Qualität in Pfarreien

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Kommen nur sechs Leute zu einer Veranstaltung, obwohl z. B. ein Verband wie eine KAB 80 Mitglieder hat, löst das Diskussionen beim Veranstalter aus, oder der Organisator ist enttäuscht.

Deutlich wird dabei, dass die Teilnehmerzahl eine Rolle spielt, auch wenn andere Bedingungen im Vordergrund stehen, wie z. B. die Qualität der Begegnung, die von den Teilnehmenden auf einem Pfarrfest als wertvoll erachtet wird. Der Zulauf ist somit ein Indiz für das positive Wirken einer Pfarrei.

Gute Erfahrungen führen letztlich dazu, dass Menschen wiederkommen oder davon erzählen, und es werden andere dafür interessiert. Die Regelmäßigkeit der Teilnahme und der Bevölkerungsquerschnitt der Teilnehmer werden damit zu relevanten Wirk-Indikatoren.

Auch die Zahl der Ehrenamtlichen, die sich einbringen, wurde als Erfolgskriterium verstanden. Es sei ein Signal positiver Wirkung, wenn sich viel tut und sich viele Einzelne oder Gruppen einbringen und damit zeigen, dass sie auch zur Pfarrei gehören.

„Es waren einfach (…) unheimlich viele da, und haben gezeigt, wir gehören da auch dazu, sind auch hinterher dageblieben und es haben sich ganz viele einfach eingebracht, in diesem Jahr in der Vorbereitung, sei es im Organisieren von einem Kirchenkonzert gewesen, sei es im Organisieren von dem ganz besonderen Pfarrfest dann(…).“

Zwar könne es z. B. sowohl in einer gut wie auch in einer negativ wirkenden Pfarrei einen Kirchenchor geben. Aber er dürfte in einer schlecht wirkenden Pfarrei kaum so leicht zu bilden sein.

Es spiele eine Rolle, dass sich möglichst viele aktiv gestaltend einbringen, damit eine Pfarrei bunt wird. Die Zahl Ehrenamtlicher, noch dazu mit Blick auf den Querschnitt möglicher Zielgruppen, wird so zum Wirkungs-Indikator.

„Weil umso mehr Leute sich engagieren, umso, ja, umso bunter wird das Ganze, denk ich. Also, … mei wenn, wenn sich keinejugendlichen engagieren in der Pfarrei, dann gibt es keine Jugendarbeit. Und dann fehlt etwas, denke ich. Und genauso ist es bei anderen Gruppen, denke ich. Wenn es keine Senioren gibt, die sich engagieren, gibt es keine Seniorenarbeit. … Also, ich denke schon, dass es … dass es gut ist, eine gute Sache ist, wenn sich möglichst viele engagieren in so einer Gemeinde.“

Ein weiterer Interviewpartner nahm zur Frage nach Wirkungsindikatoren die Häufigkeit der Zeitungsberichterstattung über eine Pfarrei in den Blick. Diese sei für ihn kein hilfreicher Hinweis, ob Gemeindearbeit gut oder schlecht läuft.

„Nicht, also die einen sagen, äh, eine Pfarrei ist dann erfolgreich, oder eine Gemeinde, wenn sie möglichst oft in die Zeitung kommt. (…) Das finde ich nicht. Aber das ist nur ein Aspekt. Dann haben sie eine gute Öffentlichkeitsarbeit. (…) Und wenn man nämlich seine Arbeit gut macht, ist man eher nicht im Gespräch.“

Aus ehrenamtlicher Sicht wurden noch einige andere messbare Anhaltspunkte gegeben. Die Zahl der Personen, die in eine andere Kirche ausweichen, oder die Zahl derer, die an Weihnachten in die Kirche gehen. Auch die Zahl derer, die sonntags den Gottesdienst vor dem Fernseher verfolgen, wurde in den Blick genommen.

