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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.

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Rechtsbill

Aus dem Streite über Oates entsprang ein andrer Streit, der sehr ernste Folgen hätte haben können. Die Urkunde welche Wilhelm und Marien zum König und zur Königin erklärten, war eine revolutionäre Urkunde. Sie war das Werk einer Versammlung, von der das ordentliche Gesetz nichts wußte, und hatte nie die königliche Sanction erhalten. Es war offenbar wünschenswerth, daß dieser hochwichtige Vertrag zwischen den Regierenden und den Regierten, dieses Dokument, kraft dessen der König seinen Thron und das Volk seine Freiheiten besaß, in eine streng regelrechte Form gebracht wurde. Die Rechtserklärung wurde deshalb in eine Rechtsbill verwandelt und die Rechtsbill von den Gemeinen ohne weiteres angenommen. Bei den Lords aber stieß sie auf Schwierigkeiten.

Die Rechtserklärung hatte die Krone zuerst Wilhelm und Marien gemeinschaftlich, dann dem Ueberlebenden von Beiden, dann Mariens Nachkommenschaft, und endlich auch der Nachkommenschaft Wilhelm’s von irgend einer andren Gemahlin als Marien zuerkannt. Die Bill war mit der Erklärung genau übereinstimmend abgefaßt. Wem aber der Thron zufallen sollte, wenn Marie, Anna und Wilhelm alle drei ohne Nachkommen starben, war in Ungewißheit gelassen. Dieser nicht vorgesehene Fall war indessen keineswegs unwahrscheinlich. Er lag sogar wirklich vor. Wilhelm hatte nie ein Kind gehabt. Anna war zwar mehrere Male Mutter gewesen, aber keines ihrer Kinder war mehr am Leben. Es wäre kein großes Wunder gewesen, wenn Krankheit, Krieg oder Verrath binnen wenigen Monaten sämmtliche Personen, welche zur Thronfolge befähigt waren, aus der Welt geschafft hätte. In welche Lage wäre das Land in diesem Falle gekommen? Wem sollte dann gehuldigt werden? Die Bill enthielt zwar eine Klausel, welche Papisten vom Throne ausschloß. Aber ersetzte eine solche Klausel eine den Nachfolger mit Namen bezeichnende Bestimmung? wie dann, wenn der nächste Thronerbe ein noch nicht drei Monat alter Prinz des Hauses Savoyen war? Es wäre absurd gewesen, ein solches Kind einen Papisten zu nennen. Sollte es also zum König proklamirt werden? Oder sollte die Krone so lange herrenlos bleiben, bis es ein Alter erreicht hatte, in welchem es befähigt war, sich eine Religion zu wählen? Konnten nicht auch die rechtschaffensten und verständigsten Männer in Zweifel sein, ob sie es als ihren Souverain betrachten dürften? Und wer sollte ihnen diesen Zweifel lösen? Ein Parlament würde es nicht geben, denn das Parlament würde mit dem Fürsten, der es zusammenberufen hatte, aufhören zu existiren. Es mußte eine vollständige Anarchie eintreten, eine Anarchie, welche mit der Vernichtung der Monarchie oder mit der Vernichtung der öffentlichen Freiheit enden konnte. Aus diesen gewichtigen Gründen schlug Burnet auf Wilhelm’s Veranlassung im Hause der Lords vor, daß die Krone in Ermangelung von Leibeserben Sr. Majestät, auf eine unbezweifelte Protestantin, Sophie, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, einer Enkelin Jakob’s I. und Tochter Elisabeth’s, Königin von Böhmen, übergehen solle.

