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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Die Gegner der Bill wagten zwar nicht zu behaupten, keine öffentliche Gefahr könne so groß sein, daß sie eine Verurtheilungsacte rechtfertige. Sie gaben zu, daß Fälle eintreten könnten, in denen die allgemeine Regel einer dringenden Nothwendigkeit weichen müsse. Aber war der vorliegende Fall ein solcher? Selbst wenn man, nur um der Argumentirung willen, zugeben wolle, daß Strafford und Monmouth ihr Urtheil mit Recht verdient hätten, sei Fenwick, wie Strafford, ein großer Minister, der viele Jahre lang das englische Gebiet nördlich vom Trent und ganz Irland mit unumschränkter Gewalt beherrschte, der hoch in der Gunst des Königs stand und dessen Talente, Beredtsamkeit und Entschlossenheit ihn noch in seinem Sturze zu einem Gegenstande der Furcht machten? Oder sei Fenwick, wie Monmouth, ein Kronprätendent und der Abgott des gemeinen Volks? Strömten alle kräftigen Jünglinge dreier Grafschaften herbei, um unter seinem Banner zu dienen? Sei er etwas Andres als ein untergeordneter Verschwörer? Er habe zwar einst bedeutende Stellen bekleidet, aber die habe er längst wieder verloren. Er habe ein großes Vermögen besessen, aber er habe es verschwendet. Ausgezeichnete Talente und einen angesehenen Namen habe er nie gehabt. Er sei allerdings durch seine Frau mit einer sehr vornehmen Familie verwandt; aber diese Familie theile seine politischen Vorurtheile nicht. Habe er also eine andre Wichtigkeit als die, welche seine Verfolger ihm unklugerweise erst gaben, indem sie alle das Leben der Engländer sichernden Schutzwehren durchbrächen, um ihn zu vernichten? Selbst wenn er in Freiheit gesetzt würde, was könne er Andres thun, als jakobitische Kaffeehäuser besuchen, Orangen zerdrücken und auf die Gesundheit des Königs Jakob und des Prinzen von Wales trinken? Wenn jedoch die Regierung trotz der Unterstützung der Lords und der Gemeinen, der Flotte und der Armee, einer Miliz von hundertsechzigtausend Mann und einer halben Million Bürger, welche die Vereinsurkunde unterzeichnet, wirklich von diesem armen ruinirten Baron eine Gefahr befürchtete, so könne ihm die Wohlthat der Habeascorpusacte vorenthalten werden. Er könne so lange innerhalb vier Wänden gehalten werden, als die geringste Möglichkeit für ihn vorhanden sei, Unheil zu stiften. Für einen so furchtbaren Feind könne man ihn wohl schwerlich halten, daß der Staat nicht eher sicher wäre, als bis er im Grabe liege.

