Kostenlos

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Wilhelm’s Rückkehr nach England; Auflösung des Parlaments

Am 10. October kam der König, dessen Armee ihre Winterquartiere bezogen hatte, in England an und wurde mit ungewohntem Enthusiasmus empfangen. Während seines Zuges durch die Hauptstadt nach seinem Palaste gingen alle Glocken und jede Straße war erleuchtet. Es wurde spät, bevor er durch die jubelnden Menschenmassen nach Kensington gelangte. Aber trotz der späten Stunde wurde sofort noch eine Sitzung des Staatsraths abgehalten. Es war ein wichtiger Punkt zu entscheiden. Sollte das Haus der Gemeinen beisammen bleiben dürfen oder sollte eine sofortige Auflösung stattfinden? Der König würde dieses Haus wahrscheinlich gern bis ans Ende seiner Regierung beibehalten haben. Aber dies stand nicht in seiner Macht. Die Dreijährigkeitsacte hatte den 25. März als den letzten Termin für die Existenz des Parlaments festgesetzt. Wenn daher 1695 keine allgemeine Wahl mehr stattfand, so mußte 1696 eine solche stattfinden, und wer konnte sagen, in welchem Zustande das Land im Jahre 1696 sein würde? Es konnte ein unglücklicher Feldzug stattfinden. Es konnte, und man hatte nur zu triftigen Grund dies anzunehmen, eine gefährliche Handelskrisis eintreten. In beiden Fällen war es wahrscheinlich, daß die Mißstimmung groß sein würde. Der Feldzug von 1695 war glänzend gewesen, die Nation war in einer vortrefflichen Stimmung, und Wilhelm beschloß wohlweislich, den günstigen Moment zu benutzen. Es wurden unverweilt zwei Proklamationen erlassen. Die eine derselben kündigte in der gewöhnlichen Form an, daß Se. Majestät beschlossen habe, das alte Parlament aufzulösen, und befohlen habe, Wahlausschreiben zu einem neuen Parlamente ergehen zu lassen. Die andre Proklamation war ohne vorgängiges Beispiel. Sie that kund und zu wissen, daß es der Wille des Königs sei, daß jedes in einem Wahlorte liegende Regiment den Tag vor der Vorschlagung der Wahlcandidaten aus diesem Orte ausrücken und nicht eher dahin zurückkehren solle, als bis das Volk seine Wahl getroffen habe. Die Besatzungen der befestigten Städte und Schlösser waren von diesem Befehle, der allgemein als ein Zeichen lobenswerther Achtung vor den Rechten des Volks betrachtet wurde, natürlich ausgenommen.

Obgleich aber Wilhelm sich sorgfältig hütete, die Wahlkörper durch irgend etwas, das wie Zwang oder Einschüchterung aussah, zu verletzen, verschmähte er es doch nicht, durch gelindere Mittel auf ihre Stimmen einzuwirken. Er beschloß, die sechs Wochen der allgemeinen Wahl dazu anzuwenden, daß er sich den Bevölkerungen vieler Districte zeigte, die er noch nie besucht hatte. Er hoffte auf diese Weise eine Popularität zu erlangen, die einen erheblichen Einfluß auf die Wahlen ausüben konnte. Er zwang sich daher, eine Leutseligkeit und Freundlichkeit an den Tag zu legen, an denen er es nur zu oft fehlen ließ, und die Folge davon war, daß er auf jeder Station seiner Reise von seinen Unterthanen Beweise von Wohlwollen erhielt. Ehe er abreiste, stattete er seiner Schwägerin einen officiellen Besuch ab und war mit dem ihm zu Theil werdenden Empfange sehr zufrieden. Der erst sechs Jahr alte Herzog von Gloucester kam seinem Oheime mit einer kleinen Flinte auf der Schulter entgegen und präsentirte das Gewehr. „Ich lerne exerciren,” sagte der Knabe, „damit ich Ihnen helfen kann die Franzosen zu schlagen.” Der König lachte herzlich und belohnte den kleinen Soldaten einige Tage darauf mit dem Hosenbandorden.60