Die Lords genehmigten dieses Amendement einstimmig, die Gemeinen aber verwarfen es einstimmig. Die Ursache der Verwerfung hat kein Schriftsteller der damaligen Zeit genügend erklärt. Ein whiggistischer Schriftsteller spricht von Machinationen der Republikaner, ein andrer von Machinationen der Jakobiten. Es steht jedoch fest, daß vier Fünftel der Vertreter des Volks weder Jakobiten noch Republikaner waren. Gleichwohl erhob sich im Unterhause nicht eine einzige Stimme zu Gunsten der Klausel, welche im Oberhause mit Acclamation angenommen worden war.146 Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte die sein, daß die grobe Ungerechtigkeit, welche in der Angelegenheit Oates’ begangen worden, die Gemeinen dergestalt gereizt hatte, daß sie mit Freuden eine Gelegenheit ergriffen, den Peers zu opponiren. Es wurde eine Conferenz gehalten, aber keine der beiden Versammlungen wollte nachgeben. Während der Streit am heftigsten war, trat ein Ereigniß ein, von dem man hätte denken sollen, daß es die Eintracht wiederherstellen werde. Anna gebar einen Sohn. Das Kind wurde mit großem Pomp und unter vielfachen öffentlichen Freudenbezeigungen in Hampton Court getauft. Wilhelm, war der eine Taufzeuge, der andre war der feingebildete Dorset, dessen Dach der Prinzessin in ihrem Unglück eine Zuflucht gewährt hatte. Der König gab dem Kinde seinen eignen Namen und kündigte dem um den Taufstein versammelten glänzenden Cirkel an, daß der kleine Wilhelm von diesem Augenblicke Herzog von Gloucester genannt werden solle.147 Die Geburt dieses Prinzen hatte die Gefahr, gegen welche die Lords auf ihrer Hut zu sein für nöthig erachtet, sehr vermindert. Sie hätten daher jetzt mit Anstand widerrufen können. Aber ihr Stolz war durch die Strenge, mit der man ihre Entscheidung über Oates’ Nichtigkeitsbeschwerde im gemalten Zimmer getadelt hatte, verletzt worden. Man hatte ihnen geradezu ins Gesicht gesagt, daß sie ungerechte Richter seien, und diese Beschuldigung war nur um so kränkender, weil sie sich bewußt waren sie verdient zu haben. Sie verweigerten jede Concession und die Rechtsbill wurde fallen gelassen.148

Streitigkeiten wegen einer Indemnitätsbill

Die aufregendste Frage dieser langen und stürmischen Session war jedoch die, welche Strafe den Männern zuerkannt werden solle, die in der Zeit zwischen der Auflösung des Oxforder Parlaments und der Revolution die Rathgeber oder Werkzeuge Karl’s und Jakob’s gewesen waren. Es war ein Glück für England, daß in dieser Krisis ein Fürst, der keiner der beiden Parteien angehörte, der keine von beiden weder liebte noch haßte und der zur Durchführung eines großen Planes beide zu benutzen wünschte, der Vermittler zwischen ihnen war.

