Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften

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2. Die Erlangung der Rechtsfähigkeit

208

Volle Rechtsfähigkeit erlangt der Verein mit der Eintragung in das Vereinsregister durch das Registergericht. Diese Eintragung darf nur erfolgen, wenn bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählen:


die Gründung des Vereins in der oben dargestellten Art und Weise;
die Bestellung eines Vorstandes für den Verein (§§ 26, 59 BGB);
die Anmeldung des Vereins beim Registergericht (zuständiges Amtsgericht) durch den Vereinsvorstand mit öffentlich beglaubigter Erklärung (§ 77 BGB);
die Beifügung der Satzung in Urschrift und Abschrift, die Namen, Zweck und Sitz des Vereins enthalten muss, und die Beifügung der Niederschrift über die Bestellung des Vorstandes (§ 59 Abs. 2 BGB).

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Darüber hinaus sollen folgende Voraussetzungen vorliegen: Mindestens 7 Gründer sollen vorhanden sein (§ 56 BGB) und die Satzung unterschrieben haben (§ 59 Abs. 3 BGB), die den in § 58 BGB aufgeführten Mindestinhalt haben soll. Das Registergericht prüft nach, ob der Verein nach den oben aufgeführten Kriterien eintragungsfähig ist. Es überprüft dabei auch, ob der Gründungsvertrag mit dem Gesetz und den guten Sitten vereinbar ist (§§ 134, 138 BGB). Gibt es keinen Grund zur Beanstandung, muss das Amtsgericht die Anmeldung der dafür zuständigen Landesbehörde – die Zuständigkeit ist nach Landesrecht geregelt – mitteilen.

210

Das deutsche Recht enthält keine Regelung darüber, dass ein rechtsfähiger Verein mit ausländischem Vereinsstatut und Sitz im Ausland, der diesen nach Deutschland verlegt, seine in dem ausländischen Staat erworbene Rechtspersönlichkeit hier fortsetzen kann. Mit anderen Worten, das deutsche Recht enthält keine Regelung über die grenzüberschreitende Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland. Nach deutschem Rechtsverständnis stellt sich die „Einwanderung“ des ausländischen Vereins nicht als ein rein tatsächlicher Vorgang dar, sondern als ein Rechtsakt, der die zukünftige Zugehörigkeit des Vereins zur Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland begründet. Deshalb wird zur Erlangung der Rechtsfähigkeit des Vereins in Deutschland dessen Neugründung nach dem Recht des BGB und die anschließende Eintragung in das Vereinsregister (§ 21 BGB) oder die Konzessionierung (§ 22 BGB) verlangt[1].

211

Der reine Idealverein kann sich auch nicht auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV (jetzt Art. 49, 54 AEU-Vertrag) berufen, da die sachliche Anwendbarkeit der sog. Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts eine ausgeübte Tätigkeit zum Wirtschaftsleben voraussetzt. Der Idealverein ist eben kein kommerzielles Unternehmen, es sei denn, er beschafft sich die für die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke benötigten Mittel durch wirtschaftliche Aktivitäten, die entgeltlich erbracht werden, und jedenfalls mittelbar einem Erwerbszweck dienen[2].

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 11 Gründung und Verfassung des Vereins › II. Die Verfassung des rechtsfähigen Vereins

II. Die Verfassung des rechtsfähigen Vereins

1. Begriff und Inhalt der Verfassung des Vereins

212

Als die Verfassung des Vereins ist die Summe der Regelungen zu verstehen, die den inneren Aufbau und das innere Verbandsleben – die Mitgliedschaft, das Verhältnis der Organe zueinander, die Auflösung, das Schicksal des Vermögens bei der Beendigung – sowie die äußere Gestaltung – wie Zweck, Name, Sitz des Vereins sowie die Vertretung – enthält.

Die Verfassung setzt sich zusammen:


aus den zwingenden Vorschriften des BGB über den Verein,
aus der Satzung
und aus den dispositiven Vorschriften des BGB, soweit die Satzung keine Bestimmungen trifft, die diese ersetzen.

