Closing Words

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Aus der Reihe: Five Dogs #3
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Closing Words
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Valuta Tomas



Closing Words



Neues Spiel - Neuer Gegner





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Inhaltsverzeichnis





Titel







Prolog







Stage 1







Stage 2







Stage 3







Stage 4







Stage 5







Stage 6







Stage 7







Stage 8







Stage 9







Stage 10







Stage 11







Stage 12







Stage 13







Stage 14







Stage 15







Stage 16







Stage 17







Stage 18







Stage 19







Stage 20







Stage 21







Stage 22







Stage 23







Stage 24







Stage 25







Stage 26







Epilog







Impressum neobooks







Prolog





Ihre Augen begleiten den nächtlichen Verkehr an der Straßenkreuzung. Wie oft fuhr sie mit Sam nachts durch die Straßen, wenn Precious bei ihrem Vater war? Sie verbrachten Stunden in Sams Baby und sind einfach gefahren. Ohne Ziel, ohne Orientierung. Sie fuhren einfach. Egal wohin, nur weg. Sie redeten über vergangenes, über den Alltag, über ihre Zukunft, oder schwiegen sich an. Es war so einfach mit Sam zu schweigen. So unfassbar einfach.



Ein hupen hinter sich, holt sie in die Gegenwart zurück. Flüchtig hebt sie entschuldigend eine Hand, lässt die Kupplung kommen und fährt.



So wie die beiden es schon immer taten. Fahren.



Ihr zielloser Weg führt sie über die Golden Gate Bridge. Sie weiß nicht wo sie hin will. Sie muss einfach nur weg. Auch wenn es logischer wäre jeden Hebel in Bewegung zu setzen, um Sam aus seinen Klauen zu holen, weiß sie, dass sie nachdenken muss. Sie braucht einen klaren Kopf. Wenn sie jetzt blind auf ihn losgeht, kann das fatale Folgen haben. Zwar weiß sie derzeit nicht welche, aber ihre Intuition schlägt schon alleine bei dem Gedanken daran, Alarm.



Der schnurrende Motor des Toyotas hat eine beruhigende Wirkung auf ihre Seele. In den Momenten in denen sie nicht an Sam oder ihn denkt, geht es ihr gut. Das hält allerdings nur für Bruchteile einer Sekunde an. Sie ist zu sehr mit ihren Gedanken und Gefühlen beschäftigt.



Ihre Hände lenken den Wagen fast selbstständig. Ohne nachzudenken schaltet sie, bremst und blinkt. Alles läuft mechanisch ab. Irgendjemand zieht die unsichtbaren Fäden an ihren Handgelenken und lässt sie fahren.



So lange, bis sie ein Schild erkennen kann, das auf die Sonoma Autorennstrecke hinweist. Bald findet hier wieder ein Rennen statt.



Stimmt, Sam erzählte ihr davon. Mit leuchtenden Augen stand sie vor ihr und hüpfte wie ihre Tochter auf der Stelle herum. Sie bettelte ihre Frau regelrecht an, dass sie daran teilnehmen möchte. Sie brauchte nicht lange zu überlegen, um der Bitte ihrer Frau zuzustimmen. Natürlich würde sie Sam dort hinlassen. Und natürlich würde sie auch mitkommen. Wenn sich die Gelegenheit bietet, würde sie sogar selbst ein Rennen fahren. Vielleicht mal wieder gegen Sam? Sich mal wieder gegenseitig am Auspuff schnuppern lassen, hätte einen gewissen Reiz, der beiden Frauen unter den Fingernägeln brannte.



Gedankenverloren steuert sie den Toyota auf das Renngelände. Die Reifen begrüßen den Gummibelasteten Asphalt. Wie viele Autos hier wohl schon ihre besten Reifen gelassen haben? Aber was tut man nicht alles für eine gute Show und eine stinkende Gummiwolke?



Lächelnd rollt sie an die Startlinie. Die Viertelmeile des Drag Strip liegt dunkel und verlassen vor ihr. Wie gerne hätte sie jetzt Sam neben sich stehen? Wie gerne würde sie in ihrem silbernen Pfeil mit dem Gas spielen, um Sam herauszufordernd? Wie gerne würde sie ihr einen provokanten Blick zuwerfen, nur damit Sam ebenfalls mit dem Gas ihres Babys spielt?



