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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Neunter Band: enthaltend Kapitel 17 und 18.

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Verrätherei einiger Diener Wilhelm’s

Sherlock würde vielleicht gezweifelt haben, ob die Regierung, der er sich unterworfen, berechtigt war, eine feststehende Regierung genannt zu werden, wenn er alle die Gefahren gekannt hätte, von denen sie bedroht war. Preston’s Complot war kaum entdeckt, als sich ein neues Complot ganz anderer Art im Lager, bei der Flotte, im Schatzamte, und selbst im Schlafzimmer des Königs bildete. Das Geheimniß dieser Schändlichkeit ist im Laufe von fünf Generationen allmälig entschleiert worden, ganz aber ist es noch jetzt nicht entschleiert. Möglich, daß einige noch dunkle Theile desselben der Nachwelt durch die Entdeckung von Briefen und Tagebüchern, die jetzt unter dem Staube von hundertfunfzig Jahren ruhen, klar werden. Doch sind die Materialien, die uns gegenwärtig zu Gebote stehen, schon genügend, um eine Erzählung zusammenzusetzen, die man nicht ohne Beschämung und Abscheu lesen kann.62

Wir haben gesehen, daß Shrewsbury aus Verdruß darüber, daß er seine Rathschläge verworfen und die seiner toryistischen Nebenbuhler befolgt sah, sich in einer unheilvollen Stunde in eine Correspondenz mit der verbannten Königsfamilie verwickeln ließ. Wir haben ferner gesehen, durch welche heftigen Körper- und Seelenleiden er seine Fehler büßte. Von Reue und daraus entstandener Krankheit gequält, hatte er den Hof verlassen; aber es blieben an demselben Männer zurück, deren Grundsätze nicht minder locker als die seinigen, und deren Herzen noch viel härter und kälter waren.

Zu Anfang des Jahres 1691 begannen einige von diesen Männern sich in geheime Verbindung mit Saint-Germains zu setzen. So schändlich und ehrlos ihr Verfahren auch war, es lag nichts Wunderbares darin. Sie handelten nach ihrer Weise. Es waren unruhige Zeiten, eine dichte Wolke verhüllte die Zukunft, der scharfsichtigste und erfahrenste Politiker konnte mit einiger Klarheit nicht drei Monate weit über die Gegenwart hinaussehen. Ein Mann von Tugend und Ehre fragte allerdings darnach nicht viel. Seine Ungewißheit bezüglich dessen, was der morgende Tag bringen würde, konnte ihn wohl besorgt, aber nicht treulos machen. Wenn auch in völliger Unkenntniß über das, was seine Interessen berührte, hatte er doch die feste Richtschnur seiner Grundsätze. Leider aber gab es unter den Höflingen jener Zeit nicht viele Männer von Tugend und Ehre. Whitehall war seit dreißig Jahren eine Pflanzschule jedes öffentlichen und privaten Lasters und wimmelte von niedrigdenkenden, doppelzüngigen und selbstsüchtigen Politikern. Diese Männer handelten jetzt so, wie es von unmoralischen Männern in einer Krisis, deren Ausgang Niemand voraussehen konnte, nicht anders zu erwarten war. Einige von ihnen hatten eine leichte Vorliebe für Wilhelm, Andere hatten eine leichte Vorliebe für Jakob; aber durch keine solche Vorliebe wurde das Verfahren einer dieser Männer geleitet. Hätte es sicher geschienen, daß Wilhelm sich halten würde, so würden sie Alle für Wilhelm gewesen sein. Hätte es sicher geschienen, daß Jakob wieder eingesetzt werden würde, so würden sie Alle für Jakob gewesen sein. Aber was war zu thun, da die Aussichten sich fast genau die Wage zu halten schienen? Es gab rechtschaffene Männer der einen Partei, welche geantwortet haben würden: dem wahren Könige und der wahren Kirche treu zu bleiben und nöthigenfalls für sie zu sterben wie Laud. Es gab rechtschaffene Männer der andren Partei, welche geantwortet haben würden: Fest an den Freiheiten England’s und an der protestantischen Religion zu halten und nöthigenfalls für sie zu sterben wie Sidney. Aber eine solche Consequenz war Vielen der Vornehmen und Mächtigen unbegreiflich. Ihr Ziel war, sich für alle Fälle zu sichern. Daher schworen sie öffentlich dem einen Könige Treue und verpfändeten ihr Wort heimlich auch dem andren. Sie waren unermüdlich bestrebt, sich unter dem großen Siegel Wilhelm’s Aemter, Peerspatente, Pensionen und Geschenke von Kronländern zu verschaffen, und in ihren geheimen Schubkästen hatten sie Amnestieversprechen von Jakob’s Hand.