Mit all diesen Beispielen, auch wenn diese sehr auf mengenorientierte Indikatoren fokussierten, wird deutlich, dass es zwar Grenzen gibt, was messbar ist (dabei wird die Frage nach dem Verständnis von Gemeinde und Pastoral an dieser Stelle ausgeblendet). Darauf verweist auch Klostermann, wenn er deutlich macht, dass christlicher Glaube im Innersten der Menschen nicht direkt messbar sei und manches Engagement zunächst in kleinen Schritten verbleibt.237 Zugleich wird aber weniger grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Wirkung pastoralen Handelns in irgendeiner Form spürbar sein muss. Hier hat offenbar jede Person eine eigene Vorstellung. Vielmehr scheint es eine Frage zu sein, welche Indikatoren denn eigentlich geeignet sind. Das zeigt die Diskussion um die Kirchgängerzahlen sehr deutlich - hier gehen die Meinungen durchaus auseinander. Es werden auch Indikatoren genannt, die in der Breite kaum verwendet werden.

Demnach muss es darum gehen, die Eignung von Wirkungs- bzw. Ergebniskriterien herauszufinden. Die Beurteilung, welche Ergebniskriterien geeignet sind und welche weniger, kann an dieser Stelle noch nicht geleistet werden. Darauf wird an späterer Stelle eingegangen. Diese Studie kann dazu erste Hinweise geben.

Gabriel verweist darauf, dass Messbarkeit formal Ziele benötigt, die operationalisiert wurden, d. h., in pastorale Programme übersetzt und mit geeigneten Indikatoren überprüfbar gemacht wurden. Erfolg kann demnach nicht direkt gemessen werden. Erfolg benötigt Indikatoren, die stellvertretend für den Sachverhalt stehen.238

„Die Qualität der Erfolgsmessung ist entscheidend davon abhängig, wie gut die Indikatoren ihre Stellvertretungsfunktion erfüllen.“239

Damit muss die Messung von Erfolg in Zeiten ständigen Wandels stets auch die eigenen Maßstäbe überprüfen, damit das Handeln von Kirche ihrem Auftrag entlang erfolgt.240

Arten von Ergebniskriterien

Um das Problem des Messens aber noch besser in den Griff zu bekommen, muss an dieser Stelle die Frage reflektiert werden, welche Arten von Indikatoren existieren. Denn zumeist wird eingleisig an das Zählen irgendeiner Menge an Einheiten gedacht, so z. B. eben an Kirchgängerzahlen oder auch Einnahmen, Teilnehmerzahlen usw.

Aber das ist nicht ausreichend. Nicht nur die International Croup of Controlling nimmt vier Wirkungsdimensionen in den Blick, die je nach Auftrag oder Organisation unterschiedlich bedeutsam sind.241 Das ist gerade für die Situation von Non-Profit-Organisationen geeignet.

1. „Output“: Dabei handelt es sich einfach nur um die Menge von Veranstaltungen, Produkten, Dienstleistungen oder anderer zählbarer Leistungen, die in einer Organisation hervorgebracht werden.

„Der Output zeigt, wie viele Inszenierungen die Oper (mit gegebenen Inputfaktoren) in einer Saison schafft, er zeigt aber nicht, ob die Oper im nationalen Ranking einen Spitzenrang innehat. Der Output des Naturschutzbundes zeigt die Fläche der angekauften Landschaftsgebiete, nicht aber, ob sich dort wieder Seeadler angesiedelt haben.“242

2. „Outcome“: Der gesellschaftliche Nutzen, der durch die Leistungen einer Organisation entfaltet wird. Es entstehen also Wirkungen bei Dritten oder mit Blick auf das Gemeinwohl.

„Die Oper produziert als Outcome urbane Lebensqualität, nicht Applaus des Publikums. Und der Outcome des Naturschutzgebietes lässt sich über die Artenvielfalt bestimmen, nicht über Arbeitsplätze in der Forstwirtschaft.“243

3. „Effect“: Es handelt sich um Wirkungen, die objektiv vorhanden und auch nachweisbar sind.

„Abgebildet werden hier zielgruppenspezifische, intendierte, von der Wahrnehmung und Deutung der Zielgruppen unabhängig bestehende Wirkungen. (…)

Der Effect eines Opernspielplanes könnte in der zielgruppenspezifischen Zahl der Abonnenten gemessen werden, und ein Effect des Naturschutzgebietes ließe sich in den Übernachtungszahlen der Wanderhütten ablesen, und nicht in der Zufriedenheit des Hotel- und Gaststättenverbandes.“244

4. „Impact“: Darunter fallen die Wirkungen, die ein Leistungsempfänger subjektiv empfunden hat, und die eine Reaktion auf eine Leistung darstellen.

