Internationales Privatrecht

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II. Einfluss des Anknüpfungszeitpunktes, Wandelbarkeit, Unwandelbarkeit

435

1. Jede Verweisungsnorm enthält außer dem Anknüpfungskriterium auch eine Bestimmung über den Zeitpunkt, in dem dieses Anknüpfungskriterium mit den tatsächlichen Verhältnissen („anknüpfungsrelevante Tatsachen“) ausgefüllt wird.

436

2. Ist der Zeitpunkt auf ein bestimmtes Ereignis festgelegt, so heißt die Anknüpfung unwandelbar. Vorherige und spätere Änderungen der anknüpfungsrelevanten Tatsachen haben keinen Einfluss auf das Statut.

Nach Art. 15 Abs. 1 unterliegen die güterrechtlichen Verhältnisse dem Recht, das im Zeitpunkt der Eheschließung für die allgemeinen Ehewirkungen (Verweisung auf Art. 14) maßgebend ist. Anknüpfungszeitpunkt ist der Moment der Eheschließung. Die relevanten Tatsachen sind die in Art. 14 genannten: Haben die Ehegatten bei Eheschließung keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und leben sie beide in Deutschland, so ist deutsches Recht Ehegüterstatut; dabei bleibt es – unwandelbar – auch wenn die Ehegatten beide Österreicher werden oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Polen verlegen.

437

Unwandelbar sind auch Anknüpfungen, die zunächst nur latent vorhanden sind, sich aber in einem bestimmten Zeitpunkt konkretisieren und dann nicht mehr von einer Änderung der Verhältnisse betroffen sind.

Jeder Mensch hat theoretisch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens ein Erbstatut, das aber nur materielle Wirkungen hervorbringt, wenn es in einem Zeitpunkt aktualisiert wird. Das kann auch vor dem Tod sein (Art. 26 Abs. 5 S. 1 aF bzw. Art. 24 Abs. 1 EU-ErbVO), wenn er zu dieser Zeit letztwillig verfügt. Beerbt wird er jedoch nach dem Recht, das im Zeitpunkt seines Todes berufen ist (Art. 25 Abs. 1 aF bzw. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO).

Jede Ehe hat theoretisch seit der Eheschließung ein Scheidungsstatut (würde Scheidungsantrag gestellt, müsste das Gericht eine maßgebliche Rechtsordnung bestimmen). Aktualisiert und nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF im selben Moment unwandelbar festgelegt wird das Scheidungsstatut jedoch im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags (§ 124 S. 1 FamFG: Einreichung der Antragsschrift). Gleiches gilt für Art. 8 Rom III-VO (Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts).

438

3. Ist der Zeitpunkt dagegen nicht auf ein Ereignis festgelegt, so führt jede Änderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen zu einer Neubestimmung des Statuts. Diese Situation kann sich nur bei Dauerrechtsverhältnissen ergeben.

In derselben Ehe (Rn 436) ist das Statut der persönlichen Ehewirkungen wandelbar – und immer aktuell, denn Ehewirkungen treten dauernd ein (Art. 14 enthält keine Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt). Die Ehegatten haben also zunächst ein deutsches Ehewirkungsstatut. Der gemeinsame Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft[89] führt zu einem österreichischen Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Nr 1), die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Polen ändert das Ehewirkungsstatut, wenn sie vor Erwerb der gemeinsamen Staatsangehörigkeit erfolgt; sie bleibt aber ohne Wirkung, wenn sie danach erfolgt, da bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt nicht mehr Anknüpfungskriterium ist.

439

4. Unwandelbare Anknüpfungen können nie per se zu einem Statutenwechsel im engeren Sinn führen, weil sie gegenüber der Änderung der Verhältnisse immun sind. Es ist allerdings ein Statutenwechsel aufgrund der Gesamtverweisung möglich, wenn das verwiesene fremde Recht wandelbar anknüpft.

Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit haben nach Eheschließung zunächst in New York gelebt. Art. 15 Abs. 1 knüpft ihr Ehegüterstatut unwandelbar an das Recht von New York (Unteranknüpfung!) an; dieses nimmt für bewegliches Vermögen die Verweisung an (domicile). Verlegen sie ihr domicile nach Texas, so verweist das IPR von New York weiter, denn es knüpft die ehegüterrechtlichen Wirkungen einer Ehe wandelbar an das jeweilige domicile an. Auch das IPR der Schweiz sieht bei Fehlen einer Rechtswahl ein wandelbares Ehegüterstatut vor (Art. 54 schweizIPRG), so dass eine Gesamtverweisung in schweizerisches IPR zur Anknüpfung an den aktuellen Wohnsitz führt.

