Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften

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Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung

Inhaltsverzeichnis

§ 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts

§ 11 Gründung und Verfassung des Vereins

§ 12 Die Mitgliedschaft

§ 13 Auflösung und Beendigung des Vereins

§ 14 Der nicht rechtsfähige Verein

§ 15 Die rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts

§ 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts

Inhaltsverzeichnis

I. Überblick

II. Der Begriff des bürgerlich-rechtlichen Vereins

III. Der Idealverein

IV. Der wirtschaftliche Verein

192

Fall 17:

Der Tennisverein „Grün-Weiß T e.V.“ hat 450 Mitglieder, die auf 10 Plätzen spielen können. Die Grundstücke stehen im Eigentum des Vereins. Der Verein unterhält im eigenen Clubhaus einen Gastronomiebetrieb für die Clubmitglieder. Er stellt regelmäßig gegen Entgelt die Räume des Clubhauses auch Nichtmitgliedern für Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Jubiläen etc. zur Verfügung. Handelt es sich noch um einen Idealverein im Sinne des § 21 BGB? Rn. 202

193

Fall 18 (Variante zu Fall 17):

Nachdem im Laufe der letzten Jahre die meisten Mitglieder ausgetreten sind und der Bestand auf 45 Personen geschrumpft ist, beschließt der Vorstand, das Grundstück überwiegend anderweitig zu nutzen, weil so viele Plätze nicht mehr benötigt werden. Auf dem Grundstück werden Komfortwohnungen mit Garagen gebaut, die der Verein an zahlungskräftige Leute vermietet. Das Clubhaus wird zu einem Wellnesscenter umgestaltet und an X verpachtet. Die daraus erzielten Gewinne werden jeweils am Jahresende an die Mitglieder ausgezahlt. Es verbleiben noch 2 Tennisplätze, auf denen hin und wieder Mitglieder spielen. Handelt es sich noch um einen Idealverein? Rn. 203

Literatur:

Mummenhoff, Gründungssysteme und Rechtsfähigkeit, 1979; Oetker, Der Wandel vom Ideal- zum Wirtschaftsverein, NJW 1991, 385 ff.; Reuter, 100 Bände BGHZ: Vereins- und Genossenschaftsrecht, ZHR 151 (1987), 355 ff.; K. Schmidt, Der bürgerlich-rechtliche Verein mit wirtschaftlicher Tätigkeit, AcP 182 (1982), 1 ff.; ders., Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984; Schockenhoff, Der Grundsatz der Vereinsautonomie. Inhalt und Geltung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals, AcP 193 (1993), 35 ff.; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004.

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts › I. Überblick

I. Überblick

194

Vereine im Sinne der §§ 21 ff. BGB spielen in der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland eine bedeutende Rolle. Sie prägen als Sport-, Kunst-, Schützen- oder sonstige Vereine einen Teil des gesellschaftlichen Lebens entscheidend mit. Häufig stellen sich Vereine auch als große, repräsentative und wirtschaftlich potente Vereinigungen dar[1]. Vereinsrechtlich organisiert sind neben den Parteien u. a. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkoalitionen und Wirtschaftsverbände. Das Vereinsrecht mit der Möglichkeit interner Ordnungsverfahren gegen Mitglieder ist wegen vieler aufgetretener Probleme in die Diskussion geraten. Dabei wurde zwangsläufig die Frage aufgeworfen, ob das Vereinsrecht des BGB noch den Anforderungen entspricht, die in einer modernen Industriegesellschaft an eine solche Materie gestellt werden müssen.