Die beiden Parteien waren jetzt in einer ganz ähnlichen Lage wie vor achtundzwanzig Jahren. Zwar war die Partei, welche damals im Nachtheil gewesen, gegenwärtig im Vortheil, aber die Analogie zwischen den beiden Situationen ist eine der vollkommensten, die man in der Geschichte finden kann. Die Restauration wie die Revolution waren beide durch Coalitionen herbeigeführt worden. Bei der Restauration halfen diejenigen Politiker, welche der Freiheit besonders zugethan waren, die Monarchie wieder einsetzen; bei der Revolution halfen diejenigen Politiker, welche der Monarchie mit besonderem Eifer anhingen, die Freiheit vertheidigen. Der Cavalier hätte, bei der ersteren Gelegenheit, ohne den Beistand der Puritaner, welche für den Covenant gefochten, nichts ausrichten können; ebensowenig hätte der Whig bei der letzteren Gelegenheit der Willkürgewalt einen erfolgreichen Widerstand leisten können, wäre er nicht durch Männer unterstützt worden, die noch vor ganz kurzer Zeit den Widerstand gegen Willkürgewalt als eine Todsünde verdammt hatten. Die Bedeutendsten unter Denen, durch welche im Jahre 1660 die königliche Familie zurückgebracht wurde, waren Hollis, der in den Tagen der Tyrannei Karl’s I. den Sprecher mit offener Gewalt auf seinem Stuhle festhielt, während der schwarze Stab vergebens anklopfte, um Einlaß zu erlangen; Ingoldsby, dessen Name unter dem denkwürdigen Todesurtheile stand, und Prynne, dem Laud die Ohren abgeschnitten und der dafür den Hauptantheil an Laud’s Verurtheilung zum Tode gehabt hatte. Unter den Sieben, welche 1688 die Einladung an Wilhelm unterzeichneten, waren Campton, der lange die Pflicht eingeschärft hatte, einem Nero zu gehorchen, Danby, der angeklagt worden war, weil er den Militärdespotismus einzuführen versucht hatte, und Lumley, dessen Bluthunde Monmouth bis in seinen traurigen letzten Versteck im Walde verfolgt hatten. Sowohl 1660 als auch 1688 versprachen sich die beiden feindlichen Parteien, so lange das Geschick der Nation unentschieden war, gegenseitig Vergebung. Bei beiden Gelegenheiten erwies sich die Versöhnung, welche im Augenblicke der Gefahr aufrichtig geschienen hatte, im Augenblicke des Sieges als falsch und hohl. Sobald Karl II. wieder in Whitehall war, vergaß der Cavalier die Dienste, welche die Presbyterianer kürzlich geleistet, und erinnerte sich nur noch ihrer alten Beleidigungen. Sobald Wilhelm König war, begannen nur zu viele Whigs Rache zu fordern für Alles was sie in den Tagen des Ryehousecomplots von der Hand der Tories erduldet hatten. Bei beiden Gelegenheiten wurde es dem Souverain schwer, die besiegte Partei vor der Wuth seiner triumphirenden Anhänger zu schützen, und bei beiden Gelegenheiten murrten Die, deren Rache er vereitelt hatte, heftig gegen die Regierung, die so schwach und undankbar gewesen war, ihre Feinde gegen ihre Freunde in Schutz zu nehmen.

 

Schon am 25. März machte Wilhelm die Gemeinen auf die Zweckmäßigkeit der Maßregel aufmerksam, die öffentliche Meinung durch eine Amnestie zu beschwichtigen. Er sprach die Hoffnung aus, daß eine Bill für allgemeines Vergeben und Vergessen so bald als möglich ihm zur Genehmigung vorgelegt und daß keine anderen Ausnahmen gemacht werden würden, als die für die Aufrechthaltung der öffentlichen Gerechtigkeit und für die Sicherheit des Staats absolut nothwendig erschienen. Die Gemeinen waren einstimmig dafür, ihm für diesen Beweis seiner väterlichen Güte zu danken; allein sie ließen viele Wochen vergehen, ohne einen Schritt zur Erfüllung seines Wunsches zu thun. Als der Gegenstand endlich wieder zur Sprache gebracht wurde, geschah dies auf eine Art, welche deutlich bewies, daß die Majorität nicht den ernsten Willen hatte, der Ungewißheit ein Ende zu machen, welche allen denjenigen Tories, die sich bewußt waren, in ihrem Eifer für die Prärogative zuweilen die vom Gesetz gezogene strenge Grenze überschritten zu haben, das Leben verbitterte. Es wurden zwölf Kategorien gebildet, von denen einige so umfassend waren, daß sie Zehntausende von Delinquenten in sich schlossen, und das Haus beschloß, daß in jeder dieser Kategorien einige Ausnahmen gemacht werden sollten. Dann kam die Prüfung der einzelnen Fälle. Zahlreiche Angeklagte und Zeugen wurden vor die Schranken citirt. Die Debatten waren lang und heftig, und es stellte sich bald heraus, daß die Arbeit kein Ende nehmen werde. Der Sommer verging und der Herbst rückte heran; die Session konnte nicht viel länger dauern, und von den zwölf einzelnen Untersuchungen, welche die Gemeinen vorzunehmen beschlossen hatten, waren erst drei beendigt. Es war demnach nöthig, die Bill für dieses Jahr fallen zu lassen.149

