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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Locke erklärte, daß er die Verluste bedaure, die, wenn sein Rath angenommen würde, die Besitzer von beschnittenem Gelde treffen mußten. Es schiene ihm aber, daß die Nation zwischen verschiedenen Uebeln eines wählen müsse. Es war auch allerdings viel leichter, den allgemeinen Satz aufzustellen, daß die Kosten der Wiederherstellung der Valuta von der Nation getragen werden müßten, als auf ein Mittel zu sinnen, wie diese Kosten ohne große Nachtheile und Gefahren von derselben getragen werden könnten. Sollte man bekanntmachen, daß Jeder, der innerhalb eines Jahres oder eines halben Jahres eine beschnittene Krone in die Münze ablieferte, dafür eine geprägte Krone erhalten würde und daß der Werthunterschied zwischen den beiden Stücken aus der Staatskasse gedeckt werden solle? Dies wäre eben so gut gewesen, als hätte man eine Prämie auf das Beschneiden gesetzt. Die Scheeren würden thätiger gewesen sein als je. Das zu leichte Geld würde mit jedem Tage noch leichter geworden sein. Die Differenz, welche die Steuerzahlenden zu decken gehabt hätten, würde nach Ablauf der Frist wahrscheinlich um eine Million größer gewesen sein als am Anfang, und diese ganze Million wäre Uebelthätern zu Gute gekommen. Durch bedeutende Verkürzung der Frist zum Einliefern der geschlagenen Münzen würde man die Gefahr des ferneren Beschneidens verhältnißmäßig vermindert haben, aber es würde dann wieder eine andre Gefahr eingetreten sein. Das Silber wäre in diesem Falle so bedeutend schneller in die Münze geströmt, als es wieder aus derselben hervorströmen konnte, daß auf einige Monate ein drückender Geldmangel entstehen mußte.

Somers verfiel auf ein außerordentlich kühnes und sinnreiches Auskunftsmittel, das von Wilhelm gebilligt wurde. Es bestand darin, daß ganz im Geheimen eine Proklamation vorbereitet und gleichzeitig in allen Theilen des Königreichs veröffentlicht werden sollte. Diese Proklamation sollte ankündigen, daß geschlagene Münzen fortan nur nach dem Gewicht genommen werden sollten. Aber jeder Besitzer derartiger Münzen sollte aufgefordert werden, sie binnen drei Tagen in einem versiegelten Packete der nächsten Behörde einzuliefern. Die Münzen sollten dann untersucht, gezählt, gewogen und dem Eigenthümer mit einer an seine Ordre gestellten Anweisung zurückgegeben werden, gegen welche er späterhin die Differenz zwischen dem wirklichen Silbergehalt seiner Münzen und dem Gehalt, den sie nach dem gesetzlichen Münzfuße hätten haben sollen, bei der Staatskasse erheben konnte.85 Wäre dieser Plan adoptirt worden, so würde dem Beschneiden, dem Einschmelzen und dem Exportiren sofort Einhalt gethan und die Kosten der Herstellung der Valuta, wie es recht und billig war, von der Nation getragen worden sein. Die aus einem Mangel an baarem Gelde erwachsende Unzuträglichkeit wäre nur von sehr kurzer Dauer gewesen, denn die beschnittenen Stücke würden dem Verkehr nur so lange entzogen worden sein, bis sie gezählt und gewogen werden konnten; dann würden sie der Circulation zurückgegeben worden sein und die Umprägung würde allmälig und ohne bemerkbare Unterbrechung und Störung des Geschäftsverkehrs vor sich gegangen sein. Diesen großen Vortheilen aber ließen sich Bedenken entgegenstellen, denen Somers wohl zu trotzen bereit war, vor denen aber, und dies war nicht zu verwundern, Politiker von minder erhabenem Character zurückschreckten. Der Weg, den er seinen Collegen anempfahl, war zwar für das Land der beste, keineswegs aber für sie. Sein Plan konnte nur dann gelingen, wenn er plötzlich ins Werk gesetzt wurde, und er konnte nicht plötzlich ins Werk gesetzt werden, wenn zuvor die Genehmigung des Parlaments erbeten und erlangt werden mußte; einen Schritt von so folgenschwerer Bedeutung aber ohne die vorgängige Genehmigung des Parlaments zu thun, hieß, sich Tadel, Anklagen, Gefängnißstrafe und Verderben aussetzen. Der König und der Lordsiegelbewahrer standen allein im Geheimen Rathe. Selbst Montague war unschlüssig, und es wurde beschlossen, nichts ohne die Ermächtigung der Legislatur zu thun. Montague nahm es auf sich, den Gemeinen einen Plan vorzulegen, der zwar nicht ohne Gefahren und Nachtheile, aber wahrscheinlich der beste war, den er durchzubringen hoffen durfte.