Wilhelm unternimmt eine Reise durch das Land

Am 17. October ging die Königin nach Newmarket, gegenwärtig mehr ein Ort des Gewerbfleißes als des Vergnügens, in den Herbstmonaten des 17. Jahrhunderts aber der heiterste und luxuriöseste Platz auf der Insel. Es war nichts Ungewöhnliches, daß der ganze Hof mitsammt dem Cabinet sich dahin begab. Juweliere und Modistinnen, Schauspieler und Musiker, feile Poeten und feile Schönheiten folgten massenhaft. Die Communication in den Straßen wurde durch sechsspännige Equipagen gehemmt. An den öffentlichen Vergnügungsorten liebäugelten Peers mit Ehrenfräuleins, und Offiziere der Leibgarde, von Federn und goldenen Tressen strotzend, drängten sich in buntem Gewühl mit Professoren in schwarzen Roben und Baretten, denn die benachbarte Universität Cambridge schickte stets ihre höchsten Würdenträger mit Ergebenheitsadressen und wählte ihre tüchtigsten Theologen aus, um sie vor dem Souverain und seinem glänzenden Gefolge predigen zu lassen. In den zügellosen Tagen der Restauration wollte es zwar auch den gelehrtesten und beredtsamsten Geistlichen zuweilen nicht gelingen, ein fashionables Auditorium herbeizuziehen, besonders wenn Buckingham seine Absicht ankündigte, einen Vortrag zu halten; denn zuweilen gefiel es Sr. Gnaden, die Langweiligkeit eines Sonntagsmorgens dadurch zu verscheuchen, daß er den Schwarm der eleganten Herren und Damen mit einer frivolen Ermahnung unterhielt, die er eine Predigt nannte. Aber der Hof Wilhelm’s war decenter und die akademischen Würdenträger wurden mit ausgezeichneter Achtung behandelt. Mit den Lords und Ladies von Saint-James und Soho und den Doctoren des Trinity College und King’s College war dann noch der Landadel vermischt, fuchsjagende Squires mit ihren rothwangigen Töchtern, die in schwerfälligen, von Karrengäulen gezogenen Familienkutschen aus den entferntesten Kirchspielen einiger Grafschaften herbeigekommen waren, um ihren Landesherrn zu sehen. Die Haide war von einem lärmenden, zigeunerähnlichen Lager eingefaßt, denn die Hoffnung, sich von den Ueberresten so vieler splendiden Tafeln sättigen und einige von den Guineen und Kronen aufheben zu können, welche die Verschwender von London wegwarfen, lockte Tausende von Landleuten aus einem Umkreise von vielen Meilen herbei.61