Sie spürt nicht, dass ihr Fuß immer wieder auf das Gaspedal tritt. Sie hört den heulenden Motor nicht. Sie blickt einfach auf die Strecke. Sie denkt an ihre Frau und wünscht sich nichts sehnlicheres, als dass sie hier ist.



Sie umgreift den Schaltknauf fester, reißt den ersten Gang hinein, nimmt den Fuß von der Kupplung und legt ihr ganzes Gewicht auf das Gaspedal. Sofort bricht der Arsch des Toyotas aus, als die hinteren Reifen durchdrehen. Kaum haben sie Grip, frisst sich der Wagen in die Strecke. Ihr Fuß tritt die Kupplung unglaublich hart. Die Hand reißt den nächsten Gang in das Getriebe. Der Wagen zieht mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an, bis sie ihre Gefühle erneut durch die Kupplung und den Schaltknauf zum Ausdruck bringt. Ihre Augen liegen scharf auf der dunklen Strecke. Sie sieht nur so weit, wie der Lichtkegel der Scheinwerfer es zulässt. Dennoch fährt sie mit einer Geschwindigkeit, die in dieser Dunkelheit tödlich enden könnte.



Der nächste Gang wird in das Getriebe geschlagen. Gedanken an Sam und ihn prügeln sich ebenso unsanft in ihr Gehirn, wie sie einen weiteren Gang in das Auto boxt.



Gedanken die sie zerfressen. Gedanken die sie zerreißen. Gedanken die sie die Kontrolle über den Wagen verlieren lassen. Mit über hundert Meilen bricht der Wagen aus. Quietschend dreht sich der Toyota einige Male auf der Strecke. Ihre Augen fliegen hektisch hin und her. Sie erfasst die seitlichen Absperrungen der Strecke. In einem Moment tauchen sie im Lichtkegel der Scheinwerfer auf, dann erscheint wieder die Strecke. Abwechselnd spielen sie Fangen mit ihr.



Adrenalin pumpt sich durch ihren Körper. Angst übermannt sie. Panische Angst. Angst um Sam, nicht um sich selbst. Sie ist sich egal. Sie will einfach nur ihre Sam wieder haben.



Qualmend bleibt der Toyota stehen. Überall in ihrem Körper kribbelt es. Der Nacken, die Arme, der Kopf, alles. Sie atmet rasend. Die Augen weit geöffnet, blickt sie um sich, dann bricht sie in Tränen aus. Sie weiß, dass diese ganze Geschichte mit ihm kein gutes Ende nehmen wird. Und das zu wissen, zerreißt sie.



Voller Verzweiflung weint sie um Sam. Um die Tage die noch auf sie zukommen werden. Wütend, weinend und brüllend schlägt sie auf das Lenkrad. Sie schreit ihre ganze Wut und Verzweiflung heraus. Mit den Fäusten schlägt sie dann gegen das Autodach.



Warum musste das passieren? Warum können sie nicht einfach nur in Ruhe leben? Warum muss immer irgendetwas in ihrem Leben passieren, so dass sie sich gegenseitig beweisen müssen? Wieso müssen sie ihre Liebe zueinander immer beweisen? Wieso können sie nicht einfach in einem stinklangweiligen aber glücklichen Leben alt werden und zusammen sterben?



Schwer atmend, weinend und hilflos, verlassen sie ihre Kräfte. Sie sackt in sich zusammen. Wimmernd schlingt sie die Arme um sich selbst. Als sie ihre Augen schließt, sieht sie Sam vor sich. Ihr Herz schmerzt. Ihr Herz zerfetzt fast bei dem Gedanken daran, was er alles mit ihr anstellen wird. Aber Sam wird sich wehren, das weiß sie. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Egal was er ihr antun wird, Sam wird einen Weg finden, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Sam wäre nicht Sam, wenn sie zu seinem Spielzeug wird, nur weil er es so will.



»Scheiße!«, brüllt sie und schlägt noch einmal mit der Faust gegen das Autodach.













Stage 1





»Precious, lauf bitte nicht so weit weg.« Voller Sorge blickt Sam der Maus hinterher, wie sie mit ihren kleinen Füßen flink durch den dunklen Sand des Baker Beach umher rast.



