Internationales Privatrecht

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III. Qualifikation nach dem Gesellschaftsstatut

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1. Das Gesellschaftsstatut bestimmt über alle inneren Verhältnisse der Gesellschaft, ihre Gründung, die Voraussetzungen der Rechtsfähigkeit, insbesondere das Erfordernis einer Eintragung in öffentliche Register, sowie die Namensbildung und -führung. Das Gesellschaftsstatut ist außerdem maßgebend für die körperschaftliche Verfassung, die innere Willensbildung der Gesellschaft, insbesondere die Geschäftsführung, sowie die unternehmerische Mitbestimmung von Organen und Arbeitnehmern (vgl Rn 637). Es entscheidet auch darüber, welche Organe die Gesellschaft hat und wie diese bestimmt bzw zusammengesetzt werden. Hingegen unterliegt die betriebliche Mitbestimmung (vgl Rn 638) dem Recht am Sitz der Betriebsstätte.

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2. Die rechtsgeschäftlichen Außenbeziehungen der Gesellschaft werden nur insoweit vom Gesellschaftsstatut beherrscht, als sich aus der Eigenschaft als juristische Person eine Sonderbeziehung ergibt.

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Hierzu gehört die typischerweise für die nicht selbst handlungsfähige juristische Person bestehende organschaftliche Vertretungsmacht. Wer die juristische Person organschaftlich vertritt, bestimmt das Gesellschaftsstatut. Wer hingegen die Gesellschaft kraft gewillkürter Vertretungsmacht (Vollmacht) vertritt, bestimmt, nicht anders als bei einer natürlichen Person, das rechtsgeschäftliche Vertretungsstatut. Vertragliche und deliktische Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten unterliegen dagegen dem jeweiligen Schuldstatut.[30]

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3. Ebenfalls dem Gesellschaftsstatut unterliegt das Verhältnis der juristischen Person zu ihren Mitgliedern. Hierzu rechnet der Erwerb, der Inhalt und der Untergang der Mitgliedschaft, deren Übertragbarkeit und Belastbarkeit sowie die Natur von Urkunden über die Mitgliedschaft, insbesondere von Aktien und Anteilscheinen.

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4. Die Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte beurteilt sich hingegen nicht ausschließlich nach dem Gesellschaftsstatut; insbesondere gilt nicht, auch nicht entsprechend, Art. 11 Abs. 4.[31] Voraussetzung der Inanspruchnahme der Ortsform ist aber, dass das Ortsrecht für den betreffenden Rechtsakt eine Form bereithält, was nur dann angenommen werden kann, wenn es diesen Rechtsakt kennt.[32] Soll wegen Zweifeln an der Wirksamkeit nach Ortsform im Ausland die Form des (deutschen) Gesellschaftsstatuts gewahrt werden, so stellt sich ein Substitutionsproblem, sofern das Gesellschaftsstatut die Mitwirkung einer Amtsperson, insbesondere eine notarielle Beurkundung verlangt (dazu Rn 544).[33]

IV. Sitzverlegung, Anerkennung ausländischer Gesellschaften
1. Sitzverlegung

a) Im Geltungsbereich der Gründungstheorie

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aa) Soweit die Gründungstheorie gilt (Rn 636) wirkt sich eine (bloße)[34] Verwaltungs-Sitzverlegung nicht auf die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft oder sonstigen juristischen Person aus: Innerhalb der EU und des EWR darf der Zuzugsstaat die Existenz der Gesellschaft nicht davon abhängig machen, dass sie sich in seinen Rechtsformen neu gründet. Ein Wechsel des anwendbaren Rechts ist mit der Sitzverlegung nicht verbunden; die zuziehende Gesellschaft bleibt rechtsfähige Gesellschaft ihres Gründungsrechts.

Hierdurch unterscheidet sich die Sitzverlegung prinzipiell von der grenzüberschreitenden Umwandlung (Rn 635 zu Cartesio und Vale), bei der die Gesellschaft unter Rechtsnachfolge zu einer Gesellschaft des Zuzugsstaates wird.

