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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Die Friedensbedingungen zwischen Frankreich und England werden festgesetzt

Endlich waren alle streitigen Punkte geordnet. Nach langen Discussionen wurde ein Artikel aufgesetzt, in welchem Ludwig sein Ehrenwort gab, daß er keinen Versuch zum Umsturz oder zur Beunruhigung der bestehenden Regierung England’s irgendwie begünstigen werde. Dagegen versprach auch Wilhelm, kein Unternehmen gegen die Regierung Frankreich’s zu begünstigen. Dieses Versprechen hatte Ludwig nicht verlangt und er schien daher anfangs geneigt, es als eine Beleidigung zu betrachten. Sein Thron, sagte er, stehe vollkommen fest und Niemand bestreite sein Recht auf denselben. Es gebe in seinem Lande keine Eidverweigerer, keine Verschwörer, und er halte es für unvereinbar mit seiner Würde, einen Vertragspunkt zu genehmigen, in welchem zu liegen scheine, daß er Complots und Aufstände befürchte, wie sie eine aus einer Revolution hervorgegangene Dynastie naturgemäß fürchten müsse. Er gab jedoch in diesem Punkte nach, und man kam überein, daß die Verpflichtung streng gegenseitig sein sollte. Wilhelm verlangte nicht mehr, daß Jakob’s Name genannt werde und Ludwig verlangte nicht mehr, daß den Anhängern Jakob’s eine Amnestie bewilligt werde. Es wurde festgesetzt, daß in dem Vertrage weder über den Aufenthaltsort des verbannten Königs von England, noch über das Leibgedinge seiner Gemahlin etwas erwähnt werden sollte. Aber Wilhelm autorisirte seine Bevollmächtigten beim Congresse, zu erklären, das Marie von Modena das haben solle, worauf eine vorzunehmende Untersuchung ihren rechtmäßigen Anspruch darthun werde. Auf was sie rechtmäßigen Anspruch hatte, war eine Frage, deren Beantwortung ganz Westminsterhall in Verlegenheit gesetzt haben würde. Doch es war ausgemacht, daß sie ohne Sträuben so viel erhalten würde, als sie nur irgend verlangen konnte, sobald sie sich mit ihrem Gemahl in die Provence oder nach Italien zurückgezogen haben würde.251

Schwierigkeiten, durch Spanien und den Kaiser veranlaßt

Vor Ende Juli war Alles geordnet, soweit Frankreich und England betheiligt waren. Inzwischen erfuhren die in Ryswick versammelten Gesandten, daß Boufflers und Portland wiederholte Zusammenkünfte in Brabant gehalten und daß sie in höchst regelwidriger und unpassender Weise, ohne Beglaubigungsschreiben, ohne Vermittelung, ohne Noten, ohne Protokolle, ohne gegenseitig ihre Schritte zu zählen und ohne einander Excellenz zu nennen, mit einander unterhandelten. Sie waren so barbarisch unerfahren in den ersten Anfangsgründen der edlen Wissenschaft der Diplomatie, daß sie das Werk, der Christenheit den Frieden wiederzugeben, beinahe zu Stande gebracht hatten, während sie unter einigen Aepfelbäumen umhergingen. Die Engländer und Holländer zollten Wilhelm’s Klugheit und Entschiedenheit lauten Beifall. Er hatte den Knoten zerhauen, den der Congreß nur verwirrt und zusammengezogen hatte. Er hatte in einem Monate gethan, was die im Haag versammelten Formalisten und Pedanten nicht in zehn Jahren zu Stande gebracht haben würden. Auch die französischen Bevollmächtigten waren nicht unzufrieden. „Es ist interessant,” sagt Harlay, ein geistreicher und verständiger Mann, „daß, während die Gesandten sich bekriegen, die Generäle Frieden schließen.”252