Unter Denen, welche sich dieser Schändlichkeit schuldig machten, stehen drei Männer: Russell, Godolphin und Marlborough, in erster Reihe. Es konnte kaum drei Menschen geben, die an Geist und Herz einander unähnlicher waren, und die besonderen Eigenschaften jedes derselben verliehen seiner Schurkerei einen besonderen Character. Der Verrath Russell’s ist zum Theil dem Grolle, der Verrath Godolphin’s lediglich der Aengstlichkeit zuzuschreiben; Marlborough’s Verrath aber war der Verrath eines Mannes von großem Genie und grenzenlosem Ehrgeize.

Russell

Es mag auffallend scheinen, daß Russell unzufrieden sein konnte. Er hatte eben erst das Commando der vereinigten Flotten England’s und Holland’s mit dem Range eines Flottenadmirals übernommen; er war Schatzmeister der Flotte, hatte einen Jahrgehalt von dreitausend Pfund Sterling, und es war ihm Kronland in der Nähe von Charing Croß im Werthe von achtzehntausend Pfund verliehen worden. Außerdem müssen seine indirecten Einnahmen enorm gewesen sein. Aber er war noch immer nicht zufrieden. Er war in der That trotz seines unerschrockenen Muthes, trotz bedeutender Talente für den Krieg wie für die Verwaltung, und trotz eines gewissen Gemeinsinns, der sich selbst in den schlimmsten Perioden seines Lebens vorübergehend zeigte, im vollen Umfange des Worts ein schlechter Mensch: übermüthig, boshaft, habsüchtig und treulos. Er meinte, daß die großen Dienste, die er zur Zeit der Revolution geleistet, nicht gebührend belohnt worden seien. Alles was Andere erhielten, betrachtete er als ihm geraubt. Es existirt noch ein Brief von ihm, den er damals an Wilhelm schrieb. Dieser Brief enthält nichts als Selbstruhm, Vorwürfe und Spötteleien. Der Admiral bittet zuvörderst unter ironischen Versicherungen seiner Ergebenheit und Loyalität um die Erlaubniß, seine Beschwerden zu Papiere bringen zu dürfen, da seine Schüchternheit ihm nicht gestatte, sich mündlich darüber auszusprechen. Sein Kummer sei unerträglich. Andere Leute erhielten königliche Domainen, er aber könne fast gar nichts erlangen. Andere Leute könnten ihre Angehörigen versorgen; seine Empfehlungen aber blieben regelmäßig unbeachtet. Das Einkommen, das er der königlichen Gunst verdanke, sehe zwar groß aus; aber er habe arme Verwandte, und die Regierung habe dieselben, anstatt ihre Pflicht gegen sie zu thun, unfreundlicherweise seiner Sorge überlassen. Er habe eine Schwester, die einer Pension bedürfe, denn ohne eine solche könne sie ihren Töchtern keine Aussteuer geben. Er habe einen Bruder, der, weil er keine Stelle habe, in die traurige Nothwendigkeit versetzt worden sei, eine alte Frau wegen ihres Geldes zu heirathen. Russell beklagte sich dann bitter, daß die Whigs vernachlässigt würden, daß die Revolution Männer zu Ansehen und Reichthum gebracht habe, welche die größten Anstrengungen gemacht hätten, sie zu verhindern. Und man hat Grund zu glauben, daß diese Klage aus seinem Herzen kam, denn nächst seinen eigenen Interessen waren die seiner Partei ihm theuer, und selbst als er am meisten dazu geneigt war, ein Jakobit zu werden, hatte er nicht die mindeste Neigung ein Tory zu werden. In der Stimmung, welche dieser Brief verräth, hörte er bereitwillig auf die Einflüsterungen David Lloyd’s, eines der gewandtesten und thätigsten Emissäre, welche damals beständig zwischen Frankreich und England hin und her reisten. Lloyd überbrachte Jakob die Versicherung, daß Russell, sobald sich eine günstige Gelegenheit darböte, versuchen würde, vermittelst der Flotte das zu bewerkstelligen, was Monk unter der vorhergehenden Generation vermittelst der Armee bewerkstelligt habe.63 Bis zu welchem Punkte diese Versicherungen aufrichtig waren, dies war eine Frage, über welche Leute, die Russell und seine Handlungsweise genau kannten, in Zweifel waren. Es ist wahrscheinlich, daß er viele Monate lang mit sich selbst nicht im Klaren war. Es lag in seinem Interesse, so lange als möglich mit beiden Königen auf gutem Fuße zu stehen, und sein reizbares, gebieterisches Temperament trieb ihn beständig an, mit beiden zu hadern. Die eine Woche wurde seine üble Laune durch eine trockene Antwort von Wilhelm, die nächste Woche durch eine alberne Proklamation von Jakob erregt. Zum Glück fand ihn der wichtigste Tag seines Lebens, der Tag, von welchem alle seine späteren Jahre ihre Färbung entlehnten, nicht in bester Stimmung gegen den verbannten König.