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts › II. Der Begriff des bürgerlich-rechtlichen Vereins

II. Der Begriff des bürgerlich-rechtlichen Vereins

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Der bürgerlich-rechtliche Verein ist eine auf Dauer begründete Personenvereinigung, die der Erreichung eines selbstgesetzten gemeinsamen Zweckes dient; er tritt unter einem eigenen Namen auf, ist vom Wechsel der Mitglieder unabhängig und körperschaftlich verfasst. Was die Erreichung des gemeinsamen Zweckes angeht, so ist der Verein der Gesellschaft ähnlich. Er unterscheidet sich von dieser aber wesentlich durch seinen körperschaftlichen Aufbau. Das Vereinsrecht ist im BGB in den §§ 21 ff. geregelt. Es bildet in vielerlei Hinsicht auch die Grundlage für die durch besondere Gesetze geregelten wirtschaftlichen Vereine, wie die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

196

Der bürgerlich-rechtliche Verein ist eine Verbandsform mit weitgehender Gestaltungsfreiheit. Letztere besteht insbesondere für die Verfassung des Vereins (auch Satzung genannt), über die das BGB nur wenige Vorschriften enthält[2]. Das BGB unterscheidet zwischen dem in das Vereinsregister eingetragenen Verein einerseits und dem nicht eingetragenen Verein andererseits. Im Hinblick auf Zielsetzung, Funktion und Organisation unterscheiden sich der eingetragene und der nicht eingetragene Verein nicht. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings in der rechtlichen Einordnung: Nur der eingetragene Verein ist juristische Person und deshalb in vollem Umfange rechtsfähig.

197

Die nicht eingetragenen Vereine sind keine juristischen Personen. Da auf sie nach § 54 BGB das Recht der Gesellschaften (§§ 705 ff. BGB) Anwendung finden soll, sind sie wie auch die BGB-Gesellschaft rechtsfähig (s. Rn 104 ff.).

Die Rechtsfähigkeit erlangt der Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erst durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts (§ 21 BGB).

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts › III. Der Idealverein

III. Der Idealverein

1. Idealverein und wirtschaftlicher Verein

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Das Gesetz unterscheidet außer zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Vereinen auch noch zwischen Idealvereinen (Vereinen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, § 21 BGB) und wirtschaftlichen Vereinen (Vereinen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, § 22 BGB). Idealvereine sind deshalb in erster Linie Vereine, deren Hauptzwecke politischer, wohltätiger, sportlicher, religiöser, wissenschaftlicher, sonstiger kultureller oder geselliger Art sind. Vereinigungen, deren wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb den Hauptzweck oder gar den ausschließlichen Zweck darstellt, sollen grundsätzlich nicht den Status eines Idealvereins i. S. d. § 21 BGB erlangen können. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass den Gläubigern des eingetragenen Vereins lediglich das Vereinsvermögen haftet; die Mitglieder haften für die Verbindlichkeiten des Vereins nicht mit ihrem Privatvermögen. Außerdem hat der Gesetzgeber auf die Schaffung von Vorschriften verzichtet, die – wie z. B. bei der AG und der GmbH – dem Gläubigerschutz dienen[3].

 

Da Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, juristische Person nur durch staatliche Verleihung werden können (§ 22 BGB), kommt der Bestimmung des Hauptzwecks besondere Bedeutung zu. Nach h. M.[4] ist darauf abzustellen, ob der Zweck des Vereins hauptsächlich darauf gerichtet ist, mit Hilfe eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, d. h. einer nach außen gerichteten, planmäßigen und dauernden Tätigkeit Gewinne zu erzielen, die dem Verein selbst oder seinen Mitgliedern in irgendeiner Weise zufließen sollen. Unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. der §§ 21, 22 BGB ist „das planmäßige und auf Dauer angelegte Auftreten des Vereins am Markt in unternehmerischer Funktion durch Einschaltung in wirtschaftliche Umsatzprozesse mit einer regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit zu verstehen“[5]. Das unternehmerische Moment, das die Betätigung eines Vereins zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb macht, ist allerdings nicht in seinem Auftreten im Rechtsverkehr als Kunde (z. B. Käufer, Besteller) zu sehen, sondern in seiner „planmäßigen Betätigung als Anbieter von Wirtschaftsgütern im weitesten Sinne gegen Entgelt“[6]. Nach K. Schmidt[7] geht es als Abgrenzungskriterium vor allem um „die planmäßige und entgeltliche Tätigkeit einer organisierten Wirtschaftseinheit am Markt“[8].