Ein kurzes »Ja« wird mit dem Wind zu ihr zurückgetragen, was sie allerdings nicht beruhigt. Ihre Augen kleben an dem sechsjährigen Zwerg, die alles erkundet was ihr auf ihrer kleinen Jagd entgegenkommt. Und sei es eine einfache Muschel, die hier zu tausenden herumliegt.

 



Sonntagnachmittag und Neve kam auf die Idee, ihre beiden Süßen einfach einzupacken und an den Strand zu entführen. Sie wollte raus aus dem Trott, den sie täglich meistern. Ein Wochenende das mal wieder nur ihnen gehört. Durch ihren Job als Agentin beim FBI, hat sie mittlerweile viel zu wenig Zeit, um ein richtiges Familienleben führen zu können. Sie kommt kaum noch dazu ihre kleine Maus aufwachsen zu sehen.



»Sam?«, haucht sie leise.



»Hm?« Sams Augen verfolgen noch immer Precious' Spießroutenlauf.



Auf einer Decke sitzend, haben es sich die Frauen am Wasser gemütlich gemacht. Sie stören sich nicht daran, dass es ihnen hunderte von Familien gleichmachen. Der Strandabschnitt ist bis zum erbrechen gefüllt, was den offenen Blick auf Precious erschwert.



Weil Sam zwischen ihren Beinen vor ihr sitzt, schlingt Neve die Arme enger um die Frau die ihr Leben bedeutet und zieht sie näher zu sich heran. Ihre Lippen gleiten an Sams Ohr, was der jungen Frau, trotz der vergangenen Jahre, noch immer einen zittrigen Schauer bereitet.



»Was hältst du davon, wenn Precious jemanden hätte, mit dem sie spielen könnte? Vielleicht ein kleines Geschwisterchen?« Sam stockt spürbar der Atem. Neve kann regelrecht dabei zuhören, wie ihr Herz zu rasen beginnt.



Ganz langsam beugt sich Sam vor, löst sich aus der Umarmung und dreht sich zu ihr um. Ihre Augen treten fast aus den Höhlen.



»Ist das dein Ernst?«, flüstert sie leise. Ihre Stimme zittert leicht.



Etwas verunsichert nickt Neve. Eigentlich hatte sie sich eine andere Reaktion ausgemalt. Eine, die Jubel und Luftsprüngen etwas mehr gleicht. Stattdessen ist sie sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob es richtig war diese Frage zu stellen.



Irritiert schaut sie Sam an. Ein leichtes Lächeln bildet sich auf den vollen Lippen der Südländerin. Spitzbübisch zieht sie eine Augenbraue hoch.



»Interessant dass du das fragst.«



»Warum?« Neve ist noch immer über Sams Reaktion verunsichert. Wo bleibt die Freude?



Aus der hockenden Haltung erhebend, beugt sich Sam zu ihr und presst sich mit dem Oberkörper kräftig gegen sie, sodass beide Frauen auf der Decke zum liegen kommen.



Sams offene Haare fallen seitlich am Gesicht hinunter. Neve muss bei diesem Anblick schlucken. Sie kann es selbst nicht glauben, dass Sam noch immer diese unglaubliche Wirkung auf sie hat.



Da können sie seit drei Jahren endlich ein völlig normales Leben genießen, aber die Wirkung der Anziehungskraft jeder Frau auf die andere, hat sich kein Stück verändert, im Gegenteil. Neve glaubt, dass sie Sam mit jedem Tag mehr und mehr liebt. Falls das überhaupt noch möglich ist.



»Weil ich mir seit einer Woche die richtigen Worte überlege, um dich wissen zu lassen, dass ich mir noch ein weiteres Kind wünsche.« Sams aufleuchtende Augen begleiten ihre letzten Worte. Lächelnd aber erwartungsvoll schaut sie zu Neve hinunter. Der Jubel und die erwarteten Luftsprünge absolviert nun die Agentin. Ihre Augen schimmern vor Glück und Freude.



»Wirklich? Bist du dir sicher?«, krächzt sie und versucht ihre Stimme zu halten, damit diese nicht von den aufkommenden Tränen erstickt wird. Wortlos nickt Sam. Ihre Augen beantworten jede weitere Frage, die Neve ihr stellen könnte.