Aber Spanien behielt die nämliche Miene arroganter Sorglosigkeit bei, und die Gesandten des Kaisers, welche offenbar vergaßen, daß ihr Gebieter wenige Monate früher, ohne Wilhelm zu fragen, einen Neutralitätsvertrag für Italien abgeschlossen hatte, schienen es höchst auffallend zu finden, daß Wilhelm sich erdreistete zu unterhandeln, ohne ihren Gebieter zu fragen. Es zeigte sich mit jedem Tage deutlicher, daß der Wiener Hof es darauf anfing, den Krieg in die Länge zu ziehen. Am 10. Juli proponirten die französischen Gesandten nochmals billige und ehrenvolle Friedensbedingungen, setzten aber hinzu, daß wenn diese Bedingungen bis zum 21. August nicht angenommen wären, der Allerchristlichste König sich nicht an sein Anerbieten gebunden erachten würde.253 Wilhelm ermahnte umsonst seine Verbündeten vernünftig zu sein. Alle Argumente prallten an dem unsinnigen Stolze der einen Linie des Hauses Oesterreich, und an der selbstsüchtigen Politik der andren ab. Der 21. August kam und verging, und der Tractat war nicht unterzeichnet; es stand Frankreich somit frei, seine Forderungen zu steigern, und es that dies. Denn gerade um diese Zeit traf die Nachricht von zwei harten Schlägen ein, welche Spanien betroffen hatten, der eine in der alten, der andre in der neuen Welt. Ein französisches Armeecorps unter Vendome’s Befehlen hatte Barcelona genommen. Ein französisches Geschwader war heimlich aus Brest ausgelaufen, hatte die verbündeten Flotten umgangen, war über das Atlantische Meer gefahren, hatte Carthagena geplündert und war mit Schätzen beladen nach Frankreich zurückgekehrt.254 Die spanische Regierung sprang mit einem Male von übermüthiger Apathie zu niedriger Angst über und war bereit jede Bedingung anzunehmen, die der Sieger vorschreiben würde. Die französischen Bevollmächtigten kündigten dem Congresse an, daß ihr Gebieter entschlossen sei, Straßburg zu behalten, und daß, wenn die von ihm angebotenen Bedingungen in so modificirter Gestalt bis zum 10. September nicht angenommen wären, er sich für berechtigt halten würde, auf weiteren Modificationen zu bestehen. Noch nie war Wilhelm’s Geduld auf eine härtere Probe gestellt worden. Er wurde sowohl durch den Starrsinn seiner Verbündeten, wie durch die gebieterische Sprache des Feindes gereizt. Nicht ohne schweren Kampf und heftige Seelenqual entschloß er sich, in das zu willigen, was Frankreich jetzt vorschlug. Aber er fühlte, daß es ganz unmöglich sein würde, selbst wenn es wünschenswerth gewesen wäre, das Haus der Gemeinen und die Generalstaaten zu bewegen, den Krieg zu dem Zwecke fortzusetzen, um Frankreich eine einzelne Festung zu entreißen, eine Festung, an deren Schicksal weder England noch Holland ein unmittelbares Interesse hatten, eine Festung, die dem Reiche nur durch die unverständige Hartnäckigkeit des kaiserlichen Hofes verloren gegangen war. Er beschloß, die modificirten Bedingungen anzunehmen und ließ seinen Gesandten in Ryswick die Weisung zukommen, daß sie an dem festgesetzten Tage unterzeichnen sollten. Die Gesandten Spanien’s und Holland’s erhielten ähnliche Instructionen. Es unterlag keinem Zweifel, daß auch der Kaiser trotz seines Murrens und Protestirens dem Beispiele seiner Bundesgenossen bald folgen würde. Um ihm Zeit zur Ueberlegung zu lassen wurde festgesetzt, daß er in den Tractat aufgenommen werden solle, wenn er seinen Beitritt bis zum 1. November anzeigte.

 

