Internationales Privatrecht

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IV. Beantwortung nach der lex causae

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1. Die Beantwortung einer Vorfrage nach der lex causae ähnelt der Beantwortung nach der lex fori. Es wird ohne Zwischenschaltung eines IPR die Vorfrage dem materiellen Recht unterstellt, das auf die Hauptfrage anwendbar ist.

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2. Diese Methode der Anknüpfung – oder besser Nichtanknüpfung – der Vorfrage ist abzulehnen. Sie fördert weder den inneren noch den internationalen Entscheidungseinklang, denn die Vorfrage wird weder nach der aus deutscher noch der aus fremder Sicht „richtigen“ Rechtsordnung beantwortet.

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3. Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen wir ausnahmsweise eine Vorfrage unselbständig an das IPR der lex causae anknüpfen (Rn 515 ff) und dabei feststellen, dass dort die Vorfrage nach eigenem Recht behandelt wird (vgl Rn 504). Dem schließen wir uns an, jedoch nicht, weil wir die Vorfrage lege causae behandeln, sondern weil die lex causae so anknüpft.

Ein Kind eines Italieners und einer Deutschen, die nicht verheiratet sind, lebt mit seinen Eltern in Italien. Für die Feststellung der Abstammung verweist Art. 19 Abs. 1 in italienisches Recht. Art. 35 Abs. 1 italIPRG knüpft die Anerkennung an das Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Geburt an. Fraglich ist also die Staatsangehörigkeit des Kindes. Art. 1 Abs. 1 lit. a des italienischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (Legge 91/1992) bestimmt, dass ein Kind die italienische Staatsangehörigkeit erwirbt, wenn Vater oder Mutter Italiener ist, Art. 2 bestimmt, dass die Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft während der Minderjährigkeit des Kindes den Staatsangehörigkeitserwerb vermittelt. Die Abstammung vom Vater ist damit Vorfrage der italienischen Staatsangehörigkeit. Wir knüpfen sie ausnahmsweise unselbständig an. Das italienische Staatsangehörigkeitsrecht geht aber von einer Abstammung aus, die nach dem codice civile wirksam besteht, wendet also eigenes materielles Familienrecht an. Wir folgen dem und bestimmen die Abstammung anknüpfungslos nach dem codice civile.

V. Hinkende Statusverhältnisse als Vorfrage

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1. Als „hinkend“ werden Statusverhältnisse (oder Rechtsverhältnisse) bezeichnet, die aus Sicht wenigstens einer Rechtsordnung wirksam und aus Sicht wenigstens einer anderen Rechtsordnung unwirksam sind.

Eine in Deutschland privat geschlossene Ehe eines Marokkaners mit einer Algerierin ist aus deutscher Sicht mangels Wahrung der Ortsform (Art. 13 Abs. 3) nicht existent (Nichtehe); aus marokkanischer und algerischer Sicht voll wirksam (übrigens auch aus Sicht vieler europäischer Staaten, weil aus deren Blickwinkel die Ehe im Ausland geschlossen wurde und hierfür verbreitet die Wahrung der beiden Heimatrechte der Verlobten genügt).

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2. Tauchen solche Rechtsverhältnisse als Vorfragen im Tatbestand einer deutschen oder ausländischen Norm auf, so setzt sich die hinkende Wirksamkeit in den Rechtsfolgen fort: Nach dem Grundsatz der selbständigen Vorfragenanknüpfung wird das Rechtsverhältnis nicht nur bei abstrakter Prüfung seiner Wirksamkeit, sondern auch als Vorfrage aus der Sicht des deutschen Kollisionsrechts behandelt; es ist also auch als vorgreifliches Rechtsverhältnis unwirksam oder wirksam, je nachdem, ob es aus deutscher Sicht sein „hinkendes“ oder sein „gesundes Bein“ hat.

Eine Ehe, die aus deutscher Sicht unwirksam ist, wird auch als Vorfrage im Ehewirkungs-, Ehegüter-, Unterhalts-, Kindschafts-, Scheidungs- und Erbstatut als unwirksam behandelt und umgekehrt.

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3. Wenn das Statusverhältnis aus deutscher Sicht besteht, so kommt eine Korrektur nicht in Betracht.

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a) Die selbständige Vorfragenanknüpfung schützt in diesem Fall das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechtsverhältnisses, auch wenn dieses nach dem Heimatrecht, dem Erbstatut, dem Ehegüterstatut etc nicht als wirksam angesehen wird. Die externe Entscheidungsdisharmonie im Verhältnis zu den Rechtsordnungen, die das Statusverhältnis nicht als wirksam anerkennen und deshalb aus ihm auch keine Rechte und Ansprüche herleiten, wird hingenommen.