Nachdem Wilhelm an diesem heiteren Orte einige Tage seinen Hof gehalten und die Huldigungen von Cambridgeshire, Huntingdonshire und Suffolk entgegengenommen hatte, begab er sich nach Althorpe. Es scheint befremdend, daß er auf einer Reise, die eigentlich eine Stimmenwerbungstour war, einem Manne wie Sunderland, der mit so allgemeinem Mißtrauen und Haß betrachtet wurde, eine so ausgezeichnete Ehre erwies. Aber die Leute hatten sich einmal vorgenommen, froh und vergnügt zu sein. Ganz Northamptonshire strömte in die durch den Pinsel Vandyke’s geschmückte und durch Waller’s Muse zu klassischer Berühmtheit gelangte prächtige Gallerie, um die königliche Hand zu küssen, und der Earl versuchte seine Nachbarn mit sich zu versöhnen, indem er sie an acht mit Silbergeschirr schwer beladenen Tafeln bewirthete. Von Althorpe ging der König nach Stamford. Der Earl von Exeter, dessen fürstlicher Landsitz zu den großen Sehenswürdigkeiten England’s gehörte und noch gehört, hatte nie die Eide geleistet, und um einer Unterredung aus dem Wege zu gehen, die ihm hätte unangenehm sein müssen, war er unter irgend einem Vorwande nach London gereist, hatte aber Befehle hinterlassen, daß der erlauchte Besuch mit gebührender Gastlichkeit empfangen werde. Wilhelm war ein großer Freund der Baukunst und der Gartenanlagen, und seine Edelleute konnten ihm mit nichts mehr schmeicheln, als wenn sie ihn über die Verschönerung ihrer Landsitze um Rath fragten. Zu einer Zeit, wo viele Sorgen auf seinem Geiste lasteten, nahm er großes Interesse an dem Baue von Castle Howard und ein hölzernes Modell dieses Gebäudes, des schönsten Probestücks eines fehlerhaften Styls, wurde ihm nach Kensington zur Ansicht gesandt. Wir können uns daher nicht wundern, daß er Burleigh mit großem Vergnügen sah. Er begnügte sich sogar nicht mit einer Besichtigung, sondern stand am andren Morgen frühzeitig auf, um das Gebäude noch einmal in Augenschein zu nehmen. Von Stamford begab er sich nach Lincoln, wo er von dem Klerus in vollem Ornate, von den Magistratsbeamten in Scharlachmänteln und von einer Menge Baronets, Rittern und Esquires aus allen Theilen der ungeheuren Ebene, welche zwischen dem Trent und dem deutschen Ocean liegt, begrüßt wurde. Nachdem er in der prächtigen Kathedrale dem Gottesdienste beigewohnt, reiste er wieder ab und wendete sich östlich. An der Grenze von Nottinghamshire kam der Lordlieutenant der Grafschaft, John Holles, Herzog von Newcastle, mit einem zahlreichen Gefolge den königlichen Equipagen entgegen und geleitete sie auf seinen Landsitz in Welbeck, einem von riesigen Eichen, welche jetzt kaum älter aussehen als an dem Tage, wo jener glänzende Zug sich unter ihren Schatten dahinbewegte, umgebenen Schlosse. Das Haus, in welchem Wilhelm damals einige Stunden als Gast verweilte, ging lange nach seinem Tode durch weibliche Erbfolge von den Holles auf die Harley und von den Harley auf die Bentinck über und enthält jetzt die Originale der höchst interessanten Briefe, die zwischen ihm und seinem treuen Freund und Diener Portland gewechselt wurden. In Welbeck waren die Großen des Nordens versammelt. Der Lordmayor von York kam dahin mit einem Gefolge von Magistraten, der Erzbischof von York mit einem Gefolge von Geistlichen. Wilhelm jagte mehrere Male in diesem Walde, dem schönsten des Königreichs, wo in alten Zeiten Robin Hood und Little John hausten und der jetzt in die fürstlichen Domänen Welbeck, Thoresby, Clumber und Worksop getheilt ist. Vierhundert berittene Gentlemen nahmen an seinen Jagden Theil. Die Squires von Nottinghamshire hörten ihn nach einer prächtigen Hirschjagd mit Entzücken bei Tafel äußern, er hoffe, daß dies nicht das letzte Rennen sei, das er in ihrer Gesellschaft abgehalten habe, und er müsse ein Jagdschloß in diesen herrlichen Forsten miethen. Hierauf wendete er sich südwärts. Er wurde einen Tag von dem Earl von Stamford in Bradgate bewirthet, dem Orte, wo Lady Jane Grey einsam die letzten Worte Sokrates’ las, während das vom Schwarme der Hunde und Jäger verfolgte Hochwild durch den Park flog. Am folgenden Tage empfing Lord Brook seinen Souverain auf Warwick Castle, der schönsten von den mittelalterlichen Burgen, welche in friedliche Wohnungen verwandelt worden sind. Guy’s Thurm war erleuchtet, hundertzwanzig Gallonen Punsch wurden auf das Wohl Sr. Majestät getrunken und ein mächtiges Feuer brannte im Mittelpunkte des geräumigen Hofes, der von mit jahrhundertealtem Epheu bekleideten Ruinen umgeben war. Am nächsten Morgen reiste der König, von einer Menge berittener Gentlemen aus Warwickshire begleitet, weiter nach den Grenzen von Gloucestershire. Er machte einen Abstecher, um bei Shrewsbury auf dessen einsamen Wohnsitze in den Wolds zu speisen, und ging am Abend nach Burford. Die ganze Bevölkerung von Burford kam ihm entgegen und bat ihn, ein kleines Zeichen ihrer Liebe anzunehmen. Burford war damals berühmt durch seine Sättel. Namentlich ein Bürger der Stadt galt bei den Engländern für den besten Sattler in Europa. Zwei seiner Meisterstücke wurden ehrerbietig Wilhelm angeboten, der sie sehr freundlich annahm und sie speciell für seinen persönlichen Gebrauch aufzubewahren befahl.62