Versuche Jakob’s, einen allgemeinen Friedensschluß zu verhindern

Inzwischen erregte Jakob durch seine Klagen und Drohungen die Heiterkeit und das Mitleid von ganz Europa. Er hatte vergebens sein Recht geltend gemacht, als der alleinige wirkliche König von England einen Gesandten zu dem Congresse zu schicken.255 Er hatte umsonst an sämmtliche römisch-katholische Fürsten der Conföderation eine Denkschrift gerichtet, in der er sie beschwor, sich mit Frankreich zu einem Kreuzzuge gegen England zu verbinden, um ihn wieder in sein Erbe einzusetzen und die gottlose Rechtsbill zu annulliren, welche Mitglieder der wahren Kirche vom Throne ausschloß.256 Als er sah, daß diese Aufforderung unbeachtet blieb, erließ er einen feierlichen Protest gegen die Gültigkeit jedes Vertrags, an welchem die bestehende englische Regierung sich betheiligen würde. Er erklärte alle Verpflichtungen, die sein Königreich seit der Revolution eingegangen war, für null und nichtig und kündigte an, daß, wenn er wieder zur Gewalt gelangen sollte, er sich an keine dieser Verpflichtungen gebunden erachten würde. Er gab zu, daß er durch die Nichtachtung dieser Verpflichtungen große Calamitäten sowohl über seine eigenen Lande als über die ganze Christenheit bringen könne; aber er erklärte, daß er sich wegen dieser Calamitäten weder vor Gott noch vor den Menschen für verantwortlich halten werde. Es scheint fast unglaublich, daß selbst ein Stuart, ja der schlimmste und beschränkteste aller Stuarts wähnen konnte, das es die erste Pflicht nicht nur seiner Unterthanen, sondern der ganzen Menschheit sei, seine Rechte zu vertheidigen; das Franzosen, Deutsche, Italiener und Spanier ein Verbrechen begingen, wenn sie nicht Jahr auf Jahr für ihn ihr Blut vergössen und ihr Geld opferten; daß die Interessen der sechzig Millionen Menschen, für welche der Friede ein Segen gewesen wäre, im Vergleich mit den Interessen eines Einzelnen von gar keinem Gewicht seien.257

Der Tractat von Ryswick unterzeichnet

Trotz aller seiner Proteste rückte der Tag des Friedensschlusses heran. Am 10. September versammelten sich die Gesandten Frankreich’s, England’s, Spanien’s und der Vereinigten Provinzen in Ryswick. Es waren drei Verträge zu unterzeichnen, und man stritt sich lange über die wichtige Frage, welcher zuerst unterzeichnet werden sollte. Es war ein Uhr Morgens, als man sich endlich dahin einigte, daß der Tractat zwischen Frankreich und den Generalstaaten den Vorzug haben sollte, und erst bei Tagesanbruch waren sämmtliche Instrumente vollzogen. Dann beglückwünschten die Bevollmächtigten einander unter vielen Verbeugungen, daß sie die Ehre gehabt hatten, zu einem so großen Werke etwas beizutragen.258

Eine Schaluppe erwartete Prior. Er eilte an Bord und nachdem er einen Aequinoctialsturm überstanden, landete er am dritten Tage an der Küste von Suffolk.259

Spannung in England

Selten hatte in England eine größere Aufregung geherrscht als während des letzten Monats vor seiner Ankunft. Wenn der Westwind die holländischen Packetboote zurückhielt, stieg die Spannung des Volks aufs Höchste. Jeden Morgen standen Hunderttausende mit der Hoffnung auf zu hören, daß der Tractat unterzeichnet sei, und jede Post, welche ankam, ohne die gute Nachricht mitzubringen, verursachte bittere Enttäuschung. Die Mißvergnügten versicherten sogar laut, daß der Friede gar nicht zu Stande kommen und die Unterhandlungen noch in dieser späten Stunde abgebrochen werden würden. Einer von ihnen hatte Jemanden gesprochen, der eben von Saint-Germains angekommen war; ein Andrer hatte ein eigenhändiges Schreiben Ihrer Majestät gelesen, und Alle waren überzeugt, daß Ludwig den Usurpator niemals anerkennen werde. Viele von Denen, welche diese Sprache führten, waren so verblendet, daß sie auf die Richtigkeit ihrer Meinung hohe Wetten machten. Als die Nachricht von dem Falle Barcelona’s eintraf, waren alle hochverrätherischen Tavernen mit eidverweigernden Priestern angefüllt, welche lachten, laut sprachen und einander die Hände schüttelten.260

