Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften

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I. Überblick

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Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag und den gesetzlichen Vorschriften der §§ 705 ff. BGB. Die meisten dieser Vorschriften sind dispositiver Natur. Sie können also von den Gesellschaftern, die den Vertrag abschließen, gestützt auf das Prinzip der Vertragsfreiheit durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag abgeändert bzw. ergänzt werden. Je nach den für die beteiligten Personen vorgesehenen Funktionen, dem Gesellschaftszweck und der Höhe der Beteiligung sind vom Gesetz abweichende, zweckentsprechendere Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag notwendig. Die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung geht im Zweifel der gesetzlichen Regelung vor.

Beispiel:

Gem. § 709 BGB steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern in der Weise gemeinschaftlich zu, dass die Zustimmung aller Gesellschafter zu den einzelnen Maßnahmen erforderlich ist. In der Regel dürfte es zweckmäßig sein, das gesetzlich vorgesehene schwerfällige Einstimmigkeitsprinzip durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag zu ersetzen, indem etwa die Geschäftsführung nur einem Gesellschafter oder einer begrenzten Zahl von Gesellschaftern eingeräumt wird.

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Die Willensbildung in der Gesellschaft erfolgt durch Beschluss. Das gilt vor allem für die Änderung des Gesellschaftsvertrages. Die Grundlage für das Beschlussrecht in der BGB-Gesellschaft bildet der § 709 BGB, dessen Wirkung über bloße Geschäftsführungsmaßnahmen hinausreicht. Nach § 709 Abs. 1 BGB ist für die Wirksamkeit eines Beschlusses Einstimmigkeit vorgesehen. Der Gesellschaftsvertrag kann eine davon abweichende Regelung vorsehen (siehe dazu unten Rn. 90 ff.).

Das BGB verzichtet ebenso wie das HGB für die OHG und die KG auf Vorschriften über die Gesellschafterversammlung. Der Gesellschaftsvertrag kann gestützt auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit Bestimmungen darüber treffen. Jedem Gesellschafter stehen eine Reihe von Verwaltungsrechten zu. Dazu gehören u. a. das Recht zur Geschäftsführung einschließlich das Widerspruchsrecht, die Informations- und Kontrollrechte, das Recht, an der Liquidation mitzuwirken und das Kündigungsrecht. § 717 BGB stellt für alle aus der Mitgliedschaft herrührenden Rechte (Mitgliedschaftsrechte) den Grundsatz der Unübertragbarkeit auf (Abspaltungsverbot). Nicht übertragbar sind gem. § 717 S. 1 BGB alle Verwaltungsrechte, die oben genannt sind. Umstritten ist, ob sog. Stimmbindungsverträge gegen das Abspaltungsverbot verstoßen. Während Stimmbindungsverträge mit Mitgesellschaftern zulässig sind, ist die Zulässigkeit solcher Verträge mit außen stehenden Dritten umstritten[1].

Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 5 Die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander (Innenverhältnis) › II. Das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen

II. Das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen

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Mit der Gründung einer Personengesellschaft wird ein Sondervermögen gebildet, das vom Privatvermögen der Gesellschafter streng zu trennen ist. Zu diesem Sondervermögen (= Gesellschaftsvermögen) gehört das, was die Gesellschafter als Beiträge geleistet haben, und die Gegenstände, die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworben worden sind (§ 718 BGB). Dazu können zählen: bewegliche Sachen, Grundstücke, Forderungen und sonstige Rechte aller Art. Die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen und Rechte unterliegen einigen Sonderregelungen, die sich daraus ergeben, dass das Gesellschaftsvermögen nicht mehr dem unabhängigen und freien Willen des einzelnen Gesellschafters zur Verfügung stehen kann, sondern dem Gesellschaftszweck dienen soll und daher dem nach den gesetzlichen Vorschriften oder dem Gesellschaftsvertrag gebildeten Willen der Gesellschafter unterliegt.