„Impacts als subjektive Reaktionen sind Einstellungen, Urteile, Zufriedenheitsäußerungen, aber auch die Änderung bzw. Stabilisierung von Verhaltensweisen. (…)

Der Stolz der interessierten Bevölkerung auf die Leistungsqualität der städtischen Oper stellt einen Impact dar, nicht die Anzahl der Fernsehaufzeichnungen neuer Inszenierungen. Die subjektive Wirkungsseite des Naturschutzgebietes liegt in der Akzeptanz, die Wanderwege nicht zu verlassen, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, dadurch objektiv die Begegnung mit einem Braunbären vermeiden zu können.“245

Diese vier Wirkungsdimensionen können noch weiter differenziert betrachtet werden, wenn noch die Perspektive der involvierten Personengruppen mit einbezogen wird. Dann kann jede Wirkungsdimension theoretisch, aber auch nicht zwingend, je nach Personengruppe beantwortet werden. Die relevanten Personengruppen sind demnach die direkten Wirkungsempfänger, die weiteren Stakeholder (wie z. B. Gesellschaft oder Umwelt), die Finanziers und die Mitglieder (oder auch die internen Stakeholder).246

Auch wenn es Grenzen der Messbarkeit gibt und daher an vielen Stellen mit Indikatoren gearbeitet werden muss, die einen betrachteten Gegenstand nicht direkt, sondern nur seine Auswirkungen erfassen: Es kann vieles fassbar gemacht werden, auch wenn manchmal mehr Umstände notwendig sind. Ein anderes Phänomen, das offenbar grundsätzlich für Organisationen aus dem Nonprofit-Bereich gilt, ist, dass es häufig nicht möglich ist, die Performance von NPOs zu erfassen oder zu überprüfen. Das liegt aber weniger an der tatsächlichen Möglichkeit des Gegenstands als vielmehr an unprofessionellem Agieren oder (un-)bewussten Machtverhältnissen oder auch an anderen Zielen, die implizit gerade verfolgt werden. So kann es z. B. sein, dass man nicht genau hinschauen möchte, um nicht die Überzeugung bisheriger Finanziers zu gefährden, dass die eigene Arbeit sinn- und wirkungsvoll ist. Daraus ist nicht zu folgern, dass besser keine Messgrößen eingeführt werden, sondern vielmehr, dass möglichst verschiedene Sichtweisen in die Betrachtung einer Organisation zu deren Qualitäts-Beurteilung einfließen sollten, so wie es oben Halfar und die International Group of Controlling mit der Be- trachtung der Messgrößen unterteilt nach Wirkungsempfängern, Stakeholders Finanziers und internen Stakeholdern vorschlägt.247

 

Das bedeutet, dass Messgrößen in keinster Weise bei leicht wahrnehmbaren Output-Dimensionen einer Organisation stehen bleiben müssen. Im Gegenteil, es gibt viele Varianten von Indikatoren, die wichtige Hinweise bereit halten. Das ist zugleich eine wichtige Grenze. Es handelt sich bei den nicht direkt messbaren Phänomenen um Indikatoren, weil der eigentliche Gegenstand nicht eins zu eins aufzunehmen ist. Das ist bei der Interpretation zu beachten.

Management, Markt und Kirche

Mit Dienberg/Warode gesprochen hält faktisch das funktionale und damit Mana-gement-orientierte Denken auch im Bereich der Seelsorgeeinheiten Einzug. Die Personen müssen sich darauf einstellen, sind aber u. U. nicht wirklich dazu ausgebildet.

„Ein leitender Mitarbeiter in Kirche ist heute ebenso mit Termindruck, Ressourcenknappheit, ständigen Veränderungsdruck und der strategischen Entwicklung der gesamten Organisation beschäftigt wie ein Manager in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen.“248