Die letzten Tage Jeffreys’

Unter den vielen Verbrechern, deren Namen im Laufe dieser Untersuchung genannt wurden, befand sich einer, der an Schuld und Schande einzig und unerreicht dastand und den sowohl Whigs als Tories der äußersten Strenge des Gesetzes zu überlassen geneigt waren. An dem fürchterlichen Tage, auf den die Irische Nacht folgte, hatte das Wuthgebrüll einer um ihre Rache betrogenen großen Stadt Jeffreys bis an die Zugbrücke des Towers begleitet. Obwohl seine Einkerkerung nicht streng gesetzmäßig war, nahm er doch anfangs mit Dank und Segenswünschen den Schutz an, den diese düsteren, durch so viele Verbrechen und Leiden berüchtigten Mauern ihm vor der Wuth der Menge gewährten.150 Bald kam er jedoch zu der Ueberzeugung, daß sein Leben noch immer sehr gefährdet sei. Eine Zeit lang schmeichelte er sich mit der Hoffnung, daß ein Habeascorpusbefehl ihn aus seiner Haft befreien und daß er im Stande sein werde, in ein fremdes Land zu entkommen und sich mit einem Theile seines übelerworbenen Reichthums vor dem Hasse der Menschheit zu verbergen. Aber bis zur Feststellung der Regierung gab es keinen Gerichtshof, der zur Ausstellung eines Habeascorpusbefehls befugt gewesen wäre, und sobald die Regierung festgestellt war, wurde die Habeascorpusacte suspendirt.151 Ob Jeffreys des Mordes in legalem Sinne überführt werden konnte, steht zu bezweifeln. Moralisch aber war er so vieler Mordthaten schuldig, daß, wenn es kein andres Mittel gegeben hätte, seinem Leben beizukommen, die ganze Nation eine retrospective Verurtheilungsacte stürmisch gefordert haben würde. Die Neigung, über einen Gefallenen zu triumphiren, gehörte nie zu den vorwiegenden Untugenden der Engländer; aber der Haß gegen Jeffreys war ohne Beispiel in unsrer Geschichte und entsprach nur zu sehr dem Blutdurste seines eignen Characters. Das Volk war in Bezug auf ihn eben so grausam als er selbst und frohlockte über seinen Schmerz, wie er gewohnt gewesen war, über den Schmerz Verurtheilter, die ihr Todesurtheil anhörten, und trauernder Familien zu frohlocken. Der Pöbel versammelte sich vor seinem verödeten Hause in Duke Street und las unter schallendem Gelächter an seiner Thür die Anschläge, welche den Verkauf seines Eigenthums verkündeten. Selbst zarte Frauen, die für Straßenräuber und Diebe Thränen hatten, athmeten nichts als Rache gegen ihn. Die Spottlieder auf ihn, welche in der Stadt verkauft wurden, zeichneten sich durch eine selbst damals seltene Heftigkeit aus. Der Henkertod sei viel zu mild, ein Grab unter dem Galgen eine viel zu ehrenvolle Ruhestätte für ihn, er müsse an einen Karren angebunden und zu Tode gepeitscht, er müsse wie ein Indianer gemartert, er müsse lebendig verschlungen werden. Die Straßendichter zertheilten alle seine Glieder mit cannibalischer Grausamkeit und berechneten wie viel Pfund Fleisch von seinem wohlgenährten Corpus losgeschnitten werden könnten. Die Wuth seiner Feinde ging sogar soweit, daß sie in einer in England selten gehörten Sprache den Wunsch ausdrückten, er möge dahin gehen, wo Heulen und Zähnklappern sei, zu dem Wurme, der niemals stirbt, zu dem Feuer, das nimmer verlöscht. Sie riethen ihm, sich mittelst seiner Kniebänder aufzuhängen und sich mit seinem Rasirmesser den Hals abzuscheiden. Sie richteten das gräßliche Gebet zum Himmel, daß er der Reue unzugänglich sein und als der nämliche herzlose, nichtswürdige Jeffreys sterben möge, der er im Leben gewesen war.152 Eben so feigherzig im Unglück wie übermüthig und unmenschlich im Glück, sank ihm unter der Last der öffentlichen Verachtung gänzlich der Muth. Seine von Haus aus schlechte und durch Unmäßigkeit sehr geschwächte Constitution wurde durch Verzweiflung und Angst völlig zerrüttet. Er wurde von einer schmerzhaften inneren Krankheit gepeinigt, welche selbst die geschicktesten Aerzte der damaligen Zeit selten zu heben vermochten. Nur ein Trost blieb ihm: der Branntwein. Selbst wenn er Untersuchungen zu leiten und Berathungen beizuwohnen hatte, ging er selten nüchtern zu Bett. Jetzt, wo er seinen Geist mit nichts als entsetzlichen Rückerinnerungen und entsetzlichen Ahnungen beschäftigen konnte, gab er sich rückhaltlos seinem Lieblingslaster hin. Viele glaubten, er wolle durch Unmäßigkeit sein Leben verkürzen. Er hielte es für besser, meinten sie, im Zustande der Trunkenheit aus der Welt zu gehen, als sich von Ketch zerhacken, oder vom Pöbel zerreißen zu lassen.

