DAS GRANDHOTEL

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Aus der Reihe: Mystery #1
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„Aber wir haben doch damit gar nichts zu tun, wir haben doch der Natur nichts entrissen!“, rief sie hilflos in den Saal.

„Hier in den Bergen sind wir jeden Tag der Natur ausgesetzt und wir alle müssen eben ausharren bis das Schneegestöber und der Sturm aufhört und wir befreit werden von den Schneemassen und den Steinen. Es wird alles daran gesetzt, dass dies bald geschehen wird“, beruhigte der Hoteldirektor die Gäste.

Alsbald wurde nun auch diese Leiche in den Eiskeller gebracht und alle versammelten sich wieder im Grand Salon, wo aber inzwischen das Kaminfeuer ausgegangen und es ziemlich kalt im Raum war.

„Am besten, Sie gehen jetzt in Ihre Zimmer und wärmen sich dort auf. Vanessa und Vincent bringen Ihnen noch einen Schlaftrunk, einen heißen Tee oder einen heißen Zitronensaft, heiße Milch oder Kakao“, bemerkte der Hoteldirektor und verschwand dann hinter diesem grässlichen Vorhang mit den darauf gemalten Schlangen und Affen.

Ulla Sommer ging als erste in ihr Zimmer, wo es wirklich noch wohlig warm war, denn sie konnte den Anblick dieser Menschen nicht mehr ertragen.

„Wie sie das schaffen, dass die Zimmer noch geheizt werden, das ist mir genauso ein Rätsel, wie die beiden Morde“, sagte sie laut vor sich hin, um sich auch etwas zu beruhigen und sich Mut zuzusprechen.

Dann wollte sie auf dem Handy noch ihren Mann anrufen, aber es ging wirklich nichts mehr. Das Handy blieb so tot, wie dieser tote Arnim Hermann und dieser tote Axel Lehmann, die nun im Eiskeller ihr totes Dasein fristeten.

Irgendwann schlief sie vor lauter Müdigkeit ein. Auf einen Schlaftrunk hatte sie allerdings nicht verzichtet.

Kapitel 6

Vor ihr saßen viele Menschen. Es kam ihr vor, dass sie in einem Gerichtssaal war. Aber sie sah keine Richter und keine Staatsanwälte und keine Verteidiger in ihren schwarzen Roben. Am großen Tisch saßen nur Wichtel mit ihren Wichtelmützen, die hatten aber zum Teil andere Farben, manche waren blau, manche rot.

So rot wie die Häscher der französischen Revolution, überlegte sie. Ja, sie erkannte, dass eine gewisse Revolution im Gange war, nur wusste sie nicht welche, die badische Revolution von 1848, die Oktoberrevolution von 1918 oder gar die Französische Revolution von 1789. Gegen wen und was rebellierten die Leute oder sie? Diese Frage konnte sie nicht beantworten.

Die Leute fuchtelten in diesem Gerichtssaal mit ihren Händen wie wild herum. Nur sie saß ganz still auf ihrem Platz und war die Ruhe in Person. Vor ihr tauchte ein großer hässlicher Kopf auf, der ihr schien, als wäre er eine Teufelsfratze, die sie anblickte und zu ihr sagte: „Sie solle das Haus verlassen!“ Das Gesicht einer Frau tauchte ebenfalls auf. Und auch sie war sehr aufgeregt. Doch dieser Mann mit der Teufelsfratze ging auf diese Frau mit den blonden Haaren zu und hielt sie zurück.

Plötzlich kamen zwei Polizisten herein, es waren Männer in Uniform, das sah sie ganz deutlich und sie war froh, dass diese Männer nun gekommen waren. Aber der Mann mit der Teufelsfratze und die Frau mit den blonden Haaren gingen gleich nach draußen mit den beiden Männern und redeten wie wild auf diese beiden Polizisten ein. Sie hörte nur, dass über ölgeschädigte Wohnungen gesprochen wurde. Aber alles schon bei einem Anwalt in den besten Händen liegt.