2. Das Nebenzweckprivileg

199

Auch ein Verein mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist ein Idealverein, wenn sein Hauptzweck kein wirtschaftlicher, sondern ein idealer Zweck ist[9]. Deshalb ist ein Verein kein wirtschaftlicher Verein, sondern ein Idealverein, wenn ein von ihm betriebener oder beabsichtigter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur Mittel zur Förderung oder Unterstützung seiner idealen Zwecksetzung ist[10].

200

Der Zweck des Vereins wird durch die Satzung bestimmt. Zur Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Gem. § 40 BGB handelt es sich dabei um dispositives Recht. Die Satzung kann also eine davon abweichende Regelung treffen.

Wandelt sich ein Idealverein zu einem wirtschaftlichen Verein, kann gem. § 43 Abs. 4 BGB die Rechtsfähigkeit entzogen werden; das Registergericht ist zur Einleitung des Amtslöschungsverfahrens berechtigt, was zum Verlust der vollen Rechtsfähigkeit führt[11].

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 10 Grundbegriffe des Vereinsrechts › IV. Der wirtschaftliche Verein

IV. Der wirtschaftliche Verein

201

Im Gegensatz zum Idealverein erwirbt der wirtschaftliche Verein die Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung, § 22 BGB (Konzessionszwang). In der Praxis werden Konzessionen dieser Art kaum erteilt, weil das Gesellschaftsrecht für wirtschaftliche Vereine eine Reihe spezieller Rechtsformen, wie z. B. die Aktiengesellschaft und die GmbH, zur Verfügung stellt. Diese Rechtsformen tragen in besonderem Maße dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter und der Gläubiger Rechnung, indem sie unabdingbare Regelungen betreffend Gründung, Kapitalaufbringung, Entnahmeverbote etc. enthalten. Wenn diejenigen Personen, die einen wirtschaftlichen Verein gründen wollen, für ihre Ziele zweckdienlicherweise eine der vom Gesellschaftsrecht angebotenen Rechtsformen, wie Aktiengesellschaft oder GmbH, wählen können, sind sie gezwungen, sich für eine solche Rechtsform zu entscheiden. Nach der Rspr. des BGH lässt der in § 22 BGB für wirtschaftliche Vereine verordnete Konzessionszwang nicht die Möglichkeit offen, auf einem anderen Wege als in den Formen der Aktiengesellschaft, der GmbH und der eingetragenen Genossenschaft die Rechtsfähigkeit und die Nichthaftung der Mitglieder für Verbindlichkeiten der Vereinigung zu erreichen[12].

202

Lösung zu Fall 17:

Der Tennisverein „Grün-Weiß T e.V.“ könnte seinen Status als Idealverein im Sinne des § 21 BGB, d. h. als Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, dadurch verloren haben, dass, er in seinem Clubhaus einen Gastronomiebetrieb unterhält und die Räume des Clubs für Veranstaltungen vielerlei Art vermietet. Er könnte dadurch zu einem wirtschaftlichen Verein gem. § 22 BGB geworden sein. Idealvereine sind Vereine, deren Hauptzwecke politischer, wohltätiger, sportlicher, religiöser, wissenschaftlicher, sonstiger kultureller oder geselliger Art sind. Vereinigungen, deren wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb den Hauptzweck oder gar den ausschließlichen Zweck darstellt, sollen grundsätzlich nicht den Status eines Idealvereins i. S. d. § 21 BGB erlangen können. Bei der Abgrenzung zwischen Idealverein auf der einen und wirtschaftlichem Verein auf der anderen Seite ist in erster Linie darauf abzustellen, ob der Zweck des Vereins hauptsächlich darauf gerichtet ist, mit Hilfe eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, d. h. einer nach außen gerichteten, planmäßigen und dauernden Tätigkeit Gewinne zu erzielen, die dem Verein selbst oder seinen Mitgliedern in irgendeiner Weise zufließen sollen. Unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. §§ 21, 22 BGB ist „das planmäßige und auf Dauer angelegte Auftreten des Vereins am Markt in unternehmerischer Funktion durch Einschaltung in wirtschaftliche Umsatzprozesse mit einer regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit zu verstehen“[13].