Einmal wurde er aus seiner jammervollen Verzagtheit durch eine angenehme Empfindung aufgerüttelt, der jedoch alsbald eine kränkende Enttäuschung folgte. Es war ein Packet für ihn im Tower abgegeben worden, das ein Fäßchen Colchesteraustern, sein Lieblingsgericht zu enthalten schien. Er war tief bewegt, denn es giebt Augenblicke, wo Diejenigen, welche am wenigsten Zuneigung verdienen, sich mit dem Gedanken schmeicheln, daß sie solche einflößen. „Gott sei Dank!“ rief er aus; „ich habe doch noch Freunde.“ Er öffnete das Fäßchen, und aus einem Haufen Austernschalen fiel ein starker Strick.153

Es scheint nicht, daß einer der Schmeichler oder Narren, die er mit dem geraubten Gute seiner Schlachtopfer bereichert hatte, ihn in der Zeit der Trübsal tröstete. Doch war er nicht gänzlich verlassen. Johann Tutchin, den er dazu verurtheilt hatte, sieben Jahre lang alle vierzehn Tage ausgepeitscht zu werden, machte sich auf den Weg nach dem Tower und besuchte den gestürzten Tyrannen. Der arme Jeffreys, obwohl bis in den Staub gedemüthigt, benahm sich mit verworfener Höflichkeit und bestellte Wein. „Ich freue mich, Sir,“ sagte er, „Sie bei mir zu sehen.“ – „Und ich,“ entgegnete der schadenfrohe Whig, „freue mich, Eure Lordschaft hier zu sehen.“ – „Ich diente meinem Herrn,“ versetzte Jeffreys, „dies war meine Gewissenspflicht.“ – „Wo hatten Sie Ihr Gewissen, als sie in Dorchester jenes Urtheil über mich verhängten?“ – „Meine Instructionen lauteten dahin,“ antwortete Jeffreys gleißnerisch, „daß ich gegen Männer wie Sie, Männer von Talent und Muth, keine Nachsicht üben sollte. Als ich an den Hof zurückkam, wurde ich wegen meiner Milde getadelt.154“ Selbst Tutchin scheint trotz der Heftigkeit seines Grolls und trotz der Größe der ihm widerfahrenen Unbilden durch das jammervolle Schauspiel, das er anfangs mit rachsüchtiger Schadenfreude betrachtete, ein wenig gerührt worden zu sein. Er leugnete stets die Wahrheit des Gerüchts, daß er Derjenige gewesen sei, der das Colchesterfaß in den Tower geschickt habe.