213

Für den bürgerlich-rechtlichen Verein gilt der Grundsatz der Vereinsautonomie, der aus der Erlaubnis in § 40 BGB abgeleitet wird[3]. Über den Inhalt der Vereinsautonomie besteht weitgehend Einigkeit: Sie ist die Befugnis der Verbände, ihre Struktur und ihre inneren Verhältnisse selbst zu gestalten; notwendiger Bestandteil ist die Satzungsautonomie, die durch die Mitgliederversammlung ausgeübt wird[4].

Letztlich werden dem Grundsatz der Vereinsautonomie zwei verschiedene, voneinander zu trennende Bedeutungen zugemessen:


Der Verein soll die Freiheit genießen, seine eigenen Angelegenheiten unabhängig, d. h. ohne Fremdeinfluss, bestimmen zu können („Selbstbestimmungsrecht“).

Zwingende Vorschriften, die durch die Satzung weder ersetzt noch abgeändert werden können, sind: §§ 26, 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29, 30, 31, 34, 35, 36, 37, 39, 41 BGB (s. § 40 BGB).

214

Soweit die Bestimmungen des Vereinsrechts dispositiv sind, können die Mitglieder eines Vereins sich grundsätzlich jede von ihnen gewünschte Ordnung geben. Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze jedoch dort, wo die Privatautonomie allgemein endet; diese Grenzen ergeben sich insbesondere aus den §§ 134, 138, 242 und 826 BGB. Die Grenze des Erlaubten ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Satzung den Verein so stark unter fremden Einfluss bringt, dass er zu einer eigenen selbstständigen Willensbildung nicht mehr in der Lage ist[6].

2. Die Rechtsnatur der Satzung

215

Über die Rechtsnatur der Satzung als Teil der Verfassung des Vereins besteht wie bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Gründungsvertrages keine einhellige Meinung. Die Rspr.[7] geht davon aus, dass die Satzung zunächst zwar auf einem von den Gründern geschlossenen Vertrag beruht, nach der Entstehung des Vereins aber ein „unabhängiges rechtliches Eigenleben“ erlangt, zur „körperschaftlichen Verfassung des Vereins“ wird und fortan das rechtliche Wollen des Vereins als der Zusammenfassung seiner Mitglieder objektiviert.

Nach h. M.[8] beruht die Satzung zwar auf einem Rechtsgeschäft; sie ist jedoch nach ihrem Inkrafttreten nach den Grundsätzen zu behandeln, die für die Beurteilung objektiven Rechts anwendbar sind. Insbesondere gelten die Grundsätze für die Auslegung von Gesetzen, nicht die für die Auslegung von Verträgen.

 

216

Ob die Satzung ihren rein rechtsgeschäftlichen Charakter beibehält oder nach den Grundsätzen für die Beurteilung objektiven Rechts zu behandeln ist, wird z. B. relevant bei der Frage, ob auf die Satzung § 139 BGB anwendbar ist oder nicht. Folgt man der h. M., ist § 139 BGB nicht anwendbar[9].

3. Der Inhalt der Satzung

a) Überblick

217

Die Satzung eines Vereins muss einen Mindestinhalt aufweisen. Aus ihr müssen der Zweck des Vereins, sein Name und sein Sitz entnommen werden können. Es muss aus ihr auch hervorgehen, dass der Verein eingetragen werden soll (§ 57 BGB).

Außerdem soll die Satzung eine Reihe weiterer Bestimmungen enthalten (§ 58 BGB), nämlich solche


über den Eintritt und Austritt von Mitgliedern,
über die Frage, ob und ggf. welche Beiträge die Mitglieder zu leisten haben,
über die Bildung des Vorstandes,
über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist,
über die Form der Berufung der Mitgliederversammlung und
über die Beurkundung der Beschlüsse.