Ist eine Ehe (nur) in Deutschland wirksam, so haben die Ehegatten Anspruch auf Unterhalt, beerben einander etc. Will einer der „hinkenden Ehegatten“ erneut heiraten, so muss die Ehe geschieden werden, auch wenn sie etwa nach dem Heimatrecht des Eheschließungswilligen nicht existiert; enthält dieses Heimatrecht nämlich das Verbot der Bigamie, so ist die Vorfrage der bestehenden Ehe selbständig mit dem deutschem IPR anzuknüpfen; enthält es das Verbot der Bigamie nicht, so steht einer weiteren Eheschließung in Deutschland meist der deutsche ordre public entgegen.

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b) Dabei kann es allerdings zu Widersprüchen kommen, wenn das auf die Rechtsfolgen aus einem (nur) in Deutschland wirksamen Statusverhältnis oder für dessen Gestaltung anwendbare Recht das Rechtsverhältnis nicht für wirksam hält. Es erscheint wenig sinnvoll, die Rechtsfolgen einer Ehe oder eines Kindschaftsverhältnisses nach einer solchen Rechtsordnung zu beurteilen. Daher wird in solchen Fällen teilweise deutsches Recht als lex fori angewendet. Für diese „Unterstellung der Hauptfrage unter das Statut der Vorfrage“ spricht, dass das deutsche Recht, wenn es ein Statusverhältnis entgegen dem Hauptstatut für wirksam erachtet, sich auch um dessen Folgen kümmern sollte.

Nach ägyptischem Recht besteht das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit. Eine Ägypterin muslimischen Glaubens kann keine gültige Ehe mit einem Ehemann, der nicht Muslim ist, schließen. Nach deutschem Recht ist eine solche Ehe ggf wegen Verstoß des Ehehindernisses gegen den deutschen ordre public (Art. 6, Art. 4 GG) als wirksam anzusehen. Eine nur nach deutschem Recht gültig geschlossene Ehe kann nicht nach einem Recht geschieden werden, das diese Ehe als unwirksam behandelt, sondern muss deutschem Recht als Scheidungsstatut unterstellt werden, auch wenn im Fall ägyptisches Recht als Scheidungsstatut berufen wäre.[7]

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c) Die Anwendung der das Rechtsverhältnis für wirksam haltenden deutschen lex fori auch auf die Hauptfrage ist jedoch nicht immer geeignet, um die Widersprüche zu der das Statusverhältnis als unwirksam behandelnden lex causae aufzulösen. Wenn Rechtsfolgen nicht aus dem Zusammenhang der lex causae gelöst werden können, ohne dass wiederum dort Widersprüche auftreten, erscheint es besser, es bei der selbständigen Vorfragenanknüpfung bewenden zu lassen und nicht die Sachrechte der Hauptfrage zu mischen, anstatt auf einen schwer trennbaren Lebenssachverhalt verschiedene Rechtsordnungen anzuwenden, die sich widersprechen.

Ist Erbstatut eine Rechtsordnung, welche die Ehe für unwirksam hält, so ist es zwar sonderbar, nach diesem Erbstatut dem Überlebenden, den das deutsche Recht als Ehegatten ansieht, eine Erbquote zuzumessen. Da sich aber die Ehegattenerbquote nicht aus dem Zusammenhang des Erbstatuts lösen lässt, ohne die Erbquoten anderer Beteiligter zu beeinflussen, würde man einen unnötigen Anpassungsbedarf schaffen, wenn man hier – nur für den Ehegatten – deutsches Erbrecht anwendete.

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Für den häufigen Fall des hinkenden Kindschaftsverhältnisses aufgrund einer nicht in allen beteiligten Staaten als wirksam angesehenen Anerkennung oder Abstammungsvermutung erlaubt Art. 20 S. 2 sogar ausdrücklich die Anfechtung des Kindschaftsverhältnisses nach dem Aufenthaltsrecht des Kindes, ohne dass die Abstammung nach dem Aufenthaltsrecht bestehen muss. Dem Aufenthaltsrecht als dem grundsätzlich für die Bestimmung der Abstammung berufenen Recht wird also im Interesse der Statuswahrheit angesonnen, ein Statusverhältnis zu beseitigen, das aus der Sicht dieses Rechts nicht besteht.

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4. Wenn das Statusverhältnis aus deutscher Sicht unwirksam ist, stellt sich die Frage des Vertrauensschutzes.