Zusammentritt des Parlaments; Loyalität des Hauses der Gemeinen

Am 22. November traten die Häuser zusammen. Foley wurde an diesem Tage wieder zum Sprecher erwählt. Am darauffolgenden Tage wurde er vorgestellt und genehmigt. Der König eröffnete die Session mit einer sehr geschickt abgefaßten Rede. Er beglückwünschte seine Zuhörer wegen des günstigen Verlaufs des Feldzugs auf dem Continent. Diesen günstigen Verlauf schrieb er in Worten, welche ihren Gefühlen geschmeichelt haben müssen, der Tapferkeit der englischen Armee zu. Er sprach von den Uebeln, welche aus dem beklagenswerthen Zustande der Münzen entsprungen seien und von der Nothwendigkeit, ein schleuniges Heilmittel dagegen anzuwenden. Er gab sehr deutlich zu verstehen, daß seiner Meinung nach die Kosten der Herstellung der Valuta vom Staate getragen werden müßten; aber er erklärte zugleich, daß er die ganze Angelegenheit der Weisheit des Großen Rathes anheimgebe. Ehe er seine Rede schloß, wendete er sich noch speciell an das neugewählte Haus der Gemeinen und drückte mit Wärme seinen Beifall über die vortreffliche Wahl aus, die sein Volk getroffen habe. Die Rede wurde mit einem leisen aber sehr bezeichnenden Beifallsgemurmel sowohl diesseits als jenseits der Schranke begrüßt, und wurde vom Publikum eben so günstig aufgenommen als vom Parlamente.86 Bei den Gemeinen wurde eine Dankadresse beantragt, von Musgrave schwach bekämpft, ohne Abstimmung angenommen und vom ganzen Hause nach Kensington überbracht. Im Palaste äußerte sich die Loyalität des Hauses in einer Weise, die man jetzt schwerlich mit der senatorischen Würde vereinbar halten dürfte. Als im Vorzimmer Erfrischungen gereicht wurden, füllte der Sprecher sein Glas und schlug zwei Toaste vor: einen auf das Wohl König Wilhelm’s, und einen andren auf den Untergang König Ludwig’s, und beide wurden unter lauten Acclamationen ausgebracht. Ein aufmerksamer Beobachter konnte jedoch erkennen, daß die Vertreter der Nation, obgleich in ihrer Gesammtheit von Eifer für die bürgerliche Freiheit und für die protestantische Religion beseelt, und bereit, lieber Alles zu ertragen, als das Land wieder in Abhängigkeit zurückgeworfen zu sehen, besorgt und muthlos waren. Alle dachten an den Zustand der Münzen, Alle sagten, daß etwas geschehen müsse, und Alle gestanden, daß sie nicht wüßten, was geschehen sollte. „Ich fürchte,” sagte ein Mitglied, das die Gesinnungen Vieler aussprach, „die Nation wird weder die Krankheit noch die Heilung ertragen.”87

