Spieglein, Spieglein in der Hand,wer lügt am meisten im ganzen Land?

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Lobbyismus kostet jährlich Milliarden – wie dreist der Spiegel legalisierte Korruption verharmlost

Vom 4. Februar 2020

Lobbyismus ist ein großes Problem in Deutschland, und Umfragen zeigen, dass über 80 Prozent der Deutschen die Macht der Lobbyisten einschränken wollen. Gut für die Lobbyisten, dass es den Spiegel gibt, der seinen Lesern erklärt, dass Lobbyismus gar nicht schlimm ist.

Lobbyisten machen in Deutschland viele Gesetze. Das bedeutet, dass Interessenvertreter ihre Vorstellung durchdrücken. Diese Vorstellungen haben meist nichts mit dem viel beschworenen „Allgemeinwohl“ gemeinsam. Da viele diese Aussage für übertrieben halten, will ich zunächst Beispiele anführen, bevor ich darüber berichte, wie der Spiegel das Thema für seine Leser nicht nur verharmlost, sondern sogar regelrecht verniedlicht. Der Spiegel generiert sich, wie wir sehen werden, quasi als Lobbyist für Lobbyismus.

Als 2008 die weltweite Finanzkrise ausbrach, riefen die Banken um Hilfe. Tatsächlich stand die Welt am wirtschaftlichen Abgrund, denn eine massenhafte Bankenpleite hätte nicht nur die Vermögen der (Klein-)Anleger vernichtet, sondern auch den Zahlungsverkehr ausgeschaltet. Und wenn man keine Löhne oder Rechnungen bezahlen kann, steht die Welt still. Dass das verhindert werden musste, sieht jeder Mensch ein.

Die Frage war, wie man so etwas verhindern kann. Und das wäre ganz einfach gewesen: Der Staat gibt Garantien ab, dass er jede pleitegehende Bank übernimmt und dadurch rettet. Die Aktionäre einer Pleite gegangenen Bank hätten ihr unternehmerisches Risiko getragen und ihre Aktien wären wertlos geworden. Die betroffenen Banken wären in Staatsbesitz übergegangen, aber sowohl die Vermögen der Bankkunden als auch der Zahlungsverkehr wären nicht in Gefahr geraten.

Diese Möglichkeit hätte noch einen weiteren Vorteil gehabt: Wenn es nach einigen Jahren gelungen wäre, dass die Banken wieder auf eigenen Füßen stehen können, hätte der Staat seine Anteile an den Banken wieder verkaufen und vielleicht am Ende sogar einen Gewinn machen können.

Aber so ist es nicht gelaufen.

Stattdessen wurde ein Eilgesetz erlassen, das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Das Gesetz sollte bis zu 480 Milliarden für die Rettung der Banken bereitstellen, aber natürlich ohne dass der Staat Eigentümer der Banken geworden wäre. Der Staat (also wir alle) haben gezahlt, die Aktionäre haben ihr Geld behalten.

Dass die Banken ausgerechnet auf diese Weise gerettet wurden, ist kein Zufall. Der Focus zum Beispiel schrieb 2009 über das Zustandekommen des Gesetzes:1

„Steinbrücks Ministerium ließ die Gesetzentwürfe sowie die Verordnung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz – die Grundlage für die staatliche Stützung deutscher Banken mit bis zu 480 Milliarden Euro – komplett von Anwälten der Frankfurter Top-Kanzlei Freshfields ausarbeiten. Zu deren Mandanten gehören fast alle führenden Banken der Republik.“

Die Kanzlei Freshfields ist die weltweit führende Lobby-Kanzlei für Banken. Das bedeutet, dass eine Kanzlei, die von den Banken dafür bezahlt wird, Gesetze zu erreichen, die für die Banken gut sind, das Gesetz machen durfte, das die Banken retten sollte. Wenig überraschend, was dabei herauskommen musste, dazu gleich mehr.