Noch immer saß sie ganz ruhig auf ihrem Stuhl. Eine Frau saß ihr gegenüber an einem Computer und nahm überhaupt keinen Anteil oder keine Notiz von der ganzen Geschichte. Ob sie überhaupt diese ganze Situation wahrgenommen hatte? Sie, die vielleicht Schuld hatte, zumindest zum Teil an dieser Geschichte. Vielleicht hatte sie in einer Laune heraus gedacht, da könnte ja noch etwas Öl in den Tank gepresst werden. Doch weshalb hat man nicht nachgerechnet? Weshalb wurde überhaupt Öl bestellt? Es war doch genügend Öl in den Tanks. Diese unselige Ölbestellung, die nur ausgeführt wurde, damit eine gewisse Mengenanzahl zustande kam, hatte ihrem Paradies mehr als geschadet, es hatte ihr Paradies ausgelöscht, wie Wasser oder Feuer, das auf Häuser und Menschen niederprasseln kann. Die Situation in diesem Gerichtssaal war irgendwie abstrus und grotesk fand sie, die immer noch auf ihrem Stuhl brav ausharrte.

Dann kam einer der Polizisten und führte sie nach draußen auf einen Parkplatz, auf dem viele Bäume standen. Dort stand auch ihr Auto. Sie war immer noch ganz ruhig. Ein Mann auf einem Balkon gegenüber beobachtete die Szene. Der eine schwarzhaarige Polizist war nett, der andere hatte nur schlechte Laune. Nicht mal richtig schreiben konnte der. Der hatte etwas anderes vor und diese ganze Geschichte war ja auch wirklich suspekt. Weshalb wurde dieser Mann überhaupt versteckt und weshalb sagte seine Frau, dass er noch dort arbeiten würde? Weshalb das alles? Da konnte man ja direkt verrückt werden, weil überhaupt alles so unwirklich und unwahr ablief.

Immer wieder sagte sie ihr Sprüchlein, wie auswendig gelernt, auf. Doch der Polizist konnte damit nichts anfangen. Irgendwie konnte sie ihn ja auch verstehen. Aber gesehen hatte der nette schwarzhaarige Polizist alles und auch registriert, denn dann wollte er ja die Akten sehen. Diese Akten, die sich in ihrem Arbeitszimmer anhäuften, wie der Turmbau zu Babel.

Der Name des Gesuchten fiel ihr sofort wieder ein, aber er verschwand dann auch wieder aus ihrem Gedächtnis. Dann kamen die Männer mit einer weißen Uniform und einer hatte eine Spritze in der Hand, das sah sie ganz genau.

Sie wollte sich wehren, aber sie konnte es nicht. Ihre Hände waren plötzlich nicht mehr da und aus ihrem Mund quoll Wasser, Blut und Schleim. Aus ihren Augen rollten die Tränen, die unaufhörlich über ihr Gesicht und in ihren offenen Mund tropften. Zwei Zähne fehlten, als sie mit ihrer Zunge ihren Mund inspizierte. Das spürte sie noch, dann war Nacht um sie herum, grauenvolle dunkle Nacht.

Kapitel 7

Als Ulla Sommer am anderen Morgen aufwachte, war sie wie gerädert. Am liebsten wäre sie gar nicht aufgestanden, so schlecht fühlte sie sich.

„Ich glaube, das Essen ist mir gestern Abend gar nicht gut bekommen“, murmelte sie leise vor sich hin.

Sie schaute nur nach draußen in diesen von Schneewehen verhangenen Himmel.

Auf was habe ich mich da eingelassen?, dachte sie und legte sich wieder auf die Seite.

„Ich glaube, es ist wieder Zeit für einen Winterschlaf!“

„Doch alles Grübeln hilft nichts“, meinte sie und hüpfte dann schnell aus dem Bett. „Nicht, dass ich es mir noch anders überlege“, murmelte sie weiter. Doch ihre Miene hellte sich nicht auf. Irgendwie war sie todunglücklich, sie wusste aber nicht warum. Die beiden Morde berührten sie schon, aber sie kannte diese Personen nicht und weshalb man sie überhaupt umgebrachte hatte, konnte sie sich auch nicht erklären.