Auch ein Verein mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bleibt allerdings ein Idealverein, wenn sein Hauptzweck kein wirtschaftlicher, sondern ein idealer Zweck ist[14]. Deshalb ist ein Verein kein wirtschaftlicher Verein, sondern ein Idealverein, wenn ein von ihm betriebener oder beabsichtigter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur Mittel zur Förderung oder Unterstützung seiner idealen Zwecksetzung ist (sog. Nebenzweckprivileg). Weil der Hauptzweck, nicht aber der Nebenzweck, für die Bestimmung des Idealvereins maßgeblich ist, wird ein Tennisverein nicht deswegen zum wirtschaftlichen Verein, weil in seinem Clubhaus Getränke und Speisen gegen Entgelt verabreicht werden. Auch die Vermietung der Räume bei entsprechender Gelegenheit vermag den Hauptzweck des Vereins, die sportliche Betätigung, nicht in Frage zu stellen. Sowohl der Gastronomiebetrieb als auch die Vermietung der Räume stellen keine nach außen gerichtete, planmäßige und dauernde Tätigkeit mit dem Ziel dar, Gewinne zu machen, die dem Verein selbst oder seinen Mitgliedern in irgendeiner Weise zufließen sollen. Dies alles kann auch nicht als das planmäßige und auf Dauer angelegte Auftreten des Vereins am Markt in unternehmerischer Funktion angesehen werden.

Unter Anwendung des Nebenzweckprivilegs ist der Tennisverein „Grün-Weiß T e.V.“ nach wie vor ein Idealverein i. S. d. § 21 BGB.

203

Lösung zu Fall 18:

Hier ist fraglich, ob der Tennisverein „Grün-Weiß T e.V.“ noch ein Idealverein im Sinne des § 21 BGB ist. Der Hauptzweck des Vereins könnte inzwischen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geworden sein. Wenn der Verein zu einem wirtschaftlichen geworden sein sollte, müsste ihm gem. § 43 Abs. 4 BGB die Rechtsfähigkeit entzogen werden. Die sportliche Betätigung besteht nun nur noch darin, dass ab und zu ein paar der übrig gebliebenen Mitglieder auf 2 Plätzen Tennis spielen. Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Betätigung in Gestalt des Baues und der Vermietung von Wohnungen und Garagen, sowie in dem Betrieb eines Wellnesscenters. Damit betätigt sich der Verein planmäßig und auf Dauer am Markt in unternehmerischer Funktion durch Einschaltung in wirtschaftliche Umsatzprozesse mit einer regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit. Die daraus erzielten Gewinne fließen den Mitgliedern zu. Dieses wirtschaftliche Handeln ist schon deswegen kein Nebenzweck mehr, weil es nicht mehr lediglich der Unterstützung sportlicher Aktivitäten dient.

Da der Hauptzweck des Vereins ein wirtschaftlicher geworden ist, kann ihm die Rechtsfähigkeit entzogen werden (§ 43 Abs. 4 BGB). Das Registergericht ist zur Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens berechtigt.

Anmerkungen

[1]

Benecke, WM 2000, 1173 ff.

[2]

Zu alldem Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35 ff.

[3]

BGHZ 45, 395, 397.

[4]

BGHZ 45, 395, 398.

[5]

BayObLG MDR 1978, 843.

[6]

BayObLG MDR 1978, 843.

[7]

Verbandszweck und Rechtsfähigkeit, S. 113 ff.

[8]

S. im Einzelnen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 23 III.

[9]

RGZ 83, 231, 237; 154, 343, 354.

[10]

BVerwG NJW 1979, 2265.

[11]

Dazu eingehend Oetker, NJW 1991, 385 ff.

[12]

BGHZ 22, 240, 244.

[13]

BayObLG MDR 1978, 843.

[14]

RGZ 83, 231, 237; 154, 343, 354.