 

In Oxford wurde er mit großem Gepränge empfangen, mit einer lateinischen Ansprache begrüßt, mit einigen der schönsten Erzeugnisse der akademischen Presse beschenkt, durch Musikaufführungen unterhalten und zu einem glänzenden Feste in dem Sheldon’schen Theater eingeladen. Er reiste nach wenigen Stunden wieder ab, indem er die Kürze seines Aufenthalts damit entschuldigte, daß er die Collegien schon früher gesehen habe und daß sein gegenwärtiger Besuch nicht ein Besuch der Wißbegierde, sondern des Wohlwollens sei. Da man sehr wohl wußte, daß er die Oxforder nicht liebte und auch von ihnen nicht geliebt wurde, so gab seine Eile Anlaß zu einigen müßigen Gerüchten, die bei dem großen Haufen Glauben fanden. Man sagte, er sei deshalb hinweggeeilt, ohne von dem ihm zu Ehren veranstalteten glänzenden Mahle zu kosten, weil ein anonymer Brief ihm den warnenden Wink gegeben habe, daß, wenn er im Theater etwas äße oder tränke, es um ihn geschehen sei. Es ist jedoch schwer zu glauben, daß ein Fürst, der kaum durch die dringendsten Bitten seiner Freunde zu bewegen war, die einfachsten Vorsichtsmaßregeln gegen Meuchelmörder zu beobachten, von deren Anschlägen er notorische Beweise hatte, sich durch eine so alberne Erdichtung hätte schrecken lassen sollen, und es ist ganz gewiß, daß die Stationen seiner Reise festgesetzt waren und daß er so lange in Oxford blieb, als es mit den im vorhinein getroffenen Arrangements vereinbar war.63

Bei seiner Wiederankunft in der Hauptstadt wurde er durch ein prächtiges Schauspiel bewillkommnet, das während seiner Abwesenheit mit großem Kostenaufwande vorbereitet worden war. Sidney, jetzt Earl von Romney und Feldzeugmeister, hatte beschlossen, London durch ein Schauspiel, wie es England in so großartigem Maßstabe noch nie gesehen hatte, in Erstaunen zu setzen. Die ganze Geschicklichkeit der Pyrotechniker seines Departements wurde aufgeboten, um ein Feuerwerk herzustellen, das sich mit jedem messen konnte, welches man in den Gärten von Versailles oder auf dem großen Teiche im Haag gesehen hatte. Saint-Jamessquare wurde zum Schauplatze gewählt. Alle Fenster der prächtigen Paläste auf der nördlichen, westlichen und östlichen Seite waren mit vornehmen Leuten besetzt. Der König erschien am Fenster von Romney’s Empfangszimmer. Die Prinzessin von Dänemark mit ihrem Gemahl und ihrem Hofstaate befand sich in einem anstoßenden Hause. Das ganze diplomatische Corps war in der Wohnung des Gesandten der Vereinigten Provinzen versammelt. Eine mächtige Flammenpyramide warf leuchtende Cascaden aus, welche von den Hunderttausenden, die sich in den benachbarten Straßen und Parks drängten, gesehen wurden. Die Generalstaaten erfuhren durch ihren Correspondenten, daß trotz der ungeheuren Menschenmenge die Nacht ohne die geringste Störung vergangen sei.64