Das Gesellschaftsvermögen ist Gesamthandsvermögen. Das heißt: Das Vermögen steht den Gesellschaftern in ihrer personenrechtlichen Verbundenheit in der Art zu, dass ein einzelner Gesellschafter über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und auch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen nicht frei verfügen kann. Über das Gesellschaftsvermögen als Ganzes sowie auch über Teile des Gesellschaftsvermögens können nur alle Gesellschafter gemeinsam verfügen (§ 719 BGB). Da alle Gesellschafter als Gesamthänder – jeder vollständig und alle zugleich – die Gegenstände des gemeinschaftlichen Vermögens innehaben, gibt es keinen Bruchteil, der dem einzelnen Gesellschafter an einzelnen Gegenständen oder am Vermögen der Gesellschaft als Ganzem zusteht[2].

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Ob es Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen überhaupt gibt, ist bestritten[3]. Der Text des § 859 Abs. 1 S. 2 ZPO („der Anteil eines Gesellschafters an den einzelnen, zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen ist der Pfändung nicht unterworfen“) und des § 719 BGB spricht für die Existenz eines Anteils an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen. Der Streit über diese Frage ist in der Regel aber kaum mehr als akademisch, da weder die Gesellschafter über einen solchen Anteil – sollte es ihn geben – verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), noch ein solcher Anteil der Pfändung unterliegt (§ 859 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Die Gesamthandsberechtigung des Gesellschafters, also die Mitinhaberschaft an den der Gesamthand zugeordneten Vermögensgegenständen setzt die Zugehörigkeit zur Gesellschaft voraus; sie kann ohne diese nicht fortbestehen. Wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) nach § 738 Abs. 1 BGB den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern zu.

Beispiel:

Scheidet von drei gleich berechtigten Gesellschaftern einer aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Eindrittelanteil gem. § 738 Abs. 1 BGB nun – zu je einem Sechstel – den übrigen Gesellschaftern zu, so dass von diesen nun jeder einen Anteil von ein Halb inne hat.

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Wird ein neuer Gesellschafter durch Aufnahmevertrag in die Gesellschaft aufgenommen, so wird er mit dem Moment seines Eintritts in die Gesellschaft automatisch – durch „Abwachsung“ bei den Mitgesellschaftern – Mitberechtigter am Gesamthandsvermögen[4].

Beispiel:

Tritt in Fortführung des oben geschilderten Beispiels ein neuer Gesellschafter ein, der die gleichen Rechte wie die übrigen haben soll, so wächst ihm ein Drittel am Gesamthandsvermögen zu, das bei den anderen Gesellschaftern – zu je einem Sechstel – „abwächst“.

Es ist also stets zu unterscheiden zwischen dem Vermögen der BGB-Gesellschaft (Gesamthandsvermögen) einerseits und dem Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter andererseits. Die Vermögensgegenstände, die ein Gesellschafter in die Gesellschaft eingebracht hat, unterliegen nicht mehr seiner ausschließlichen Verfügungsgewalt. Die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstände stehen vielmehr den Gesellschaftern in der oben bezeichneten Weise gemeinschaftlich zu (§ 719 BGB).

Beispiel:

Hat ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der sich im Gesellschaftsvertrag verpflichtet hatte, einen ihm gehörenden LKW in die Gesellschaft einzubringen, diesen LKW der Gesellschaft wirksam übereignet, so gehört dieser LKW nicht mehr zu seinem Privatvermögen. Er ist nun Teil des Gesellschaftsvermögens. Inhaberin des Gesamthandvermögens ist nach h. M. die Gesellschaft selbst, jedenfalls soweit sie als Außengesellschaft rechtsfähig ist.[5] Verfügungen erfolgen nur noch nach dem Willen der Gesellschaft, der nach den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlich vorgeschriebenen Regeln zustande kommt.

Der einzelne Gesellschafter ist nicht berechtigt, die Teilung des Gesamthandsvermögens zu verlangen (§ 719 Abs. 1 BGB).

Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 5 Die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander (Innenverhältnis) › III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter

III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter

1. Überblick

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Zu den sich aus Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten zählen die Sozialansprüche und die Sozialverpflichtungen.