Die Kanzlei hat aber natürlich auch dem Finanzministerium eine Rechnung geschickt, denn sie hat ja das Ministerium beraten. Sie hat sich also von den Banken bezahlen lassen, um für das Ministerium ein Gesetz nach Wunsch der Banken zu schreiben, wofür sie vom Ministerium ein zweites Mal bezahlt wurde. Das glauben Sie nicht? Der Focus schrieb damals auch:

„Es ist ein lohnendes Geschäft. So kassierten Kanzleien wie Freshfields allein für die Beratung des Bundes bei der Rettung der Hypo Real Estate im Herbst 2008 insgesamt 766503 Euro.“

Und das war nur das Honorar für die Rettung einer einzigen Bank. Es mussten aber viele Banken gerettet werden, und das Gesetz, auf dessen Basis dann die Banken gerettet wurden, haben sie ja auch nicht umsonst geschrieben. Gibt es eigentlich eine Steigerung für das Wort „Selbstbedienungsladen“?

Und das Ganze wurde für Sie persönlich richtig teuer. Zehn Jahre später hat die „Welt“ eine Bilanz gezogen2 und berichtet, dass diese Bankenrettung jede Familie in Deutschland 3.000 Euro gekostet hat. Ganze 59 Milliarden wurden den Banken in den Rachen geworfen, damit die Aktionäre nicht ihr Geld verlieren. Im Gegenzug hat der Staat nichts bekommen, außer Post von den Lobby-Kanzleien, denn die hatten ja ihre Rechnungen geschrieben.

Wer glaubt, dass dies das Ende der Dreistigkeit ist, täuscht sich. Im von Freshfields geschriebenen Gesetz wurde auch das sogenannte Finanzmarktgremium geschaffen, das in geheimer Sitzung seit 2008 über die Verteilung der 480 Milliarden entscheidet. Als der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss 2017 Sitzungsprotokolle anforderte, um den Cum-Ex-Skandal aufzuklären, wurde die Herausgabe verweigert:3

„Die Bundestagsverwaltung lehnte die Herausgabe des Protokolls ab. Das Finanzmarktgremium tage laut Gesetz geheim. Die Regeln sähen nirgends vor, dass davon Ausnahmen möglich seien. Insbesondere lasse das Gesetz ‚keinen Raum für eine Abwägung zwischen einem Geheimhaltungsinteresse und einem öffentlichen Informationsinteresse‘, heißt es in der Stellungnahme einer Bundestagsjuristin vom 16. Januar 2017 (…) Das 2008 von der damaligen Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Bankenrettung sei nun mal sogar strikter gefasst als die Regeln bei der Kontrolle der Geheimdienste, argumentierte die Hausjuristin. Dort seien Ausnahmen möglich. Bei den Banken nicht.“

Freshfields hat ganze Arbeit geleistet. Selbst Verbrechen der Banken, um die es bei Cum-Ex ja geht, können nicht aufgeklärt werden, weil das Finanzmarktstabilisierungsgesetz das verhindert. Freshfields hat aus Sicht der Banken einen exzellenten Job gemacht, der den Staat mindestens 60 Milliarden gekostet hat und auch noch Verbrechen deckt. Dass der Staat beim Cum-Ex-Skandal ebenfalls um Milliarden betrogen wurde, ist dabei noch gar nicht eingerechnet.

Dabei dürfen wir nicht vergessen: 5 Milliarden für die Einführung einer Grundrente waren lange zu viel Geld, das könne sich der Staat nicht leisten! Das haben wir 2019 ununterbrochen von denselben Politikern gehört, die ohne mit der Wimper zu zucken in einem Eilgesetz 480 Milliarden für die Banken bereitgestellt haben, von denen mindestens 60 Milliarden auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind.

Das war nur ein Beispiel, es gibt so viele, dass man darüber ein eigenes Buch schreiben könnte. So hat zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung im letzten Jahr fast im Alleingang das Fachkräftezuwanderungsgesetz geschaffen, damit es ausreichend billige Arbeitskräfte gibt und die Löhne in Deutschland nicht allzu sehr erhöht werden müssen.

So also funktioniert Lobbyismus. Wir werden in diesem Artikel noch andere Beispiele sehen. Und wie teuer die Folgen für die Steuerzahler sind. Aber der Leser erfährt so etwas natürlich nicht, wenn der Spiegel über Lobbyismus berichtet. Und das schauen wir uns nun einmal an.