Keine Worte könnten die Fragen beantworten. Blicke reichen. Das taten sie bei Sam und Neve schon immer. Vieles was sie erlebt und durchlebt haben, konnten sie mit Blicken und gewissen Ausdrücken in den Augen schweigend unter sich klären. Niemals hätte Neve geglaubt, dass man auch auf so eine Art kommunizieren kann. Sie war es immer leid so viel reden zu müssen. Oftmals war sie es sogar leid den Mund zu öffnen. Sie hatte keine Lust dazu. Sie wollte nicht immer reden, sondern einfach nur handeln. Und mit Sam ist das alles so einfach geworden. Oft reicht nur ein Blick und sie wissen was sie denken, fühlen und meinen. Die Frauen sind füreinander wie ein offenes Buch. Jede kann in der anderen lesen, ohne eine Barrikade vorzufinden. Keine hindert die andere daran, in deren Gedanken und Gefühlen zu lesen. Und das alles über die Augen ausdrücken zu können, ist für Neve eine Tatsache, die sie manchmal bis heute noch nicht glauben kann.



Neves Hände zittern vor freudiger Aufregung, als sie nach Sams Gesicht greift und diese göttliche Frau zu sich herunterzieht, um ihr Glück mit einem innigen Kuss zu besiegeln.



Sie spürt an ihren Lippen, dass Sam lächelt. Auch sie lächelt. Sie fühlt sich in diesem Augenblick so glücklich wie schon lange nicht mehr. Zu wissen, dass sie mit Sam zusammen ihre eigene kleine Familie weiterwachsen lassen will, beschert ihr einen fantastischen Rausch an Glücksgefühlen.



Diese werden allerdings abrupt vernichtet, als Sams gesamter Körper mit einem harten Ruck auf ihren gepresst wird. Schlagartig wird Sam um einige Kilo schwerer. Ein jauchzendes Kindergeschrei ertönt, als sich Precious mit vollem Körpereinsatz auf Sams Rücken wirft.



Sam reißt sich prustend von Neve los und blickt nach hinten. Ihre Augen leuchten noch immer.



»Du kleiner Schlawiner«, grinst sie verzückt, als ihre Augen Precious erfassen.



»Na warte, dich schnappe ich mir.« Mit einem lauten Quieken springt Precious auf die Beine und rennt flink vor ihren Müttern davon.



»Ich kriege dich«, jauchzt Sam, als sie ebenfalls vom Boden aufspringt und den Zwerg verfolgt.



Langsam erhebt sich Neve aus der liegenden Haltung und beobachtet ihre beiden Süßen. Wie ein Wiesel rennt Precious kreischend und quietschend vor Sam weg, die ihr in einem angemessenen Tempo hinterher eilt. Bewusst bewegt sie sich etwas langsamer in dem Sand, um Precious ein kleines Erfolgserlebnis geben zu können.



Aber selbst wenn Sam das nicht tun würde, könnte der Zwerg ihr immer wieder gewandt durch die Finger flutschen. Die kleine Maus stellt sich richtig raffiniert an, ihrer Mutter zu entkommen.



Lachend rennt Precious vor Sam weg und bringt Neve somit dazu, Tränen vor Freude in die Augen treten zu lassen. Sie fühlt sich so lebendig und vollständig, dass es eigentlich kaum noch besser werden könnte. Der Gedanke an ein weiteres Kind, beflügelt dennoch ihre Gedanken und Emotionen. Ja, ein weiterer kleiner Hosenscheißer wäre schon schön.



Belustigt beobachtet sie die zickzackartige Verfolgungsjagd, bis Sam Precious tatsächlich zu packen kriegt. Auch wenn der kleine Lockenkopf schon einige Kilo schwerer geworden ist, scheint es für Sam kein Problem darzustellen, die Maus von den Füßen zu reißen und sie etwas in die Luft hochzuschmeißen. Precious jauchzt vor Freude, Sam strahlt sie voller Glück an. Ihre Hände fangen den Zwerg geschickt wieder auf, als die Schwerkraft an dem kleinen Kinderkörper zerrt.



Lachend setzt sie Precious auf dem Boden ab. Sie beugt sich zu ihr hinunter und sagt ihr irgendetwas ins Ohr. Gleich darauf blicken beide zu Neve zurück. Als ihr aufgrund dessen bewusst wird, was die beiden vorhaben, bekommt sie große Augen.