Die Wahlen

Inzwischen waren die Wahlen ziemlich zu Ende. In allen Theilen des Landes zeigte es sich deutlich, daß die Wahlkörper im allgemeinen für den König und für den Krieg waren. Die City von London, welche im Jahre 1690 vier Tories gewählt hatte, wählte 1695 vier Whigs. Ueber die Vorgänge zu Westminster ist ein Bericht von mehr als gewöhnlicher Umständlichkeit auf uns gekommen. Im Jahre 1690 hatten die über die Sacheverell’sche Klausel entrüsteten Wähler zwei Tories gewählt. Im Jahr 1695 wurde, sobald man erfuhr, daß wahrscheinlich ein neues Parlament einberufen werden würde, ein Meeting gehalten, in welchem beschlossen wurde, eine Deputation mit einer Einladung an zwei Commissare des Schatzes, Karl Montague und Sir Stephan Fox, abzusenden. Sir Walter Clarges repräsentirte das toryistische Interesse. An dem Tage des Vorschlags der Candidaten zogen nahe an fünftausend Wähler zu Pferde durch die Straßen. Sie waren in drei Abtheilungen getheilt, und an der Spitze jeder Abtheilung ritt einer der Candidaten. Es war leicht, auf den ersten Blick die comparative Stärke der Parteien zu schätzen, denn die Cavalcade, welche Clarges folgte, war die mindest zahlreiche von den dreien, und man wußte sehr wohl, daß die Anhänger Montague’s für Fox und die Anhänger Fox’ für Montague stimmen würden. Die Geschäfte des Tages wurden durch lautes Geschrei gestört. Die Whigs schmähten den jakobitischen Candidaten, der es dahin bringen wolle, daß die Engländer in die Messe gingen, Frösche äßen und Holzschuhe trügen. Die Tories schimpften auf die beiden Staatsbeamten, welche mit der geraubten Habe der armen überlasteten Nation Schätze aufhäuften. Von Worten gingen die erbitterten Parteien zu Thätlichkeiten über und es entstand ein Tumult, der nicht ohne Mühe gedämpft werden konnte. Der Oberbailiff ging dann um die drei Reiterschaaren herum und erklärte nach flüchtiger Ueberzählung derselben, daß Montague und Fox ordnungsgemäß gewählt seien. Es wurde eine genaue Stimmenzählung verlangt. Die Tories boten alles Mögliche auf; weder Geld noch Tinte wurden gespart. Clarges gab in wenigen Stunden zweitausend Pfund aus, eine bedeutende Summe zu einer Zeit, wo das durchschnittliche Einkommen eines Parlamentsmitgliedes auf nicht mehr als achthundert Pfund jährlich geschätzt wurde. Im Laufe der auf die Proklamirung der Candidaten folgenden Nacht wurden Flugblätter voll Schmähungen gegen die beiden höfischen Emporkömmlinge, die sich durch Schurkerei aus Armuth und Dunkelheit zu Reichthum und Macht erhoben hätten, durch die ganze Hauptstadt verstreut. Der Bischof von London warb offen Stimmen gegen die Regierung, denn die Einmischung von Peers in die Wahlen war noch nicht von den Gemeinen für eine Privilegiumsverletzung erklärt worden. Doch es war Alles umsonst. Clarges stand am Ende der Stimmliste, ohne Aussicht sich zu erheben. Er zog sich zurück und Montague wurde auf den Schultern einer ungeheuren Menge von der Westminsterabtei nach seinem Amtsbureau in Whitehall getragen.65