Es wurde zugegeben, daß sich Präcedenzfälle für diese Bill und selbst für eine noch mehr Einwendungen zulassende Bill finden ließen. Aber es wurde gesagt, daß Jeder, der unsre Geschichte studire, geneigt sein werde, diese Präcedenzfälle eher als warnende, denn als nachahmenswerthe Beispiele zu betrachten. Es sei oft vorgekommen, daß eine in einer Regung von Servilität oder Erbitterung angenommene Verurtheilungsacte, wenn das Glück sich gewendet oder wenn die Wuth sich abgekühlt habe, widerrufen oder feierlich für ungerecht erklärt worden sei. So sei vor Alters die Acte, welche in dem Paroxismus eines nicht unprovocirten Hasses gegen Roger Mortimer erlassen wurde, in einem ruhigeren Augenblicke deshalb wieder aufgehoben worden, weil man ihm, so schuldig er auch übrigens gewesen sein mochte, nicht unparteiisch gestattet habe, sich zu vertheidigen. So sei auch innerhalb der Erinnerung der gegenwärtigen Generation, das Gesetz, welches Strafford verurtheilte, ohne eine einzige abweichende Stimme annullirt worden. Es dürfe ferner, ward hinzugesetzt, nicht unerwähnt bleiben, daß, sei es nun kraft des ordentlichen Gesetzes von Ursache und Wirkung, oder durch das außerordentliche Gottesurtheil, Personen, welche selbst für die Annahme von Strafbills eingenommen gewesen, zu wiederholten Malen durch solche Bills zu Grunde gegangen seien. Niemand habe je einen rücksichtsloseren Gebrauch von der gesetzgebenden Gewalt zur Vernichtung seiner Feinde gemacht als Thomas Cromwell, und durch einen rücksichtslosen Gebrauch der gesetzgebenden Gewalt sei er selbst vernichtet worden. Wenn es wahr sei, daß der unglückliche Gentleman, dessen Schicksal jetzt in der Wagschale zittere, früher selbst an einem ähnlichen Prozeßverfahren, wie es jetzt gegen ihn angewendet werde, Theil genommen habe, sei dies nicht ein Umstand, der zu sehr ernsten Betrachtungen Anlaß geben müsse? Diejenigen, welche Fenwick höhnisch daran erinnerten, daß er die Bill unterstützt habe, welche Monmouth verurtheilte, könnten vielleicht selbst noch in einer finstren und schrecklichen Stunde höhnisch daran erinnert werden, daß sie die Bill unterstützt hätten, welche Fenwick verurtheilte. „Bedenken wir, welche Wechselfälle wir erlebt haben. Lernen wir aus so vielen auffallenden Beispielen von der Wandelbarkeit des Geschicks, Mäßigung im Glücke. Wie wenig dachten wir daran, als wir diesen Mann als einen begünstigten Cavalier in Whitehall, als einen mit militärischem Gepränge umgebenen General in Hounslow sahen, daß wir es erleben würden, ihn vor unsrer Schranke stehen zu sehen, von unsren Sippen sein Urtheil erwartend! Und wie weit entfernt sind wir von der Gewißheit, daß wir nicht selbst dereinst in tiefer Seelenqual vergebens den Schutz der milden Gesetze anrufen werden, die wir jetzt so leichtfertig behandeln! Gott möge es verhüten, daß wir je wieder der Tyrannei unterworfen werden! Vor Allem aber möge Gott es verhüten, daß unsere Tyrannen je in die Lage kommen, zur Rechtfertigung des Schlimmsten, das sie über uns verhängen können, Präcedenzfälle geltend zu machen, die wir selbst geliefert haben!”

Diese geschickt ausgeführten Themata machten auf viele gemäßigte Whigs einen großen Eindruck. Montague bemühte sich nach Kräften, seine Anhänger wieder zu gewinnen. Wir besitzen noch die rohen Umrisse seiner Rede, die gewiß eine sehr bedeutende Wirkung äußerte. „Diese Herren warnen uns” – so scheint er sich, wenigstens annähernd, ausgedrückt zu haben – „dem Könige Jakob nicht einen Präcedenzfall zu liefern, den er, wenn er einmal wieder auf den Thron gelangen sollte, gegen uns anwenden könnte. Glauben sie wirklich, daß wenn jener unheilvolle Tag kommen sollte, er sich dieses gerechte und nothwendige Gesetz zum Vorbilde nehmen würde? Nein, Sir, er wird sich nicht unsre Verurtheilungsbill, sondern seine eigene zum Muster nehmen; nicht unsre Bill, die nach vollständigen Beweisen und nach unparteiischer Anhörung aller Betheiligten, die wohlverdiente Strafe über ein einzelnes schuldiges Haupt verhängt, sondern seine eigne Bill, die ohne Vertheidigung, ohne Untersuchung, ohne Anklage, nahe an dreitausend Menschen, deren einzige Verbrechen ihr englisches Blut und ihr protestantischer Glaube waren, die Männer zum Galgen, die Frauen zum Scheiterhaufen verurtheilte. Dies ist der Präcedenzfall, den er geliefert hat und den er befolgen wird. Damit er nie im Stande sein möge, ihn zu befolgen, damit die Furcht vor gerechter Strafe die Feinde unsres Vaterlandes von dem Wunsche abhalten möge, ihn in London herrschen zu sehen, wie er in Dublin herrschte, stimme ich für diese Bill.”