Der Wegzugsstaat darf die Sitzverlegung mit der Auflösung und Liquidation der Gesellschaft sanktionieren, ohne damit innerhalb von EU und EWR die Niederlassungsfreiheit zu verletzen (Rn 635 zu Cartesio), da es ihm überlassen ist, die Anknüpfung zu bestimmen, die eine Gesellschaft aufweisen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht existent angesehen zu werden und damit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit zu gelangen.

Hiervon ist wiederum der Fall zu unterscheiden, in dem der Zuzugsstaat die Gesellschaft durch Umwandlung in eine Rechtsform seiner Rechtsordnung aufnimmt, was innerhalb von EU und EWR den Wegzugsstaat zwar nicht hindert, die Gesellschaft nicht mehr als eigene anzusehen, aber ihm Auflösungund Liquidation untersagt.

Auch im Verhältnis zu den USA muss Deutschland nicht die Sitzverlegung einer deutschen Gesellschaft in die USA gestatten: Art. XXV Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages (Rn 631) zwingt Deutschland zwar zur Anerkennung einer US-Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland, nicht aber zur Anerkenung einer deutschen Gesellschaft mit Verwaltungssitz in den USA.

Anders als im Verhältnis zu EU/EWG-Staaten muss Deutschland seinen Gesellschaften auch nicht die Umwandlung in eine US-Gesellschaft gestatten, wenn wegen Sitzverlegung die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert werden muss.

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bb) Vom Zuzug ist die Möglichkeit der europarechtlichen Gründung, also in supranationaler Rechtsform, zu unterscheiden: Die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (VO (EG) Nr 2157/2001), die am 8.10.2004 in Kraft getreten ist, ermöglicht die Gründung des Typus einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE=Societas Europaea), die auch durch Verschmelzung[35] von Aktiengesellschaften mehrerer Mitgliedstaaten oder aus einem EU-Konzern (AG mit Tochter in anderem Mitgliedstaat) entstehen kann (Art. 2 SE-VO). Die Richtlinie 2001/86/EG zur Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft gewährleistet die Sicherung der in den fusionierten nationalen Gesellschaften erworbenen Arbeitnehmerrechte (ErwGr 9 der RiLi).

b) Im Geltungsbereich der Sitztheorie

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aa) Verlegt eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz ins (Nicht-EU/EWR-) Ausland, aus dem Ausland nach Deutschland oder von einem ausländischen Staat in einen anderen, so führt die Sitztheorie zu einem Statutenwechsel. Die juristische Person untersteht nunmehr dem Recht des neuen Sitzstaates. Gleichzeitig muss das alte Recht der Gesellschaft den identitätswahrenden Wegzug erlauben. Der Fortbestand der Gesellschaft ist also nur gewährleistet, wenn sowohl das alte als auch das neue Gesellschaftsstatut die Sitzverlegung zulassen.

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bb) Das alte Gesellschaftsstatut kann in den Fortbestand der Gesellschaft eingreifen, indem es anlässlich der Sitzverlegung die Gesellschaft auflöst oder ihre Auflösung durch Auflösungsbeschluss und Liquidation als zwingende Folge anordnet. Anders als innerhalb von EU und EWR muss auch eine Umwandlung nicht zugelassen werden, auch wenn der Aufnahmestaat diese erlauben würde.

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cc) Selbst wenn das alte Gesellschaftsstatut die „Auswanderung“ erlaubt, kann das neue Gesellschaftsstatut die identitätswahrende Zuwanderung verbieten und eine Neugründung in einer der Rechtsformen des neuen Gesellschaftsstatuts verlangen.