Auch in der Kirche wird gemanagt, wenn auch der Begriff häufig nicht verwendet wird. Trotzdem stößt Management immer wieder auf Ablehnung.249 Es wird mitunter der Vorwurf geäußert, dass die Anwendung von Management-Instrumenten in der Kirche zu einer völlig anderen Grundorientierung führt - weg von der eigentlichen Botschaft. Diese Diskussion wird in anderen NPOs ähnlich geführt.250 Das scheint aber ein Missverständnis zu sein, wenn die Schuld den in der Ökonomie entwickelten Instrumenten zugerechnet wird. Ökonomische Betrachtung fragt nach sinnvollem Handeln unter Knappheitsbedingungen und führt zu effizientem Sachmitteleinsatz.251 Management-Instrumente dienen der Institution, damit diese im Rahmen vorhandener Restriktionen trotzdem ihren Auftrag erfüllen kann. Die Effizienz wird in Profit-Organisationen natürlich an wirtschaftlichen Maßstäben gemessen, sie bezieht sich aber auf Ressourcen im Allgemeinen, wie z. B. auch Zeit. Außerdem muss nochmals deutlich festgehalten werden, dass Management immer dem Organisationszweck zu dienen hat und nicht umgekehrt. Es geht also vielmehr darum, dass eine Organisation professionell aufgestellt und geführt wird, selbstverständlich gemäß ihres Auftrags und mit ihren ganz spezifischen Themen.252 Dies erscheint gerade aufgrund der vielfachen Anforderungen in unserer Gesellschaft notwendig, die eine mehr und mehr aufkommende Marktsituation auch für die Kirche und damit aufkommende Konkurrenz beinhaltet und die nach einem verantwortlichen Umgang mit Ressourcen fragt.253

„Eine oder die wesentliche Aufgabe des Managements besteht darin, das langfristige Wohl und den Erfolg der Organisationen zu gewährleisten.“254

Das gilt auch für das Thema Marketing. Marketing dient wie die grundsätzlichere Perspektive des Managements der Organisation und damit ihrem Auftrag:

„Es ist ein eklatantes Mißverständnis zu meinen, daß Kirchenmarketing die Vision von Kirche verändern will. Vielmehr hat es sich an der Vision von Kirche zu orientieren, wie sie durch das Alte und das Neue Testament vorgegeben ist.“255

Marketing wie auch Management kann nicht unabhängig vom Auftrag gedacht werden, sondern es dient diesem. Die Botschaft bleibt, die Frage ist nur, ob die Qualität der Verkündigung nicht durch den Blick auf das Marketing vielfach positive Impulse erhalten kann. Bereits jetzt greift Kirche Marketingansätze auf, die aber zu wenig in ein Gesamtkonzept eingebettet und zu wenig professionell sind, da sie oft nur als Werbung verstanden werden. Marketing nimmt aktiv die Bedürfnisse der Menschen wahr, beachtet diese in der pastoralen Planung und gestaltet aktiv die Kontakte zu den Menschen.256

„Kirchenmarketing kann Menschen an Glauben und Kirche heranführen, vor allem auch umgekehrt: Glauben und Kirche näher an die Menschen heranbringen, Kirchennähe zu schaffen versuchen, die Formen kirchlicher Aktivitäten zugänglicher machen. Ob diese Aktivitäten letztlich erfolgreich sind, steht nicht in Menschenhand. Insofern bietet auch Kirchenmarketing keine Erfolgsgarantie, wohl aber die Vergrößerung von Erfolgschancen.“257

„Recht verstanden bedeutet Kirchenmarketing dann nicht den Ausverkauf des Evangeliums, sondern die prinzipielle Orientierung an den Menschen und daran, dass das Evangelium bei Ihnen ankommt. Die Orientierung am Marketing hilft, alles um sich selbst Kreisen der Kirche zu durchbrechen und stellt den Menschen mit seinen Bedürfnissen ins Zentrum der kirchlichen Arbeit. Eine Kirche, die bei den Menschen nicht ankommt, steht auch dem Evangelium im Weg. Es ist ein Grundproblem unserer theologischen Ausbildung, dass dieses Ankommen des Evangeliums bei den Menschen nicht in den Blick kommt. Eine Grundvoraussetzung dazu wäre die Einübung in zielorientiertes Arbeiten.“258

Die Frage nach der Vereinbarkeit von Management und Theologie stellt sich in besonderem Maße in den Einrichtungen der Caritas. Ohne Management und unternehmerisches Handeln sind diese Einrichtungen nicht zu führen. Management und Theologie schließen sich auch hier nicht aus. Vielmehr kommt es darauf an, das dortige Tun an den theologischen und ethischen Grundlagen des Evangeliums zu normieren, nicht nur als Leitidee, sondern auch im operativen Alltag.259