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 11 Gründung und Verfassung des Vereins

§ 11 Gründung und Verfassung des Vereins

Inhaltsverzeichnis

I. Die Gründung des Vereins

II. Die Verfassung des rechtsfähigen Vereins

III. Die Organe des Vereins

204

Fall 19:

Der „Verein zur Erhaltung von Kirchenbauten im Osten e.V.“ hat den Zweck, Spenden zu sammeln, um damit laut Satzung „wertvolles Kulturgut“ zu erhalten. Mitglieder sind Privatpersonen und Unternehmen der verschiedensten Rechtsformen. Die Satzung des Vereins sieht vor, dass Änderungen der Satzung ausschließlich durch Rechtsverordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinschaft in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Augustana-Gemeinde), die nicht Vereinsmitglied ist, erfolgen können. Die X-AG, ein Mitglied des Vereins, schlägt eine Satzungsänderung vor, die von allen Mitgliedern befürwortet wird, die aber von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinschaft nicht per Rechtsverordnung übernommen wird. Über die Zulässigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung, welche der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinschaft de facto ein Vetorecht einräumt, kommt es nun zum Streit. Rn. 228

 

Literatur:

Piper, Virtuelle Mitgliederversammlungen bei Vereinen, NZG 2012, 735 ff.; Poertzgen, Vorstandshaftung wegen Insolvenzverschleppung, NZG 2010 772 ff.; Reuter, Zur Vereinsrechtsreform 2009, NZG 2009, 1368 ff.; Schockenhoff, Der Grundsatz der Vereinsautonomie. Inhalt und Geltung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals, AcP 193 (1993), 35 ff.

Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung › § 11 Gründung und Verfassung des Vereins › I. Die Gründung des Vereins

I. Die Gründung des Vereins

205

Die Gründung eines rechtsfähigen Vereins vollzieht sich in mehreren Stufen:


zuerst wird ein Personenverband gegründet,
der danach seine volle Rechtsfähigkeit, die Anerkennung als juristische Person, durch die Eintragung in das Vereinsregister erlangt.

1. Der Gründungsvertrag

206

Zunächst schließen diejenigen, die den Verein gründen wollen, einen Gründungsvertrag. Gegenstand des Gründungsvertrages ist die Einigung der Gründer


über den Zusammenschluss zu einer Organisation, die der Erreichung eines bestimmten Zweckes dient, und
über die Satzung, die ein Teil der Verfassung des Vereins ist.

207

Über die Rechtsnatur dieses Gründungsvertrages gehen die Meinungen auseinander. Dieser Streit ist nicht nur terminologischer Art, wenn man die Rechtsfolgen des Gründungsvertrages mit ins Auge fasst. Der Gründungsvertrag ist zwar ein Rechtsgeschäft, das durch den übereinstimmenden Willen aller Beteiligten zustande kommt und die Beteiligten bindet. Er ist jedoch kein gewöhnlicher Schuldvertrag, weil er auf die Schaffung eines von der Zugehörigkeit der Gründungsmitglieder unabhängigen, diese überdauernden Verbandes gerichtet ist. Der Gründungsvertrag ist aber auch Organisationsvertrag. Ist die Körperschaft erst einmal ins Leben gerufen worden, können eine Reihe von Regelungen, wie sie das Gesetz für den gewöhnlichen Schuldvertrag vorsieht, nicht mehr ohne weiteres auf den Gründungsvertrag angewandt werden. So können z. B. Vereinsmitglieder ihre Willenserklärungen, die sie beim Zustandekommen des Gründungsvertrages abgegeben haben, zwar anfechten, die Anfechtung wirkt aber nicht in der Weise, dass der gesamte Vertrag dadurch vernichtet wird. Nichtigkeitsgründe, die mit der Beitrittserklärung eines Mitgliedes verbunden sind, wie auch Anfechtungserklärungen der Gründer wirken stets nur für die Zukunft, führen also nicht zur rückwirkenden Auflösung des Vereins oder zum rückwirkenden Ausscheiden eines Gründers.

Beispiel:

Vereinsgründer A ist vor Abschluss des Gründungsvertrages arglistig getäuscht worden. Die abgegebene Anfechtungserklärung wirkt, nachdem der Verein ins Leben gerufen ist, nur noch für die Zukunft. Ob die erfolgreiche Anfechtung lediglich zum Ausscheiden des betreffenden Mitgliedes oder zur Auflösung des Vereines für die Zukunft führt, ist im Zweifel gem. § 139 BGB zu entscheiden.

Entstanden ist der Verein mit dem Abschluss des Gründungsvertrages und dem Inkrafttreten der Satzung.