Am 22. Januar veröffentlichte der Spiegel einen Podcast,4 in dem er seinen Lesern erklärt, was Lobbyismus ist. Und siehe da: Lobbyismus ist gar nichts schlimm. In der Einleitung konnte man lesen:

„PR-Beratung, Consulting, Interessensvertretung – für das Wort Lobbyismus gibt es viele Synonyme. Aus gutem Grund: Dem Lobbyismus haftet ein negatives Image an. Wer an Lobbyarbeit denkt, hat Hinterzimmer-Deals im Kopf oder zwielichtige Treffen in dunklen Tiefgaragen. Doch meist wird Lobbyismus ganz normal in Büros und Konferenzräumen betrieben.“

Der Spiegel verkauft seine Leser schon hier für dumm. Die „Hinterzimmer“, von denen der Spiegel schreibt, sind ja gerade die „Büros und Konferenzräume“. Das Problem ist ja nicht, wo sich die Herrschaften zusammensetzen, das Problem ist, dass es intransparent hinter verschlossenen Türen geschieht.

Der Podcast wurde vom Spiegel transkribiert, man kann also mit Zeitangabe sehen, wann was gesagt wurde. Es beginnt damit, dass Schüler eines Abendgymnasiums gefragt wurden:

„[00:03:47] Martin Jähnert Was ist für euch Lobbyismus? Ist das gut? Ist das schlecht? Was würdet ihr sagen? …

[00:04:06] Teilnehmer der lobbykritischen Führung Also, in erster Linie ist es erstmal vorwiegend nur Interessenvertretung, und das ist erstmal neutral oder positiv vielleicht auch zu betrachten. …

[00:04:18] Teilnehmer der lobbykritischen Führung Aber gleichzeitig ist es natürlich ein negativ behafteter Begriff häufig, weil ja Lobbyisten, weiß man ja …“

Mehr konnten die dazu nicht sagen.

In dem Podcast ging es dann darum, dass Lobbyisten „Nähe zu Politikern schaffen“. Dazu wurden hübsche Beispiele ausgewählt:

„[00:05:25] Martin Jähnert Am besten hat man Freundinnen und Freunde in der ganzen politischen Auseinandersetzung. Und Freunde kann man sich unter anderem schaffen, indem man Menschen schmeichelt. Und das tut die Brauereiwirtschaft, indem sie jährlich eine größere Veranstaltung schmeißt. Und da wird dann der Botschafter oder die Botschafterin des Bieres gekürt, der Ehrenpreis, jedes Jahr.“

Das ist doch niedlich, oder? Es wird ein Politiker zum „Botschafter des Bieres“ ernannt und das ist demnach Lobbyismus. Klingt nicht problematisch, oder? Dann geht es weiter:

„[00:05:42] Sebastian Spallek Und das heißt, die Lobbyisten suchen die Nähe zur Politik, damit sie dann eben Einfluss, langfristigen Einfluss auf die Politik nehmen können und eben so ihrer Branche Vorteile bringen.

[00:05:52] Matthias Kirsch Und dieses Nähesuchen, von dem du geredet hast, wie sieht das in der Realität aus?

[00:05:58] Sebastian Spallek Also mal ein Beispiel: Der Bier-Botschafter dieses Jahres ist Sigmar Gabriel. Und dadurch, dass der Brauerei-Verband eben diesen Preis vergeben hat, haben die schon so eine Art Nähe geschaffen. Und solche Preise gibt es doch relativ viele. Der FDP-Chef Christian Lindner, der ist gerade Brot-Botschafter und da steckt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks dahinter.“

 

Das klingt doch nach niedlicher Folklore, oder? Bierbotschafter und Brotbotschafter. Alles gar nicht so schlimm. Ob wohl auch ein „Bankenbotschafter“ gekürt wird?

Was der Spiegel nicht erwähnt, ist, dass mit solchen Preisen meist auch Geld verbunden ist. Politiker bekommen von Lobbyisten Geld bezahlt, wenn sie auf deren Veranstaltungen eine Rede halten. Das kann – wir erinnern uns an Steinbrück, der nach der Annahme des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sechsstellige Summen für Reden bei Banken und Versicherungen kassiert hat – sogar richtig viel Geld sein.

Aber das ist natürlich keine Korruption, das ist völlig legal in Deutschland: Steinbrück hat als Finanzminister das Gesetz von Freshfields schreiben lassen und den Banken über 60 Milliarden geschenkt und anschließend von den Banken gigantische Honorare für kurze Vorträge bekommen. Da das legaler Lobbyismus und keine Korruption ist, berichtet Transparency International auch nicht darüber. Diese angeblich kritische Organisation gegen internationale Korruption ist ein eigenes Thema.