Mit Karrer gilt, dass nicht das Management zu verurteilen ist und nicht dessen Gebrauch in der Kirche. Vielmehr steht der Auftrag im Zentrum und dem dient das Instrument.260 Nicht das Instrument ist das Problem, sondern die Art der Anwendung - der Anwender muss damit umgehen und dessen Nutzen einschätzen können.261 Dazu gehört auch, die normativen Grundlagen kirchlichen Handelns als Voraussetzung für die Anwendung des Instruments aktiv zu beachten.262 Ökonomie hat eine Dienstfunktion für den Auftrag von Kirche.263 Fehlende Wahrnehmung der Rolle und Relevanz wirtschaftlichen Tuns könnte stattdessen dazu führen, dass Fehlentwicklungen nicht genügend in den Blick kommen. So eine Fehlentwicklung könnte darin bestehen, dass implizit Verwaltungsgremien pastorale Entscheidungen definieren und damit nicht mehr im Dienst der Pastoral stehen, sondern unabhängig vom kirchlichen Auftrag rein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten agieren. Der Fehler liegt dann aber im fehlenden Management, d. h. in derfehlenden Ziel-Klarheit und Steuerung solcher Verwaltungsgremien.264

Für Projekte der evangelischen Kirche formuliert Menne sehr deutlich:

„Ungenügende Leitungskompetenz, Professionalität, Nachhaltigkeit, Intensität und mangelnde Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko infolge von Angst und fehlender Visionen und zugleich dem absoluten Postulat theologischer Deutungshoheit - ohne Führungskonsequenz oder aber Kraft zum pragmatischen Konsens: Das waren, sind und bleiben die Untiefen, in denen die meisten evangelischen Kampagnen über kurz oder lang auf Grund liefen.“265

Eine generelle Diskreditierung von Management kann demnach nicht der richtige Ansatz sein. Kosch nimmt die Kritik wahr als Hinweis, dass das kirchliche Tun nicht unter das Diktakt wirtschaftlicher und finanzieller Maßstäbe kommen darf („Gefahr der Ökonomisierung“). Zugleich darf auch nicht das Gegenteil passieren („Gefahr der Spiritualisierung“).266 Die Kritik von Menne macht deutlich, dass pastorales Handeln, gerade in einer Pfarrei, durchaus gemanagt werden muss. Die vielfach vorhandenen Ratgeber zur Pfarreiarbeit machen dies deutlich und nehmen deswegen die Führung, die pastorale Planung, Entscheidungsprozesse usw. in den Blick, um das Handeln auf einen qualitativ hochwertigen Standard zu heben. Letztlich sind das alles Management-Aufgaben, die die Leitung handhaben muss.

Es steht also nicht in Frage, dass auch eine Pfarrei gemanagt werden muss.

„In der Gemeinde besteht ein Großteil der Tätigkeiten von Pfarrerinnen und Pfarrern offensichtlich aus Management. Wenn sie das schon machen müssen, sollten sie dafür auch ausgebildet sein. Damit sie sich dann aber nicht in vielerlei verlieren, bedarf es der Mühe um eine geistliche Identität. Geschieht hier nicht eine Verortung des Engagements, werden Pfarrerinnen und Pfarrer den großen Spielraum ihrer Tätigkeit zufällig und beliebig füllen.“267

Es geht zum einen um die Frage, wie gut das gemacht wird. Dafür kann man sich viele Anregungen aus den Erfahrungen und Instrumenten des Managements holen, natürlich der Pfarreisituation angepasst, um das eigene Handeln in diesem Feld möglichst professionell angehen zu können. Zum anderen dient solches Management der Aufgabe der Pfarrei, und hier liegt die Aufgabe der Theologie, das Management sorgfältig einzusortieren, d. h., die Theologie gibt normative Handlungsleitlinien und, im Falle einer Pfarrei, auch Handlungsfelder (auch wenn im Konkreten manches mehr und manches weniger vorhanden sein muss) vor. Die Theologie gibt also dem Management einen Rahmen vor, innerhalb dessen es sich bewegen darf. Das gilt so auch für Unternehmen der Caritas, nur mit den Unterschieden, dass die Aufgaben einer Pfarrei noch in viel stärkeren Maß theologisch veranlasst sind und eine Pfarrei nicht in dieser Weise ein Unternehmen darstellt.268