»Oh oh.« Trotz ihres fortgeschrittenen Alters, schafft es Neve blitzschnell auf ihre Füße zu kommen, als Precious und Sam kreischend auf sie losrennen. Lachend tragen Neves Füße sie durch den Sand, während sie voller Freude vor ihren Frauen wegrennt.



»Los Precious, schnapp sie dir«, feuert Sam ihre Tochter an. Quietschend rennt Neve wie ein Wiesel über den Strand. Bewusst einen Schritt langsamer damit ihr Zwerg hinterherkommt, aber dennoch schnell genug, um nicht in Gefangenschaft zu geraten.



Gackernd flieht Neve weiter, bis sie sich urplötzlich umdreht, die Arme ausstreckt und die ahnungslose Precious blitzschnell schnappt, die ihr ungebremst in die Arme rennt.



»Hab dich«, kichert sie. Eine Salve von Küssen prasseln auf Precious' Wangen herab, bis Sam neben den beiden auftaucht.



»Na das werden wir nochmal üben, nicht wahr Schatz?«, lacht sie und wuschelt Precious über die kräftigen Locken. Auch sie knutscht ihren Zwerg von oben bis unten ab, bis sie ihr Handy zückt.



»Kommt, Familienfoto.« Sam schiebt ihre beiden Frauen eng zusammen und hält das Handy ein wenig höher. Ohne ein Sag-mal-Cheese Kommando, grinsen die drei um die Wette in die Kamera, bis Sam den Auslöser drückt. Stolz betrachtet sie das gemachte Foto. Ihre Augen beginnen zu leuchten, als sie auf das Display blickt.



»Perfekt.« Freudig lächelt sie Neve an, haucht ihr einen Kuss auf die Lippen und lässt nebenbei eine Hand über deren Rücken wandern. Sofort prescht eine Gänsehaut über Neves Haut, die elektrisierend auf sie wirkt. So viele Jahre sind vergangen. So viele Dinge sind in ihrem gemeinsamen Leben passiert und dennoch hat nichts davon es geschafft, diese einzigartige Magie zwischen den beiden Frauen zu zerstören. Diese ist noch immer präsent. Für beide selbst spürbar, für andere sichtbar.





***





Mit dem Beginn des Sonnenuntergangs, rollt der Mercedes Kombi auf die kleine Auffahrt ihres Hauses.



Neve und Sam waren sich schon wenige Tage nach ihrer Rückkehr einig, dass Sams entworfenes und gebautes Haus einfach nicht für eine Familie geeignet war. Es war traumhaft, es war einmalig, es war ein Stück Neve und Sam. Aber für eine Familie war es einfach nicht tauglich.



Somit verkauften sie schweren Herzens diesen kleinen Lebensabschnitt und kauften sich ein Haus, das etwas näher an Matt, Laura und Jessica lag. Sie bauten es noch nach ihren Wünschen und Vorstellungen aus und dann stand dem Einzug nichts mehr im Weg.



Anstatt wie bei allen anderen Häuser in dieser Straße, besaß das Haus der beiden Frauen nicht ein oder zwei Garagen, sondern übertriebene sechs. Zwei für die jeweiligen Otto-Normal-Verbraucher Autos. Diese wurden normal zur Straße gebaut, während die anderen nach hinten zum Grundstück hin seitlich erbaut wurden. Zwei ausgestattet mit einer kleinen persönlichen Auto Werkstatt für Sam, eine für ihr 67´er Mustang Baby und eine für Neves silbernen Pfeil.



Die Anzahl der Zimmer im Haus, lässt sich als normaler Standard einstufen. Jedenfalls für Multi-Millionäre in Amerika. Acht Zimmer an der Zahl beherbergt dieses Haus. Wohnzimmer, Gästezimmer, Esszimmer, Schlafzimmer, Preciuos' Zimmer, ein Spielzimmer für den Zwerg wo auch Damon drin schläft, wenn er das Wochenende bei seinen Tanten verbringt, ein gemeinsames Büro und ein Zimmer in dem sich Sam mit ihrem Atelier ausgebreitet hat. Drei Badezimmer und der sonstige ganz normale Wahnsinn.



Sam brauchte einige Zeit bis sie sich an diesen normalen Standard gewöhnte, lebte aber dennoch schnell genug in ihren vier Wänden auf.