Und weil das alles legal ist, verdient zum Beispiel „Brotbotschafter“ Lindner mit solchen Vorträgen über 300.000 Euro pro Jahr. Die Regeln des Bundestages zwingen ihn übrigens nicht, offenzulegen, von wem er wie viel wofür bekommen hat. Man weiß nur, dass er das Geld für 50 Vorträge bekommen hat. Lindner bekommt also für eine kurze Rede im Schnitt über 6.000 Euro.

Aber selbst diese angeblich harmlosen Ehrungen verharmlost der Spiegel noch einmal. Denn danach kommt die Frage:

„[00:06:19] Matthias Kirsch Also die Lobbyisten vergeben Preise, kommen so in Kontakt mit den Politikern und können die dann langfristig irgendwie ausnutzen, um Einfluss zu gewinnen. Das ist ja interessant. Aber sag mal, die Politiker, die wissen doch ganz genau, was diese Verbände, was diese Unternehmen vorhaben. Die wissen doch: Die Lobbyisten kommen mit einem ganz klaren Plan zu denen.“

Aber es ist alles natürlich ganz harmlos, wie die Antwort zeigt:

„[00:06:38] Sebastian Spallek Na klar, das wissen die auch. Den Politikern, denen geht es in erster Regel ja um Informationen.

[00:06:42] Martin Jähnert Speziell die Abgeordneten im Parlament brauchen diese externe Expertise, dieses Fachwissen, weil sie gar nicht genügend Ressourcen haben, sich so intensiv in die Themen einzuarbeiten, wie das notwendig wäre. Deshalb sagen da einige: Ich kann ohne Lobbyistinnen und Lobbyisten gar nicht arbeiten, ich brauche dieses Fachwissen. Das Fachwissen ist natürlich immer auch interessengeleitet, natürlich – allzu interessengeleitet darf es dann auch nicht sein. Denn wenn es falsch wird, dann blamieren sich die Abgeordneten, wenn sie dieses Fachwissen annehmen, blamieren sich vor der Presse, vor Kolleginnen und Kollegen, und werden vielleicht mit dem Lobbyisten, der dieses Fachwissen zur Verfügung gestellt hat, ab sofort nicht mehr reden.“

Natürlich ist das Fachwissen nie „falsch“, es ist eben „nur“ interessengeleitet. Denken wir als Beispiel nochmal an die Bankenrettung.

Die Frage war damals, wie man die Vermögen der Anleger und den Zahlungsverkehr schützen kann. Und das wurde ja erreicht. Nur eben für viel mehr Geld als nötig, und nebenbei wurden in erster Linie die Aktionäre, also die Eigentümer der Banken geschützt. „Falsch“ war es also nicht, es war nur unglaublich teuer, und das Ziel hätte wesentlich effektiver und billiger erreicht werden können.

Aber das ist dem Spiegel immer noch nicht harmlos genug, daher kommt dann Folgendes:

„[00:07:14] Matthias Kirsch Das heißt, wenn es jetzt im Bundestag zum Beispiel zu einer Abstimmung, zu einem bestimmten Thema kommt und eine Politikerin, ein Politiker, die kennen sich bei diesem Thema jetzt nicht so gut aus, dann kriegen die tatsächlich ihre Informationen von Lobbyisten.

[00:07:28] Sebastian Spallek Ja, das ist ganz oft so. Und das machen übrigens alle. Es sind nicht nur die großen Industrieunternehmen, wie man sich das vorstellt, die Politikern eben Infos liefern, sondern auch NGOs wie Greenpeace oder Amnesty – die machen genau das Gleiche.“

Was der Spiegel hier verschweigt, ist, dass die Macht der Lobbyisten ja nicht von der Nähe der Lobbyisten zu Abgeordneten abhängt, sondern von der Nähe der Lobbyisten zu Entscheidungsträgern in der Regierung. Es ist die Regierung, die die Gesetze einbringt. Und in die Nähe der Regierung kommt nur, wer genug Geld und Macht mitbringt. Daher werden die Gesetze angenommen, die von reichen Industrielobbyisten gewollt sind, und nicht die Gesetze, die die bettelarmen Verbraucherschützer haben möchten. Das beste Beispiel dafür ist Glyphosat. Bayer (und früher Monsanto) hat die Macht, dafür zu sorgen, dass das Mittel zugelassen wird, egal wie viele Verbraucherschützer dagegen sind.