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Für eine in der Schweiz gegründete AG, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt – was bei einer aus wenigen Gesellschaftern bestehenden „kleinen“ AG schon durch den Umzug des geschäftsführenden Gesellschafters geschehen kann – gilt die Sitztheorie; da die Schweiz weder der EU noch dem EWR angehört, besteht keine europarechtliche oder völkerrechtliche Verpflichtung, der wirksam gegründeten Gesellschaft in dieser Rechtsform den Zuzug zu gestatten (Rn 639). Sie ist deshalb aus deutscher Sicht nicht mehr als Schweizer AG, jedoch als Personengesellschaft (OHG oder BGB-Gesellschaft) rechtsfähig. Dass sie aus Sicht des Schweizerischen Rechts als AG fortbesteht, spielt keine Rolle. Damit haften die Gesellschafter persönlich und unbeschränkt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft und können sich nur im Innenverhältnis bei der Gesellschaft schadlos halten, soweit sie solvent ist.[36]

Im spiegelbildlichen Fall bleibt hingegen eine AG deutschen Rechts in dieser Rechtsform rechtsfähig, wenn sie ihren Verwaltungssitz in die Schweiz verlegt; zwar gilt auch für sie die Sitztheorie, doch das schweizerische IPR (oben Rn 628) nimmt diese Gesamtverweisung nicht an und verweist zurück auf deutsches Gründungsrecht.

2. Anerkennung einer ausländischen juristischen Person

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a) Auch die Problematik der Anerkennung einer ausländischen juristischen Person ergibt sich, weil juristische Personen Geschöpfe einer bestimmten Rechtsordnung sind und ihre Rechtsfähigkeit von dieser Rechtsordnung verliehen bekommen. Die Anerkennungsfrage lautet daher, unter welchen Voraussetzungen die vom Gesellschaftsstatut verliehene Rechtsfähigkeit einer juristischen Person auch bei (rechtsgeschäftlicher) Betätigung im Inland zukommt.

 

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Die Anerkennungsfrage ist zu unterscheiden von der identitätswahrenden Sitzverlegung (Rn 646 ff) und der Umwandlung (Rn 635, 666 ff); sie stellt sich auch, wenn eine nach dem Recht ihres Verwaltungssitzstaates gegründete Gesellschaft in Deutschland rechtsgeschäftlich aktiv wird. Es geht hier also nicht um eine Veränderung in den Verhältnissen der Gesellschaft, sondern um deren internationale Betätigung.

Eine Anerkennungsfrage stellt sich, wenn eine englische private limited company mit Sitz in Singapore in Deutschland ein Grundstück erwerben will, weil nur bei Anerkennung die Erwerberin existiert und rechtsfähig ist. Eine Frage der identitätswahrenden Sitzverlegung wäre es, wenn diese company ihren Verwaltungssitz nach München verlegt. Eine Umwandlungsfrage stellt sich, wenn die company rechtsnachfolgend zu einer GmbH werden soll

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b) Völkerrechtlich besteht keine allgemeine Verpflichtung, die Rechtsfähigkeit einer im Ausland errichteten Gesellschaft für das Inland anzuerkennen.

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Aus Art. 49, 54 AEUV folgt hingegen eine solche Verpflichtung; sofern die Gesellschaft aus Sicht des Anerkennungsstaates nach dem Recht, das er als Gesellschaftsstatut ansieht, gegründet worden ist, entsprach dies schon vor der die Anknüpfung beeinflussenden Rechtsprechung des EuGH (dazu Rn 633 ff) der hM Aus dieser Rechtsprechung folgt nun umfassend eine Anerkennungspflicht für nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats wirksam gegründete Gesellschaften.

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Eine Verpflichtung zur Anerkennung ergibt sich auch aus Art. XXV Abs. 5 des Freundschafts-, Handels und Schiffahrtsvertrages mit den USA, der darüber hinaus auch eine Kollisionsnorm enthält (Gründungstheorie, Rn 631).

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c) Im autonomen deutschen Recht gilt im Übrigen das Prinzip der automatischen Anerkennung ohne konstitutiven Anerkennungsakt. Eine ausländische juristische Person wird materiell-kollisionsrechtlich anerkannt, wenn die Anforderungen an die Erlangung der Rechtsfähigkeit nach ihrem Gesellschaftsstatut gegeben sind. Es wird also nicht ein ausländischer behördlicher Rechtsakt (zB Registereintragung) verfahrensrechtlich anerkannt, sondern die materiellen Gründungsvoraussetzungen nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut geprüft.