Ankunft der Friedensnachricht in England

Endlich, am Nachmittag des 13. Septembers, erhielten einige Spekulanten in der City auf Privatwegen die gewisse Nachricht, daß der Tractat am Morgen des 11. vor Tagesanbruch unterzeichnet worden sei. Sie hielten die Sache geheim und beeilten sich, sie zu ihrem Vortheile zu benutzen; aber ihre eifrigen Bemühungen Bankactien zu kaufen, und die hohen Preise, die sie dafür boten, erweckten Verdacht, und man glaubte allgemein, daß am folgenden Tage etwas Wichtiges angezeigt werden würde. Am folgenden Tage erschien denn auch Prior mit dem Tractate vor den Lords Justices in Whitehall. Es wurde sogleich eine Fahne auf der Abtei, eine andre auf der Martinskirche ausgesteckt und die Kanonen des Towers verkündeten die frohe Botschaft. Alle Kirchthürme und befestigten Schlösser von Greenwich bis Chelsea antworteten. Es war keiner von den Tagen, an welchen die Zeitungen gewöhnlich erschienen; aber zum ersten Male wurden Extrablätter mit großgedruckten Ueberschriften in den Straßen ausgerufen. Der Cours der Bankactien stieg rasch von 84 auf 97. In wenigen Stunden begannen sich auf einigen Plätzen Triumphbögen zu erheben, während auf anderen mächtige Freudenfeuer emporloderten. Der holländische Gesandte schrieb an die Generalstaaten, daß er versuchen werde, seine Freude durch ein der Republik, die er vertrete, würdiges Feuer an den Tag zu legen, und er hielt Wort, denn eine solche Flamme hatte London noch nie gesehen. Hundertvierzig Fässer Pech prasselten und leuchteten vor seinem Hause am St. James Square und bildeten ein Feuer, das Pall Mall und Piccadilly so hell machte wie am Tage.261

Schrecken der Jakobiten

Der Schrecken unter den Jakobiten war groß. Einige von Denen, welche auf Ludwig’s Festigkeit hoch gewettet hatten, ergriffen die Flucht. Ein unglücklicher Zelot des göttlichen Rechts ertränkte sich. Doch bald faßte die Partei wieder Muth. Der Tractat war zwar unterzeichnet, aber ratificirt wurde er gewiß nie. In Kurzem kam die Ratification, der Friede wurde feierlich durch die Herolde proklamirt und auch die hartnäckigsten Eidverweigerer begannen zu verzweifeln. Einige Geistliche, welche Jakob acht Jahre lang treu geblieben waren, leisteten jetzt Wilhelm den Huldigungseid. Wahrscheinlich waren es Männer, welche, wie Sherlock, der Ansicht waren, daß eine feststehende, wenn auch in ihrem Ursprunge illegitime Regierung Anspruch auf den Gehorsam von Christen habe, die aber geglaubt hatten, daß die Regierung Wilhelm’s nicht wirklich feststehend genannt werden könne, so lange die größte europäische Macht sich nicht nur weigerte, sie anzuerkennen, sondern sogar ihren Rivalen kräftig unterstützte.262 Die heftigeren und entschlosseneren Anhänger des verbannten Königshauses waren wüthend auf Ludwig. Er habe Die, welche ihn um Hülfe angefleht, hintergangen und verrathen. Man solle nicht von dem Elende seines Volks sprechen. Man solle nicht sagen, daß er jede Einnahmequelle erschöpft habe und daß in allen Provinzen seines Reichs das Landvolk in Lumpen gehüllt einhergehe und sich nicht einmal mehr mit dem gröbsten und schwärzesten Brode sättigen könne. Seine erste Pflicht sei die, welche er gegen die königliche Familie von England habe. Die Jakobiten sprachen und schrieben gegen ihn eben so absurd und fast eben so gemein, als sie lange gegen Wilhelm gesprochen und geschrieben hatten. Eines ihrer Libelle war so unanständig, daß die Lords Justices die Verhaftung des Verfassers anordneten.263

 

Allgemeine Freude

Aber die Wuth und der Aerger beschränkten sich auf eine sehr kleine Anzahl. Seit dem Restaurationsjahre hatte man nie ähnliche Kundgebungen der allgemeinen Freude gesehen. In allen Gegenden des Reichs, wo der Friede proklamirt wurde, äußerte sich die Volksstimmung durch Bankets, feierliche Aufzüge, loyale Toaste, Salven, Trommelwirbel, Trompetenschall und Aufschlagen von Biertonnen. An einigen Orten begab sich die ganze Bevölkerung unaufgefordert in die Kirchen, um dem Himmel zu danken. An anderen fanden Aufzüge von weißgekleideten und mit Lorbeer bekränzten Mädchen statt, welche Fahnen mit der Inschrift: God bless King William trugen. In jeder Grafschaftshauptstadt begleitete eine lange Cavalcade der angesehensten Gentlemen aus einem Umkreise von vielen Meilen den Mayor zum Marktkreuze. Ein Festtag genügte noch nicht zur Aeußerung so vieler Freude. Am 4. November, dem Geburtstage des Königs, und am 5., dem Jahrestage seiner Landung in Torbay, erneuerten sich das Glockengeläute, der Jubel und die Illuminationen in London wie im ganzen Lande.264 An dem Tage, an welchem er in seine Hauptstadt zurückkehrte, wurde in den zweitausend Straßen dieses ungeheuren Marktes keine Arbeit gethan und kein Laden geöffnet. Die Hauptstraßen waren für diesen Tag mit Sand bestreut worden; alle Innungen hatten sich neue Fahnen, alle Magistratspersonen neue Amtskleider angeschafft. Zwölftausend Pfund Sterling waren auf Veranstaltung von Feuerwerken verwendet worden. Große Massen Volks aus allen benachbarten Grafschaften waren herbeigeströmt, um das Schauspiel mit anzusehen. Die City war nie in einer loyaleren oder heiterern Stimmung gewesen. Die schlimmen Tage waren vorüber. Die Guinee war auf einundzwanzig Schilling sechs Pence gefallen, die Banknote war auf Pari gestiegen. Die großen, schweren und scharf geprägten neuen Kronen und halben Kronen klangen auf allen Ladentischen.