Natürlich waren die beiden Toten, die da im Eiskeller lagen, zu betrauern. Aber eine Trauer kam bei ihr gar nicht richtig auf. Es waren für sie zwei Eisklötze, die da unten im Eiskeller lagen. Sie kannte die beiden auch nicht, diesen ziemlich wortkargen Arnim Hermann und diesen Axel Lehmann, der sie immer wieder und wieder angestarrt hatte mit seinem durchdringenden Blick, als wäre die Erinnerung an ihre Bekanntschaft bei ihm wieder aufgeflammt und zurückgekommen.

„Ich habe diesen Menschen schon irgendwo gesehen, vor allem diesen Blick kenne ich, nur weiß ich nicht woher?“, merkte sie kurz an, denn dieser tote Axel Lehmann ging ihr nicht aus dem Sinn. Doch dann begab sie sich in das Badezimmer, um mit der Morgentoilette zu beginnen. Der warme Strahl des Wassers, der auf ihren Körper herunterprasselte, fühlte sich wunderbar an. Er durchströmte sie wie ein warmer Wasserfall, der aus der Tiefe eines Vulkangesteins aufgestiegen war und sie einhüllte, wie in einen vorgewärmten Bademantel, in den sie nach dem Duschen gleich schlüpfte. Wohlig warm kuschelte sie sich in seine unergründlich tiefen Falten und legte sich noch schnell auf das Bett. Sie war noch nicht bereit zum Aufstehen. Aber dann gab sie sich doch einen Ruck und sprang vom Bett auf wie ein junges Mädel zum ersten Rendezvous.

Für den heutigen Tag wählte sie eine dunkelblaue Jogginghose, die heute selbst abendtauglich waren und dazu einen saloppen sandfarbenen Pullover. Als sie dann leicht geschminkt in den Spiegel blickte, war sie mit ihrem Äußeren zufrieden.

Eine dicke Flauschjacke zog sie auch noch an, denn es fröstelte sie schon, wenn sie daran dachte, was der Tag heute wieder bringen würde und wer womöglich heute wieder ermordet werden würde.

Sie steckte auch schon gleich ein Buch in ihre Tasche, das sie nach dem Frühstück lesen wollte. Es war ein Krimi von Agatha Christie, ihrer liebsten Kriminalautorin. Der Titel „Das Böse unter der Sonne“ gefiel ihr ausnahmsweise nicht so, aber er passte eigentlich zur Situation in diesem Hotel. Ein Hotel war in diesem Krimi, wie das GRANDHOTEL, auch vorhanden, doch die Sonne fehlte hier seit Tagen. Das Böse weilte hier wohl eher in den grauweißen Schneewolken, die einfach nicht weiterziehen wollten und das Hotel wie mit einem dichten, weißen Nebel umhüllten.

Als sie die Treppe hinunterstieg, sah sie schon einige Gäste der OIL-Gruppe an der Rezeption stehen. Annette Fischer sah sie zuerst und auch Claudine Meister, die den Rollstuhl von Renate Hermann schob. Ihr lief dieser Karl Feistel mit seinem zusammengebundenen Rattenschwänzchen wie ein Hündchen hinterher.

„Die beiden kennen sich aber sehr gut“, murmelte Ulla Sommer vor sich hin und fast wäre sie mit Albert Rehlein zusammengestoßen, der sie mit seinen großen Glubschaugen nur von der Seite her musterte.

 

Diese Augen habe ich auch schon einmal gesehen und auch das Gesicht, das mir einmal sehr nahe war, dachte sie. Gleichzeitig ärgerte sie sich aber auch, dass sie sich so mit diesen Menschen beschäftigen musste. Dabei zuckte sie auch ein bisschen zusammen, denn diesen fordernden Blick dieses Herrn Rehlein kannte sie ganz genau. Nur fiel es ihr wieder nicht ein, wo sie diesem Blick schon einmal standgehalten und Paroli geboten hatte.

Dann nahm sie kurzerhand an ihrem Tisch Platz und setzte sich neben Peter Bloch, der nur kurz aufsah, als sie ihm einen „Guten Morgen“ wünschte.

„Hoffentlich bleibt der Morgen auch gut?“, sagte Bloch sarkastisch, entgegnete aber nur diesen einen Satz, nicht mal einen Blick warf er ihr zu oder wünschte ihr einen schönen Tag.