Außer diesem gewann ein menschenfreundlicher Mann, Johann Sharp, der vortreffliche Dechant von Norwich, es über sich, den Gefangenen zu besuchen. Es war eine peinliche Aufgabe, aber Sharp war in früheren Zeiten von Jeffreys so freundlich behandelt worden, wie Jeffreys überhaupt seinem Character nach Jemanden behandeln konnte, und es war ihm einige Male durch geduldiges Warten, bis der Sturm der Flüche und Verwünschungen ausgetobt hatte, und durch geschickte Benutzung eines Augenblicks guter Laune gelungen, für unglückliche Familien eine Linderung ihrer Leiden zu erwirken. Der Gefangene war erstaunt und erfreut. „Was wagen Sie mir jetzt noch zuzugestehen?“ sagte er. Der menschenfreundliche Geistliche bemühte sich jedoch vergebens, in diesem verstockten Gewissen einen heilsamen Schmerz zu wecken. Anstatt seine Schuld zu bekennen, ergoß sich Jeffreys in heftige Schmähungen gegen die Ungerechtigkeit der Menschen. „Die Leute nennen mich einen Mörder, weil ich das gethan, was Mancher, der jetzt hoch in Gunst steht, damals vollkommen billigte. Sie nennen mich einen Trunkenbold, weil ich Punsch trinke, um mir die Last meines Kummers zu erleichtern.“ Er wollte nicht zugeben, daß er als Präsident der Hohen Commission etwas Tadelnswerthes gethan habe. Seine Collegen, sagte er, seien die eigentlichen Schuldigen, und jetzt wälzten sie alle Schuld auf ihn. Mit besonderer Bitterkeit sprach er von Sprat, der unbestreitbar das humanste und gemäßigtste Mitglied der Behörde gewesen war.

Es zeigte sich bald klar und deutlich, daß der abscheuliche Richter der Last seiner körperlichen und geistigen Leiden rasch erliegen würde. Doctor Johann Scott, Präbendar von St. Paul, ein Geistlicher von großer Frömmigkeit und Verfasser des „Christian Life,“ eines einst weit und breit berühmten Buches, wurde wahrscheinlich auf Anrathen seines intimen Freundes Sharp, an’s Bett des Sterbenden gerufen. Doch umsonst sprach auch Scott, wie Sharp es bereits gethan, von den entsetzlichen Schlächtereien von Dorchester und Taunton. Jeffreys blieb bis zum letzten Augenblicke dabei, daß Die, welche ihn für blutdürstig hielten, seine damaligen Befehle nicht kennten, daß er eher Lob als Tadel verdiene und daß seine Milde ihm das höchste Mißfallen seines Gebieters zugezogen habe.155

 

Krankheit unterstützt durch starkes Trinken und durch tiefen Gram, vollendete bald ihr Werk. Der Magen des Kranken nahm keine Speise mehr an. Binnen wenigen Wochen magerte der stattliche und sogar corpulente Mann zu einem Gerippe ab. Am 18. April starb er im einundvierzigsten Jahre seines Lebens. Mit fünfunddreißig Jahren war er Oberrichter der Kings Bench, mit siebenunddreißig Lordkanzler gewesen. In der ganzen Geschichte der englischen Justizpflege findet sich kein zweites Beispiel von einem so raschen Emporsteigen oder einem so heftigen Sturze. Der abgezehrte Leichnam wurde in aller Stille neben der Asche Monmouth’s in der Kapelle des Tower beigesetzt.156

Der Sturz dieses einst so mächtigen und gefürchteten Mannes, der Abscheu, mit dem er von allen ehrenwerthen Mitgliedern seiner eignen Partei betrachtet wurde, die Art und Weise, wie die minder ehrenwerthen Mitglieder dieser Partei in seinem Unglück jede Gemeinschaft mit ihm von sich wiesen und die ganze Schuld der Verbrechen, zu denen sie ihn aufgemuntert hatten, auf ihn wälzte, hatten den maßlosen Freunden der Freiheit, welche nach einer neuen Proscription verlangten, zur Lehre dienen sollen. Allein es war eine Lehre, die nur zu viele von ihnen nicht beachteten.