Und so ist es bei jedem Thema. Es setzen sich am Ende die Lobbyisten durch, die Geld haben und die den Politikern auch noch gute Jobs für die Zeit nach der Politik anbieten können. Und da haben die Verbraucherschützer keine Chance gegen die Industrie.

Nachdem im Spiegel-Podcast ein Lobbyist selbst noch ausführlich darstellen durfte, warum seine Arbeit ganz wichtig und unentbehrlich ist, durfte er zum Ende Folgendes sagen:

„[00:16:08] Matthias Kirsch Wir haben zu Beginn unserer Folge schon gehört, warum Politiker sich mit Lobbyisten treffen. Die Politiker kommen so recht einfach und schnell an Informationen. Aber warum besorgen sich die Politiker diese Infos nicht aus einer neutralen Quelle, zum Beispiel aus Universitätsstudien oder Ähnlichem?

[00:16:25] Andreas Geiger Studien, da haben Sie immer hundert, zweihundert Seiten Papier, die Sie erstmal durchforsten müssen. Im Grunde genommen machen wir kostenlos genau diese Arbeit für den Abgeordneten, indem wir sagen: Gib uns eine halbe Stunde, eine Stunde, wir kommen, haben dir hier unsere wesentlichsten Punkte auf einer Seite, sechs Bullet Points niedergeschrieben. Wir erklären es dir auch nochmal kurz, was das genau heißt. Das heißt, du hast von unserer Seite diese ganzen 150 Studien, die es dann eben aus der Branche zu dem Thema gibt, alles heruntergebrochen auf einer Seite.“

Dass Studien keineswegs neutral sind, habe ich oft genug aufgezeigt. Selbst wenn sie von einer angeblich neutralen Universität erstellt werden, muss man immer nachprüfen, wer die Studie finanziert hat. Das ist kein Problem, es steht meist mehr oder weniger offen im Impressum geschrieben. Und dann wundert man sich jedes Mal, dass diese „neutrale“ Studie rein zufällig zu einem Ergebnis kommt, das exakt den Zielen der Finanziers der Studie entspricht. Zufälle gibt es …

Zum Ende möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf aktuelle Meldungen hinweisen.

Wir haben am Beispiel Bankenrettung gesehen, dass es die „Berater“ waren, die das Gesetz geschrieben haben, das dann den Banken zu Lasten der Steuerzahler Milliarden in die Kassen gespült hat. Und wir haben gesehen, dass die verantwortlichen Berater gleichzeitig – rein zufällig – vom wichtigsten Banken-Lobbyisten gekommen sind.

Am 31. Januar 2020 gab es im Handelsblatt einen Artikel unter der Überschrift „Bundesregierung gab für Berater 2019 mehr als eine halbe Milliarde Euro aus“.5 Die Bankenrettung war 2008. Seitdem haben sich die Kosten für Berater der Ministerien vervielfacht. Die Regierung bezahlt ihnen nun über 500 Millionen pro Jahr, damit sie Gesetze machen, die uns schaden.

Das klingt provokant? Dann schauen Sie sich doch die aktuellen „Skandale“ an. Das Debakel mit der Maut im Verkehrsministerium ist auf dem Mist von Beratern gewachsen, die das Ministerium beraten haben und dabei die Verträge so ausgearbeitet haben, dass das Ministerium alle Risiken trägt und die Firmen, die die Maut aufbauen sollen, eine Gewinngarantie haben.

Oder das Verteidigungsministerium: Dort heißt der Skandal sogar ganz offiziell „Beraterskandal“. Noch Fragen?

Auch diese Liste ließe sich fortsetzen, aber das Kapitel ist auch so schon viel zu lang geworden …

1 https://www.focus.de/politik/deutschland/bundesregierung-die-beamten-fluesterer_aid_426462.html

2 https://www.welt.de/wirtschaft/article181517070/Lehman-Bankenrettung-in-der-Finanzkrise-kostet-jede-Familie-3000-Euro.html

3 https://www.stern.de/politik/deutschland/tillack/geheimsache-bankenrettung--selbst-untersuchungsausschuss-ohne-einblick-in-unterlagen-7329778.html

4 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/lobbyismus-wer-macht-in-deutschland-wirklich-die-gesetze-a-a759df04-9957-4eef-8d49-cefd41f5f8cd

5 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/finanzministerium-bundesregierung-gab-fuer-berater-2019-mehr-als-eine-halbe-milliarde-euro-aus/25494368.html

Tiergartenmord: Wie der Spiegel Propaganda als Enthüllungen verkauft

Vom 18. Februar 2020

Der Spiegel hat sich wieder einmal zum Tiergartenmord geäußert. Aber anstatt neue Entwicklungen aufzuzeigen, wurde nur das einseitige Narrativ wiederholt und alles weggelassen, was nicht ins vom Spiegel gewollte Bild passt.