b) Inhaltskontrolle

218

Das Registergericht prüft vor der Eintragung, ob die in §§ 57 und 58 BGB aufgeführten Voraussetzungen vorliegen. Es prüft auch, ob im Übrigen zwingende Rechtsvorschriften verletzt worden sind, die zur Nichtigkeit der Satzung führen können. Unerheblich ist, ob das Gericht die Satzung für unzweckmäßig oder unklar hält.[10] Wegen der Satzungsautonomie unterliegen der Prüfungsbefugnis des Registergerichts solche Bestimmungen der Satzung nicht, die lediglich vereinsinterne Bedeutung haben.[11]

Ob darüber hinaus Vereinssatzungen einer richterlichen Inhaltskontrolle unterworfen werden können, ist umstritten[12]. Der BGH[13] hat eine richterliche Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB jedenfalls im Hinblick auf solche verbandsinternen Normen bejaht, die die Rechtsstellung in denjenigen Vereinen und Verbänden regeln, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben.

Auf Vereinssatzungen finden gem. § 310 BGB die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) keine Anwendung.

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 11 Gründung und Verfassung des Vereins › III. Die Organe des Vereins

III. Die Organe des Vereins

1. Überblick

219

Der Verein muss jedenfalls zwei Organe haben: die Mitgliederversammlung und den Vorstand. Weitere Organe können gebildet werden. Sie sind vom Gesetz jedoch nicht zwingend vorgeschrieben.

Beispiel:

Die Satzung eines Vereins kann vorsehen, dass ein „Ältestenrat“ oder „Beirat“ zu bilden ist, zu dessen Aufgaben u. a. die Ausübung der „Vereinsstrafgewalt“ (die Verhängung von Strafen, wie Geldbußen, Ausschluss aus dem Verein etc.) nach Maßgabe der Satzung gehören soll.

2. Die Mitgliederversammlung

a) Funktion und Aufgaben

220

Man kann die Mitgliederversammlung als das oberste Organ des Vereins bezeichnen, weil sie über alle Angelegenheiten zu entscheiden hat, deren Besorgung nicht durch Gesetz oder Satzung dem Vorstand übertragen ist (§ 32 BGB). Sie führt ihre Entscheidungen nicht selbst aus. Diese Aufgabe obliegt dem Vorstand, dem auch die Vertretung des Vereins nach außen zusteht. Die Mitgliederversammlung ist unter den im Gesetz oder in der Satzung genannten Voraussetzungen auch zur Satzungsänderung befugt.

Aus § 40 BGB ergibt sich, dass der Verein bei der Ausgestaltung seiner Binnenstruktur grundsätzlich frei ist. Da § 32 BGB dispositives Recht enthält (§ 40 BGB), sind auch virtuelle Mitgliederversammlungen zulässig.[14]

221

Die Mitgliederversammlung trifft ihre Entscheidungen durch Beschlussfassung, d. h. durch Stimmabgabe der Mitglieder und Feststellung des Ergebnisses. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 32 Abs. 1 S. 3 BGB). Damit ist klargestellt, dass Stimmenthaltungen nicht als Nein-Stimmen zu werten sind. Die Satzung kann – da es sich bei § 32 BGB gem. § 40 BGB um dispositives Recht handelt – festlegen, wie viele Stimmen ein Mitglied hat und welche Art von Mehrheit für bestimmte Entscheidungen maßgeblich sein soll. Die Mitgliederversammlung muss über die in der Satzung genannten Fälle hinaus einberufen werden,


wenn das Interesse des Vereins das erfordert (§ 36 BGB) oder
der durch die Satzung bestimmte Teil oder, falls eine solche Bestimmung fehlt, eine Minderheit von 10 % der Mitglieder dies unter Angabe des Zweckes und der Gründe fordert (§ 37 Abs. 1 BGB).