Kirche ist keine Organisation wie jede andere. Kirche ist eine komplexe Organisation, sie geht also über den sichtbaren Teil wesentlich hinaus. Gerade in letzter Zeit wird immer wieder deutlich, wie wichtig es insbesondere im Bereich der Ressourcen ist, Verantwortung gezielt nach den Evangelium-gemäßen Vorstellungen zu managen, damit Kirche glaubwürdig bleibt und z. B. nicht der Vorwurf von Verschwendung von Steuergeldern formuliert werden kann. Dazu braucht es professionelle Strukturen und Instrumente. Diese Verantwortung für Kirche und damit eine zielgerichtete, auftragsgemäße und effiziente Organisation ist hilfreich. Dabei geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um Erfüllung des Auftrags und die Frage, wie das heutzutage am besten geht - ohne damit Menschen zu instrumentalisieren, sondern, so Nitsche/Hilberath, vorhandene Mittel wie Paulus nicht beliebig vielmehr wirkungsvoll einzusetzen. Paulus ging in die Hafenstädte, d. h. in wichtige Zentren, um wichtige Knotenpunkte zu haben, von denen aus die Botschaft verbreitet werden konnte.269 Auch die Gleichnisse vom anvertrauten Geld (Mt 25,14-30) und den klugen Jungfrauen (Mt 25,1-13) fordern dazu auf, die eigenen Möglichkeiten gezielt zu nutzen. Der ängstliche Diener, der das Talent vergraben hat, wird dafür nicht belohnt. Die klugen Jungfrauen, die genügend Öl mitgenommen haben, können an der Hochzeitsfeier teilnehmen.270

Natürlich müssen trotzdem die grundsätzlichen Grenzen von Management und Marketing im NPO-Bereich beachtet werden:271

 

1. Unter starken Marktbedingungen, z. B. in Krankenhäusern, muss darauf geachtet werden, dass nicht nur leicht messbare Größen zur Steuerung herangezogen werden. Leicht messbar sind neben wirtschaftlichen Größen auch Werte wie Zimmergrößen oder Betreuungsschlüssel. Die individuelle Zuwendung ist viel schwieriger zu bewerten, ist aber gerade in einem kirchlichen Krankenhaus bedeutsam. Es liegt also in der Verantwortung der Führung, ein Spektrum an Beobachtungsgrößen zu haben und den einseitigen Blick auf leicht beobachtbare zu vermeiden bzw. Steuerung stets sinnvoll mit den Bedürfnissen der Betroffenen rückzukoppeln. An dieser Stelle kann eine zu hohe Gewichtung von „Effizienz“ gemessen an den falschen Maßstäben ein Problem werden. Die Ursache ist in den fehlenden alternativen Kriterien zu suchen, die für eine Organisation wie Kirche zentral wären und die ebenfalls etabliert werden müssen. Die Komplexität und der Auftrag einer Institution müssen sich hier abbilden.

2. NPOs wie auch die Kirche leben stark aus der intrinsischen Motivation ihrer Mitglieder. Ehrenamtliche engagieren sich gern im Rahmen ihrer Motive. Werden nun finanzielle Anreize für diese Personengruppe geschaffen, die an messbare Leistungen geknüpft sind, dann ist zu befürchten, dass dies Schaden anrichten könnte. Zwar mag es an einigen Stellen wünschenswert sein, dass die Mitarbeit Ehrenamtlicher sich stärker im Rahmen gemeinsamer Ziele bewegt, aber dazu sind wahrscheinlich Gespräche über Ziele oder direkte Vereinbarungen oder auch Berichtssysteme besser geeignet. Das muss Management im Raum der Kirche beachten. Evtl. sind diese Überlegungen auch bezüglich Hauptberuflicher zu bedenken. Die Möglichkeit der Einführung finanzieller Steuerungsmechanismen müsste demnach insgesamt einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um negative Wirkungen zu vermeiden. Das gilt besonders für die Kirche, die auf die intrinsische Motivation der Mitglieder angewiesen ist.