Es gab allerdings eine Minorität, welche die Schwierigkeiten und Gefahren jener Krisis mit boshafter Schadenfreude betrachtete, und der heftigste, kühnste und factiöseste Führer dieser Minorität war Howe, den die Armuth hämischer gemacht hatte als je. Er trug darauf an, daß das Haus sich zu einem Comité über die Lage der Nation erklären solle, und das Ministerium – denn dieses Wort kann jetzt ganz passend angewendet werden – stimmte bereitwillig bei. Die wichtige Valutafrage konnte auch in der That nicht zweckmäßiger erörtert werden als in einem solchen Ausschusse. Als der Sprecher den Stuhl verlassen hatte, haranguirte Howe eben so heftig gegen den Krieg, als er in früheren Jahren für denselben haranguirt hatte. Er wollte Frieden, Frieden unter jeder Bedingung. Die Nation, sagte er, gleiche einem Verwundeten, der mit Verzweiflung fortkämpfe, während er Ströme von Blut verlöre. Eine kurze Zeit könne der Geist den Körper noch aufrecht erhalten, aber bald müsse Entkräftung eintreten. Keine moralische Energie könne lange gegen physische Erschöpfung ankämpfen. Er fand jedoch sehr geringe Unterstützung. Die große Mehrzahl seiner Zuhörer war fest entschlossen, eher Alles aufs Spiel zu setzen, als sich Frankreich zu unterwerfen. Es wurde spöttelnd bemerkt, daß der Zustand seiner eignen Finanzen ihm das Gleichniß von einem sich Verblutenden eingegeben habe und daß, wenn man ihm eine Herzstärkung in der Form eines Gehalts reichte, er sich wenig um die ausgetrockneten Adern der Nation kümmern würde. „Wir erniedrigten uns nicht,” sagten die Whigredner, „durch Geschrei nach Frieden, als unsre Flagge aus unsrem eignen Kanal verdrängt war, als Tourville’s Flotte vor Torbay ankerte, als die irische Nation gegen uns unter den Waffen stand, als jede Post aus den Niederlanden die Nachricht von einer Niederlage brachte, als wir gegen das Genie Louvois’ im Cabinet und gegen das Genie Luxemburg’s im Felde zu kämpfen hatten. Und jetzt sollten wir zu Bittenden werden, wo sich nicht einmal im Mittelländischen Meere ein feindliches Geschwader zu zeigen wagt, wo unsere Waffen auf dem Continent siegreich sind, wo Gott den großen Staatsmann und den großen Krieger zu sich genommen hat, deren Talente so lange unsere Anstrengungen vereitelten, und wo die Schwäche der französischen Regierung unverkennbar den Einfluß eines weiblichen Günstlings verräth?” Howe’s Antrag wurde mit Verachtung verworfen, und der Ausschuß ging zur Erwägung des Zustandes der Valuta über.88

 

Polemik über die Valuta

Inzwischen ruhten die kürzlich befreiten Pressen der Hauptstadt keinen Augenblick. Unzählige Broschüren und Flugblätter über die Münzverhältnisse lagen auf den Ladentischen der Buchhändler und wurden unter die Mitglieder des Parlaments in der Vorhalle vertheilt. In einer der interessantesten und ergötzlichsten von diesen Schriften waren Ludwig und seine Minister als in der größten Besorgniß dargestellt, daß England sich durch das einfache Mittel, neun Pence einen Schilling zu nennen, zum reichsten Lande der Welt machen möchte, und es wurde zuversichtlich darin prophezeit, daß eine neue Revolution ausbrechen würde, wenn man den alten Münzfuß beibehielte. Einige Schriftsteller opponirten heftig gegen die Behauptung, daß die Nation die Kosten der Herstellung der Valuta tragen müsse; andere forderten die Regierung dringend auf, diese Gelegenheit zu benutzen und das englische Geld dem Gelde der Nachbarstaaten zu assimiliren; ein Projectenmacher war dafür, Gulden zu prägen, ein andrer dafür, Thaler zu prägen.89