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a) Selbständige Anknüpfung eines solchen vorgreiflichen Rechtsverhältnisses bedeutet, den Beteiligten Ansprüche aus der – nicht anerkannten – Rechtsbeziehung zu versagen.

Hat in den Nachkriegsjahren eine deutsche Staatsangehörige vor einem befugten Vertreter der Besatzungsbehörden eines westalliierten Staates in Deutschland einen Angehörigen dieses Staates geheiratet und haben die Ehegatten Jahrzehnte in jenem Staat als Ehegatten gelebt, so erscheint die Versagung einer Witwenrente durch deutsche Behörden mit der Begründung, die Ehe sei Inlandsehe und daher nicht wirksam geschlossen (Art. 13 Abs. 3 S. 2 bzw die Vorgängernorm § 13a EheG macht eine Ausnahme nur dann, wenn beide Verlobte dem Staat angehören, der die dort genannte Person zur Eheschließung ermächtigt hat), unbillig.

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b) In solchen Fällen wird häufig versucht, durch eine unselbständige Anknüpfung das unwirksame Rechtsverhältnis zumindest in Ansehung bestimmter Rechtsfolgen zu heilen. Diese Methode der Lösung erscheint jedoch nicht richtig, weil sie keine Maßstäbe bereitstellt, welche schutzwürdiges Vertrauen in ein hinkendes Rechtsverhältnis gegen nicht schutzwürdiges Vertrauen abgrenzen; immerhin dürfte bei nahezu jedem hinkenden Statusverhältnis ein Beteiligter mit guten Gründen an dessen Wirksamkeit geglaubt haben, weil er sich die Sicht einer anderen Rechtsordnung zu eigen gemacht hat. Dann aber müsste konsequenterweise jedes berechtigte Vertrauen in ein (nur) aus deutscher Sicht hinkendes Statusverhältnis geschützt werden, was einen Rückzug des deutschen IPR aus der Beurteilung von Statusverhältnissen bedeuten würde.

 

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c) In Wirklichkeit handelt es sich um ein verfassungsrechtliches Problem. Ein aus bürgerlich-rechtlicher Sicht (also aus Sicht des vom deutschen IPR berufenen Zivilrechts) unwirksames Statusverhältnis kann aus verfassungsrechtlicher Sicht Schutz, insbesondere als Familie oder Ehe iSd Art. 6 Abs. 1 GG, verdienen, wenn es nach einer ausländischen Rechtsordnung, in der die Beteiligten lange Zeit gelebt haben, als wirksam angesehen wird. Hat sich ein solches hinkendes Rechtsverhältnis so weit verdichtet, dass es Grundrechtsschutz genießt, darf das Bürgerliche Recht ihm die – ggf partielle – Anerkennung nicht versagen.[8] Ist deutsches Recht berufen, so muss eine materiell-rechtliche Heilungsvorschrift bereitgestellt werden; ist ein ausländisches Recht berufen, dem man eine solche Heilung nicht entnehmen kann, so verstößt ein solches Ergebnis ggf gegen den deutschen ordre public. Einen speziellen Fall der Heilung regelte das AHK-Gesetz Nr 23, das für zwischen dem 8.5.1945 und dem 1.8.1948 in Deutschland vor einem Geistlichen geschlossene Ehen Heilung durch nachträgliche Eintragung vorsah.[9]

Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 5 Erstfrage, Vorfrage und Substitution › C. Substitution

C. Substitution

I. Problemstellung

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1. Substitution bedeutet die Ersetzung eines Rechtsinstituts der lex causae durch ein funktionell gleichwertiges Rechtsinstitut einer anderen Rechtsordnung. Meistens stellt sich die Frage aus deutscher Sicht, wenn ein Rechtsinstitut des deutschen Rechts im Tatbestand einer Norm der deutschen lex causae auftritt, dieses Tatbestandsmerkmal aber im Ausland – in Anwendung einer fremden Rechtsordnung – verwirklicht worden sein soll.

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Im Zusammenhang mit der Vorfragenanknüpfung wurde angemerkt, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Adoption eine Adoption voraussetzt, die einer Adoption deutschen Rechts funktionsgleich ist (oben Rn 506). Wurde ein ausländisches Kind durch einen Deutschen nach Bestimmungen einer ausländischen Rechtsordnung mit schwächeren Adoptionswirkungen adoptiert, so genügt die Anerkennung dieser Adoption (auf verfahrensrechtlichem Weg nach §§ 108, 109 FamFG) nicht, um dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Die Ersetzung der deutschen Adoption im Tatbestand des § 6 StAG erfordert also zum einen, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht überhaupt bereit ist, eine ausländische Adoption als Ersatz für eine deutsche zu akzeptieren; in einem zweiten Schritt ist dann zu klären, wie nahe die ausländische Adoption dazu der deutschen kommen muss.