Mit Garhammer ist darauf hinzuweisen, dass Management-Ansätze nicht dazu führen dürfen, den Blick auf die Organisation und deren Verwaltung zu konzentrieren. Trotzdem ist die Chance zu sehen, dass deren systematischer Blick hilfreich sein kann, unklare Abläufe oder Organisationsstrukturen wieder im Sinne des kirchlichen Auftrags effizient zu gestalten. Gerade für eine Neuorientierung mit Zielen und operativer Umsetzung sind Management-Ansätze sehr gut geeignet und können für ein systematisches Vorgehen sorgen. Das ist in Zeiten der Weiterentwicklung hilfreich.272

Kein Automatismus!

Ein Missverständnis wäre es, TQM und speziell EFQM als eine Technik wahrzunehmen, die man nur wie eine Maschine einsetzen müsste, damit am Ende das gewünschte Ergebnis produziert wird. Das ist Qualitätsmanagement nicht.

Schwarz verweist auf die Gefahren eines technokratischen aber auch (im anderen Extrem) spiritualistischen Denkmusters.273 Das System Kirche besteht v. a. aus Menschen. In einer solchen Organisation gelten keine Naturgesetze. EFQM ist kein Automat.

Stattdessen ist EFQM zunächst so etwas wie ein Kompass oder eine Sehhilfe. Die Anwender lernen erst einmal systematisch das Hinschauen und machen das zu einer Daueraufgabe in einer Organisation. Die Kriterien geben der Organisation Blickwinkel vor, mit Hilfe derer sie nacheinander alle Handlungsbereiche wahrnehmen kann und nichts vergessen wird. Ob man mit etwas zufrieden ist oder nicht, kann anhand der Ergebniskriterien beurteilt werden. Aufgrund der langjährigen Erfahrungen kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich ein verbessertes Handeln auch auswirkt. Das setzt aber langfristiges Denken voraus, außerdem muss die Qualität im System ein bestimmtes Maß erreicht haben. Zugleich gilt: Die Gesellschaft und die Menschen entwickeln sich stets fort, so dass sich auch Teilansätze im Qualitätsmanagement mit der Zeit fortentwickeln müssen. Es wird zwar auf begründete Zusammenhänge zwischen Befähiger- und Ergebnisfaktoren aufgebaut, aber es handelt sich dabei nicht um ein garantiertes Eintreten wie man es bei einer Maschine erwarten würde. Es handelt sich eher, mit Schwarz gesprochen, um ein „biotisches“ Entwicklungsmuster, bei dem man viel tun kann, um ein gutes Wachstum zu fördern, aber das das unmittelbare Wachsen an sich nicht beeinflussen kann.274

1.2.4 Anwendung

Damit sind kritische Punkte benannt und wichtige Abgrenzungen bzw. Begriffsverständnisse geklärt. Es erscheint möglich, mit den erwähnten Grenzlinien TQM als Hilfsmittel zur Gestaltung pfarreilicher Pastoral anzuwenden. Allerdings ist damit noch herauszuarbeiten, welche Kriterien (wie es EFQM für Unternehmen angibt) in den Pfarrgemeinden anwendbar sind. Was gute Qualität bedeutet, ist demnach noch offen. Es wird die Aufgabe der nachfolgenden Kapitel sein, dazu ein Fundament zu legen. Sicherlich wird das weitere Diskussionsprozesse in der Folge benötigen. Denn letztlich braucht es eine gemeinsame Auseinandersetzung, um zu klären, welche Kriterien sinnvolle Ankerpunkte darstellen.275

Im Folgenden wird TQM und speziell das Modell EFQM zunächst als methodischer Rahmen genutzt, um das Feld des pastoralen Handelns in Pfarreien und die Wirkungen, die von Autoren oder pastoralen Experten für Pfarreien und damit Kirche als betrachtenswert erscheinen, systematisch zu sortieren und nach Zusammenhängen zu fragen. Dabei wird die Idee des EFQM aufgegriffen, dass eine Organisation Wirkungen produziert, die wiederum auf Handlungen beruhen. Es gibt also befähigende Handlungsweisen und damit zusammenhängende Wirkungen, die bei anderem Tun anders ausfallen würden.