Maßregeln des Parlaments in Bezug auf die Valuta

Innerhalb der Mauern des Parlaments dauerten die Debatten mehrere bange Tage hindurch. Endlich brachte Montague, nachdem er zuerst Diejenigen, welche die Dinge bis zum Frieden unverändert lassen wollten, und dann auch Diejenigen geschlagen hatte, welche für den kleinen Schilling waren, elf Resolutionen durch, in denen die Umrisse seines Planes dargelegt waren. Es wurde beschlossen, daß die Landesmünzen sowohl in Gewicht als in Feingehalt nach dem alten Fuße umgeprägt, daß alle neuen Stücken geprägt, nicht geschlagen werden, daß der Staat den Verlust an dem beschnittenen Gelde tragen, daß ein Termin bestimmt werden sollte, nach welchem beschnittenes Geld nur noch in Zahlungen an die Regierung genommen, und daß ein späterer Termin festgesetzt werden sollte, nach welchem beschnittenes Geld gar nicht mehr genommen werden sollte. Was für Abstimmungen im Ausschusse stattfanden, läßt sich nicht ermitteln. Bei der Berichterstattung über die Resolutionen fand eine Abstimmung statt, und zwar über die Frage, ob der alte Gewichtsfuß beibehalten werden solle. Es stimmten hundertvierzehn Mitglieder mit Nein, zweihundertfünfundzwanzig mit Ja.90

Es wurde angeordnet, daß eine auf die Resolutionen basirte Bill eingebracht werden sollte. Einige Tage darauf erklärte der Kanzler der Schatzkammer den Gemeinen in einem Ausschusse zur Berathung der Mittel und Wege den Plan, wie er die Kosten der Umprägung zu decken gedachte. Es sei unmöglich, sagte er, den zur Deckung des Ausfalls an den beschnittenen Münzen erforderlichen Betrag mit Genauigkeit zu bestimmen. Aber es sei gewiß, daß mindestens zwölfhunderttausend Pfund dazu nöthig sein würden. Die Bank von England war bereit, diese zwölfhunderttausend Pfund auf gute Sicherheit vorzustrecken. Es war ein unter den Finanzmännern angenommener Satz, daß die Regierung keine so gute Sicherheit mehr bieten könne, wie die Kaminsteuer gewesen war. So verhaßt diese Abgabe auch Denen war, die sie hatten zahlen müssen, im Schatzamt und in der City wünschte man sie jetzt sehnlich zurück. Der Kanzler der Schatzkammer meinte, daß sich vielleicht eine Abgabe auf die Häuser aussinnen lassen werde, die nicht minder einträglich und nicht minder sicher sein könne als die Herdsteuer, aber nicht so schwer auf dem Armen lasten und durch ein weniger drückendes Verfahren erhoben werden könne. Die Anzahl der Kamine in einem Hause sei ohne Besichtigung der Wohnungen nicht zu ermitteln. Die Fenster aber könne ein Einnehmer zählen, ohne die Schwelle zu überschreiten. Montague schlug vor, daß die Bewohner von Hütten, welche von den Einsammlern des Kamingeldes so herzlos bedrückt worden seien, von der neuen Abgabe gänzlich frei bleiben sollten. Sein Plan wurde vom Ausschusse für die Mittel und Wege gebilligt und vom Hause ohne Abstimmung genehmigt. Dies war der Ursprung der Fenstersteuer, einer Abgabe, die zwar immerhin ein großes Uebel ist, im Vergleich zu dem Fluche aber, von dem sie die Nation erlöste, als ein Segen betrachtet werden muß.

Bis hierher war Alles gut gegangen. Jetzt aber kam eine Krisis, welche die geschickteste Leitung erforderte. Die Nachricht, daß das Parlament und die Regierung eine Reform der Valuta beabsichtigten, erzeugte unter dem gemeinen Volke einen Unwissenheitsschrecken. Jedermann wollte seine beschnittenen Kronen und halben Kronen los sein, und Niemand wollte sie nehmen. In der Hälfte der Straßen London’s entstanden Zänkereien, welche an Tumulte grenzten. Die Jakobiten, welche an einem Tage des Mißgeschicks und der öffentlichen Gefahr, stets mit Freude und Hoffnung erfüllt waren, liefen mit eifrigen Mienen und geschäftigen Zungen hin und her. In Tavernen und Bierhäusern wurde ganz offen auf das Wohl Jakob’s getrunken. Viele Parlamentsmitglieder, welche bisher die Regierung unterstützt hatten, begannen zu schwanken, und damit nichts an den Schwierigkeiten des Moments fehlte, entstand über einen Privilegiumspunkt ein Streit zwischen den beiden Häusern. Die in Uebereinstimmung mit Montague’s Resolutionen entworfene Umprägungsbill war den Peers zugesandt worden und mit Abänderungen zurückgekommen, von denen einige die Lords nach der Ansicht der Gemeinen nicht zu machen berechtigt waren. Die Sache war zu wichtig, um einen Verzug zu gestatten. Montague brachte eine neue Bill ein, welche factisch mit seiner ersten übereinstimmte, aber in einigen Punkten den Wünschen der Lords gemäß modificirt war; die Lords, obgleich mit der neuen Bill noch nicht ganz zufrieden, nahmen sie unverändert an, und der König genehmigte sie unverzüglich. Der 4. Mai, ein Tag, dessen man sich im ganzen Lande und insbesondere in der Hauptstadt lange erinnerte, war als der Tag festgesetzt, an welchem die Regierung aufhörte, beschnittenes Geld bei Steuerzahlungen anzunehmen.91