Trotz aller Beredtsamkeit und allen Einflusses des Ministeriums wurde die Minorität im Verlaufe der Debatte immer stärker und stärker. Die Frage, ob die Erlaubniß zum Einbringen der Bill gegeben werden solle, war mit fast Drei zu Eins bejaht worden. Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill einem Ausschusse überwiesen werden solle, betrug die Zahl der Jas hundertsechsundachtzig, die der Neins hundertachtundzwanzig. Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill angenommen werden solle, betrug die Zahl der Jas hundertneunundachtzig, die der Neins hundertsechsundfunfzig.

Die Verurtheilungsbill den Lords überreicht

Am 26. November wurde die Bill den Lords überreicht. Noch ehe sie dort ankam, hatten die Lords sich schon auf ihren Empfang vorbereitet. Jeder von der Hauptstadt abwesende Peer war eingeladen worden zu erscheinen; jeder Peer, der der Einladung nicht Folge leistete und für sein Ausbleiben keine befriedigende Erklärung geben konnte, wurde von dem schwarzen Stabe in Gewahrsam genommen. An dem zur ersten Lesung festgesetzten Tage waren die Bänke so gefüllt wie noch nie. Die Gesammtzahl der weltlichen Lords mit Ausnahme der Minorennen, der Katholiken und der Eidverweigerer, belief sich auf ungefähr hundertvierzig. Von diesen waren hundertfünf auf ihren Plätzen. Viele waren der Meinung, daß man den Bischöfen hätte erlauben, wenn nicht befehlen sollen, wegzubleiben, denn nach einem alten Kirchengesetz war es Denen, welche an den Altären Gottes fungirten, untersagt, an einer Zuerkennung der Todesstrafe irgend welchen Antheil zu nehmen. Bei der Prozessirung eines wegen Hochverraths angeklagten Peers entfernen sich die Prälaten jedesmal und überlassen die Freisprechung oder Verurtheilung des Angeklagten den Laien. Und gewiß, wenn es sich nicht ziemt, daß ein Geistlicher als Richter seine Nebenmenschen zum Tode verurtheilt, so muß es sich noch weniger ziemen, daß er sie als Gesetzgeber zum Tode verurtheilt. In diesem wie in jenem Falle macht er sich der Befleckung mit Blut schuldig, welche die Kirche mit Schaudern betrachtet, und es wird schwerlich in Abrede gestellt werden können, daß sich gegen das Blutvergießen durch eine Verurtheilungsacte einige gewichtige Einwendungen machen lassen, welche gegen das Blutvergießen auf dem gewöhnlichen Justizwege keine Anwendung erleiden. Als die Bill zur Verurtheilung Strafford’s berathen wurde, hatten sich in der That alle geistlichen Peers entfernt. Jetzt aber wurde das Beispiel Cranmer’s, der für einige der schändlichsten Verurtheilungsacte gestimmt hatte, die jemals angenommen worden sind, für nachahmenswerther gehalten und man sah zahlreiche Batistärmel in der Versammlung. Sehr zweckmäßigerweise wurde beschlossen, daß bei dieser Gelegenheit das Privilegium, in Vollmacht zu stimmen, suspendirt, daß die Mitglieder zu Anfang und zu Ende jeder Sitzung namentlich aufgerufen und daß jedes Mitglied, das nicht auf seinen Namen antwortete, von dem schwarzen Stabe in Gewahrsam genommen werden sollte.204

 