146Oldmixon klagt die Jakobiten, Burnet die Republikaner an. Obwohl Burnet regen Antheil an der Discussion dieser Frage nahm, so ist doch sein Bericht über die dabei stattgehabten Vorgänge sehr ungenau. Er sagt, die Klausel sei von den Gemeinen lebhaft debattirt worden und Hampden habe nachdrücklich für dieselbe gesprochen. Wir erfahren aber aus den Protokollen (19. Juni 1689), daß sie nemine contradicente verworfen wurde. Die holländischen Gesandten bezeichnen sie als „een propositie ’twelck geen ingressie schynt te sullen vinden.“
147London Gazette, August 1. 1689; Narcissus Luttrell’s Diary.
148Die Geschichte dieser Bill findet man in den Protokollen der beiden Häuser und in Grey’s Debates.
149Siehe Grey’s Debates und die Commons’ Journals vom März bis Juli. Die zwölf Kategorien findet man in den Protokollen vom 23. und 29. Mai und vom 8. Juni.
150Halifax-Manuscript im Britischen Museum.
151The Life and Death of George Lord Jeffreys; Finch’s Rede in Grey’s Debates, 1. März 1688/89.
152Siehe unter vielen anderen Schriften Jeffreys’s Elegy; Letter to the Lord Chancellor exposing to him the sentiments of the people; Elegy of Dangerfield; Dangerfield’s Ghost to Jeffreys; Humble Petition of Widows and fatherless Children in the West; The Lord Chancellors Discovery and Confession made in the time of his sickness in the Tower; Hickeringill’s Ceremonymonger; ein Flugblatt betitelt: „O rare show! O rare sight! O strange monster! The like not in Europe! To be seen near Tower Hill, a few doors beyond the Lion’s den.“
153Life and Death of George Lord Jeffreys.
154Tutchin erzählt dies selbst in den Bloody Assizes.
155Siehe die Biographie des Erzbischofs Sharp von seinem Sohne. Was zwischen Scott und Jeffreys vorging, erzählte Ersterer Sir Joseph Jockyl. Siehe auch Tindal’s Geschichte und Echard III. 932. Echard’s Berichterstatter, der nicht genannt ist, der aber gute Gelegenheit gehabt zu haben scheint, die Wahrheit zu erfahren, sagte, Jeffreys sei nicht, wie man allgemein glaube, an den Folgen der Trunksucht, sondern am Stein gestorben. Diese Meinungsverschiedenheit ist von geringer Bedeutung. Soviel ist gewiß, daß Jeffreys sehr unmäßig war, und seine Krankheit war eine von denjenigen, welche durch Unmäßigkeit notorisch verschlimmert werden.
156Siehe A Full and True Account of the Death of George Lord Jeffreys, licensed on the day of his death. Der erbärmliche Le Noble wurde nicht müde zu wiederholen, Jeffreys sei durch den Usurpator vergiftet worden. Ich will eine kurze Stelle als Probe von den Verleumdungen anführen, deren Gegenstand König Wilhelm war. „Il envoya,“ sagt Pasquin, „ce fin ragoût de champignons au Chancelier Jeffreys, prisonnier dans la Tour, qui les trouva du même goust et du même assaisonnement que furent les derniers dont Agrippine regala le bonhomme Claudius, son époux, et que Néron appella depuis la viande des Dieux.“ Marforio fragt: „Le Chancelier est donc mort dans la Tour?“ Pasquin antwortet: „Il estoit trop fidèle à son Roi légitime et trop habile dans les loix du royaume, pour échapper à l’Usurpateur qu’il ne vouloit point reconnoistre. Guillemot prit soin de faire publier que ce malheureux prisonnier estoit attaqué d’une fièvre maligne: mais, à parler franchement, il vivroit peutestre encore, s’il n’avoit rien mangé que de la main de ses anciens cuisiniers.“ – Le Festin de Guillemot, 1689. Dangeau (7. Mai) erwähnt eines Gerüchts, daß Jeffreys sich selbst vergiftet habe.