Die Prinzipien der Umprägungsacte sind vortrefflich. Einige von den Einzelnheiten sowohl dieser Acte als auch einer Ergänzungsacte, welche zu einem späteren Zeitpunkte der Session erlassen wurde, beweisen, daß Montague nicht gehörig erwogen hatte, was die Gesetzgebung erreichen kann und was nicht. Er überredete zum Beispiel das Parlament zu verordnen, daß es strafbar sein sollte, mehr als zweiundzwanzig Schillinge für eine Guinee zu geben oder zu nehmen. Man darf mit Gewißheit behaupten, daß Locke diese Verordnung weder vorgeschlagen hatte, noch sie billigte. Er wußte sehr wohl, daß der hohe Preis des Geldes nicht das Uebel war, an dem der Staat laborirte, sondern bloß ein Symptom dieses Uebels, und daß der Umprägung des Silbers unvermeidlich ein Fallen des Goldpreises folgen werde, daß aber keine menschliche Macht oder Einsicht bewirken könne, daß es der Umprägung vorausgehe. Die Strafbestimmung scheint auch factisch gar keine Wirkung hervorgebracht zu haben, weder eine gute noch eine schlechte. So lange das geprägte Silber noch nicht in Circulation gesetzt war, galt die Guinee trotz des Gesetzes nach wie vor dreißig Schillinge. Als aber das geprägte Silber reichlich circulirte, fiel die Guinee nicht nur auf zweiundzwanzig Schilling, was der vom Gesetz gestattete höchste Preis war, sondern auf einundzwanzig Schilling sechs Pence.92

Anfang Februar legte sich der Schrecken, den die ersten Debatten über die Valuta hervorgerufen hatten, und von dieser Zeit bis zum 4. Mai wurde der Geldmangel nicht sehr gefühlt. Die Umprägung begann. Die Schmelzöfen wurden im Garten hinter dem Schatzamt errichtet und täglich wurden große Haufen beschnittener und entstellter Kronen und Schillinge in mächtige Silberklumpen verwandelt, welche sofort in die Münze im Tower befördert wurden.93