b) Fehlerhafte Beschlüsse

222

Fehlerhafte Beschlüsse der Mitgliederversammlung sollen nach der noch h. M.[15] ipso jure nichtig bzw. unwirksam sein. Die Nichtigkeit ist durch Feststellungsklage gem. § 256 ZPO geltend zu machen, nachdem die vereinsinternen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind[16]. Eine Unterscheidung zwischen nichtigen Beschlüssen – etwa wegen Verstoßes gegen die §§ 134, 138 BGB – einerseits und lediglich anfechtbaren Beschlüssen andererseits, wie sie im Aktienrecht in den §§ 241 ff. AktG, die auf die GmbH entsprechend anwendbar sind, geregelt ist, ist im Vereinsrecht noch nicht anerkannt (vgl. zur Anwendung der §§ 241 ff. AktG Rn. 659 ff. und 785 f.). Der BGH[17] hat eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf Vereinsbeschlüsse verneint, jedenfalls soweit sie eine Anfechtungsklage vorsehen. Mit Recht fordert K. Schmidt[18], auf Beschlüsse des Vereins wie bei der GmbH die §§ 241 ff. AktG analog anzuwenden. Seine Begründung dafür, der Verein sei schließlich ein parteifähiger Verband mit einem auf Mehrheitsbeschlüsse angelegten Willensbildungsorgan, vermag zu überzeugen. Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf Vereinsbeschlüsse das Bedürfnis vorhanden ist, zwischen nichtigen Beschlüssen einerseits und nur anfechtbaren Beschlüssen andererseits zu unterscheiden.

3. Der Vorstand

a) Aufgabenbereich

223

Der von der Mitgliederversammlung durch Beschluss bestellte Vorstand besteht in der Regel aus mehreren Personen. Er ist das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan des Vereins. Er vertritt diesen gerichtlich und außergerichtlich (§§ 26 ff. BGB). Handlungen und Willensäußerungen des Vorstandes sind die des Vereins. Grundsätzlich ist der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes gem. § 26 Abs. 2 S. 1 BGB unbeschränkt; er kann allerdings gem. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB mit Wirkung gegen Dritte durch die Satzung beschränkt werden. Eine entsprechende Bestimmung in der Satzung muss allerdings eindeutig die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes erkennen lassen[19].

224

Häufig ist es zweckmäßig, in die Satzung Bestimmungen über die Art und Weise der Beschlussfassung im Vorstand aufzunehmen und – je nach Art des Vereins – den Vorstandsmitgliedern bestimmte Aufgabengebiete zuzuweisen. Diese Fragen können jedoch auch durch eine Geschäftsordnung für den Vorstand geregelt werden.

Beispiel:

Der Vorstand eines Sportvereins kann nach der Satzung z. B. aus dem ersten Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, dem Schatzmeister, dem Sportwart und dem Jugendbeauftragten bestehen.

b) Die Haftung des Vorstandes gegenüber dem Verein

225

Auf die Geschäftsführung des Vorstandes finden die §§ 664 bis 670 BGB über den Auftrag Anwendung (§ 27 Abs. 3 BGB). Für die Verletzung von Pflichten, die sich aus dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen Verein und Vorstand ergeben können, haften die Vorstandsmitglieder dem Verein gegenüber aus § 280 BGB für den daraus erwachsenden Schaden. Daneben können auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung entstehen. Der Haftungsmaßstab ergibt sich grundsätzlich aus § 276 BGB. Jedoch ist eine beschränkte Vorstandshaftung durch § 31a BGB eingeführt worden. Vorstandsmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten, die jährlich 500 € nicht übersteigt, haften dem Verein für einen in Wahrnehmung von Vorstandsaufgaben verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

Beispiel:

Vorstandsmitglied A, welches die Aufgaben eines Kassenwartes ehrenamtlich wahrzunehmen hat und in dieser Eigenschaft auch für die Bezahlung von Rechnungen zuständig ist, vergisst es wegen starker beruflicher Inanspruchnahme, eine Handwerkerrechnung in Höhe von 23.000 € rechtzeitig zu begleichen. Der Handwerker macht zu Recht einen Verzugsschaden in Höhe von 345 € dem Verein gegenüber geltend. Diesen Schaden könnte der Verein von A gem. § 280 BGB ersetzt verlangen, es sei denn A hat, wovon hier auszugehen ist, nur leichte Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 31a BGB).