 

Zu den Ansprüchen, die der BGB-Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen die einzelnen Gesellschafter erwachsen können, zählen


Ansprüche auf Leistung von Beiträgen,
Ansprüche auf die Erfüllung von Geschäftsführungspflichten,
Ansprüche auf Erfüllung von gesellschaftlichen Treuepflichten, insbesondere auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots (§ 112 HGB).

Diese Ansprüche, die nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft gegen die einzelnen Gesellschafter zustehen, werden Sozialansprüche genannt.

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Andererseits erwachsen den Gesellschaftern nach dem Gesetz oder aus dem Gesellschaftsvertrag Ansprüche gegen die Gesellschaft. Zu diesen Ansprüchen können gehören:


der Anspruch auf den Gewinnanteil,
der Anspruch auf Ausübung des Stimmrechts,
der Anspruch auf Information und Kontrolle,
der Anspruch auf eine Vergütung für die Geschäftsführung,
der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, soweit solche gemacht worden sind.

Der Gesellschaft erwachsen in diesem Rahmen aus dem Gesellschaftsverhältnis gegenüber den einzelnen Gesellschaftern Verpflichtungen, die man Sozialverpflichtungen nennt.

2. Die Beitragspflicht

a) Überblick

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Die Gesellschafter sind regelmäßig zur Leistung von Beiträgen verpflichtet (§§ 705 ff. BGB). Beiträge der Gesellschafter sind alle Leistungen, zu denen diese sich durch den Gesellschaftsvertrag zur Förderung des Gesellschaftszweckes verpflichten. Beiträge können z. B. sein: Geldzahlungen, die Übereignung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die Einbringung von Wertpapieren, das Überlassen von Patenten und Lizenzen, die Gestattung des Gebrauchs von Sachen zur gemeinsamen Nutzung sowie Dienstleistungen.

Beispiel:

Zwei Chemieunternehmen, die Pharma-Süd AG und die Lenne Arzneimittelfabrik GmbH, schließen sich zu einer „Interessengemeinschaft“ – einer BGB-Gesellschaft – zusammen, um Arzneimittelforschung zu betreiben. Im Gesellschaftsvertrag wird vereinbart, dass die Gesellschafter u. a. folgende Beiträge zu erbringen haben: Die Pharma-Süd AG verpflichtet sich zur Gestattung des Gebrauchs ihrer umfangreichen Forschungsanlage zur gemeinschaftlichen Nutzung; die Lenne Arzneimittelfabrik GmbH hat der Gesellschaft 20 im Vertrage genau benannte Patente zu überlassen.

Der Beitrag eines Gesellschafters kann nach § 706 Abs. 3 BGB auch in der Leistung von Diensten bestehen. Schließen sich Anwälte zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, so besteht ihr Beitrag zur Förderung des gemeinsamen Zwecks im Zweifel darin, dass sie für die Gesellschaft Dienstleistungen – nicht zuletzt Mandanten gegenüber – erbringen und dabei ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einsetzen.

b) Die Folgen der Verletzung von Beitragspflichten

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Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn ein Gesellschafter seine Beitragspflicht nicht oder schlecht erfüllt. Zu klären ist insbesondere, ob und ggf. welche Ansprüche aus Leistungsstörungen entstehen können.

Wie oben (Rn. 64 ff.) schon erörtert, ist der Gesellschaftsvertrag, durch den die BGB-Gesellschaft begründet wird, sowohl ein Schuldvertrag als auch ein organisationsrechtlicher Vertrag. Soweit der Gesellschaftsvertrag ein schuldrechtlicher Vertrag ist, können grundsätzlich auch die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts auf ihn angewandt werden. Deshalb haftet ein Gesellschafter, der die für ihn aus dem Gesellschaftsvertrage erwachsenden Pflichten verletzt, für den daraus entstehenden Schaden nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, im Zweifel aus Pflichtverletzung gem. § 280 BGB. Hat ein Gesellschafter z. B. seine Beitragspflicht im Sinne des § 706 Abs. 3 BGB unzureichend erfüllt, so kann die Gesellschaft gegen ihn einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB erworben haben[6]. Bei der Erfüllung der ihnen aus dem Gesellschaftsverhältnis insgesamt erwachsenden Verpflichtungen haben die Gesellschafter nach der gesetzlichen Regelung (§ 708 BGB) nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (diligentia quam in suis). Das bedeutet im Höchstfall den Ausschuss der Haftung für leichte, nicht aber für grobe Fahrlässigkeit (§ 277 BGB).

