebenso wenig Fleisch mit dem Körper verbunden. Die Arme und Beine wirkten, als wenn jemand oder etwas versucht hätte, diese abzureißen.