Monmouth’s Kunstgriffe

Mittlerweile brütete der unruhige Kopf Monmouth’s über sonderbare Pläne. Er hatte jetzt eine Altersstufe erreicht, wo sich seine Fehler nicht mehr durch Jugend entschuldigen ließen; aber er war launenhafter und excentrischer als je. Sein geistiger sowohl als sein moralischer Character besaß eine reiche Fülle jener schönen Eigenschaften, die man Luxuseigenschaften nennen kann; dagegen fehlte es ihm in bedauerlichem Maße an den unerläßlich nöthigen gediegeneren Eigenschaften. Er besaß glänzenden Witz und prompte Erfindungsgabe ohne praktischen Verstand, und ritterliche Hochherzigkeit und Delikatesse ohne wahre Rechtschaffenheit. Er war fähig, sich zu der Rolle des schwarzen Prinzen zu erheben, und doch auch fähig, sich zu der Rolle eines Fuller zu erniedrigen. Sein politisches Leben war durch einige höchst unehrenwerthe Handlungen befleckt, obwohl er nicht unter dem Einflusse der Triebfedern stand, denen die meisten unehrenwerthen Handlungen von Staatsmännern zugeschrieben werden müssen. Die Macht hatte wenig, das Geld noch weniger Werth für ihn. Für die Furcht war er gänzlich unempfänglich. Wenn er sich zuweilen soweit erniedrigte, ein Schurke zu sein – denn kein milderes Wort kommt der Wahrheit nahe genug – so that er dies nur zu seinem Vergnügen und um andere Leute in Erstaunen zu setzen. In bürgerlichen wie in militärischen Dingen liebte er Hinterhalte, Ueberfälle und nächtliche Angriffe. Er glaubte jetzt eine glänzende Gelegenheit zu haben, Aufsehen zu machen, eine große Erschütterung hervorzurufen und die Versuchung war für einen so ruhelosen Geist wie der seinige unwiderstehlich.

Er wußte oder vermuthete wenigstens stark, daß die Geschichten, welche Fenwick nach dem Hörensagen erzählt hatte und die der König, die Lords und die Gemeinen, die Whigs und die Tories einmüthig als Verleumdungen behandelten, in der Hauptsache wahr seien. Sollte es nicht möglich sein, zu beweisen, daß sie wahr waren, das weise Verfahren Wilhelm’s zu durchkreuzen, mit einem Male einige der hochstehendsten Männer beider Parteien zu brandmarken, die ganze politische Welt in eine unlösbare Verwirrung zu stürzen?

Nichts konnte ohne die Beihülfe des Gefangenen geschehen, und mit diesem direct zu verkehren, war unmöglich. Man mußte sich der Vermittelung mehr als einer Agentin bedienen. Die Herzogin von Norfolk war eine Mordaunt und Monmouth’s erste Cousine. Sie war bekannt wegen ihrer Galanterien und ihr Gemahl hatte einige Jahre früher seine adeligen Collegen zu bestimmen versucht, eine Bill zur Auflösung seiner Ehe anzunehmen, aber der Versuch war, zum Theil in Folge des Eifers, mit dem Monmouth die Sache seiner Cousine verfochten hatte, gescheitert. Die Dame lebte, obgleich von ihrem Gatten getrennt, auf einem ihrem Range angemessenen Fuße und hatte Umgang mit vielen vornehmen Frauen, unter andern mit Lady Marie Fenwick und mit einer Verwandten derselben, Namens Elisabeth Lawson. Durch Vermittlung der Herzogin ließ Monmouth dem Gefangenen mehrere Papiere zukommen, welche sehr klug entworfene Rathschläge enthielten. Sir John, – dies war der wesentliche Inhalt dieser Rathschläge – möge dreist behaupten, daß sein Bekenntniß wahr sei, daß er Beschuldigungen, zwar nur nach Hörensagen, aber nicht nach gewöhnlichem Hörensagen, erhoben habe, daß er seine Kenntniß der behaupteten Facta aus den hochstehendsten Duellen schöpfe, und er möge ein Mittel angeben, wodurch seine Wahrhaftigkeit leicht auf die Probe gestellt werden könne. Er möge darum bitten, daß die Earls von Portland und von Romney, welche anerkanntermaßen das Vertrauen des Königs besäßen, aufgefordert würden zu erklären, ob sie nicht, im Besitz von Nachrichten seien, welche mit den von ihm erzählten Dingen übereinstimmten. Er möge darum bitten, daß der König ersucht würde, dem Parlamente die Aufschlüsse, welche die plötzliche Entlassung Lord Marlborough’s zur Folge gehabt, und alle Briefe vorzulegen, die auf dem Wege zwischen Saint-Germains und Lord Godolphin aufgefangen worden seien. „Wenn,” sagte Monmouth zu seinen Agentinnen, „Sir John nicht unter dem Einflusse eines Verhängnisses steht, wenn er nicht ganz von Sinnen ist, so wird er meinen Rath befolgen. Thut er es, so sind sein Leben und seine Ehre gerettet. Thut er es nicht, so ist er ein todter Mann.” Hierauf schmähte dieser kühne Intrigant mit seiner gewöhnlichen frechen Redeweise Wilhelm wegen dessen, was eigentlich einer seiner Hauptansprüche auf Ruhm war. „Er ist der schlechteste Mensch. Er hat schändlich gehandelt. Er giebt vor, diese Beschuldigungen gegen Shrewsbury, Russell, Marlborough und Godolphin nicht zu glauben, obgleich er weiß” – und Monmouth bekräftigte diese Behauptung mit einem entsetzlichen Schwure, – „daß jedes Wort der Beschuldigungen wahr ist.”