Einzug des Königs in London

Nach einigen Tagen ungeduldiger Erwartung erfuhr man am 14. Nov., daß Se. Majestät in Margate gelandet sei. Am 15. spät Abends erreichte er Greenwich und stieg in dem prächtigen Gebäude ab, das unter seinen Auspicien aus einem Palast in ein Hospital verwandelt wurde. Am nächsten Morgen, einem heiteren und warmen Morgen, schlossen sich achtzig sechsspännige Equipagen mit Edelleuten, Prälaten, Geheimräthen und Richtern seinem Zuge an. In Southwark wurde er von dem Lordmayor und den Aldermen mit allem Pomp empfangen. Der Weg durch diesen Stadttheil bis zur Brücke war von der Surreymiliz, der Weg von der Brücke bis Walbrook von drei Regimentern der Citymiliz besetzt. Durch ganz Cheapside hatten sich die Wahlbürger zu beiden Seiten mit ihren Innungsfahnen aufgestellt. Am östlichen Ende des St. Pauls-Kirchhofes standen die Knaben der Schule Eduard’s VI. in der Tracht des 16. Jahrhunderts, die sie noch jetzt tragen. Um die Kathedrale herum, Ludgate Hill und Fleet Street entlang waren drei weitere Regimenter Londoner aufgestellt. Von Temple Bar bis zum Eingangsthore von Whitehall standen die Milizen von Middlesex und die Fußgarden unter Waffen. Auf der ganzen Strecke waren alle Fenster mit Teppichen, Bändern und Fahnen geschmückt. Den schönsten Anblick aber gewährte die unzählige Masse der Zuschauer, alle in ihren Sonntagskleidern, und in solchen Kleidern, wie sie in anderen Ländern nur die höheren Klassen tragen konnten. „Nie,” schrieb Wilhelm diesen Abend an Heinsius, „habe ich eine solche Menge wohlgekleideter Leute gesehen.” Nicht minder angenehm berührten den König die Aeußerungen von Freude und Zuneigung, mit denen er vom Anfang bis zum Ende seines Triumphzuges begrüßt wurde. Von dem Augenblicke an, wo er in Greenwich in seinen Wagen stieg, bis zu dem Augenblicke, wo er im Hofe von Whitehall wieder ausstieg, war er von endlosen Lebehochrufen begleitet. Kaum war er in seinem Palaste angekommen, so wurden ihm Beglückwünschungsadressen von allen großen Corporationen des Landes überreicht. Man bemerkte, daß unter diesen Corporationen die Universität Oxford die erste war. Die beredte Ansprache, in welcher diese gelehrte Körperschaft die Weisheit, den Muth und die Energie Sr. Majestät pries, wurde von den Eidverweigerern mit heftigem Verdrusse, von den Whigs mit Entzücken gelesen.265