Godolphin

Godolphin hatte keine Ursache sich über die Regierung, der er diente, zu beklagen und er behauptete auch gar keine zu haben. Er war erster Commissar des Schatzes, er war mit Protection, Vertrauen und Gunstbezeigungen überschüttet worden, ja, die ihm bewiesene Gunst hatte sogar viel Murren veranlaßt. Sei es passend, hatten die Whigs unwillig gefragt, daß ein Mann, der während der ganzen vorigen Regierung hohe Aemter bekleidet, der für die Indulgenz zu stimmen versprochen, der mit einem Jesuiten im Staatsrathe und mit zwei Papisten im Schatzamte gesessen, der eine Götzendienerin an ihren Altar begleitet hatte, zu den ersten Ministern eines Fürsten gehörte, dessen Ansprüche auf den Thron aus der Rechtserklärung hergeleitet seien? Aber auf Wilhelm hatte dieses Geschrei keinen Eindruck gemacht, und keiner von seinen Dienern scheint damals sein Vertrauen in größerem Umfange besessen zu haben als Godolphin.

 

Dessenungeachtet verzweifelten die Jakobiten nicht. Einer der eifrigsten unter ihnen, ein Gentleman Namens Bulkeley, der früher mit Godolphin auf vertrautem Fuße gestanden hatte, übernahm es zu sehen, was er thun könne. Er begab sich ins Schatzamt und bemühte sich, den ersten Lord in ein politisches Gespräch zu ziehen. Dies war kein leichtes Ding, denn Godolphin war nicht der Mann, der sich leicht in Andrer Hände gab. Seine Zurückhaltung war sprüchwörtlich, und er war besonders wegen der Gewandtheit berühmt, mit der er während seines ganzen Lebens die Unterhaltung von Staatsangelegenheiten auf einen Hahnenkampf oder auf den Stammbaum eines Racepferdes zu lenken wußte. Der Besuch endete, ohne daß er ein Wort geäußert hätte, welches verrieth, daß er sich der Existenz König Jakob’s erinnerte.