Die von Monmouth aufgesetzten Schriftstücke wurden von Lady Mary ihrem Gemahl übergeben. Wäre der Rath, den sie enthielten, befolgt worden, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß der Zweck des Rathgebers erreicht worden wäre. Der König würde sich heftig geärgert haben, es würde ein allgemeiner panischer Schrecken unter den Staatsmännern jeder Farbe entstanden sein; selbst Marlborough’s heiterer Gleichmuth würde auf eine harte Probe gestellt worden sein, und Shrewsbury würde sich wahrscheinlich erschossen haben. Ob aber Fenwick seine Lage dadurch verbessert haben würde, ist sehr zweifelhaft. Dies war auch seine Meinung. Er sah ein, daß der Schritt, zu dem man ihn drängte, ein sehr gefährlicher war. Er wußte, daß er nicht deshalb zu diesem Schritte gedrängt wurde, weil er möglicherweise dadurch gerettet werden konnte, sondern weil er gewiß Anderen dadurch schaden mußte, und er war entschlossen, nicht Monmouth’s Werkzeug zu sein.

Debatten der Lords über die Verurtheilungsbill

Am 1. December passirte die Bill ohne Abstimmung das erste Stadium. Hierauf wurde Fenwick’s Bekenntniß, das auf Befehl des Königs auf den Tisch gelegt worden war, vorgelesen, und dann erhob sich Marlborough. „Es kann Niemanden Wunder nehmen,” sagte er, „daß ein Mensch, dessen Kopf in Gefahr ist, sich durch Anschuldigung Anderer zu retten versucht. Ich versichere Euren Lordschaften, daß ich seit der Thronbesteigung der gegenwärtig regierenden Majestät mit Sir John wegen keines Gegenstandes irgendwie verkehrt habe, und ich erkläre dies auf mein Ehrenwort.”205 Marlborough’s Behauptung mag wahr gewesen sein, aber sie vertrug sich vollkommen mit Allem was Fenwick gesagt hatte. Godolphin ging weiter. „Ich bin allerdings bis zum letzten Augenblicke im Dienste Jakob’s und seiner Gemahlin geblieben, und ich wurde von ihnen Beiden geschätzt. Aber ich kann dies nicht für ein Verbrechen halten. Möglich, daß sie und ihre Umgebungen noch jetzt glauben, ich sei ihrer Sache ergeben; dafür kann ich nicht. Aber es ist durchaus unwahr, daß ich mit dem Hofe von Saint-Germains in einem Verkehr gestanden habe, wie das Schriftstück angiebt, das Euren Lordschaften so eben vorgelesen worden ist.”206