Unter der Überschrift „Tiergarten-Mord – Russischer Geheimdienst spielte offenbar zentrale Rolle bei Erschießung“1 veröffentlichte der Spiegel einen Artikel, der einerseits von Desinformation überquillt, andererseits aber wirklich alles weglässt, was nicht die Meinung unterstützt, die der Spiegel seinen Lesern aufoktroyieren möchte.

In Sachen Tiergartenmord gab es keine Neuigkeiten, aber der Spiegel hat trotzdem in einem langen Artikel noch einmal darauf hingewiesen, dass angeblich Russland schuld ist, wie man gleich zu Beginn des ersten Absatzes lesen konnte:

„Der russische Inlandsgeheimdienst FSB spielte offenbar eine zentrale Rolle bei der Erschießung des Georgiers Zelimkhan Khangoshvili im vergangenen August in Berlin.“

Das klingt wichtig, aber kurz darauf sehen wir, woher diese „Erkenntnis“ stammt:

„Recherchen des SPIEGEL und seiner Kooperationspartner Bellingcat und The Insider zeigen, dass der mutmaßliche Attentäter Vadim Krasikov in den Wochen und Monaten vor seinem Anschlag auf Khangoshvili im engsten Austausch mit Vertretern des Vympel-Teams stand, einer Vereinigung ehemaliger Speznaz-Kräfte des FSB. Zudem hielt er sich mehrfach in FSB-Liegenschaften auf, insbesondere in einem geheimen Trainingszentrum für Spezialkräfte.“

Was der Spiegel vermeldet, sind also keine Ermittlungsergebnisse der Behörden, sondern des Spiegel selbst. Besonders interessant sind die „Kooperationspartner“ des Spiegel. Dabei handelt es sich um ausgewiesen anti-russische Organisationen, die schon oft mit unwahren Meldungen über Russlands angebliche Untaten aufgefallen sind.

Bellingcat ist vielen bekannt. Das sogenannte Enthüllungsportal wird immer dann benutzt, wenn der Westen eine Beschuldigung nicht selbst aussprechen will. Dann darf Bellingcat das als angeblich unabhängiges Portal tun, wobei es aber mit Geheimdienstinformationen gefüttert wird. Dabei haben sich allerdings viele Meldungen von Bellingcat im Nachhinein als eindeutig erfunden herausgestellt. Aber zuvor beherrschten sie die Schlagzeilen und haben damit die öffentliche Meinung manipuliert. Als die Lügen ans Licht kamen, wurde jedoch darüber nicht berichtet.

The Insider ist ein russischer Aktivist, der vom Westen mit rund 10.000 Dollar monatlich finanziert wird. Das sind keine Vorwürfe seiner Gegner, das hat er selbst im Spiegel2 in einem Interview gesagt. Dass er natürlich im Gegenzug liefert und behauptet, was seine Finanziers von ihm fordern, ist wenig überraschend. So dient The Insider Bellingcat regelmäßig als Quelle, die zum Beispiel angeblich Zugriff auf russische Passdatenbanken hat. Dabei sind diese Daten in Russland genauso wenig öffentlich zugänglich wie in Deutschland. Würde sich The Insider diese Daten tatsächlich widerrechtlich besorgen, hätte er bereits ein Strafverfahren am Hals. Aber er läuft frei in Moskau herum.