Vor Verlegung ihres Verwaltungssitzes war die schweizerische AG im Beispiel Rn 651 als materiell-rechtlich wirksam nach ihrem Sitzrecht (Schweiz) gegründete Gesellschaft ohne Weiteres anzuerkennen, konnte also auch in Deutschland, Verträge schließen, Grundstücke erwerben etc.

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Dabei kommt Registereintragungen neben ihrer Bedeutung als Tatbestandselement der Gründung auch die Qualität eines Beweismittels zu.

Im Common Law-Rechtskreis ist konstitutives Element der Gründung einer corporation die Erteilung eines Certificate of Incorporation[37] durch den staatlichen Registrar of Companies. Die Erteilung ist also Tatbestandsmerkmal der Erlangung der Rechtsfähigkeit; zugleich aber ist sie Beweismittel dafür, dass im Zeitpunkt der Erteilung die Entstehungsvoraussetzungen vorlagen. Hingegen beweist das Certifcate of Incorporation nicht die Weiter-Existenz zu einem späteren Zeitpunkt.

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d) Der Umfang der anzuerkennenden Rechtsfähigkeit bestimmt sich ebenfalls nach dem Gesellschaftsstatut. Nicht erforderlich ist, dass die ausländische juristische Person einer Rechtsform des deutschen Rechts entspricht, insbesondere Eintragungs- oder Genehmigungserfordernisse des deutschen Rechts für vergleichbare Rechtsformen erfüllt sind. Eine Grenze der Anerkennung setzt nur der ordre public, der zB verletzt sein kann, wenn das ausländische Recht keine ausreichenden Bestimmungen zur Kapitalsicherung oder zur Trennung der Vermögenssphären zwischen dem Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen von Gesellschaftern vorsieht.

V. Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit

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1. Personenvereinigungen ohne oder mit eingeschränkter eigener Rechtspersönlichkeit (zB OHG, KG, partnership[38], nicht eingetragener Verein, BGB-Gesellschaft) haben ebenfalls ein einheitliches Gesellschaftsstatut, wenn sie eine nach außen hervortretende eigene Organisationsstruktur haben. Etwas anderes gilt, wenn sich die Beziehung der Mitglieder in einzelnen schuldrechtlichen Rechten und Pflichten erschöpft; dann gilt nur das jeweilige Schuldstatut.

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2. Für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen gilt ebenfalls im Grundsatz die Sitztheorie. Das Recht am Sitz der tatsächlichen Verwaltung bestimmt den Charakter, Handlungsfähigkeit und Vetretung des jeweiligen Gebildes, die Geschäftsführung, die innere Willensbildung und das Verhältnis zu den Mitgliedern, insbesondere das Verhältnis der Haftung von Gesellschaft, Gesellschaftern und Organen. Anders als bei juristischen Personen, die durch einen formalisierten Gründungsakt, der regelmäßig staatliche Beteiligung voraussetzt, Rechtsfähigkeit erlangen, sollte es einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung nicht gestattet sein, sich im Sinn der Gründungstheorie auf ein ausländisches Recht zu beziehen, dessen Anwendung im Zeitpunkt der Gründung nicht durch einen Gründungsakt aktualisiert wird. Aus Art. 49, 54 AEUV ergibt sich eine Anerkennungspflicht oder eine identitätswahrende Sitzverlegung nur dann, wenn die betreffende Personenvereinigung sich wirtschaftlich betätigt und deshalb Niederlassungsfreiheit genießt.[39]

Eine in Arizona nach dortigem Recht gegründete partnership untersteht der Gründungstheorie (Rn 631), ist also unabhängig von ihrem Sitz aus deutscher Sicht als existent zu betrachten. Eine im Vereinigten Königreich gegründete partnership mit deutschem Verwaltungssitz existiert nur im Fall wirtschaftlicher Betätigung im Schutzbereich der Art. 49, 54 AEUV. Eine in Deutschland gegründete KG ist als solche in Ungarn (das der Sitztheorie folgt) unabhängig vom Verwaltungssitz als existent anzusehen, weil eine KG per Legaldefinition ein Handeslgewerbe betreibt (§ 161 Abs. 1 HGB), also wirtschaftlich tätig ist. Hingegen können sich nicht in Ungarn lebende Personen zu einer dort verwalteten deutschrechtlichen BGB-Gesellschaft zusammenschließen.