Fenwick wurde nun eingeführt und gefragt, ob er noch etwas zu gestehen habe. Mehrere Peers befragten ihn, aber erfolglos. Monmouth, der nicht glauben konnte, daß die Papiere, die er nach Newgate gesandt, keine Wirkung gehabt haben sollten, richtete in freundlichem und ermuthigendem Tone verschiedene Fragen an den Gefangenen, durch die er ihm Antworten zu entlocken hoffte, welche den angeklagten Lords durchaus nicht angenehm gewesen sein würden. Aber keine solche Antwort war aus Fenwick herauszubringen. Monmouth sah, daß seine sinnreichen Machinationen ihren Zweck verfehlt hatten. Aufgebracht und enttäuscht, machte er nun plötzlich kehrt und wurde ein so eifriger Fürsprecher der Bill als irgend ein andrer Peer im Hause. Jedermann fiel der plötzliche Umschlag in seiner Stimmung und seinem Benehmen auf, aber man schrieb diesen Umschlag anfangs lediglich seiner wohlbekannten Unbeständigkeit zu.

Am 8. December wurde die Bill aufs neue in Erwägung gezogen, und an diesem Tage war Fenwick in Begleitung seines Vertheidigers anwesend. Bevor man ihn jedoch hereinrief, wurde eine Vorfrage gestellt. Mehrere vornehme Tories, namentlich Nottingham, Rochester, Normanby und Leeds sagten, daß es ihrer Ansicht nach unnütz sei, die Schuld oder Unschuld des Gefangenen zu untersuchen, wenn das Haus ihn nicht für einen so gefährlichen Menschen hielte, daß er, wenn schuldig, durch eine Parlamentsacte verurtheilt werden müsse. Sie wollten gar keine Beweise hören, sagten sie. Denn selbst angenommen, daß die Beweise keinen Zweifel an seiner Strafbarkeit übrig ließen, würden sie es dennoch für besser halten, ihn nicht zu bestrafen, als erst ein Gesetz zu seiner Bestrafung zu machen. Die allgemeine Ansicht war jedoch entschieden dafür, die Sache weiter zu verfolgen.207 Es wurde dem Gefangenen und seinem Vertheidiger noch eine Woche bewilligt, um sich vorzubereiten, und endlich am 15. December begann der Kampf allen Ernstes.

Die Debatten waren die längsten und heftigsten, die Abstimmungen die häufigsten, die Proteste die am zahlreichsten unterschriebenen, die man in der ganzen Geschichte des Hauses der Peers je gekannt hatte. Die Bänke waren mehrmals von zehn Uhr Morgens bis nach Mitternacht gefüllt.208 Die Gesundheit vieler Lords litt darunter, denn der Winter war grimmig kalt; aber die Majorität war nicht zur Nachsicht geneigt. Eines Abends wurde Devonshire unwohl; er schlich sich fort und legte sich ins Bett; aber der schwarze Stab wurde ihm bald nachgeschickt, um ihn zurückzuholen. Leeds, der äußerst kränklicher Constitution war, beschwerte sich laut. „Junge Gentlemen,” sagte er, „mögen sich ohne Nachtheil um zwei Uhr Morgens zum Abendessen und zum Weine niedersetzen können; aber einige von uns bejahrten Leuten dürften hier wohl eben so viel werth sein als sie, und wir werden bald im Grabe liegen, wenn wir zu einer solchen Jahreszeit so lange aushalten müssen.”209 Der Parteigeist war jedoch in solchem Grade erregt, daß diese Beschwerde unberücksichtigt blieb und das Haus vierzehn- bis funfzehnstündige Sitzungen hielt. Die Hauptgegner der Bill waren Rochester, Nottingham, Normanby und Leeds. Die Hauptredner auf der andren Seite waren Tankerville, der trotz der heftigen Erschütterungen, welche ein ausnehmend unglückliches Leben seinem öffentlichen wie seinem Privatrufe zugefügt hatte, stets mit einer die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer fesselnden Beredtsamkeit sprach; Burnet, der eine große historische Gelehrsamkeit entfaltete, Wharton, dessen lebhafte und familiäre Ausdrucksweise, die er sich im Hause der Gemeinen angewöhnt, zuweilen das Förmlichkeitsgefühl der Lords verletzte, und Monmouth, der die Redefreiheit stets bis an den Rand der Zügellosigkeit getrieben hatte und der jetzt nie den Mund öffnete, ohne den Gefühlen eines Gegners eine Wunde zu schlagen. Einige wenige Edelleute von großem Gewicht, Devonshire, Dorset, Pembroke und Ormond, bildeten eine dritte Partei. Sie wollten die Verurtheilungsbill als ein Folterwerkzeug gebrauchen, um dem Gefangenen ein ausführliches Geständniß auszupressen. Aber sie waren entschlossen, nicht für seine Verurtheilung zum Tode zu stimmen.