Annahme der Acte zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen

Mit dem Schicksale des Gesetzes, das die Valuta herstellte, war das Schicksal eines andren Gesetzes eng verknüpft, das mehrere Jahre der Erwägung des Parlaments unterlegen und mehrere lebhafte Streitigkeiten zwischen dem erblichen und dem wählbaren Zweige der Legislatur verursacht hatte. Die Session hatte kaum begonnen, als die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen wieder auf den Tisch der Gemeinen gelegt wurde. Von den Debatten, zu denen sie Veranlassung gab, wissen wir nichts mehr; nur ein interessanter Umstand ist durch Ueberlieferung auf uns gekommen. Unter Denen, welche die Bill unterstützten, zeichnete sich ein junger Whig von hohem Range, großem Vermögen und vorzüglichen Anlagen aus, welche durch Studium sorgfältig ausgebildet worden waren. Dies war Anton Ashley Cooper, Lord Ashley, ältester Sohn des zweiten Earls von Shaftesbury und Enkel des berühmten Staatsmannes, der in den Tagen Karl’s II. zu einer Zeit der grundsatzloseste Minister, zu einer andren Zeit der grundsatzloseste Demagog gewesen war. Ashley war eben als Vertreter des Burgfleckens Poole ins Parlament gewählt worden und stand in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre. Im Laufe seiner Rede stockte er, stammelte und schien den Faden seines Ideenganges zu verlieren. Das Haus, welches damals so gut wie jetzt nachsichtig gegen Neulinge war und wohl wußte, daß bei einem ersten öffentlichen Auftreten die Unsicherheit, eine Wirkung der Bescheidenheit und der Gefühlswärme, ein eben so gutes Zeichen ist als Geläufigkeit im Ausdruck und Unbefangenheit des Benehmens, munterte ihn auf fortzufahren. „Kann ich wohl, Sir,” sprach der junge Redner, sich wieder sammelnd, „ein gewichtigeres Argument zu Gunsten dieser Bill anführen, als mein eignes Stocken? Mein Vermögen, mein Ruf, mein Leben stehen nicht auf dem Spiele. Ich habe ein Auditorium vor mir, dessen freundliche Nachsicht mich wohl zu ermuthigen geeignet ist. Und doch habe ich, aus bloßer Gemüthsbewegung, aus bloßem Mangel an Uebung im Reden vor zahlreichen Versammlungen, meinen Gedankengang verloren, so daß ich nicht im Stande bin, in meiner Beweisführung fortzufahren. Wie hülflos muß dann erst ein armer Mann sein, der, nachdem er noch nie öffentlich gesprochen hat, aufgefordert wird, ohne sich einen Augenblick vorzubereiten, den gewandtesten und erfahrensten Advokaten des Königreichs zu antworten, und dessen Geisteskräfte durch den Gedanken gelähmt werden, daß er, wenn es ihm nicht gelingt, seine Zuhörer zu überzeugen, in wenigen Stunden am Galgen sterben und Die, welche ihm das Theuerste sind, in Armuth und Schande zurücklassen wird.” Man darf vielleicht mit einigem Grunde vermuthen, daß Ashley’s Befangenheit und seine kluge Benutzung derselben sorgfältig vorausbedacht waren. Doch jedenfalls machte seine Rede großen Eindruck und erweckte wahrscheinlich Erwartungen, welche nicht in Erfüllung gingen. Seine Gesundheit war zart, sein Geschmack bis zur Launenhaftigkeit verfeinert; er überließ die Politik bald Männern, deren Körper und Geist von gröberem Stoffe waren als die seinigen, gab sich nur geistigen Genüssen hin, vertiefte sich in die Irrgänge der alten akademischen Philosophie und strebte nach dem Ruhme, die alte akademische Beredtsamkeit wieder zu beleben. Seine gekünstelte und blumenreiche, oft aber wunderbar schöne und melodische Diction bezauberte viele junge Enthusiasten. Er hatte nicht bloß Schüler, sondern Anbeter, sein Leben war kurz, aber er lebte lange genug, um der Gründer einer neuen Secte englischer Freidenker zu werden, dem directen Gegensatze von derjenigen Secte von Freidenkern, deren Orakel Hobbes war. Viele Jahre lang blieben seine „Characteristiken” das Evangelium der romantischen und sentimentalen Ungläubigen, während das Evangelium der kaltblütigen und hartköpfigen Ungläubigen der „Leviathan” war.

 

Die so oft eingebrachte und so oft verworfene Bill wurde von den Gemeinen ohne Abstimmung angenommen und den Lords zugesandt. Sie kam bald mit der lange streitigen Klausel zurück, welche die Verfassung des Gerichtshofes des Lord High Steward abänderte. Eine zahlreiche Partei unter den Vertretern des Volks war noch immer nicht geneigt, dem Hochadel irgend ein neues Privilegium zu bewilligen; aber der Moment war kritisch. Die Meinungsverschiedenheit, welche zwischen den beiden Häusern wegen der Umprägungsbill entstanden war, hatte Nachtheile erzeugt, die auch einen beherzten Staatsmann wohl beunruhigen konnten. Man mußte ein Zugeständniß durch ein andres erkaufen. Die Gemeinen traten mit hundertzweiundneunzig gegen hundertfunfzig Stimmen dem Amendement bei, auf dem die Lords vier Jahre lang so hartnäckig bestanden hatten, und die Lords genehmigten dagegen unverzüglich die Umprägungsbill ohne Amendement.