III. Auswirkungen des Statutenwechsels

440

1. Vor einem Statutenwechsel abgeschlossene Tatbestände werden durch das neue Statut nicht berührt. Insoweit wird – ähnlich dem Fall der materiellen Rechtsänderung – das Vertrauen geschützt.

Hat ein Ehegatte den anderen unter Geltung eines deutschen Ehewirkungsstatuts durch ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie (§ 1357 BGB) wirksam verpflichtet, so kann diese Verpflichtung nicht entfallen, wenn die Ehegatten ein anderes Ehewirkungsstatut erwerben.

441

2. Noch nicht abgeschlossene Tatbestände werden in allen Tatbestandselementen von dem neuen Statut erfasst; das gilt gleichermaßen für Sachverhalte, die bereits unter dem alten Statut begonnen, aber nicht abgeschlossen wurden (sog „gestreckte“ Sachverhalte), als auch für gänzlich neu begonnene Sachverhalte.

Tatbestandselemente, die bereits unter Geltung des alten Statuts verwirklicht waren, müssen jedoch nicht wiederholt werden, wenn sie dem Tatbestand im neuen Statut genügen.

442

3. Rechte, die unter dem alten Statut erworben wurden, bleiben erhalten. Ihr Inhalt bestimmt sich ab dem Zeitpunkt des Statutenwechsels nach dem neuen Statut. Das gilt auch für den Inhalt dinglicher Rechte an beweglichen Sachen; ein Statutenwechsel tritt ein, wenn die Sache in einen neuen Belegenheitsstaat verbracht wird. Auch der Inhalt des Namensrechts, insbesondere der Schutz des Namens sowie die Voraussetzungen, unter denen der Name geändert werden kann, beurteilen sich vom Zeitpunkt des Statutenwechsel nach dem neuen Namensstatut (Art. 10 Abs. 1: Heimatrecht des Namensträgers). Der Name selbst wird dagegen vom Statutenwechsel nicht berührt.

„Von K“ ist 1910 in Österreich geboren. 1919 wurde die Monarchie in Österreich gestürzt und alle Adelstitel abgeschafft; auch ihre Führung als Namensbestandteil wurde verboten. 1935, also noch vor dem „Anschluss“ Österreichs, verlässt K Österreich und wird in Deutschland auf seinen Antrag hin eingebürgert. Er bleibt auch nach dem 2. Weltkrieg Deutscher. Er meint, er heiße „von K“, da er Deutscher sei und in Deutschland zur selben Zeit zwar der Adel, nicht aber die aus dem Adel abgeleiteten Familiennamen abgeschafft wurden. Kʼs Namensstatut war von Geburt bis zu seiner Einbürgerung in Deutschland das österreichische Recht; sein Name wurde also 1919 von „von K“ in „K“ geändert. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 6, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG) liegt darin übrigens nicht, weil es damals am Inlandsbezug zu Deutschland fehlte. Bei Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wechselte Kʼs Namensstatut. Der frühere Verlust des „von“ ist davon aber nicht berührt, weil der Namensträger mit seinem bisherigen Namen in das neue Statut eintritt.[90]

Anmerkungen

[1]

Dieser Schutz erodierte dadurch, dass mit Inkrafttreten der Brüssel II-VO (ebenso Art. 3 Brüssel IIa-VO) ein deutscher Gerichtsstand für den Antragsteller nicht mehr sichergestellt war. Art. 10 Rom III-VO setzt dies letztlich konsequent fort, indem der materielle Schutz (nur) durch Anwendung der lex fori des angerufenen Gerichts gesichert wird.

[2]

Eingehend Basedow IPRax 2011, 109.

[3]

Vgl die Zusammenstellung bei Rauscher FS Jayme (2004) 719.

[4]

Im UK, Irland, Malta und Zypern geltend.

[5]

Zu einem konkreten Modell der Verschmelzung des domicile-Prinzips mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip: Rauscher FS Jayme (2004) 719.

[6]

Vom 14.3.2005 KOM (2005) 83.

[7]

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich v. 17.7.2006 KOM (2006) 399.

[8]

Ironisch mutet es an, dass der Vorschlag, der als familienrechtliche Regelung der Einstimmigkeit im Rat bedurft hätte, an Schweden scheiterte, dessen de facto-Anknüpfung an die lex fori man mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt entgegenkommen wollte, das aber um die Anwendung des eigenen liberalen Scheidungsrechts vor schwedischen Gerichten fürchtete.

 

[9]

Verordnung (EU) Nr 1259/2010 ABl. EU 2010 L 343/10.