VI. Internationale Konzerne

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1. Ein Konzern ist ein Unternehmenszusammenschluss, bei dem die einzelnen teilnehmenden Unternehmen (gesellschafts-)rechtlich selbständige Einheiten bleiben (anders bei der Verschmelzung). Die Zusammenarbeit erfolgt in vielfältiger Weise auf wirtschaftlichem Wege; insbesondere kann es trotz rechtlicher Selbständigkeit zur teilweisen oder vollständigen Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes kommen.

Konzerne können in einem Gleichordnungsverhältnis (Schwesterunternehmen) oder in einem Unterordnungsverhältnis (Tochterunternehmen) strukturiert sein, vgl § 18 AktG. Haben die im Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen ihren Sitz in verschiedenen Staaten, so handelt es sich um einen transnationalen oder multinationalen Konzern.

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2. Jede Gesellschaft innerhalb des Konzerns hat ein eigenständig zu bestimmendes Gesellschaftsstatut. Der effektive Verwaltungssitz ist der Ort, an dem die Geschäftsführungsorgane der jeweiligen Einzelgesellschaft tätig sind. Selbst bei vollständiger Beherrschung eines (Tochter-)Unternehmens durch eine Obergesellschaft (Mutterunternehmen) kommt es nicht auf den Verwaltungssitz der Obergesellschaft an. Die unternehmerischen Entscheidungen werden zwar in der Leitung der Obergesellschaft getroffen; ihre Umsetzung für die Untergesellschaft erfolgt aber weiter durch deren Geschäftsführung und Organe.

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3. Die Beziehungen zwischen den Konzerngesellschaften beurteilen sich beim Unterordnungskonzern nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen (Tochter-)Gesellschaft, weil deren Interessen durch die Abhängigkeit am stärksten betroffen sind. Dagegen bleibt der Schutz der herrschenden Gesellschaft deren Gesellschaftsstatut überlassen.

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Wird zwischen einer herrschenden und einer beherrschten AG ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, so muss zu dessen Wirksamkeit nach § 293 Abs. 2 AktG auch die Hauptversammlung des herrschenden Unternehmens zustimmen; ist beherrschendes Unternehmen einer deutschen AG eine ausländische Gesellschaft, so ist diese Bestimmung nicht anwendbar, denn sie schützt nur die Interessen des herrschenden Unternehmens und findet daher nur Anwendung, wenn dessen Gesellschaftsstatut deutsches Recht ist.

Dagegen ist § 21 Abs. 1 AktG, wonach eine Aktiengesellschaft, welche eine Viertel- bzw eine Mehrheitsbeteiligung an einem anderen Unternehmen erworben hat, dies unverzüglich dem anderen Unternehmen schriftlich mitzuteilen hat, eine Schutzbestimmung zugunsten des (teilweise) beherrschten Unternehmens; § 21 Abs. 1 AktG gilt also auch, wenn eine ausländische Gesellschaft eine entsprechend qualifizierte Beteiligung an einer deutschen AG erwirbt.