Bulkeley ließ sich jedoch nicht so leicht abschrecken. Er kam wieder und brachte den Gegenstand, der ihm zunächst am Herzen lag, auf’s neue zur Sprache. Godolphin erkundigte sich hierauf nach seinem ehemaligen Gebieter und seiner ehemaligen Gebieterin in dem unmuthigen Tone eines Mannes, der die Hoffnung aufgegeben hatte, je mit ihnen ausgesöhnt zu werden. Bulkeley versicherte ihm, daß König Jakob bereit sei, alles Vergangene zu verzeihen. „Darf ich Sr. Majestät sagen, daß Sie Sich bemühen wollen, seine Gunst zu verdienen?” Bei dieser Frage erhob sich Godolphin, sagte etwas von Amtsfesseln und von dem Wunsche, ihrer ledig zu sein und brach die Unterredung ab.

Bulkeley machte bald einen dritten Versuch. Godolphin hatte inzwischen mancherlei erfahren, was sein Vertrauen zu der Stabilität der Regierung, der er diente, erschütterte. Er begann zu glauben, daß er zu hoch auf die Revolution gewettet, wie er sich ausgedrückt haben würde, und daß es Zeit sei, für und wider zu wetten. Ausweichende Antworten konnten ihm nicht länger genügen. Er sprach sich aus und erklärte sich für einen ergebenen Diener König Jakob’s. „Ich werde die nächste Gelegenheit ergreifen, um meine Stelle niederzulegen. Bis dahin aber bin ich gebunden. Ich darf meine Amtspflicht nicht verletzen.” Um den Werth des Opfers, das er zu bringen sich vornahm, zu erhöhen, legte er ein höchst freundliches und vertrauliches Schreiben vor, das er kürzlich von Wilhelm erhalten hatte. „Sie sehen, welches unbedingte Vertrauen der Prinz von Oranien in mich setzt. Er sagt mir, daß er mich nicht entbehren könne, und das es keinen Engländer gebe, dem er so zugethan sei; aber dies Alles ist bei mir von keinem Gewicht im Vergleich zu meiner Pflicht gegen meinen rechtmäßigen König.”

Wenn der erste Lord des Schatzes wirklich Bedenken hegte, das ihm geschenkte Vertrauen zu verrathen, so wurden diese Bedenken bald so wirksam gehoben, daß er sechs Jahre lang in aller Gemächlichkeit das Brot des einen Herrn aß, während er im Geheimen einem andren Anhänglichkeitsversicherungen und Dienstversprechen sandte.

Die Wahrheit ist, daß Godolphin unter dem Einflusse eines viel gewaltigeren und viel verderbteren Geistes stand als der seinige war. Seine Verlegenheiten waren Marlborough mitgetheilt worden, mit dem er seit langer Zeit durch eine Freundschaft verbunden war, wie zwei völlig characterlose Menschen sie überhaupt für einander zu fühlen vermögen, und mit dem er später noch durch enge häusliche Bande verknüpft wurde.

Marlborough

Marlborough war in einer ganz andren Lage als die anderen Diener Wilhelm’s. Lloyd konnte Russell, Bulkeley konnte Godolphin Eröffnungen machen. Aber alle Agenten des verbannten Hofes hielten sich fern von dem Verräther von Salisbury. Jene schmachvolle Nacht schien den meineidigen Deserteur für immer von dem Fürsten getrennt zu haben, den er in’s Unglück gestürzt hatte. Jakob hatte noch in der äußersten Bedrängniß, als seine Armee im vollen Rückzuge begriffen war und sein ganzes Königreich sich gegen ihn erhoben hatte, erklärt, daß er Churchill nie und nimmer vergeben werde. Der Name Churchill war bei allen Jakobiten gründlich verhaßt, und in der Prosa wie in den Versen, welche täglich aus ihren geheimen Pressen hervorgingen, wurde ihm unter den vielen Verräthern der damaligen Zeit bezüglich der Infamie die erste Stelle angewiesen. In der aus der Revolution entsprungenen Ordnung der Dinge war er einer der Großen England’s, von hohem Range im Staate wie im Heere. Er war zum Earl creirt worden und spielte eine bedeutende Rolle bei der Militärverwaltung. Die directen und indirecten Emolumente der Stellen und Commandos, die ihm von der Krone verliehen worden waren, schätzte man bei der holländischen Gesandtschaft auf zwölftausend Pfund Sterling jährlich. Im Fall einer Contrerevolution schien er nichts als eine Dachstube in Holland oder ein Schaffot auf Tower Hill zu erwarten zu haben. Man hätte daher denken sollen, daß er seinem neuen Gebieter mit Treue dienen werde, wenn auch nicht mit der Treue Nottingham’s, welche die Treue der Gewissenhaftigkeit, nicht mit der Treue Portland’s, welche die Treue der Zuneigung war, so doch mit der nicht minder beharrlichen Treue der Verzweiflung.