Der Tag des Dankgottesdienstes

Die Freudenbezeigungen waren noch nicht zu Ende. In einer Staatsrathssitzung, welche einige Stunden nach dem öffentlichen Einzuge des Königs gehalten wurde, ward der 2. December zur Abhaltung eines Dankgottesdienstes wegen des zu Stande gekommenen Friedensschlusses bestimmt. Das Kapitel von St. Paul beschloß, daß an diesem Tage seine stolze Kathedrale, die sich langsam auf den Trümmern einer Reihenfolge von heidnischen und christlichen Tempeln erhoben hatte, dem öffentlichen Gottesdienste übergeben werden sollte. Wilhelm that seine Absicht kund, an der Eröffnungsfeier theilzunehmen. Man stellte ihm jedoch vor, daß, wenn er in diesem Vorhaben beharrte, dreihunderttausend Menschen herbeiströmen würden, um ihn zu sehen, und daß dann alle Pfarrkirchen London’s leer bleiben würden. Er wohnte daher dem Gottesdienste in seiner Kapelle zu Whitehall bei und hörte Burnet eine Predigt halten, die für den Ort etwas zu lobhudelnd war.266 In der St. Paulskirche erschien die Magistratur der City in all’ ihrem Pompe. Campton bestieg zum ersten Male einen mit Schnitzwerk von Gibbons reich verzierten Thron und sprach auf demselben zu der zahlreichen und glänzenden Versammlung. Seine Rede ist uns nicht erhalten worden, aber man kann den Inhalt derselben leicht errathen, denn er predigte über den herrlichen Psalm: „Ich freue mich deß, das mir geredet ist, daß wir werden ins Haus des Herrn gehen.” Er erinnerte ohne Zweifel seine Zuhörer, daß sie als Londoner, außer der Dankbarkeitsschuld, die sie mit allen Engländern theilten, noch besondere Ursache hätten, für die göttliche Güte dankbar zu sein, die ihnen gestattet habe, die letzte Spur der Verheerungen des großen Feuers zu verwischen und sich nach so langen Jahren endlich wieder an dieser durch die Andacht von dreißig Generationen geweihten Stätte zu Gebet und Lobpreisung zu versammeln. In ganz London und in allen Theilen des Landes, bis in die entferntesten Kirchspiele von Cumberland und Cornwallis, waren die Kirchen am Morgen des Tages gefüllt und der Abend war ein Abend festlicher Vergnügungen.267

Man hatte aber auch Ursache, sich zu freuen und dem Himmel zu danken. England hatte schwere Prüfungen überstanden und war mit verjüngter Kraft und Gesundheit aus denselben hervorgegangen. Zehn Jahre früher hatte es den Anschein gehabt, als ob jene Freiheit und Unabhängigkeit vernichtet seien. Seine Freiheit hatte es durch eine gerechte und nothwendige Revolution behauptet. Es hatte die durch die Rechtsbill festgestellte Ordnung der Dinge siegreich gegen die mächtige französische Monarchie, gegen die eingeborne Bevölkerung Irland’s, gegen die erklärte Feindschaft der Eidverweigerer und gegen die noch gefährlichere Feindschaft von Verräthern vertheidigt, welche bereit waren, jeden Eid zu leisten und die kein Eid binden konnte. Seine offenen Feinde hatten auf vielen Schlachtfeldern gesiegt. Seine versteckten Feinde hatten seine Flotten und Heere befehligt, seine Arsenale verwaltet, an seinen Altären fungirt, auf seinen Universitäten gelehrt, seine Amtsbureaux gefüllt, in seinem Parlamente gesessen und im Schlafzimmer seines Königs geheuchelt und geschmeichelt. Mehr als einmal hatte es unmöglich geschienen, daß etwas eine Restauration abwenden könnte, welche unvermeidlich zuerst Proscriptionen und Confiscationen, die Verletzung der Grundgesetze und die Verfolgung der Landeskirche, und dann eine dritte Erhebung der Nation gegen das Fürstenhaus, das eine zweimalige Entthronung und eine zweimalige Verbannung nur hartnäckiger im Bösen gemacht hatte, in ihrem Gefolge gehabt haben würde. Zu den Gefahren des Kriegs und den Gefahren des Verraths hatten sich neuerdings die Gefahren einer schweren Finanz- und Handelskrisis gesellt. Aber alle diese Gefahren waren vorbei. Außen und innen war Friede. Das Königreich hatte nach vielen Jahren einer schmachvollen Vasallenschaft seinen früheren Platz in der vordersten Reihe der europäischen Mächte wieder eingenommen. Viele Anzeichen berechtigten zu der Hoffnung, daß die Revolution von 1688 unsre letzte Revolution gewesen sein würde. Die alte Verfassung schmiegte sich durch eine natürliche, eine allmälige, eine friedliche Entwickelung den Bedürfnissen einer neueren Gesellschaft an. Die Freiheit des Gedankens und die Freiheit der Rede bestanden schon in einem Umfange, wie ihn kein früheres Zeitalter gekannt hatte. Die Valuta war wieder hergestellt. Der öffentliche Credit war wieder befestigt. Der Handel lebte wieder auf. Die Schatzkammer war zum Ueberströmen voll. Allenthalben, von der Börse bis zum entlegensten Dorfe in den Gebirgen von Wales und den Sümpfen von Lincolnshire äußerte sich ein Gefühl der Erleichterung. Die Landbauer, die Hirten, die Bergleute der Kohlengruben von Northumberland, die Arbeiter, die sich an den Webstühlen von Norwich und an den Amboßen von Birmingham abmühten, empfanden die Veränderung, ohne sie zu verstehen, und das heitere Gewühl in jedem Seehafen und in jeder Marktstadt verrieth nicht undeutlich den Anfang einer glücklicheren Zeit.