Von außen wirkt das Haus keineswegs, als wenn dort zwei Hunde wohnen würden. Es sieht ungezwungen normal aus. Auch würde keiner erahnen, dass dort zwei Frauen leben, die Millionenschwer sind. Keine der Frauen kümmert sich sonderlich um das Vermögen, das sie umgibt. Sie nehmen es einfach hin und sind froh darüber, nie wieder in ihrem Leben Geldsorgen haben zu müssen.



Weshalb also in einem prunkvollen Haus wohnen, was eventuell einige menschliche Probleme anlocken könnte? Nein, die beiden sind zufrieden mit ihrem Leben.





***





Am nächsten Morgen schnauft Sam wie ein wild gewordener Stier, als es an der Haustür klopft. Weil Neve alle Händevoll damit zutun hat, Precious in die Kleidung der Pacific Academy Privatschule zu stopfen, stampft Sam zur Haustür. Mit einem kräftigen Schwung reißt sie diese auf und macht auf dem Absatz wieder kehrt. Sie braucht die Person nicht zu sehen die geklopft hat. Sie braucht sie weder zu begrüßen, noch herein zu bitten. Jill kennt den Weg.



Sam wandert in die große Küche zurück, wo sie sich gleich daran macht, Precious' Brotdose in den Schulranzen zu verfrachten.



»Guten Morgen, Jill«, begrüßt Neve ihre Kollegin lächelnd. Diese hält einen sicheren und gesunden Abstand zu Sam und bleibt im Türrahmen stehen. Sie nickt lediglich. Ihre Augen wandern unsicher zu der Südländerin herüber.



Gekonnt ignoriert die junge Frau die Anwesenheit der Porno-Blondine. Obwohl, bei genauerem betrachten ist davon nicht mehr viel übrig geblieben. Jill trägt einen schwarzen Anzug, eine weiße Bluse und dunkle Schuhe. Ihre blonden Haare hat sie zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden.



Nachdem sie damals die Seelenwanderung von Neve erklärt bekam, wandelte sich ihr Leben einige Monate danach um hundertachtzig Grad. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr sich aufzubrezeln. Sie wollte nicht mehr auf Meterhohen Schuhen laufen und ihr Gesicht jeden Tag zuspachteln. Aus ihr wurde nach einigen Wochen eine neue und völlig normale Jill.



Auch Matt beobachtete sie einige Zeit. Er verfolgte sie. Er verfolgte sie und Neve, wenn diese als Hund in der Nacht einige Dinge laufen ließ. Er sah unheimlich viel Potential in diesem Playboy-Bunny, die ihre weiblichen Vorzüge immer im richtigen Moment einzusetzen wusste. Somit war es für ihn irgendwann keine Frage mehr. Er nahm Jill mit in das Rudel auf. Sie war nun also ebenso ein Hund, wie alle anderen auch.

 



Sehr zum Leidwesen von Sam. Insgeheim wünschte sie sich, dass der Tätowierer damals versehentlich abrutschte und das Five Dog Tattoo zu einer grausamen Missgeburt verunstaltete. Aber der gute Mann war wie immer professionell und präsentierte nach einiger Zeit einen neuen Hund in Jills Nacken.



Dass dieses Blondchen nun aber mit einem Holster ausgestattet und einer Kette um ihren Hals, an der ihre FBI Marke baumelt, bei Sam und Neve im Haus steht, hat sie Neve zu verdanken. Ebenfalls sehr zu Sams Missfallen.



Als Neves Partner vor zweieinhalb Jahren in die Abteilung für Sexualdelikte wechselte, sah sie eine Chance Jill einen brauchbaren Job zu geben. Viel konnte sie ja nun leider nicht aufweisen. Außer einen verdammt klugen Kopf und ein gutes Gespür. Somit dauerte es nicht lange, bis Jill ihre Ausbildung bei der Polizei und danach beim FBI absolvierte und nun seit einigen Monaten als Neves Partnerin an ihrer Seite die Straßen etwas sauberer hält.



Sam kann mit diesem ganzen Theater einfach nichts anfangen. Sie ist Jill gegenüber so kalt, dass sie ihr noch nicht einmal einen Kaffee anbietet, während sie auf Neve wartet.