Die, welche das glaubten, kannten Marlborough nur wenig. Auf seine Fertigkeit im Täuschen vertrauend, beschloß er, da die jakobitischen Agenten ihn nicht mehr aufsuchten, sie aufzusuchen. Zu dem Ende ließ er den Obersten Eduard Sackville um eine Unterredung bitten.

Sackville war über das Ansuchen erstaunt und nicht sonderlich erfreut. Er war ein starrsinniger Cavalier aus der alten Schule. In den Tagen des papistischen Complots war er verfolgt worden, weil er mannhaft sagte, was er über Oates und Bedloe dachte und was jetzt Jedermann über sie denkt.64 Seit der Revolution hatte er für König Jakob seinen Kopf auf’s Spiel gesetzt, war von Beamten mit Verhaftsbefehlen verfolgt und in einer Proklamation, an welcher Marlborough selbst Theil gehabt, als ein Verräther bezeichnet worden.65 Nicht ohne Widerstreben überschritt der standhafte Royalist die Schwelle des Abtrünnigen. Doch er wurde für seine Ueberwindung durch das erbauliche Schauspiel einer so qualvollen Reue belohnt, wie er sie noch nie gesehen. „Wollen Sie,” fragte ihn Marlborough, „mein Fürsprecher beim Könige sein? Wollen Sie ihm sagen, was ich leide? Meine Verbrechen erscheinen mir jetzt in ihrem wahren Lichte und ich schaudere entsetzt vor ihnen zurück. Der Gedanke an sie verfolgt mich Tag und Nacht. Ich setze mich zu Tische, aber ich kann nicht essen. Ich werfe mich auf mein Bett, aber ich kann nicht schlafen. Ich bin bereit Alles zu opfern, Allem zu trotzen, mein ganzes irdisches Glück preiszugeben, wenn ich nur von dem Jammer eines verwundeten Herzens befreit werden kann.” Wenn man dem äußeren Anschein trauen durfte, so empfand dieser große Sünder eine ebenso aufrichtige Reue wie David oder Petrus. Sackville berichtete seinen Freunden was geschehen war. Sie mußten anerkennen, daß, wenn der Erzverräther, der bisher seinem Gewissen und der öffentlichen Meinung die nämliche kalte und heitere Unerschrockenheit entgegengestellt hatte, die ihn auf dem Schlachtfelde auszeichnete, wirklich angefangen habe, Reue zu fühlen, es absurd sein würde, seiner Unwürdigkeit halber die unschätzbaren Dienste zurückzuweisen, die er der guten Sache zu leisten vermochte. Er war Mitglied des inneren Rathes; er bekleidete ein hohes Commando in der Armee; er war unlängst mit der Leitung wichtiger militärischer Operationen betraut worden und wurde ohne Zweifel auf’s Neue damit betraut. Es war allerdings wahr, daß kein Andrer eine so schwere Schuld auf sich geladen hatte; aber es war nicht minder wahr, daß kein Andrer die Macht hatte, seine Schuld in gleichem Umfange wieder gut zu machen. Wenn er aufrichtig war, konnte er sicherlich die Verzeihung verdienen, nach der ihn so sehr verlangte. Aber war er auch aufrichtig, hatte er nicht noch am Vorabende seines Verbrechens eben so laut seine Loyalität betheuert? Er mußte auf die Probe gestellt werden. Sackville und Lloyd wendeten mehrere Proben an. Marlborough wurde aufgefordert, vollständigen Aufschluß über die Stärke und Vertheilung sämmtlicher Divisionen der englischen Armee zu geben, und er that es. Er wurde aufgefordert, den ganzen Plan des bevorstehenden Feldzuges zu enthüllen, und er that es. Die Häupter der Jakobiten spähten sorgfältig nach Ungenauigkeiten in seinen Berichten, konnten aber keine finden. Man hielt es für einen noch stärkeren Beweis von seiner Treue, daß er werthvolle Auskunft über das gab, was im Bureau des Staatssekretärs vorging. Gegen einen eifrigen Royalisten war eine Aussage beschworen worden. Gegen einen andren war ein Verhaftsbefehl im Werke. Diese Mittheilungen retteten mehrere Mißvergnügte vom Gefängniß, wenn nicht vom Galgen, und sie konnten nicht umhin, einige Nachsicht gegen den erwachten Sünder zu fühlen, dem sie so viel verdankten.