251Meine Mittheilungen über diese Unterhandlung habe ich hauptsächlich den Depeschen im französischen Ministerium des Auswärtigen entlehnt. Uebersetzungen von diesen Depeschen hat Grimblot veröffentlicht. Siehe auch Burnet II. 200, 201. Es ist oft behauptet worden, Wilhelm habe versprochen, Marien von Modena funfzigtausend Pfund jährlich zu bezahlen. Wer sich jedoch die Mühe nimmt, das Protokoll vom 10. (20.) Sept. 1697 in den Acten des Friedens von Ryswick zu lesen, wird sehen, daß meine Angabe richtig ist. Prior verstand das Protokoll offenbar ebenso wie ich es verstehe, denn er sagt in einem Briefe an Lexington vom 17. Sept. 1697: „No. 2 ist der Punkt, in dem der König bezüglich der Dotation der Königin Marie einwilligt. Es wird ihr dadurch ehrlich soviel gegeben als das Gesetz ihr zugesteht. Der Vermittler soll diese Schrift den Franzosen dictiren und sie in sein Protokoll aufnehmen, und so denke ich, werden wir über diesen Artikel à bon marché hinwegkommen.” Es hieß damals (siehe Boyer’s History of King William III. 1703) Portland und Boufflers seien über einen geheimen Artikel übereingekommen, durch welchen stipulirt gewesen sei, daß nach Wilhelm’s Tode der Prinz von Wales auf den englischen Thron kommen solle. Diese Fabel ist oft wiederholt worden, aber sie hat bei verständigen Männern nie Glauben gefunden und seit der Veröffentlichung der Correspondenz zwischen Ludwig und Boufflers wird auch der Beschränkteste sie schwerlich noch glauben. Dalrymple und andere Schriftsteller glaubten im Life of James (II. 574, 575) Beweise dafür gefunden zu haben, daß die Geschichte von dem geheimen Artikel wahr sei. Die Stelle, aus der sie dies schlossen, war jedoch sicherlich weder von Jakob selbst, noch unter seiner Leitung geschrieben; und die Autorität derjenigen Stelle seiner Lebensgeschichte, welche nicht von ihm oder unter seiner Leitung geschrieben wurden, ist nur gering. Bei genauer Untersuchung jener Stelle werden wir überdies finden, daß sie die Geschichte von dem geheimen Artikel nicht nur nicht bestätigt, sondern sie sogar geradezu widerlegt. Der Compilator der Lebensgeschichte sagt uns, daß, nachdem Jakob erklärt hatte, er werde sich nie dazu verstehen, durch Aufgaben seiner eigenen Rechte den englischen Thron für seine Nachkommen zu erkaufen, nicht weiter von dem Gegenstande gesprochen wurde. Nun ist es aber ganz gewiß, daß Jakob in seiner im März 1697 erschienenen Denkschrift, einer Denkschrift, die sich sowohl in der Lebensgeschichte (II. 566.) als auch in den Acten des Friedens von Ryswick findet, vor ganz Europa erklärte, daß er sich nie in einer so niedrigen und unwürdigen Handlung herablassen werde, dem Prinzen von Oranien unter der Bedingung, daß der Prinz von Wales ihm auf den Thron folgen solle, die Regierung zu gestatten. Daraus folgt, daß nach dem März 1697 von diesem Gegenstande nicht mehr die Rede gewesen sein kann. Es kann daher auch in den Konferenzen zwischen Boufflers und Portland, welche erst spät im Juni begannen, nicht davon gesprochen worden sein. Hatte denn aber die Geschichte gar keine Grundlage? Ich glaube es gab eine solche, und ich habe bereits die Facta erzählt, auf denen dieses Gebäude von Erdichtung basirte. Es steht fest, daß Ludwig im Jahre 1693 durch