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2. Substitution unterscheidet sich von der Anknüpfung einer Vorfrage: Vorfragenanknüpfung unterstellt die Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals (zB wirksam geschlossene Ehe) einer bestimmten, ggf auch ausländischen Rechtsordnung. Substitution setzt dagegen voraus, dass die deutsche Bestimmung mit der Bezeichnung eines Rechtsinstituts inzident dessen Bedeutung und Inhalte nach deutschem Recht verbindet; sie überlässt die Ausfüllung gerade nicht einer anderen Rechtsordnung, sondern ermittelt nur, ob sich das deutsche Recht auch mit einem aus einem fremden materiellen Recht kommenden Ersatz zufrieden gibt.

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Haben die Deutschen M und F in Las Vegas, Nevada, die Ehe geschlossen und stirbt M später, so ist die Frage einer wirksamen Eheschließung (nur) Vorfrage in Anwendung des Ehegattenerbrechts in § 1931 BGB; eine Substitutionsfrage stellen wir nur deshalb nicht, weil wir unterstellen, dass eine „Ehe“ ein rechtsvergleichend austauschbares Rechtsinstitut ist.

Sind die Iraner M und F in Teheran eine Ehe auf Zeit nach shiʼitischem Recht (mut’a) eingegangen und stirbt M als Staatenloser in Deutschland (bis zum 16.8.2015: mit deutschem Personalstatut als Erbstatut, Art. 25 Abs.1 iVm Art. 5 Abs. 2 aF; seit 17.8.2015: mit deutschem gewöhnlichem Aufenthalt als Erbstatut, Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO) während dieser Ehe, so stellt sich die Substitutionsfrage, ob das Rechtsinstitut der mut’a als „Ehe“ iSd von § 1931 BGB vorausgesetzten deutschen Begriffsverständnisses angesehen werden kann.

II. Voraussetzungen der Substituierbarkeit

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Substitution setzt die positive Antwort auf zwei Fragen voraus: Erlaubt die lex causae, meist das deutsche Recht, überhaupt eine Substitution des in Begriffen deutschen Rechts verstandenen Tatbestandsmerkmals durch ein ausländisches Rechtsinstitut? Wenn dies zu bejahen ist: Genügt das konkrete Rechtsinstitut den Voraussetzungen, die an eine Vergleichbarkeit zu stellen sind?

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1. Nur ganz ausnahmsweise wird die erste Frage zu verneinen, also die Möglichkeit der Substitution ganz abzulehnen sein. Dies erfordert eine Begründung, wonach die betreffende Norm mit der Verwendung des deutschen Rechtsinstituts Zwecke verfolgt, die schlechterdings nicht durch ein noch so ähnliches ausländisches Rechtsinstitut substituierbar sind.

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Die Form der Übereignung eines deutschen Grundstücks unterliegt nach Art. 11 Abs. 4 deutschem Recht als Sachstatut (lex rei sitae). Damit gelten §§ 873, 925 BGB, erforderlich ist die Auflassung vor einem Notar. § 925 BGB geht sicher von dem deutschen Begriffsverständnis von „Notar“ aus. Es stellt sich die erste Substitutionsfrage, ob überhaupt ein ausländischer Notar (zB ein österreichischer, der dem deutschen Notar an Ausbildung und Seriosität gleich steht) die Auflassungserklärungen entgegennehmen kann. Nach hM soll das nicht möglich sein; ein ausländischer Notar ist also in § 925 BGB nicht für einen deutschen substituierbar.[10] In diesem Zusammenhang geht es weniger um die Wahrung der Interessen Beteiligter (vgl dazu unten Rn 547 Belehrung über deutsches Recht) als um die Sicherheit des Grundbuchverkehrs.