Ulla Sommer schüttelte nur den Kopf, denn sie wusste nicht, weshalb Peter Bloch plötzlich so einsilbig zu ihr war. Sie hatte doch gar nichts verbrochen, sondern ihm nur einen schönen guten Morgen gewünscht.

Schweigend wurde dann das Frühstück eingenommen und an den beiden Tischen hing jeder wieder seinen eigenen Gedanken nach.

Plötzlich tauchte auch der Direktor, Monsieur Laurent, im Frühstückszimmer auf und sah etwas irritiert den schweigsamen Gästen zu.

„Weshalb sind Sie denn so schweigsam, gefällt es Ihnen nicht bei uns?“, wandte er sich gleich an die Gäste, die nur kurz aufblickten und ihn mit seltsamen Augen musterten.

Claudine Meister wollte als erste wissen, weshalb immer noch kein Kommissar aus Zürich eingetroffen war. Auch Klara Breuer, die bisher noch nicht viel gesprochen hatte, warf ein, dass sie diese Situation ihrem Blutdruck nicht mehr länger zumuten konnte und am liebsten sofort abreisen würde.

„Wir können doch die Toten nicht ewig da unten liegen lassen, in diesem Eiskeller“, meckerte Claudine Meister wieder in ihrem schwäbischen Dialekt. Ulla Sommer hatte jedoch nicht das Gefühl, dass ihr die beiden Toten so richtig Leid taten. Ihr ging es ja genauso, aber sie zeigte es nicht so offensichtlich.

Sie tut immer so fürsorglich, aber das sind die schlimmsten, die wetzen ihre Messer täglich, überlegte sie, sagte aber nichts, sondern beobachtete nur, wie diese Meister wieder Beifall heischend um sich blickte.

„Da unten ist es kühl, da kann man sie gut lagern“, entgegnete nur kurz der Direktor.

„Die Polizei ist bestellt. Sobald sich das Wetter bessert, kommen auch die Herren aus Zürich“, informierte der Direktor weiter. „Auch ein Hubschrauber kann bei diesem Wetter nicht landen“, meinte er noch.

Ulla Sommer, Peter Bloch und Albert Rehlein sowie Norbert Neurer saßen weiter schweigend am Tisch und waren mit dem Kauen ihrer Brötchen beschäftigt. Man sah nur wie ihre Kiefer arbeiteten, als wollten sie Holz zersägen, das es da draußen in Hülle und Fülle gab. Aber es war kein Durchkommen in diesem Tal, die Hölzer lagen aufgestapelt und warteten auf die Abholung, genauso wie die Menschen in diesem Frühstückssaal.

Sonja Netter warf nur einen kurzen Blick zu Annette Fischer und Josef Haas, der auch nie von der Seite von Annette Fischer wich. Auch Claudine Meister hatte ihren Blick gesehen. Aber letztere entgegnete nichts. Vielleicht hatte sie ja schon zu viel gesagt. Diesen merkwürdigen Blick, den sich die Gäste an Tisch Zwei zuwarfen, hatte natürlich auch Ulla Sommer aufgenommen, die nur mit ihren Augen zuckte und sich in ihren Stuhl zurücklehnte. Diese Frauen, die kennen sich alle, überlegte sie.

Dann kam der Direktor direkt auf ihren Tisch zu und schaute sie etwas fragend an. Sie wurde immer unsicherer, denn sie konnte den Blick, den ihr der Hoteldirektor zugeworfen hatte, nicht einordnen. Aber sie kannte diese Blicke nur zur Genüge. Sie hatte sie oft wahrgenommen. Nur wo wusste sie nicht mehr. Deshalb ist ihr auch dieser Blick des Direktors entglitten. Sie wollte nicht daran erinnert werden. Bei diesen seltsamen Blicken der Gäste, die nichts ausdrückten, sondern nur Verwirrung stifteten, spürte sie einen heftigen Schmerz in ihrer Brust. Hoffentlich spielt mein Herz nicht verrückt, überlegte sie weiter, denn sie spürte schon wie es anfing zu rasen.

„Was will denn dieser Kerl von mir, so langsam kommen mir diese Menschen in dieser Gruppe und das ganze Theater hier mit den Toten und dem zurückliegenden Mordfall völlig irrsinnig und suspekt vor“, murmelte sie und trank langsam Schluck für Schluck ihre Kaffeetasse aus.