c) Keine Nachschusspflicht

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Nach der gesetzlichen Regelung (§ 707 BGB) besteht grundsätzlich keine Nachschusspflicht, d. h. die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beiträge nachträglich zu erhöhen oder eine durch Verlust verminderte Einlage nachträglich zu ergänzen. Nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages kann die Beitragspflicht nur durch eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages erhöht werden. Dazu ist im Regelfall die Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter erforderlich. Diese Regelung bietet den Vorteil, dass jeder Gesellschafter bei Beginn der Gesellschaft überschauen kann, welchen Umfang seine Beitragspflicht erreicht. Beitragserhöhungen können also nur mit Zustimmung eines jeden Gesellschafters beschlossen werden. Solche Zustimmungen können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag auch antizipiert erteilen. Die Wirksamkeit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung hängt allerdings davon ab, ob sie eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt[7]. Das erfordert bei Beitragserhöhungen die Angabe einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen[8].

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§ 707 BGB stellt dispositives Recht dar und kann deshalb durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder modifiziert werden. Allerdings muss aus der entsprechenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollen[9]. Eine schlichte Mehrheitsklausel für Beschlüsse in einem Gesellschaftsvertrag bildet keine Legitimationsgrundlage für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, durch die eine Nachschusspflicht eingeführt werden soll; zur Bindung des Betroffenen bedarf es seiner Zustimmung zur der nachträglichen Vermehrung der Beitragspflichten. Der Gesellschafterbeschluss einer Personengesellschaft, durch den eine Nachschusspflicht begründet werden soll, die im Gesellschaftsvertrag keine Grundlage hat, ist demjenigen Gesellschafter gegenüber, der seine Zustimmung nicht gegeben hat, unwirksam[10].

3. Geschäftsführung und Beschlussfassung

a) Die Begriffe Geschäftsführung und Vertretung

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Die Gesellschaft als solche kann nicht handeln. Deshalb müssen Gesellschafter (natürliche Personen) für sie tätig werden. Bei der Tätigkeit für die Gesellschaft unterscheidet das Gesetz zwischen Geschäftsführung und Vertretung.

Unter Geschäftsführung ist die auf die Verfolgung des Gesellschaftszweckes gerichtete Tätigkeit der Gesellschafter zu verstehen. Die Geschäftsführung kann bestehen in


rein tatsächlichen Handlungen und
rechtsgeschäftlichen Handlungen.

Beispiele

für tatsächliche Handlungen, die Geschäftsführungstätigkeiten darstellen: Die Leitung eines Unternehmens, das in der Form einer Handelsgesellschaft betrieben wird; das Aufstellen von Bilanzen; die Kontrolle der Arbeitnehmer im Betrieb.

Beispiele für rechtsgeschäftliches Handeln, das Geschäftsführungstätigkeit darstellt: Der Abschluss von Arbeitsverträgen mit dem Personal; der Abschluss von Kaufverträgen betreffend den Einkauf und Verkauf von Waren im Namen der Gesellschaft.

Die zuletzt geschilderten Handlungen stellen allerdings nicht nur Geschäftsführungstätigkeiten dar. Es handelt sich gleichzeitig um Vertretungsmaßnahmen. Unter Vertretungsmaßnahmen versteht man die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die die Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abgeben und entgegennehmen. Die Rechtsfolgen der Erklärungen treffen nach § 164 BGB die Gesellschaft, für die gehandelt wird und nicht die sie vertretenden Gesellschafter.