 

Einen weiteren „Kooperationspartner“ nennt der Spiegel später im Artikel:

„Während kurz nach dem Mord noch Spekulationen über eine Fehde unter Kriminellen aus Tschetschenien oder tschetschenischen Islamisten spekuliert wurde, konnten Bellingcat, der SPIEGEL und das Londoner Dossier Center bereits früh zeigen, dass Krasikov seine falsche Identität ‚Vadim Sokolov‘ nur mit aktiver Hilfe des russischen Staates erlangen konnte.“

Das „Londoner Dossier Center“ ist von einem der erbittertsten Gegner Putins, von Michael Chodorkowski, gegründet worden und hat nur einen Zweck: anti-russische „Nachrichten“ verbreiten. Und dabei denkt es sich diese Nachrichten auch gerne selbst aus, wie man im April 2019 sehen konnte, als der Spiegel den Frohnmaier-Skandal aufkochte, den sich das Dossier Center komplett ausgedacht hatte.

Diese Kombination aus anti-russischen Quellen, die schon alle mit Lügen aufgefallen sind, stellt der Spiegel nun als Ermittlungsteam vor. Daher schauen wir uns den Artikel nun einmal an.

Nach den schon zitierten Sätzen, die den ersten Absatz des Artikels bildeten, geht es wie folgt weiter:

„Damit verdichtet sich die Indizienkette gegen den russischen Staat als Auftraggeber für den Mord an Khangoshvili. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte Generalbundesanwalt Peter Frank den Fall wegen seiner besonderen Bedeutung übernommen. Er stellte damit den Vorwurf des Staatsterrorismus in den Raum, auch wenn er stets betonte, er gehe einem ‚Anfangsverdacht‘ nach.“

Geschickt verbindet der Spiegel hier seine eigenen „Ermittlungsergebnisse“ mit dem Generalbundesanwalt. Wer den Artikel überfliegt, kann schnell den Eindruck bekommen, es handele sich um offizielle Ermittlungsergebnisse und nicht um etwas, was der Spiegel mit seinen Kumpanen selbst zusammengebastelt hat.

Apropos Generalbundesanwalt. In Deutschland ist die Justiz nicht unabhängig, sondern muss den Anweisungen der Regierung Folge leisten. Sogar der Europäische Gerichtshof hat das bereits kritisiert, und seitdem dürfen deutsche Staatsanwälte keine europäischen Haftbefehle mehr ausstellen, weil eben nicht sichergestellt ist, dass die Haftbefehle nicht politisch motiviert sind. Das ist kein Scherz.

Das muss man wissen, wenn man sich die Geschichte ansieht, wie der Generalbundesanwalt den Fall an sich gezogen hat. Dabei ist die Chronologie interessant. Sie ist wie folgt:

Am 4. Dezember 2019 zieht der Generalbundesanwalt den Fall an sich und Deutschland weist zwei russische Diplomaten aus, weil Russland angeblich nicht bei der Aufklärung kooperiert hat. Aber das erste deutsche Rechtshilfeersuchen an Russland erfolgte erst am 6. Dezember, also zwei Tage später. Das hat die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage hin einräumen müssen.3

Daher bestätigt sich, dass die Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt eine politische Aktion war und keine Folge von Ermittlungsergebnissen. Wenn ein Land Diplomaten ausweist, dann wird genau überlegt, wen man ausweist. Die Entscheidung fällt nicht in der Kaffeepause.

Da aber praktisch zeitgleich die Mitteilungen erfolgten, der Generalbundesanwalt übernehme den Fall und zwei Diplomaten würden ausgewiesen, ist es kaum anders zu erklären, als dass diese Aktion in der Regierung Tage oder Wochen vorher koordiniert worden war. Der Generalbundesanwalt hat demnach auf Anweisung der Regierung den Fall an sich gezogen und die Regierung hat anschließend sofort die Ausweisung der Diplomaten verkündet. Wäre es anders gewesen und hätte der Generalbundesanwalt unabhängig gehandelt, wäre die Regierung von seiner Entscheidung überrascht gewesen und hätte einige Tage gebraucht, um sich die zwei Diplomaten auszusuchen, die sie des Landes verweisen möchte.

Das muss man im Hinterkopf haben, wenn man diesen Spiegel-Artikel liest. Dort kann man weiter lesen:

„Die Indizien für den FSB als zentralen Spieler basieren unter anderem auf der Auswertung von Krasikovs Mobiltelefon. Demnach hatte er in den Monaten vor dem Mord regelmäßigen Kontakt zu insgesamt acht Mitgliedern des Vympel-Teams, besagter Organisation ehemaliger Spezialkräfte des FSB.“

Woher hat der Spiegel die Daten aus dem Mobiltelefon? Gibt die Staatsanwaltschaft diese Daten aus internen Ermittlungsakten etwa an die Presse weiter? Das wäre kaum legal. Es gibt also eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Erstens, die Behörden (egal, ob Geheimdienst oder Staatsanwaltschaft) geben den Inhalt der Ermittlungsakten an die Presse weiter. Zweitens, der Spiegel hat sich die Sache komplett ausgedacht.