Er jedoch machte in seinen geheimen Unterredungen mit seinen neuen Bundesgenossen keinen Anspruch auf Verdienst. Er verlange kein Vertrauen, sagte er. Wie könne er nach den Schändlichkeiten, die er an dem besten aller Könige begangen, hoffen, daß man ihm je wieder Vertrauen schenken werde? Es sei genug für einen Sünder wie er, wenn man ihm gestatte, mit Gefahr seines Lebens dem gnädigen Gebieter, den er in der That schändlich beleidigt, den er aber nie aufgehört habe zu lieben, wenigstens einen Ersatz zu leisten. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß er im Sommer die englischen Truppen in Flandern befehligen werde. Wünsche man, daß er sie alle mit einem Male in’s französische Lager hinüberführe? Wenn dies der Wille des Königs sei, so werde er zusehen, daß er es möglich mache. Im Ganzen aber halte er es für besser, bis zur nächsten Parlamentssession zu warten. Hierauf deutete er einen Plan zur Vertreibung des Usurpators vermittelst der englischen Legislatur und der englischen Armee an, den er später ausführlicher entwickelte. Inzwischen hoffe er, daß Jakob Godolphin nicht befehlen werde, das Schatzamt zu verlassen. Ein Privatmann könne für die gute Sache wenig thun. Ein Mann aber, der die nationalen Finanzen leite und in die wichtigsten Staatsgeheimnisse eingeweiht sei, könne unschätzbare Dienste leisten.