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Zur Geschäftsführung gehören solche Maßnahmen nicht, die die Beziehungen der Gesellschafter zueinander und damit die Grundlagen der Gesellschaft selbst berühren[11]. Änderungen des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der Gesellschaft sind deshalb keine Akte der Geschäftsführung. Wenn das Gesetz auch in den §§ 709 ff. BGB und §§ 714 ff. BGB zwischen Geschäftsführung und Vertretung unterscheidet, so bedeutet das nicht, dass Handlungen, die die Gesellschafter vornehmen, entweder eine Geschäftsführungsmaßnahme oder eine Vertretungshandlung sind. Häufig ist – wie oben bereits dargestellt – ein und dieselbe Handlung sowohl eine Geschäftsführungsmaßnahme als auch eine Vertretungshandlung.

Beispiel:

Stellt eine BGB-Gesellschaft eine Sekretärin ein, so ist der Abschluss des Arbeitsvertrages sowohl ein Akt der Geschäftsführung als auch eine Vertretungshandlung, die die Gesellschaft rechtsgeschäftlich bindet.

b) Die Geschäftsführung im Einzelnen

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Nach der gesetzlichen Regelung (§ 709 Abs. 1 BGB) steht die Geschäftsführung den Gesellschaftern in der Weise gemeinschaftlich zu, dass zu jeder Geschäftsführungsmaßnahme die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist (Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung).

Beispiel:

Die Entscheidung darüber, ob für eine aus 20 Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein PKW angeschafft werden soll oder nicht, darf nicht ein einzelner oder ein Teil der Gesellschafter allein treffen. Falls der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf die Geschäftsführung keine andere Regelung vorsieht, müssen nach § 709 Abs. 1 BGB alle 20 Gesellschafter ihre Zustimmung geben.

 

Die vom Gesetz als Regelfall vorgesehene Lösung bietet zwar dem einzelnen Gesellschafter einen weitgehenden Schutz, erweist sich aber bei größeren Gesellschafterzahlen als schwerfällig und wenig praktikabel.

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Das Gesetz räumt in den §§ 709 Abs. 2, 710 und 711 BGB Möglichkeiten ein, durch den Gesellschaftsvertrag andere Geschäftsführungsregelungen zu treffen, u. a. die folgenden:


alle Gesellschafter nehmen an der Geschäftsführung teil. Sind nicht alle Gesellschafter bereit, zu einer vorgesehenen Maßnahme der Geschäftsführung ihre Zustimmung zu erteilen, kann wegen des im Regelfall geltenden Einstimmigkeitsprinzips (§ 709 Abs. 1 BGB) die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Allerdings kann nach § 709 Abs. 2 BGB das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden (siehe unten Rn. 90 f.).
alle Gesellschafter sollen geschäftsführungsbefugt sein, aber jeder Gesellschafter ist berechtigt, allein zu handeln; allerdings kann auch jeder andere Gesellschafter der Geschäftsführungsmaßnahme mit der Wirkung widersprechen, dass das Geschäft unterbleiben muss (§ 711 BGB); nach h. M. hat dies jedoch auf die Vertretungsmacht (Außenverhältnis) keine Auswirkungen.

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Verletzt ein Gesellschafter schuldhaft seine Geschäftsführungspflicht, so ist er der Gesellschaft aus Pflichtverletzung gem. § 280 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Der Haftungsmaßstab wird durch § 708 BGB bestimmt.

Nach § 712 BGB kann einem Gesellschafter die durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung durch einen einstimmigen Beschluss oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrag dafür die Mehrheit der Stimmen entscheiden soll, durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 712 Abs. 1 2. Hs. BGB). Ein wichtiger Grund i. S. des § 712 BGB liegt auch vor, wenn das Verhältnis der übrigen Gesellschafter zu dem Geschäftsführer nachhaltig zerstört und es den übrigen Gesellschaftern deshalb nicht zuzumuten ist, dass der geschäftsführende Gesellschafter weiterhin auf die alle Gesellschafter betreffenden Belange der Gesellschaft Einfluss nehmen kann[13].