 

226

Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Vereins hat der Vorstand die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Versäumt der Vorstand dies, so haftet er dem Verein gegenüber aus § 280 BGB auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens. Den Gläubigern gegenüber ist er aus § 42 Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich[20].

c) Die Haftung des Vereins für zum Schadenersatz verpflichtende Handlungen seiner Organe

227

Der Verein ist zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die seine Organe in Ausführung einer ihnen zustehenden Verrichtung durch zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen einem Dritten zugefügt haben (§ 31 BGB). Da diese Regelung jede Möglichkeit der Entlastung, wie sie etwa § 831 BGB zulässt, ausschließt, wird der Verein durch § 31 BGB so gestellt, als ob er die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung selbst begangen hätte[21].

§ 31 BGB allein ist keine Anspruchsgrundlage. Er erlegt nur dem Verein die Schadensersatzpflichten auf, die nach anderen Vorschriften der Person oder den Personen entstanden wären, wenn diese für sich und nicht als Organ für den Verein gehandelt hätten. Eine Schadensersatzpflicht des Vereins für Handlungen seiner Organe entsteht also über § 31 BGB nur in Verbindung mit anderen Anspruchsgrundlagen, seien sie vertraglicher Art, wie z. B. § 280 BGB, oder aus dem Deliktsbereich, wie z. B. §§ 823 ff. BGB[22].

Beispiel:

Das dafür zuständige Vorstandsmitglied zahlt den Kaufpreis aus einem Kaufvertrag nicht, der zwischen dem Verein und V zustande gekommen ist. V entsteht dadurch ein Verzugsschaden, den er gem. §§ 280, 286 BGB i. V. m. § 31 BGB von dem Verein fordern kann.

Dem § 31 BGB kommt über den Bereich des eingetragenen Vereins hinaus große Bedeutung zu, weil er auf alle juristischen Personen und auch auf die BGB-Gesellschaft, die OHG und die KG entsprechend angewandt wird.

228

Lösung zu Fall 19:

Fraglich ist, ob die Klausel in der Satzung des Vereins, nach der Änderungen der Satzung ausschließlich durch Rechtsverordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinschaft in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Augustana-Gemeinde) erfolgen können, gegen den Grundsatz der Vereinsautonomie verstößt, was als Rechtsfolge die Nichtigkeit bewirken könnte. Für den bürgerlich-rechtlichen Verein gilt der Grundsatz der Vereinsautonomie, der als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus § 40 BGB abgeleitet wird. Vereinsautonomie bedeutet, dass Verbände, also auch die Vereine befugt sind, ihre Struktur und ihre inneren Verhältnisse selbst zu gestalten; notwendiger Bestandteil ist die Satzungsautonomie, die durch die Mitgliederversammlung ausgeübt wird. Aus dem Grundsatz der Vereinsautonomie wird abgeleitet:


Der Verein soll die Freiheit genießen, seine eigenen Angelegenheiten unabhängig, d. h. ohne Fremdeinfluss, bestimmen zu können („Selbstbestimmungsrecht“).

Die Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze jedoch dort, wo die Privatautonomie allgemein endet; diese Grenzen ergeben sich insbesondere aus den §§ 134, 138, 242 und 826 BGB. Die Grenze des Erlaubten ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Satzung den Verein so stark unter fremden Einfluss bringt, dass er zu einer eigenen selbstständigen Willensbildung nicht mehr in der Lage ist[24]. Durch die hier in Frage stehende Satzungsbestimmung ist die Möglichkeit einer eigenen Willensbildung nicht nur zugunsten eines Dritten eingeschränkt, was nach Auffassung mancher[25] zulässig wäre; vielmehr wird durch die entsprechende Satzungsbestimmung dem Verein die Möglichkeit entzogen, sein Recht selbst zu setzen. Darin ist ein Verstoß gegen den im Vereinsrecht bestehenden Grundsatz der Vereins- und Satzungsautonomie zu sehen. Die Satzungsbestimmung verstößt infolgedessen gegen § 138 Abs. 1 BGB. Sie ist nichtig.