In dem Spiegel-Artikel geht es dann um sehr viele Details, die angeblich aus der Auswertung des Handys hervorgehen: wo sich der mutmaßliche Täter wann aufgehalten hat, mit wem er wann und wie oft telefoniert hat und so weiter.

Hier zeigen sich Parallelen zu anderen Fällen, wie zum Beispiel zum „Fall Skripal“: Die Medien bekommen Informationen zugespielt, die sie gar nicht bekommen dürfen. Es ist also eine bewusste Beeinflussung der Leser durch – von wem auch immer – ausgewählte Informationen. Ob diese wahr sind oder ausgedacht, ist nicht überprüfbar. In der Vergangenheit haben sie sich aber oft als unwahr herausgestellt.

Wer jetzt einwendet, der Spiegel könnte ja Quellen bei den ermittelnden Behörden haben, die ihm das Material zugespielt haben, den muss ich enttäuschen. Dann würde ein Skandal durch die Medien getrieben werden, denn es würde bedeuten, dass Beamte unbefugt Dienstgeheimnisse weitergegeben hätten. Das würde zu Strafanzeigen und Ermittlungen führen, man würde die undichte Stelle mit Hochdruck suchen. Davon ist aber nichts zu hören.

Wenn Sie das Argument für unwahr halten, fragen Sie einmal Edward Snowden oder Julian Assange, was mit Leuten passiert, die im Westen ohne Erlaubnis Dienstgeheimnisse weitergeben oder veröffentlichen. Der journalistische Quellenschutz besteht im Westen bei politischen Themen nur noch auf dem Papier.

„Qualitätsmedien“ wie das ehemalige Nachrichtenmagazin sind zu reinen Verkündern dessen geworden, was wir erfahren sollen, anstatt tatsächlich journalistische Arbeit zu machen.

Und wie erwähnt hat der Spiegel alles weggelassen, was nicht in das gewollte Narrativ passt. Über die Hintergründe des Opfers, der als Terrorist über 100 Menschen getötet hat und außerdem mindestens ein Islamist, wenn nicht sogar Salafist war und zu allem Überfluss auch noch tief in organisierte Kriminalität verstrickt war, liest man im Spiegel kein Wort. Dabei sind die Details seiner „Karriere“ hinlänglich bekannt.

Übrigens hat der Spiegel selbst am 14. Januar 2020 in einem Artikel4 ausführlich darüber berichtet, wie tschetschenische Asylbewerber in Deutschland große Teile der organisierten Kriminalität mit nicht gekannter Brutalität übernommen haben. Einen Zusammenhang zum Opfer aus dem Tiergarten stellt der Spiegel jedoch nicht her, dabei war das Opfer selbst bis Oberkante Unterlippe in diese Dinge verstrickt.

Darauf hat Putin auf Fragen von Journalisten immer wieder hingewiesen, zumal die russischen Behörden die deutschen Behörden darüber informiert haben. Putins Frage war daher, wie es angehen kann, dass solche Leute in europäischen Hauptstädten frei herumlaufen dürfen.

Wie verlogen Politik und Medien in Deutschland sind, zeigt sich besonders deutlich, wenn man die Reaktionen auf den Tiergartenmord mit den Reaktionen auf die Ermordung des saudischen Journalisten Khashoggi vergleicht.

1 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/russischer-geheimdienst-spielte-offenbar-zentrale-rolle-bei-erschiessung-a-9d54908f-8b04-46e8-bf21-261a0874f3e3

2 https://www.spiegel.de/politik/ausland/sergej-skripal-wie-russlands-investigativjournalisten-verdaechtige-agenten-enttarnen-a-1255719.html

3 http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19136.pdf

4 https://www.spiegel.de/panorama/justiz/razzia-in-mehreren-bundeslaendern-verdaechtige-islamisten-haben-kontakte-ins-kriminelle-milieu-a-fbc66d88-becb-4785-ab01-e0b8bfc9b256