Ihre Frau weiß natürlich weshalb diese Antipathie zwischen den Frauen besteht. Sam geht es gar nicht darum, dass Neve damals mit Jill geschlafen hat, nein. Der Grund dafür ist erst zwei Wochen alt.



Als Neve nach Feierabend nach Hause kam, erzählte sie Sam, dass Jill am Nachmittag versucht hätte sie zu küssen. Sie wollte einfach ehrlich sein und kein schlechtes Gewissen haben müssen, weil eine unausgesprochene Geschichte zwischen ihnen stand.



Voller Wut schmiss Sam damals den Kochlöffel in den Topf zurück und fegte an Neve vorbei aus der Küche und dem Haus. Als die Agentin gleich darauf den Motor von Sams Wagen hörte, wusste sie was passieren würde. Mit einer fließenden Handbewegung stellte sie den Herd aus, sprang in ihren eigenen Wagen und folgte ihrer Frau.



Ohne auch nur auf eine Verkehrsregel zu achten, raste Sam durch den frühen Abend. Neve fuhr ihr hinterher und versuchte sie immer wieder zu überholen. Es war aber ein Kampf gegen Windmühlen. Das hier war kein illegales Straßenrennen. Das hier war pure Eifersucht. Rasende und tobende Eifersucht. Neve hätte es also niemals geschafft, Sam zu überholen. Sie konnte ihr nur folgen.



Wegen einer belebten Kreuzung, verlor sie für einen Moment den Anschluss zu Sam, fuhr aber schon wenige Minuten später in Jills Straße. Ihre Augen erfassten eine tobende Sam, die aus ihrem Wagen sprang und auf Jills Haustür zuraste. Sie machte sich noch nicht einmal die Mühe ihren Wagen auszustellen. Auch legte sie unterwegs ihre guten Manieren ab. Ohne zu klopfen oder zu klingeln, riss sie die Haustür auf.



Weil Jill selbst erst vor einigen Minuten zuhause ankam, drehte sie sich erschrocken um, als jemand ungebeten in ihrem Haus auftauchte. Zur Verteidigung griff sie nach ihrer Waffe, ehe sie sah, dass es sich bei dem Eindringling um Sam handelte. Sie konnte allerdings nicht so schnell agieren, wie Sam plötzlich nach ihrem blonden Kopf griff und diesen mit aller Kraft gegen den Spiegel der Kommode schlug.



Neve erreichte die offenstehende Haustür erst, als etwas scheppernd zerbrach. Erschrocken blickte sie in Jills Haus. Sie sah wie ihre Kollegin zu Boden sank. Bei Bewusstsein, aber am Kopf blutend.



Schnaubend und mit geballten Fäusten stand Sam vor ihr.



»Sam!«, keifte Neve, betrat das Haus und kniete sich zu ihrer Kollegin. Besorgt schaute sie sich die Wunde an, die der zerbrochene Spiegel mit sich brachte. Wütend warf sie ihre Augen zu ihrer Frau zurück.



»Das war nicht nötig, Sam. Ich habe dir gesagt, dass nichts passiert ist und sie sich entschuldigte. Was sollte das?«



»Das ist mir scheiß egal! Diese Schlampe versucht doch schon seit Jahren an dich ranzukommen!«



»Das ist nicht wahr Sam und das weißt du.« Während sich Jill stöhnend den Kopf hielt, erhob sich Neve und trat an ihre Frau heran.



»Soll ich dir sagen was ich weiß?«, schnaubte Sam. Ihre Nasenflügel bebten vor Wut.



»Ich weiß, dass sie dich ficken will. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, weißt du, dass du das auch willst.« Erschrocken riss Neve die Augen weit auf.



»Sag mal, spinnst du jetzt völlig?« Ihre Stimme bekam einen gefährlichen Unterton.



»Das ist eine unverschämte Lüge. Was unterstellst du mir?« Sam trat so dicht an Neve heran, dass diese das Parfüm ihrer Frau aufnahm. Wenn diese derzeitige Situation nicht geherrscht hätte, wüsste sie, was sie am liebsten gemacht hätte.



»Du kannst es ruhig zugeben, Neve. Du willst sie doch. Schon vor meiner Zeit hast du alles flachgelegt was du kriegen konntest. Und selbst nach unserer Rückkehr konntest du es nicht sein lassen. Bei der erstbesten Gelegenheit hast du für sie die Beine breitgemacht.« Sams zischende Worte trafen Neve hart.