 

Die erste Abstimmung betraf die Frage, ob die Bestätigung dessen was Goodman hätte beweisen können, durch einen sekundären Zeugen zugelassen werden sollte. Bei dieser Gelegenheit schloß Burnet die Debatte mit einer gewaltigen Rede, auf welche keiner der toryistischen Redner unvorbereitet zu antworten wagen konnte. Es waren hundertsechsundzwanzig Lords anwesend, eine in unsrer Geschichte beispiellose Zahl. Darunter waren dreiundsiebzig zufrieden und dreiundfunfzig nicht zufrieden. Sechsunddreißig von der Minorität protestirten gegen die Entscheidung des Hauses.210

Die nächste große Kraftprobe fand bei der Frage statt, ob die Bill zum zweiten Male gelesen werden sollte. Eine interessante Episode brachte eine Diversion in die Debatte. Monmouth machte in einer heftigen Rede einige harte und wohlverdiente Bemerkungen über den verstorbenen Lord Jeffreys. Der Titel und ein Theil des übelerworbenen Vermögens Jeffreys’ war auf seinen Sohn übergegangen, einen ausschweifenden jungen Mann, der vor kurzem mündig geworden war und damals schon einen Sitz im Hause hatte. Der junge Mann fing Feuer, als er seinen Vater tadeln hörte. Das Haus mußte sich ins Mittel legen und den beiden Disputanten das Versprechen abnehmen, die Sache nicht weiter zu treiben. An diesem Tage waren hundertachtundzwanzig Peers anwesend. Die Frage der zweiten Lesung ging mit dreiundsiebzig gegen fünfundfunfzig Stimmen durch, und neunundvierzig von den fünfundfunfzig protestirten.211