Als sie mit dem Frühstück fertig war, packte sie ihre Tasche sowie ihre Jacke und ging in das Kaminzimmer, das ihr dunkler vorkam an diesem Morgen, nicht wie sonst an den anderen Tagen. Das Mahagoni-Holz, das in diesem Zimmer als Täfelung vorherrschte, wurde ihr richtig unheimlich. Da war ihr das grelle Neonlicht im Frühstücksraum immer noch sympathischer, als dieser Mahagoni-Holzton, der dieses Zimmer einhüllte. Auch die Bilder an den Wänden, Nachahmungen bekannter französischer Impressionisten, trugen auch nicht durch ihre Leichtigkeit und ihren Charme zu einer Besserung der Stimmung in diesem Raum bei.

Etwas umständlich kramte sie in ihrer Tasche, bis sie schließlich das Buch entdeckte, den Krimi von Agatha Christie, wo das Böse unter der Sonne ebenso zutage trat, wie hier in diesem finsteren Hotel, das durch nichts mit dem Hotel am Mittelmeer zu vergleichen war, in dem dieser Agatha-Christie-Krimi spielte. Dann fing sie zu lesen an und Monsieur Poirot, Agatha Christie’s Held, geisterte vor ihren Augen und sie sah mit ihrem inneren Auge dabei zu, wie er graziös seine Schwimmübungen im Meer zelebrierte.

„Da wäre es jetzt viel schöner zu sitzen an diesem blauen Meer, als hier im Schnee in diesen kalten Schweizer Bergen“, brachte sie leise hervor, wobei gar niemand im Raum war, der sie hören konnte. Sie hätte es hinausschreien können, niemand hätte ihren Schrei wahrgenommen. Aber das tat sie nicht in diesem vornehmen GRANDHOTEL, wo ein Mörder herumlief, der sie womöglich alle noch ermorden wollte. Die beiden Toten waren wahrscheinlich nur der Anfang in diesem Mörderspiel.

Sie hatte sich noch ein bisschen Obst mitgenommen, denn das gab es auch reichlich am Buffet, sodass sie für den Tag gut mit Essen versorgt war. Denn trotz dieser Toten war das Leben immer noch lebenswert, überlegte sie und zog ihre Jacke zu, denn es fröstelte sie schon wieder, wenn sie nur an diesen Eiskeller dachte mit seinem Geheimnis um die beiden Ermordeten.

Irgendwie spürte sie aber doch eine kleine Vorfreude in sich, als sie an das abendliche Dinner dachte. Dieser Küchenchef brachte immer wieder neue Kreationen auf den Tisch und diese Kreationen waren das krasse Gegenteil zu den nachfolgenden Morden. Aber vielleicht war dies ja auch von diesem Millionär so beabsichtigt, dass Glück und Leid, dass das Leben und der Tod, nicht nur im GRANDHOTEL, so nah beieinander lagen.

Am Nachmittag wurde noch Kaffee und Tee von Vanessa und Vincent gereicht. Dazu gab es süße Stückchen von auserlesenen Schweizer Köstlichkeiten und Leckerlis.

So langsam kehrten auch wieder die Gäste dieser OIL-Gruppe von ihren Spaziergängen auf der Terrasse des Hauses oder aus ihren Zimmern zurück und suchten sich einen Platz in der Bibliothek oder im Foyer des Hotels. Ulla Sommer hatte es sich in der Bibliothek gemütlich gemacht, aber gegen Nachmittag zog sie dann doch ihre Suite vor und legte sich noch ein bisschen hin, um sich für den Abend auszuruhen und zu stärken.