die schwedische Regierung den Verbündeten die Hoffnung ausdrücken ließ, es möge ein Auskunftsmittel zur Versöhnung der Fürsten gefunden werden, die auf die englische Krone Anspruch machten. Er meinte mit diesem Auskunftsmittel ohne Zweifel, daß der Prinz von Wales Wilhelm und Marien auf dem Thron folgen sollte. Es ist möglich, daß, wie der Compilator der Lebensgeschichte Jakob’s sagt, Wilhelm „keine große Abgeneigtheit” gegen dieses Arrangement zeigte. Er hatte weder einen öffentlichen, noch einen privaten Grund, seine Schwägerin seinem Schwager vorzuziehen, wenn sein Schwager protestantisch erzogen wurde. Aber Wilhelm vermochte nichts ohne die Mitwirkung des Parlaments, und es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß er sowohl als das Parlament je eingewilligt haben würde, die englische Thronfolge zum Gegenstande eines Uebereinkommens mit Frankreich zu machen. Was er jedoch gethan oder nicht gethan haben würde, können wir nicht mit Gewißheit sagen. Denn Jakob erwies sich als unbeugsam. Ludwig gab daher jeden Gedanken an das Zustandebringen eines Vergleichs auf und versprach, wie wir gesehen haben, Wilhelm „ohne Schwierigkeit, Beschränkung, Bedingung oder Vorbehalt” als Königs von England anzuerkennen. Es scheint gewiß, daß nach diesem im December 1696 gegebenen Versprechen der Prinz von Wales in den Unterhandlungen nicht wieder erwähnt wurde.
252Prior MS.; Williamson an Lexington, 20. (30.) Juli 1697; Williamson an Shrewsbury, 23. Juli (2. Aug.).
253Die Note des französischen Gesandten, datirt 10. (20.) Juli 1697, findet man in den Actes et Mémoires.
254Monthly Mercury, August und September 1697.
255Life of James, II. 565.
256Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick; Life of James, II. 566.
257Jakob’s Protest findet man in seiner Lebensgeschichte II. 572.
258Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick; Williamson an Lexington, 14. (24.) Sept. 1697; Prior-Manuscript.
259Prior-Manuscript.
260L’Hermitage, 20. (30.) Juli, 27. Juli (6. Aug.), 24. Aug. (3. Sept.), 27. Aug. (6. Sept.), 31. Aug. (10. Sept.) 1697; Postman vom 31. Aug.
261Van Cleverskirke an die Generalstaaten, 14. (24.) Sept. 1697; L’Hermitage, 14. (24.) Sept.; Postscipt zum Postman von dem nämlichen Tage; Postman und Postboy vom 19. (29.) Sept.; Postman vom 18. (28.) Sept.
262L’Hermitage, 17. (27.) Sept., 24. Sept. (4. Oct.), 19. (29.) Oct. 1697; Postman vom 20. Nov.
263L’Hermitage, 21. Sept. (1. Oct.), 2. (12.) Nov. 1697; Gazette de Paris vom 20. (30.) Nov.; Postboy vom 2. Nov. Es erschien damals ein Pasquill, betitelt: A Satyr upon the French King, written after the Peace was concluded at Reswick, anno 1697, by a Non-Swearing Person, and said to be drop’d out of his Pocket at Sams’ Coffee House.
264London Gazette; Postboy vom 18. Nov. 1697; L’Hermitage, 5. (15.) Nov.
265London Gazette vom 18. und 22. Nov. 1697; Van Cleverskirke, 16. (26.), 19. (29.) Nov.; L’Hermitage, 16. (26.) Nov.; Postboy und Postman vom 18. Nov.; Wilhelm an Heinsius, 16. (26.) Nov.
266Evelyn’s Diary, Dec. 2. 1697. Die Predigt ist noch vorhanden, und ich muß gestehen, daß sie Evelyn’s Tadel verdient.
267London Gazette vom 6. Dec, 1697; Postman vom 4. Dec.; Van Cleverskirke, 2. (12.) Dec.; L’Hermitage, 19. (29.) Nov.