Viele glaubten jetzt, daß Fenwick der Muth sinken werde. Es war bekannt, daß er nicht gern sterben wollte. Bisher konnte er sich mit der Hoffnung geschmeichelt haben, daß die Bill scheitern werde. Jetzt aber, wo sie in dem einen Hause angenommen worden war und wo es gewiß zu sein schien, daß sie auch in dem andren angenommen werden würde, war es wahrscheinlich, daß er sich durch Enthüllung alles dessen was er wußte, retten würde. Er wurde aufs neue vor die Schranke gebracht und verhört. Er weigerte sich zu antworten, aus dem Grunde, weil seine Antworten von der Krone vor der Old Bailey gegen ihn gebraucht werden möchten. Man versicherte ihm, daß das Haus ihn in Schutz nehmen werde; aber er behauptete, diese Versicherung sei nicht genügend, das Haus bleibe nicht immer beisammen und er könne während einer Vertagung prozessirt und gehängt werden, bevor ihre Lordschaften wieder zusammenträten. Das Wort des Königs allein, sagte er, werde ihm eine vollständige Garantie sein. Die Peers ließen ihn wieder fortführen und beschlossen unmittelbar darauf, daß Wharton sich nach Kensington begeben und Se. Majestät bitten sollte, das Versprechen zu geben, das der Gefangene verlangte. Wharton eilte nach Kensington und kam mit einer günstigen Antwort zurück. Fenwick wurde wieder vor die Schranke gebracht. Man sagte ihm, der König habe sein Wort gegeben, daß nichts von dem was er an dieser Stelle aussagen würde, an einem andren Orte zu seinem Nachtheil benutzt werden sollte. Er machte indeß noch immer Schwierigkeiten. Wenn er auch Alles gestehe was er wisse, sagte er, könne man doch glauben, er verschweige noch immer etwas. Kurz, er werde nichts sagen, bis er die Zusicherung seiner Begnadigung habe. Er wurde nun zum letzten Male feierlich vom Wollsacke aus gewarnt. Es wurde ihm versichert, daß, wenn er offen gegen die Lords sei, sie sich am Fuße des Thrones für ihn verwenden und daß ihre Fürsprache nicht erfolglos sein würde. Wenn er jedoch obstinat bliebe, so würden sie die Bill weiter verfolgen. Es ward ihm eine kurze Bedenkzeit bewilligt und er dann aufgefordert, seine definitive Antwort zu geben. „Ich habe sie bereits gegeben,” sagte er; „ich habe keine Sicherheit. Wenn ich sie hätte, würde ich den Wünschen des Hauses sehr gern entsprechen.” Er wurde hierauf in seine Zelle zurückgebracht, und die Peers trennten sich nach einer Sitzung, welche bis tief in die Nacht hinein gedauert hatte.212 Die Peers, welche Fenwick angeklagt hatte, hielten sich zu verschiedenen Seiten. Marlborough stimmte beharrlich mit der Majorität und bewog den Prinzen Georg das Nämliche zu thun. Godolphin stimmte ebenso beharrlich mit der Minorität, enthielt sich aber mit characteristischer Vorsicht, Gründe für seine Voten anzugeben. Keine Periode seines Lebens berechtigt uns dazu, sein Verfahren einem höheren Motive zuzuschreiben. Wahrscheinlich hielt er es, nachdem er durch die Whigs aus dem Amte vertrieben und gezwungen worden war, sich zu den Tories zu flüchten, für rathsam mit seiner Partei zu gehen.213

204Lords’ Journals, Nov. 14. 30. Dec. 1. 1696.
205Wharton an Shrewsbury, 1. Dec. 1696; L’Hermitage von dem nämlichen Datum.
206L’Hermitage, 4. (14.) Dec. 1696; Wharton an Shrewsbury, 1. Dec.
207Lords’ Journals, Dec. 8. 1696; L’Hermitage von dem nämlichen Datum.
208L’Hermitage, 15. (25), 18. (28.) Dec. 1696.
209L’Hermitage, 18. (28.) Dec. 1696.
210Lord’s Journals, Dec. 15. 1696; L’Hermitage, 18. (28.) Dec.; Vernon an Shrewsbury, 15. Dec. Hinsichtlich der Zahlen weichen Vernon und L’Hermitage unbedeutend von einander ab. Ich habe mich an Vernon gehalten.
211Lord’s Journals, Dec. 18. 1696; Vernon an Shrewsbury, 19. Dec.; L’Hermitage, 22. Dec. (1. Jan.). Die Zahlen entnehme ich Vernon.
212Lord’s Journals, Dec. 25. 1696; L’Hermitage, 26. Dec. (4. Jan.). In der Vernon Correspondence befindet sich ein Brief von Vernon an Shrewsbury, der einen Bericht über die Vorgänge dieses Tages giebt; aber er ist irrig vom 2. December datirt und diesem Datum gemäß eingereiht. Dies ist nicht der einzige derartige Fehler. Ein offenbar am 7. November 1696 geschriebener Brief von Vernon an Shrewsbury ist vom 7. Januar 1697 datirt und auch demgemäß eingereiht. Die Vernon Correspondence ist von großem Werthe, aber ihre Herausgabe ist so schlecht besorgt, daß man sie nur mit großer Vorsicht und unter beständiger Vergleichung mit anderen Quellen benutzen kann.
213Vernon an Shrewsbury, 24. Dec. 1696.