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Umstritten ist die Substituierbarkeit des ausländischen Notars als Urkundsperson im Gesellschaftsrecht,[11] insbesondere bei Gesellschaftsgründungen und Satzungsänderungen, die deutsche Handelsgesellschaften betreffen. Nach richtiger Ansicht ist das Beurkundungserfordernis für Rechtsgeschäfte, welche die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nicht nur formeller, sondern auch materieller Natur, weil solche Geschäfte tief in die überindividuelle Struktur der Gesellschaft eingreifen. Da also die Wahrung der Ortsform nach Art. 11 nicht genügt, kommt es auf die Frage nicht an, ob die für eine inländische Gesellschaft (zB schweizerische AG) vorgesehene Ortsform übertragbar wäre auf eine vergleichbare deutsche Gesellschaft (deutsche AG). Es gilt somit für eine deutsche Gesellschaft jedenfalls deutsches Recht, zB für die GmbH §§ 2, 53 GmbHG. Die erste Substitutionsfrage lautet: Kann überhaupt ein ausländischer Notar für die notarielle Beurkundung nach diesen Bestimmungen einen deutschen Notar ersetzen? Obgleich verbreitet für die Verfassung der Gesellschaft betreffende Geschäfte nur der deutsche Notar als kompetent angesehen wird, bejaht der BGH[12] zu Recht die Substituierbarkeit, sofern auf die Belehrung über das anwendbare deutsche Recht (konkludent) verzichtet werden kann. Erst recht gilt dies für die Form bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen.

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2. Ist eine Substitution überhaupt möglich, so ist die zweite Substitutionsfrage zu stellen, ob das fremde Rechtsinstitut gleichwertig zu dem in der Bestimmung gemeinten deutschen Institut ist. Die Beantwortung hängt von dem Zweck ab, den die deutsche Bestimmung mit der Verwendung dieses Rechtsinstituts verfolgt, so dass in jedem Einzelfall die Zwecke der Norm diskutiert werden müssen.

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a) Vielfältige Fragen ergeben sich um die Funktion ausländischer Notare. Substitution erfordert hier die Gleichwertigkeit der Urkundsperson und des Urkundsverfahrens. Schreibt eine Bestimmung öffentliche Beglaubigung vor (zB § 29 GBO), so kann die deutsche öffentliche Beglaubigung durch jede Urkundsperson substituiert werden, die nach dem Recht des Staates, wo sie handelt, einen öffentlichen Glauben hinsichtlich der Identität des Erklärenden genießt. Insbesondere genügt sogar ein – juristisch meist nicht gebildeter – notary public des common law-Rechtskreises.

547

b) Verlangt das deutsche Recht notarielle Beurkundung und genügt nicht die Ortsform, so kommt es zunächst darauf an, welche Funktionen (Authentizität der Erklärung, Warnungs- oder Belehrungsfunktion) im Vordergrund der Formvorschrift stehen. Dem muss sowohl die Urkundsperson als auch das Beurkundungsverfahren entsprechen: Gleichwertigkeit der Urkundsperson ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt. Selbst wenn keine Belehrungsfunktionen mit der Form verbunden sind, genügt nur eine juristisch gebildete, in ihrer Stellung integre Beurkundungsperson, die dem deutschen Notar nahekommt. Belehrung (über deutsches Recht!) kann der ausländische Notar nicht leisten, so dass auch auf dieser Stufe die Substitution nur möglich ist, wenn die Belehrung verzichtbar ist und die Parteien – konkludent durch Auswahl des ausländischen Notars – darauf verzichtet haben.[13] Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens setzt voraus, dass der ausländische Notar für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht.[14] Gerade zur Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens werden vermehrt Bedenken selbst in Bezug auf Staaten vorgetragen, deren Notariat den persönlichen Anforderungen genügt; das Verfahren muss für den jeweiligen Gegenstand den wesentlichen Elementen der deutschen Beurkundung entsprechen, was sich für die Beurkundung eines Gesellschaftsvertrages völlig anders darstellen kann als für die Einreichung einer Gesellschafterliste oder die Beurkundung einer Hauptversammlung einer AG.[15]

548

c) Die Gleichwertigkeit einer ausländischen Adoption für Zwecke des § 6 StAG (Rn 263) kann nur gegeben sein, wenn die Adoption alle familien- und erbrechtlichen Beziehungen zur Ursprungsfamilie abschneidet und ein volles, wechselseitiges Verwandtschaftsverhältnis zu den/dem Adoptierenden begründet. Verzichtet werden kann im Wege der Substitution nur auf eine Bestimmung, wonach diese Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit vermitteln kann, denn eine solche Bestimmung kann sich natürlich nicht in einer ausländischen Familienrechtsordnung finden. Ein wichtiges Indiz gegen eine Substituierbarkeit ergibt sich aber, wenn die Adoption die Staatsangehörigkeit jenes Staates nicht vermitteln könnte.

 

549

d) Substitutionsfragen können sich auch bei im Ausland vorgenommenen Verfahrenshandlungen ergeben, wenn entsprechende inländische Verfahrenshandlungen materielle Rechtswirkungen erzeugen, wie etwa die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung (§ 204 BGB).[16]