Damit soll nicht einfach ein ökonomisches Modell mit ein paar begrifflichen Übersetzungen übernommen werden. Im Gegenteil: Ausgangspunkt ist der bereits dargestellte Auftrag von Kirche und das ekklesiologische Fundament. Das ist der theologische Ausgangspunkt. Darauf aufbauend werden im Folgenden wichtige theologische Dokumente, pastoraltheologische Modelle und Diskussionen und angrenzende Abhandlungen in den Blick genommen, die in verschiedener Form Handlungsempfehlungen für die Pfarreien oder auch Wirkungskriterien beinhalten. Eine besondere Quelle stellen dabei Interviews mit hauptberuflichen und ehrenamtlichen Experten dar. Diese Sammlung und Sortierung von expliziten in Kirche und Literatur vorhandenen sowie impliziten, individuellen Handlungsorientierungen aus der Praxis schlägt eine ordnende und den Überblick ermöglichende Schneise durch die Vielzahl an Betrachtungen und Blickwinkeln, die auf die pastorale Praxis in den Pfarreien gerichtet wird. Dadurch wird manche Betrachtung sehr kurz ausfallen, die intensiviert werden könnte oder sollte, was aber für den Querblick zur Betrachtung der Beschaffenheit (Qualität) der Pfarreien ausreichend sein muss, um dem eigentlichen Thema der Entdeckung wichtiger Qualitätskriterien als Orientierungsmuster für pastoral Handelnde treu bleiben zu können. Nachfolgende Forschungen müssten Teilkriterien ggf. verfeinern.

Die Kriterien aus dem EFQM sollen als Sortierrahmen dienen, die aber folgende Verständnisse mit Blick auf Pfarreien erfahren:

• Unter Führung kommt die Pfarreileitung und ihr Vorgehen in den Blick.

• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen sich sowohl auf hauptberufliche als auch auf ehrenamtliche Mitarbeiter.

• Statt Strategie soll von „Pastoraler Planung“ gesprochen werden, um deutlich zu machen, dass es darum geht, die Sendung der Kirche umzusetzen und dafür in der Praxis praktikable Vorgehensweisen zu finden.

• Partnerschaften und Ressourcen meinen die Kooperations- und Netzwerkpartner für die Pastoral vor Ort und die Möglichkeiten, die das Handeln erst gewährleisten.

• Prozesse, Produkte und Dienstleistungen werden mit „Pastorale Prozesse und Dienste“ umschrieben, um begrifflich näher am Auftrag der Heilssendung zu sein, für den Kirche einen Dienst leistet.

• Die Ergebniskriterien werden lediglich nach Mitarbeiter-, Gesellschafts- und Mitgliederbezogenen Ergebnissen unterteilt. Statt Schlüsselergebnissen wird von Institutionellen Ergebnissen gesprochen. Damit wird deutlich gemacht, dass die Institutionellen Ergebnisse keine Kern- oder Schlüsselergebnisse sind. Es muss einerseits durchaus darum gehen, missionarisch nach außen zu wirken und insofern zu wachsen. Aber zugleich ist der Kern die Botschaft, die bei den Menschen ankommen soll. Nur über die Menschen kann der Auftrag verwirklicht werden.


Abbildung 5: Pastorales Qualitätsmodell

Die Grundkonzepte des EFQM erscheinen grundsätzlich als unproblematisch. Vorausgesetzt wird hier das Verständnis wie es oben bzgl. Kunde, Dienstleistung, Management oder Marketing verdeutlicht wurde. Trotzdem wird auf Begriffe wie Kunde, Management oder Marketing im weiteren Verlauf eher verzichtet, um gewisse Konnotationen und damit Missverständnisse zu vermeiden, auch wenn sie begrifflich so nicht intendiert sind.276 Mit Schmälzle darf aber ein Qualitätsentwicklungsinstrument im pastoralen Kontext nicht nur humanwissenschaftlichen Kriterien genügen, sondern muss insbesondere der Kriteriologie des Evangeliums entsprechen. Das muss sich in den Qualitätskriterien niederschlagen und damit im pastoralen Handeln zeigen.277 Zusätzlich werden an dieser Stelle die Grundansätze, auf denen die Kriterien aufbauen, mit Blick auf Kirche um den Aspekt der theologischen Vergewisserung ergänzt. Damit soll gewährleistet werden, dass das Handeln stets auf die theologische Grundlage rückgekoppelt bleiben muss. So ergeben sich neun Grundansätze:

1. Das Handeln am Evangelium ausrichten.

2. Nutzen für den Wirkungsempfänger (Kunden) schaffen.278

3. „Die Zukunft nachhaltig gestalten“.