[10]

Für eine sehr weitgehende teleologische Reduktion Majer StAZ 2016, 337.

[11]

Der Begriff stammt aus der Zeit der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte in den von Arbeitskräftemangel der deutschen Volkswirtschaft geprägten 1960er Jahren und will die ursprüngliche Intention vorübergehender Erwerbstätigkeit von Ausländern in Deutschland zum beiderseitigen Nutzen beschreiben.

[12]

In den 1960er Jahren wurden in Deutschland bei Vollbeschäftigung Gastarbeiter für wenig qualifizierte Sektoren gesucht, heute besteht Bedarf nach hochqualifizierten Arbeitsmigranten.

[13]

Anlage zu Art. 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929, RGBl 1930 II 758, BGBl 1952 II 608.

[14]

BGBl. 1999 I 1618.

[15]

Zweites Gesetz zur Änderung des StAG vom 13.11.2014, BGBl. 2014 I 1714.

[16]

Vgl Art. 3 Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit v. 6.11.1997: „(1) Jeder Staat bestimmt nach seinem eigenen Recht, wer seine Staatsangehörigen sind. (2) Dieses Recht ist von den anderen Staaten anzuerkennen, soweit es mit anwendbaren internationalen Übereinkommen, dem Völkergewohnheitsrecht und den mit Bezug auf die Staatsangehörigkeit allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen in Einklang steht.“

[17]

Vgl 1. Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit v. 22.2.1955, BGBl. 1955 I 65.

[18]

BVerfGE 37, 217, 254.

[19]

BGBl. 1969 II 1954; Status der Vertragsstaaten: http://conventions.coe.int/unter Council of Europe, Treaties, Full list, beim jeweiligen Abkommen.

[20]

Dem Deutschland seit dem 1.9.2005 angehört: BGBl. 2004 II 578.

[21]

Was nicht dazu führen muss, dass letztlich deutsches Recht angewendet wird; zB OLG Hamm FamRZ 2011, 220: Ehewirkungsstatut türkisches Recht als letztes gemeinsames Heimatrecht (14 Abs. 1 Nr 1 Alt. 2 – damals als Grundlage des Scheidungsstatuts Art. 17 Abs. 1 aF) nach Hinzuerwerb der deutschen Staatsangehörigkeit allein durch den Ehemann.

[22]

So zur – unter dem KSÜ nicht mehr vorgesehenen – Heimatzuständigkeit nach Art. 4 MSA: BGH FamRZ 1997, 1070, 1071.

[23]

Vgl EuGH Rs. C-168/08 ECLI:EU:C:2009:474 (Hadadi/Mesko Hadadi), betreffend dieselbe Problematik im EuZPR, Art. 3 Abs. 1 lit b Brüssel IIa-VO.

[24]

BGBl. 1961 I 1221.

[25]

BGBl. 1976 II 473.

[26]

Vgl Börner IPRax 1997, 47.

[27]

RGBl 1941 I 722.

[28]

BGBl. 1976 II 474.

[29]

Dazu Gesetz v. 29.6.1977, BGBl. 1977 I 1101.

[30]

BGBl. 1977 II 613.

[31]

Zum Streit um den Begriff „Personalstatut“ Baetge StAZ 2016, 289, 291; Majer StAZ 2016, 337.

[32]

Dazu Palandt/Thorn Anh. zu Art. 5 EGBGB Rn 23.

[33]

Vgl Denkschrift der Bundesregierung BT-Drucks. 7/4170, 35.

[34]

BGBl. 1969 II 1294.

[35]

MüKoBGB/v. Hein Art. 5 EGBGB Anh. II Rn 75; Baetge StAZ 2016, 289, 291; aA Staudinger/Bausback (2013) Art. 5 Anh. IV Rn 56.

[36]

Für Einzelfallprüfung: OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1820; für teleologische Reduktion: Majer StAZ 2016, 337.

[37]

AA wohl Coester StAZ 2016, 257, 259.

[38]

Bergmann/Dienelt/Bergmann Ausländerrecht (11. Aufl., 2016) § 4 AsylG Rn 3; NK-Ausländerrecht/Keßler (2. Aufl., 2016) § 3 AsylG Rn 1.

[39]

BT-Drucks. 17/13063, 16.

[40]

Was übrigens auch der Fall sein kann, wenn ein GFK-Flüchtling nicht vom Heimatstaat, sondern von gegen diesen kämpfenden Milizen verfolgt wird: Majer StAZ 2016, 337, 339 ff: zB Verfolgung durch Islamischen Staat (IS) in Syrien/Irak.