»Sam!«, knurrte sie aufgebracht.



»Bist du noch ganz bei Trost? Du weißt, dass ich damals nicht ich selbst war. Du tust mir unrecht. Das ist nicht fair.« Sams Antwort auf Neves Kommentar war ein verachtendes Schnauben. Sie drehte sich um, verließ wutentbrannt das Haus, warf sich in ihren Wagen und fuhr mit qualmenden Reifen in den Abend.



Vor Wut und Enttäuschung zitternd, stand Neve noch einige Momente regungslos da, bis sie sich um ihre Kollegin kümmerte.



Der Rest des Abends war gelaufen. Sam kam nicht nach Hause. Neve stand alleine im Haus und kümmerte sich um Precious, die mit vollem Magen von Laura zu Hause abgesetzt wurde. Sie brachte die Maus ins Bett, schaute ein wenig fern, arbeitete noch etwas am Computer und kroch dann selbst irgendwann ins Bett.



Erst kurz bevor die Sonne am nächsten Tag aufging, hörte sie, wie sich die Schlafzimmertür öffnete. An Schlaf war eh nicht zu denken. Die ganze Zeit dachte sie über Sams Worte nach. Ja, sie schlief damals mit Jill, aber das war zu ganz anderen Begebenheiten. Jetzt würde ihr das niemals wieder in den Sinn kommen. Für sie gab es nur noch Sam. Sie und keine andere. Bisher glaubte sie immer, Sam dieses Gefühl auch übermittelt zu haben, dass sie die einzige Frau in ihrem Leben sei. Aber scheinbar strengte sie sich nicht genug an, oder sie war einfach zu blöd dafür.



Angespannt spürte Neve, wie Sam in das Bett kroch. Vorsichtig und zaghaft rutschte sie von hinten an ihre Frau heran. Neve wollte sich nicht umdrehen. Sie stellte sich schlafend. Sam musste auch mal spüren, dass ihr Verhalten manchmal mehr als unangebracht war.



Ihre Worte »Es tut mir leid. Entschuldige bitte« ließen diesen Vorsatz allerdings wie eine Seifenblase im Nu platzen.



Langsam drehte sich Neve dann doch zu ihr um. Schweigend schaute sie ihr in die Augen. Die Augen in denen sie sich immer wieder aufs Neue verlor. Sie weiß bis heute nicht wie Sam das macht, aber ein Blick reichte und sie wurde zu Wachs in ihren Händen.



Ohne ein Wort miteinander zu sprechen, diskutierten die Frauen mit Blicken über dieses Thema, bis Sams Blick unglaublicher Scham wich.



Neve kannte ihre Eifersucht. Sie wusste wie rasend ihre Frau werden konnte. Aber der vergangene Abend war tatsächlich das höchste Maß an Eifersucht, was Sam jemals an den Tag legte.



»Du bist unmöglich«, flüsterte sie hauchend. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Sam war hingegen nicht nach einem Lächeln zumute. Auch ohne Neves Blick wusste sie, dass sie Scheiße gebaut hatte. Verdammt große sogar.



Bevor Sam aber in ihren Schuldgefühlen versinken konnte, rutsche Neve mit einer fließenden Bewegung zu ihr herüber. Mit ihrem ganzen Körper legte sie sich auf Sam. Schweigend betrachtete sie das Gesicht ihrer Frau.



»Eigentlich dachte ich bisher, dass ich dir genug Aufmerksamkeit schenke und dir beweise, dass du alles bist was ich will. Der gestrige Abend zeigte mir allerdings, dass es offensichtlich nicht genug ist.« Neve zog hämisch eine Augenbraue hoch.



»Du lässt mir also keine andere Wahl, als dir zu zeigen, wie sehr ich ganz alleine nur dich will. Und das auf ewig.« Sie senkte etwas den Kopf und blickte an Sams Körper entlang. Es missfiel ihr, dass ihre Frau vollständig bekleidet im Bett lag. Es schien fast so, als wenn sie keine Zeit verlieren wollte, um sich bei Neve zu entschuldigen.



Neve hob den Blick, schaute ihre Frau hinterlistig grinsend an und griff nach