Man hatte sich viel über den Zeitpunkt gestritten, zu welchem das neue System des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen in Kraft treten sollte, und die Bill war einmal in Folge eines Streites über diesen Punkt gescheitert. Viele waren der Meinung, daß die Aenderung nicht vor dem Ende des Kriegs Platz greifen dürfe. Es sei notorisch, sagten sie, daß der auswärtige Feind von nur zu vielen einheimischen Verräthern aufgehetzt werde, und zu solchen Zeiten dürften die Gesetze, welche den Staat gegen die Machinationen schlechter Bürger schütze, nicht gelockert werden. Endlich wurde beschlossen, daß die neuen Vorschriften mit dem 25. März, nach dem alten Kalender dem ersten Tage des Jahres 1696, in Kraft treten sollten.

85Burnet, II. 147.
86Commons’ Journals Nov. 22, 23, 24. 1695; L’Hermitage, 26. Nov. (6. Dec.)
87Ibid. Nov. 26, 27, 28, 29. 1695; L’Hermitage, 26. Nov. (6. Dec.), 29. Nov. (9. Dec.), 3. (13.) Dec.
88Commons’ Journals, Nov. 28, 29. 1695.; L’Hermitage 3. (13.) Dec.
89L’Hermitage, 22. Nov. (2. Dec.), 6. (16.) Dec. 1695.; An Abstract of the Consultations and Debates Between the French King and his Council concerning the new Coin that is intended to be made in England, privately sent by a Friend of the Confederates from the French Court to his Brother at Brussels, Dec. 12, 1695.; A Discourse of the General Notions of Money, Trade and Exchanges, by Mr. Clement of Bristol; A Letter from an English Merchant at Amsterdam to his Friend in London; A Fund for preserving and supplying our Coin; An Essay for regulating the Coin, by A. V.; A Proposal for supplying His Majesty with 1,200,000 l., by mending the Coin, and yet preserving the ancient Standard of the Kingdom. Dies sind einige von den Schriften, welche damals unter die Parlamentsmitglieder vertheilt wurden.
90Commons’ Journals, Dec. 10. 1695; L’Hermitage, 3. (13.), 6. (16.), 10. (20.) Dec.
91Stat. 7 Gul. 3. c. 1.; Lords’ und Commons’ Journals; L’Hermitage, 31. Dec. (10. Jan.), 7. (17.), 10. (20.), 14. (24.) Jan. 1696. L’Hermitage schildert in starken Worten die großen Nachtheile, welche durch den Streit zwischen den beiden Häusern verursacht wurden. „La longueur qu’il y a dans cette affaire est d’autant plus désagréable qu’il n’y a point de sujet sur lequel le peuple en général puisse souffrir plus d’incommodite, puisqu’il n’y a personne qui, à tous moments, n’aye occasion à l’esprouver.”
92Daß Locke keinen Theil an dem Versuche hatte, das Geld durch Strafbestimmungen wohlfeiler zu machen, schließe ich aus einer Stelle, in der er Lowndes’ Klagen über den hohen Preis der Guineen erwähnt. „Das einzige Mittel,” sagt Locke, „sowohl gegen diesen wie gegen eine große Menge anderer Uebelstände ist, daß man das Ausgeben und Annehmen des beschnittenen Geldes nach dem Nennwerthe verbietet.” – Locke’s Further Considerations. Daß sich die Strafbestimmung, wie zu erwarten stand, als unwirksam erwies, geht aus mehreren Stellen in L’Hermitage’s Depeschen und selbst aus Haynes’ Brief Memoires hervor, obgleich Haynes ein treuer Anhänger Montague’s war.
93L’Hermitage, 14. (24.) Jan. 1696.