[41]

OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 1146.

[42]

Gesetz v. 30.6.1993, BGBl. 1993 I 1062.

[43]

Erneut geändert durch Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. 2010 I 1864.

[44]

Gesetz v. 13.11.2014, BGBl. 2014 I 1714.

[45]

Nach BVerwG NJW 2008, 2729, BVerwG NVwZ-RR 2011, 212 setzt dies jedoch voraus, dass dem Staatsangehörigen bei Antragstellung der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt war oder hätte sein müssen, was darauf beruht, dass dieser Verlustgrund teleologisch einer Entlassung auf Antrag nahesteht. Der Betroffene muss jedoch nicht die Rechtsfolge des § 25 StAG kennen, um ihr zu unterliegen.

[46]

Art. 8 lit. a Rom III-VO (Scheidungsstatut); Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO (Erbstatut); Art. 26 Abs. 1 lit. a EU-EheGüterVO (Ehegüterstatut); nicht Art. 26 EU-ELPGüterVO.

[47]

BGHZ 78, 293.

[48]

BGHZ 78, 293.

[49]

EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe).

[50]

EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe).

[51]

BGHZ 78, 293; wobei in der Rechtsprechung vorrangig individuelle Detailsbewertet werden BGH FamRZ 1997, 1070; KG FamFR 2013, 952; OLG Karlsuhe NJW-RR 2015, 1415.

[52]

Vgl zu den Kriterien EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe): Die Sachentscheidung im Rahmen des Art. 8 Brüssel IIa-VO treffen die nationalen Fachgerichte; vgl KG FamFR 2013, 552.

[53]

BGBl. 1990 II 207.

[54]

Kommissionsvorschlag vom 30.6.2016 COM(2016) 411 final.

[55]

BGHZ 78, 293.

[56]

www.wikipedia.org sub: „domicile (law)“.

[57]

ZB sec. 11 New Zealand Domicile Act 1976 (Act 1976 No 17).

[58]

Anders die romanische résidence.

[59]

Anders KG FamRZ 2002, 840, wo ein Versagen der Anknüpfungsleiter konstatiert und auf die deutsche lex fori abgestellt wird. War bei Fehlen sonstiger gemeinsamer Verbindungen der Ehegatten zu einem Staat freilich selbst der Eheschließungsort zufällig (so aber wohl nicht im Fall des KG, wo die Ehe im Heimatstaat eines der Ehegatten geschlossen wurde), so kann die engste gemeinsame Verbindung zum Gerichtsstaat bestehen: Palandt/Thorn Art. 14 EGBGB Rn 9.

[60]

KG FamRZ 2007, 1564; OLG München FamRBint 2011, 54 (ein instruktiver Fall, in dem im deutschen IPR intertemporale und im spanischen IPR intertemporale und interlokale Fragen auftreten); unzutreffend OLG Nürnberg FamRBint 2011, 46.

[61]

§ 28 östIPRG wurde zum Inkrafttreten der EU-ErbVO durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015, öBGBl 2015 I 87, aufgehoben.

[62]

Nicht der einzige Fall, der verdeutlicht, welche Probleme in der Praxis mit diesem Institut auftreten, ist OLG Schleswig NJW-RR 2002, 361: Scheidung einer in Dänemark geschlossenen Ehe von Argentiniern mit Wohnsitz in Deutschland, somit Verweisung aus Art. 17 Abs. 1 aF, 14 Abs. 1 auf argentinisches Recht. Das Familiengericht hatte Art. 4 Abs. 1 EGBGB übersehen und argentinisches materielles Recht angewendet. Das OLG sieht Art. 4 Abs. 1 EGBGB und knüpft im argentinischen Recht an Art. 159 Código Civil an, was einerseits eine unzutreffende Kollisionsnorm ist, da Art. 159 CC die Gültigkeit der Ehe, aber weder das Ehewirkungsstatut (Art. 162 CC), an das man wegen der internen Verweisung auf Art. 14 denken könnte, noch das im Fall maßgebliche Ehescheidungsstatut (Art. 164 CC) regelt. Überdies behandelt es die von Art. 159 CC ausgesprochene Verweisung auf dänisches Recht als Gesamtverweisung, obwohl das argentinische IPR die Gesamtverweisung nicht kennt: Staudinger/Hausmann (2013) Anh Art. 4 EGBGB Rn 659. Es folgt daher der Verweisung des dänischen Scheidungsstatuts (sic!) auf deutsches Aufenthaltsrecht und erzielt damit zufällig das richtige Ergebnis, denn bei gebotener Anwendung des Art. 164 des CC wäre es zu einer Rückverweisung auf deutsches Wohnsitzrecht gekommen.