VII. Internationale Umwandlungsvorgänge

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1. Einfluss nimmt die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit auch auf das Recht der internationalen Umwandlung. Diese Einflussnahme bezog sich zunächst auf die grenzüberschreitende Verschmelzung.[40] Ziel der Verschmelzung zweier Gesellschaften ist im Gegensatz zur Konzernbildung die Schaffung einer einzigen Gesellschaft, wobei unterschiedliche Typen der Verschmelzung in Betracht kommen (vgl § 2 UmwG). Insbesondere sind die Fälle der Verschmelzung einer deutschen auf eine ausländische Gesellschaft (Hinausverschmelzung) und die Verschmelzung einer ausländischen auf eine deutsche Gesellschaft (Hineinverschmelzung) zu unterscheiden. In seiner Sevic-Entscheidung[41] hat der EuGH die Beschränkung der Verschmelzung nach § 1 Abs. 1 Nr 1 UmwG auf Rechtsträger mit Sitz im Inland als gegen Art. 43, 48 EGV (nun Art. 49, 54 AEUV) verstoßend angesehen. Europarechtlich zwingend bedarf es daher der Zulassung einer Verschmelzung einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaft auf eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft. Die Rechtslage im Fall der Hinausverschmelzung ist umstritten: Eine Ansicht hält weiterhin die Hinausverschmelzung einer deutschen Gesellschaft für unzulässig,[42] was der Zulässigkeit der Beschränkung des Wegzugs durch Sitzverlegung entspräche. Die überwiegende Ansicht[43] hält hingegen die Zulassung einer Hinausverschmelzung wegen der neuen Rechtsprechung des EuGH (Cartesio, Vale, Rn 635) für EU-rechtlich geboten; hierfür spricht, dass die Verschmelzung auf eine ausländische Gesellschaft dem grenzüberschreitenden Formwechsel nahe steht, den nach Vale bei Aufnahmebereitschaft des Zuzugs-Mitgliedstaats der Wegzugs-Mitgliedstaat nicht verhindern darf.

 

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2. Die 10. Gesellschaftsrechtsrichtlinie[44] gibt Vorgaben für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Gesellschaften aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten; sie geht von der Anwendung des jeweiligen Gründungsrechts auf die zu verschmelzenden Gesellschaften aus; ein EU-weit uniformer Rahmen wird lediglich für den Vorgang der Verschmelzung (Verschmelzungsplan, Verschmelzungsbericht, Verschmelzungsprüfung und Verschmelzungsbeschluss) gesetzt. Das Ergebnis ist sodann wieder eine Gesellschaft nationalen Rechts. Dem entsprechen §§ 122a ff UmwG, die der Richtlinie entsprechende Regeln für die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung von mindestens einer Gesellschaft aus einem anderen EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat (§ 122a Abs. 1 UmwG) vorsehen. Die restriktive Auslegung des Erfordernisses eines Sitzes im Inland in § 1 Abs. 1 UmwG ist damit obsolet geworden. Nach den EuGH-Urteilen Cartesio und Vale (Rn 635) ist die Verweigerung einer anderen Umwandlungsform nicht mehr sachlich begründbar. Sofern der Zuzugsstaat die Umwandlung in eine Rechtsform seines Rechts zulässt, sind damit grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel zulässig. Den Vorgang bestimmt das aufnehmende nationale Recht; findet ein solcher Vorgang aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland statt, so sind die Bestimmungen des UmwG für die entsprechende Umwandlungsform analog anzuwenden; nicht anzuwenden sind die Vorschriften der SE.[45]

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3. Die Zulassung internationaler Umwandlungen ohne Beteiligung von Gesellschaften aus EU/EWR-Staaten ist EU-rechtlich nicht präjudiziert, sondern dem jeweiligen nationalen Recht überlassen. §§ 122a ff UmwG beziehen Verschmelzungen ohne Beteiligung mindestens einer anderen EU-/EWR-Gesellschaft schon begrifflich nicht als „grenzüberschreitende Verschmelzung“ (Legaldefinition § 122a Abs. 1 UmwG) ein.

Literatur:

MüKoBGB/Kindler (6. Aufl., 2015) Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn 779 ff; Henssler/Strohn/Servatius Gesellschaftsrecht (3. Aufl., 2016) Internationales Gesellschaftsrecht Rn 38; Stiegler Zehn Jahre Internationale Verschmelzungsrichtlinie – Erreichtes, Stand und Perspektiven, GmbHR 2016, 406; Weller Zukunftsfragen des Europäischen Unternehmensrechts, ZEuP 2012, 681.

Teil III Besonderer Teil des IPR › § 7 Personenrecht › C. Name