Marlborough’s vorgebliche Reue täuschte Diejenigen, welche die Angelegenheiten Jakob’s in London leiteten, so vollkommen, daß sie Lloyd mit der frohen Botschaft, daß der verstockteste aller Rebellen wunderbar in einen loyalen Unterthan verwandelt werden sei, nach Frankreich schickten. Die Nachricht erfüllte Jakob mit Entzücken und Hoffnung. Wäre er ein weiser Fürst gewesen, so würde sie nur Widerwillen und Mißtrauen in ihm erweckt haben. Es war thöricht zu glauben, daß ein Mann, dessen Herz wirklich von Reue und Scham über einen Act der Treulosigkeit erfüllt war, sich entschließen würde, sein Gewissen durch einen neuen, eben so abscheulichen und eben so entehrenden Act der Treulosigkeit zu erleichtern. Die versprochene Sühne war so schändlich und erniedrigend, daß sie nie von einem Manne dargeboten werden konnte, der den aufrichtigen Wunsch hegte, vergangene Schändlichkeit und Ehrlosigkeit wieder gut zu machen. Die Wahrheit war, daß Marlborough, als er den Jakobiten sagte, sein Schuldbewußtsein verhindere ihn, am Tage zu essen, und des Nachts zu schlafen, sie im Stillen auslachte. Der Verlust einer halben Guinee würde viel eher im Stande gewesen sein, ihm den Appetit zu verderben und seinen Schlummer zu stören, als alle Schrecken eines bösen Gewissens. Seine Anerbietungen bewiesen in Wirklichkeit nichts weiter, als daß sein früheres Verbrechen nicht aus einem ordnungswidrigen Eifer für die Interessen seines Vaterlandes und seiner Religion, sondern aus einer tiefen und unheilbaren moralischen Verderbtheit entsprungen war, die den ganzen Menschen ergriffen hatte. Jakob aber konnte theils aus Beschränktheit, theils aus Egoismus in keiner Handlung, die ihm Nutzen brachte, etwas Unmoralisches erblicken. Gegen ihn conspiriren, ihn verrathen, einen ihm geschworenen Eid der Treue brechen, dies waren Verbrechen, für welche keine Strafe, weder in dieser noch in jener Welt, zu streng sein konnte. Aber seine Feinde umbringen, das seinen Feinden gegebene Wort brechen, war nicht nur etwas Unschuldiges, sondern etwas Lobenswerthes. Der Abfall zu Salisbury war das ärgste Verbrechen gewesen, denn es hatte ihn ins Unglück gestürzt. Ein ähnlicher Abfall in Flandern wäre etwas Ehrenvolles gewesen, denn er konnte ihn wieder auf den Thron bringen.

 

Der Bußfertige wurde von seinen jakobitischen Freunden benachrichtigt, daß ihm verziehen sei. Diese Nachricht war ihm zwar höchst willkommen, aber es bedurfte noch etwas mehr, um seinen verlornen Seelenfrieden wiederherzustellen. Dürfe er nicht hoffen, zwei Zeilen von der Hand des Königs zu erhalten, worin ihm Verzeihung zugesichert würde? Er verlange dies natürlich nicht um seinetwillen, sondern er sei überzeugt, daß er mit einem solchen Dokumente in der Hand einige Personen von hohem Ansehen, die nur deshalb zu dem Usurpator hielten, weil sie glaubten, daß sie von dem legitimen Könige keine Gnade zu erwarten hätten, auf den rechten Weg zurückführen könne. Sie würden zu ihrer Pflicht zurückkehren sobald sie sähen, daß selbst dem schwersten aller Verbrecher in Rücksicht auf seine Reue, großmüthig vergeben worden sei. Das Versprechen wurde niedergeschrieben, abgeschickt und sorgfältig aufbewahrt. Marlborough hatte jetzt seinen Zweck erreicht, den er mit Russell und Godolphin gemeinschaftlich verfolgte. Allein er hatte noch andere Zwecke, an die weder Russell noch Godolphin je gedacht. Es ist, wie wir nachher sehen werden, starker Grund zu der Annahme vorhanden, daß dieser kluge, tapfere und gewissenlose Mann auf einen Plan sann, der seines fruchtbaren Geistes und seines tollkühnen Muthes nicht minder würdig war als seines völlig verderbten Herzens, einen Plan, der, wenn er nicht auf sonderbare Weise vereitelt worden wäre, Wilhelm, ohne Nutzen für Jakob, in’s Verderben gestürzt und den vom Glück begünstigten Verräther zum Beherrscher England’s und zum Schiedsrichter Europa’s gemacht haben würde.

62Die Hauptquelle für diesen Theil meiner Geschichte ist das Leben Jakob’s, besonders die höchstwichtige und interessante Stelle des zweiten Bandes, welche mit Seite 444 beginnt und auf Seite 450 endigt.
63Russell an Wilhelm, 10. Mai 1691, in Dalrymple’s Anhang, Theil II. Buch 7. Siehe auch die Memoiren von Sir John Leake.
64Commons’ Journals, March 21. 24. 1679; Grey’s Debates; Observator.
65London Gazette vom 21. Juli 1690.