Die nämliche Gesinnung trat an vielen anderen Orten zu Tage. Die Freisassen von Cumberland wiesen ihre Vertreter an, den König zu unterstützen und jede zur Fortsetzung des Kriegs für nöthig erachtete Summe zu bewilligen, und diesem Beispiele folgten noch mehrere andere Grafschaften und Städte.66 Russell kam erst in England an, als die Ausschreiben erlassen waren. Aber er brauchte nur zu wählen, für welchen Ort er im Parlamente sitzen wollte. Seine Popularität war enorm, denn seine Schurkereien waren unbekannt, während seine dem Staate geleisteten Dienste allgemein bekannt waren. Er hatte die Schlacht von La Hogue gewonnen. Er hatte zwei Jahre im mittelländischen Meere commandirt. Er hatte daselbst die französischen Flotten in den Hafen von Toulon eingeschlossen und hatte die französischen Armeen in Catalonien aufgehalten und zurückgetrieben. Er hatte viele Schiffe, darunter zwei Linienschiffe genommen und hatte während seines langen Aufenthalts in einem entfernten Meere weder durch Krieg noch durch Unwetter ein einziges Fahrzeug verloren. Er hatte das rothe St. Georgskreuz zu einem Gegenstande des Schreckens für alle Fürsten und Republiken Italien’s gemacht. Das Resultat seiner Erfolge war, daß Gesandtschaften aus Florenz, Genua und Venedig unterwegs waren, um Wilhelm nachträglich zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen. Russell’s Verdienste, von den Whigs geschickt vergrößert, machten einen solchen Eindruck, daß er nicht allein von Portsmouth, wo seine amtliche Stellung ihm einen großen Einfluß verlieh, und von Cambridgeshire, wo er bedeutende Privatbesitzungen hatte, sondern auch von Middlesex ins Parlament gewählt wurde. Diese letztere Auszeichnung verdankte er allerdings hauptsächlich seinem Namen. Vor seiner Ankunft in England hatte man allgemein geglaubt, daß für die hauptstädtische Grafschaft zwei Tories gewählt werden würden. Somers und Shrewsbury waren der Meinung, daß diesem Unglück auf keinem andren Wege vorzubeugen sei, als indem man den Namen des tugendhaftesten aller Märtyrer der englischen Freiheit heraufbeschwöre. Sie baten Lady Russell, es zu gestatten, daß ihr ältester Sohn, ein fünfzehnjähriger Knabe, der eben seine Studien in Cambridge beginnen sollte, auf die Candidatenliste gesetzt werde. Er müsse, sagten sie, seinen neuen Titel Marquis von Tavistock auf einen Tag ablegen und sich Lord Russell nennen. Es würden keine Kosten erwachsen und kein Kampf stattfinden. Tausende von berittenen Gentlemen würden ihn zu den Wahlbühnen geleiten, Niemand würde es wagen gegen ihn aufzutreten, und er würde nicht nur selbst gewählt werden, sondern auch noch einen andren Whig ins Parlament bringen. Die verwittwete Mutter weigerte sich in einem mit ihrer ganzen vortrefflichen Einsicht und Gesinnung geschriebenen Briefe, ihren Sohn ihrer Partei zu opfern. Seine Erziehung, sagte sie, würde dadurch unterbrochen werden, der Kopf würde ihm schwindeln, sein Sieg würde ihm zum Verderben gereichen. Gerade in diesem Augenblicke kam der Admiral an. Er erschien vor den auf der Höhe von Hampstead Hill versammelten Wählern von Middlesex und wurde ohne Opposition gewählt.67

 