[63]

Vormals Lei de Introdução ao Código Civil Brasileiro; geändert durch Lei 12.376 vom 30.12.2010.

[64]

Besonders verworren ist die Rechtslage, wenn Staat C ebenfalls nur nach Ermessen eine Rückverweisung annimmt, wie dies nach Art. 12.2. des spanischen Código Civil der Fall ist, jedoch anderen Ermessenskriterien (Spanien: Nachlasseinheit, England: Entscheidungsharmonie) folgt: Süß IPRax 2001, 488.

[65]

 

Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 6; Kropholler IPR § 24 II 2 c; Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 95 ff; dort auch eingehend zum Streitstand Rn 93 f.

[66]

Sehr umstritten, wie hier Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 7 („reine Verlegenheitslösung“) mit Nachweisen.

[67]

BGHZ 90, 294.

[68]

OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 06951.

[69]

V. 4.5.1971, Jayme/Hausmann Nr 100.

[70]

BGH NJW 2000, 2421: Verweisung des von Art. 25 Abs. 1 verwiesenen Erbstatuts (Ohio) auf das deutsche Recht als Recht der Belegenheit eines Grundstücks für die Entscheidung der Frage, ob die beim Erbfall bestehenden, sich auf das in der früheren DDR entzogene Grundstück beziehenden, Ansprüche des Erblassers nach dem Vermögensgesetz als beweglicher oder unbeweglicher Nachlass einzuordnen sind.

[71]

OLG München FamRZ 2011, 1006, 1008.

[72]

OLG München FamRZ 2011, 1006, 1007.

[73]

OLG Hamm FamRZ 2010, 975, 976 f.

[74]

Eingehend Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 79, 83 ff.

[75]

Zuletzt Mäsch RabelsZ 61 (1997) 285, 300 f; Bamberger/Roth/Lorenz Art. 4 EGBGB Rn 12.

[76]

Zur intertemporalen Geltung der Rom III-VO siehe Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO.

[77]

Zur Rechtsentwicklung in Bosnien und Herzegowina: Jessel-Holst FamRZ 2004, 847; Bergmann/Ferid/Henrich/Jessel-Holst Bosnien-Herzegowina.

[78]

Anders die wohl hM, die an den gewöhnlichen Aufenthalt im interlokalen Mehrrechtsstaat anknüpft: MüKoBGB/v. Hein (2015) Art. 4 EGBGB Rn 171; Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 397, 408.

[79]

Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 13.

[80]

Rauscher IPRax 1987, 206, 208; zustimmend Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 391.

[81]

Rieck/El Akrat Ausländisches Familienrecht, Ägypten, Rn 75.

[82]

Süß/Steinmetz/Huzel/García Alcázar Spanien Rn 50 ff, 158 ff; Süß/Ring/Huzel Spanien Rn 42.

[83]

Der Begriff passt nur für Delikts-, nicht aber für Bereicherungs- und GoA-Ansprüche.

[84]

In Art. 69 Abs. 3 beider Verordnungen ungenau formuliert: „nach dem“, vgl aber Abs. 1.

[85]

Kegel/Schurig § 1 VII 1 b.

[86]

BGH NJW 1990, 636: Ermittlung des Geltungswillens der neuen (Kollisions-)Norm durch Auslegung. Art. 17 Abs. 1 wolle mit Festlegung der unwandelbaren Anknüpfung auf den Antragszeitpunkt Rechtssicherheit schaffen, weshalb neues Recht nicht zurückwirke auf vor seinem Inkrafttreten rechtshängige Scheidungsanträge.

[87]

BAG IPRax 1994, 123: Anwendung von § 613a BGB gemäß Art. 30 Abs. 2 (1986) auf einen vor dem 1.9.1986 geschlossenen Arbeitsvertrag, sofern deutsches Recht das mangels Rechtswahl geltende Arbeitsvertragsstatut wäre, was das BAG in concreto letztlich verneint; ebenso BAG NZA 2005, 1117.

[88]

GBl. DDR 1975 I 748.

[89]

Im Gegensatz zur irrigen Verwendung im gesellschaftlichen Sprachgebrauch in Deutschland (richtig: „Staatsangehörigkeit“) lautet der österreichische Rechtsbegriff tatsächlich „Staatsbürgerschaft“ (§ 2 Nr 2 StbG Österreich). Ebenso in der früheren DDR (§ 1 aF StbG DDR).

[90]

Dazu LG Würzburg StAZ 1959, 15; Henrich StAZ 2016, 1, 2.