Kapitel 8

Es war ihr unerklärlich, weshalb sie diesen Brief erhalten hatte. Er enthielt keine gute Nachricht. Ein Mann wurde beschuldigt, dass er mit einer Firma krumme Dinge gemacht hatte. Sie wusste gar nicht zuerst, was sie mit diesem Brief anfangen sollte. Am liebsten hätte sie ihn gleich weggeworfen. Aber dann las sie ihn immer wieder. Weshalb schickte man ihr diesen Brief? Was sollte sie tun, ihn einfach ignorieren, aber dann würde man ihr vorwerfen, dass sie sich nicht um die Angelegenheit kümmern würde? Also entschloss sie sich, der Sache doch auf den Grund zu gehen. Sie überlegte hin und her. Wen konnte sie einweihen, denn inzwischen war ihr klar, dass sie alleine da stand, ganz alleine. Denn keiner weihte sie ein, keiner wusste etwas, keiner hatte etwas gesehen. Sie hatte ihren Mann, aber hatte er an diesen Dingen Interesse? Sicherlich würde er sagen: „Wirf ihn doch einfach weg, oder verbrenne ihn, zerreiße ihn in Tausend Fetzen!“ Sie hatte schon mehrfach bei ihrem Mann angesetzt zu sprechen, aber er wollte einfach nichts davon wissen.

Dann hatte sie ja noch ihre zwei Töchter. Aber auch die beiden konnten mit diesem Brief nichts anfangen. Deshalb hatte sie dann diese Idee, doch der Sache auf den Grund zu gehen, weil das war auch ihre Natur, einer Sache auf den Grund zu gehen. Doch das war nicht gewollt. Weshalb nicht? Weshalb sollte alles so geheim abgehen? Was war der Grund hierfür? Natürlich durfte nichts herauskommen, nicht, dass es zu viel Öl gab und nicht, dass hier das Paradies beschädigt wurde. Und als sie wieder auf ihrem Weg in ihr Paradies war, das aber nicht mehr ihr Paradies war, denn andere hatten es aus lauter Gier, aus Geldgier, aus Habgier und aus Macht in den Tod geschickt. Das Paradies war gestorben für sie, aber auch für die Anderen. Und die Anderen wollten auch nichts davon wissen, und sie haben auch den Tod für dieses Paradies nicht kommen sehen, für dieses Stückchen Erde, bei dem man dem Himmel ein Stück näher war.

Sie hatte es ja gespürt bei der großen Versammlung direkt auf der Wiese. Nur sie hatte es nicht vorher kommen sehen. Sie war blind auf beiden Augen, weil sie eben vertraut hatte. Aber Wörter sind Schall und Rauch, das hatte sie da erlebt. Sie hatte entsetzt zusehen müssen, wie ihr Paradies vor ihren eigenen Augen von anderen in Grund und Boden gestampft wurde. Einfach so, ohne Wenn und Aber. Nur weil man es nicht zugeben wollte oder konnte oder einfach vergessen hatte, dass es noch Ehre, Scham und Respekt und ein Gewissen, auch untereinander, geben sollte.

Sie hatte eine Tafel mitgebracht, auf der sie viele Zahlen geschrieben hatte, Zahlen, die wichtig waren. Aber nur für sie, nur sie allein konnte diese Zahlen zuordnen. Es gab noch eine Person, die diese Zahlen auch kannte? Weshalb sollte man diese Zahlen schützen und für wen? Wie oft hatte sie sich diese Fragen gestellt, die sie aber nicht weiterbrachten, weil die Anderen sie gar nicht hören wollten. Zahlen sind auch Schall und Rauch.

Deshalb hatte sie dann an der Tür geklingelt, die Adresse lag noch in ihrer Hand. Es hatte ihr eine Frau aufgemacht, die ihr aber auch nicht helfen wollte oder konnte. Wäre sie Mutter Theresa gewesen, hätte sie ihr vielleicht geholfen. So aber war sie vielleicht auch nur eine Hexe oder eine Zauberin, die ihren Mann verhext hatte.

Dann sah sie nur wie die beiden Polizisten in ihren Uniformen sie ergriffen und sie fortführten. Die Alte brachte nur noch ein hämisches Lachen hervor. Die beiden Polizisten gaben ihr, nicht der Hexe, noch einen Stoß und sie landete direkt in der Hölle und dort sah sie wieder diese Teufelsfratze, die auch nur ihr hässliches Gesicht ihr entgegenstreckte und mit ihren langen, spitzen Fingern in die Hände klatschte. Doch da kamen dann die Herren in Weiß und sie versank wieder in ihren Winterschlaf. „Träume weiter kleine Mondfee!“, hörte sie noch die letzten Worte einer Frau und dann war dunkle Nacht um sie.

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