Gleichzeitig erhielten mehrere angesehene Mißvergnügte Beweise des öffentlichen Mißfallens. Johann Knight, der factiöseste und übermüthigste von denjenigen Jakobiten, welche ehrloserweise dem Könige Wilhelm Treue geschworen hatten, um sich für den Sitz im Parlamente zu qualificiren, hörte auf, die große Stadt Bristol zu vertreten. Exeter, die Hauptstadt des Westens, war in heftiger Aufregung. Man hatte lange geglaubt, daß die Befähigung, die Beredtsamkeit, die Erfahrung, das große Vermögen und die vornehme Abkunft Seymour’s es unmöglich machen würden, ihn zu verdrängen. Aber sein moralischer Ruf, der nie weit her gewesen, war während der letzten drei oder vier Jahre immer tiefer und tiefer gesunken. Er war ein giftiges Mitglied der Opposition gewesen, Bis er eine Stelle erlangt hatte. So lange er diese bekleidete, hatte er auch die unpopulärsten Maßregeln der Regierung vertheidigt, und sobald er aus dem Amte getreten war, war er wieder ein giftiger Opponent geworden. Sein Salpetercontract hatte einen tiefen Flecken auf seiner persönlichen Ehre zurückgelassen. Es wurden ihm daher zwei Candidaten gegenübergestellt und ein Wahlkampf, der längste und heftigste jener Zeit, fesselte die Aufmerksamkeit des ganzen Königreichs und wurde selbst von auswärtigen Regierungen mit Spannung beobachtet. Die Stimmenliste war fünf Wochen geöffnet. Die Geldausgaben waren auf beiden Seiten enorm. Die Wahlmänner von Exeter, welche, so lange die Wahl dauerte, herrlich und in Freuden lebten, sehnten sich durchaus nicht nach baldiger Beendigung ihres luxuriösen Carnevals. Sie aßen und tranken nach Herzenslust; sie zogen jeden Abend mit tüchtigen Knitteln aus, um für Mutter Kirche, oder für König Wilhelm zu streiten; aber die Stimmen fanden sich nur sehr langsam ein. Erst am Vorabend des Zusammentritts der Parlamentshäuser kam die Wahl zu Stande. Seymour war zu seinem großen Aerger geschlagen und mußte zu dem kleinen Wahlflecken Totneß seine Zuflucht nehmen.68

Es ist auffallend, daß Johann Hampden auch bei dieser Wahl, wie bei der vorhergehenden, keinen Sitz erlangte. Seitdem er nicht mehr Parlamentsmitglied war, hatte er über seinen Unstern und seine unauslöschliche Schande gebrütet und gelegentlich seinem Unmuth in bitteren Pamphlets gegen die Regierung Luft gemacht. Als die Whigs am Hofe und im Parlamente zur Herrschaft gelangt waren, als Nottingham zurückgetreten und Caermarthen in Anklagestand versetzt worden war, faßte Hampden, wie es scheint, wieder Hoffnung, noch eine große Rolle im öffentlichen Leben spielen zu können. Aber den Führern seiner Partei war offenbar an einem Bundesgenossen von so hämischem und unruhigem Geiste nichts gelegen. Daher sah er sich immer vom Hause der Gemeinen ausgeschlossen. Er führte seit einigen Monaten ein trauriges Leben, indem er seine Sorgen bald unter den eleganten Spielern und den zarten Schönheiten, welche die Gesellschaftszimmer der Herzogin von Mazarine füllten, zu vergessen suchte, bald in religiöse Schwermuth versank. Der Gedanke an einen Selbstmord stieg oft in ihm auf. Nicht lange, so kam die Vertretung von Buckinghamshire zur Erledigung, der Grafschaft, die ihn und seine Vorfahren zu wiederholten Malen ins Parlament geschickt hatte, und er hoffte, daß er mit Hülfe Wharton’s, der über die Whigs von Buckinghamshire eine unumschränkte Herrschaft ausübte, ohne Schwierigkeit gewählt werden würde. Aber Wharton verwendete seinen Einfluß zu Gunsten eines andren Candidaten. Dies war ein vernichtender Schlag. Die Stadt wurde durch die Nachricht in Aufregung versetzt, daß Johann Hampden sich die Kehle durchschnitten, daß er noch einige Stunden gelebt, daß er tiefe Reue über seine Sünden an den Tag gelegt, Burnet’s geistlichen Beistand erbeten und der Herzogin von Mazarine eine feierliche Warnung zugesandt habe. Eine Coronersjury erklärte ihn für wahnsinnig. Der Unglückliche war mit den schönsten Aussichten ins Leben getreten. Er trug einen Namen, der mehr als adelig war. Er war der Erbe eines großen Vermögens und eines noch weit kostbareren Gutes: des Vertrauens und der Zuneigung von Hunderttausenden seiner Landsleute. Seine natürlichen Anlagen waren bedeutend und sie waren sorgfältig ausgebildet worden. Leider trieben Ehrgeiz und Parteigeist ihn an, sich in eine Lage voll Gefahren zu versetzen. Diesen Gefahren erwies seine Characterstärke sich nicht gewachsen. Er erniedrigte sich zu Bitten, die ihn zwar retteten, aber auch entehrten. Von diesem Augenblicke an kannte er keinen Seelenfrieden mehr. Seine Stimmung wurde verbittert und durch seine Stimmung wurde sein Verstand zerrüttet. Er suchte in Andachtsübungen und in Racheplänen, in fashionablen Vergnügungen und in politischen Bewegungen Erleichterung zu finden. Aber der schwarze Schatten wich nie wieder aus seinem Geiste, bis endlich im zwölften Jahre seiner Demüthigung ein trauriger Tod seinem traurigen Leben ein Ziel setzte.69

Das Ergebniß der allgemeinen Wahl bewies, daß Wilhelm einen günstigen Augenblick zur Auflösung gewählt hatte. Die Zahl der neuen Abgeordneten betrug ungefähr hundertsechzig und die meisten waren als der Regierung entschieden zugethan bekannt.70

60L’Hermitage, 15. (25.) Oct., 15. (25.) Nov. 1695.
61London Gazette vom 24. Oct. 1695. Siehe Evelyn’s Account of Newmarket in 1671, und Pepys unterm 18. Juli 1668. Aus Tallard’s nach dem Frieden von Ryswick geschriebenen Depeschen geht hervor, daß die Herbstzusammenkünfte in den Tagen Wilhelm’s nicht minder zahlreich und glänzend waren als in den Tagen seiner Oheime.
62Ich habe diese Schilderung der Rundreise Wilhelm’s hauptsächlich aus der London Gazette, aus den Depeschen L’Hermitage’s, aus Narcissus Luttrell’s Tagebuche und aus den Briefen von Vernon, Yard und Cartwright unter den Lexington’schen Papieren entlehnt.
63Siehe den Brief von Yard an Lexington vom 8. Nov. 1695 und die Anmerkung vom Herausgeber der Lexington Papers.
64L’Hermitage, 15. (25.) Nov. 1695.
65L’Hermitage, 25. Oct. (4. Nov.), 29. Oct. (8. Nov.) 1695.
66L’Hermitage, 5. (15.) Nov. 1695.
67L’Hermitage, 5. (15.); 15. (25.) Nov. 1695; Sir James Forbes an Lady Russell, 3. Oct. 1695; Lady Russell an Sir Eduard Russell; Postman vom 16. Nov. 1695.
68Einen höchst interessanten Bericht von diesem Wahlkampfe findet man in L’Hermitage’s Depeschen.
69Postman vom 15. und 17. Dec. 1696; Vernon an Shrewsbury, 13. und 15. Dec.; Narcissus Luttrell’s Diary; Burnet I. 647; Saint-Evremond’s Verse auf Hampden.
70L’Hermitage, 19. (29.) Nov. 1695.