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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Ergreifung Fenwick’s

Dieser Unfall machte Fenwick’s Lage gefährlicher als je. Bei der nächsten Session für die City von London wurde der großen Jury eine Anklagebill auf Hochverrath gegen ihn vorgelegt. Porter und Goodman traten als Kronzeugen auf und die Anklage wurde für begründet erklärt. Jetzt dachte Fenwick, es sei hohe Zeit, daß er sich nach dem Continent aus dem Staube mache. Er traf Anstalten zu seiner Ueberfahrt, verließ seinen Versteck und begab sich nach Romney Marsh. Hier hoffte er bis zur Ankunft des Schiffes, das ihn über den Kanal bringen sollte, ein schützendes Obdach zu finden. Denn obgleich Hunt’s Etablissement aufgehoben worden war, gab es doch in dieser einsamen Gegend noch immer Schmuggler, die mehr als ein unerlaubtes Gewerbe trieben. Der Zufall wollte, daß gerade zwei von diesen Leuten wegen Beherbergung von Hochverräthern verhaftet worden waren. Als der Staatsbote, der sie festgenommen, mit ihnen nach London zurückkehrte, begegnete er auf der Heerstraße Fenwick. Zu seinem Unglück war kein Gesicht in ganz England so bekannt wie das seinige. „Das ist Sir John,” sagte der Beamte zu seinen beiden Gefangenen; „steht mir bei, Kinder, und ich garantire Euch Eure Begnadigung und einen Beutel voll Guineen dazu.” Das Anerbieten war zu lockend, um es von der Hand zu weisen; aber Fenwick war besser beritten als seine Gegner, er sprengte mit dem Pistol in der Hand zwischen ihnen durch und war ihnen bald aus dem Gesicht. Sie setzten ihm nach, es wurde Lärm gemacht, die Glocken aller Kirchen des Moores gingen, die ganze Gegend war in Aufruhr; jeder Pfad wurde besetzt, jedes Dickicht und jede Hütte durchsucht und der Flüchtling endlich im Bett gefunden. Gerade in diesem Augenblicke kam eine Barke von sehr verdächtigem Aussehen in Sicht; sie näherte sich dem Ufer und zeigte die englische Flagge; aber dem erfahrenen Auge der Kentischen Fischer kam sie ganz wie ein französischer Kaper vor. Es war nicht schwer, den Zweck ihres Erscheinens zu errathen. Nachdem sie eine Weile vergebens ihren Passagier erwartet hatte, ging sie wieder in See.170

Zu seinem Unglück gelang es Fenwick, die Wachsamkeit seiner Hüter in so weit zu täuschen, daß er mit Bleistift einen kurzen Brief an seine Frau schreiben konnte. Jede Zeile enthielt Beweise für seine Schuld. Es sei Alles vorbei, schrieb er, er sei ein todter Mann, wenn seine Freunde ihm nicht durch Fürsprache Begnadigung auswirken könnten. Vielleicht gelinge es den vereinten Bitten aller Howards. Er wolle außer Landes gehen, wolle feierlich versprechen, nie wieder den Fuß auf englischen Boden zu setzen und nie wieder den Degen gegen die Regierung zu ziehen. Oder vielleicht würde es auch möglich sein, einen oder zwei Geschworne zu erkaufen, damit sie die übrigen durch Hunger zur Nachgiebigkeit zwängen. „Dies allein kann mich retten,” schrieb er. Das Billet wurde auf dem Wege zur Post aufgefangen und nach Whitehall geschickt. Fenwick kam bald darauf in London an und wurde vor die Lords Justices gebracht. Zuerst schlug er einen hohen Ton an und bot seinen Anklägern Trotz. Man hielt ihm entgegen, daß er nicht immer so zuversichtlich gewesen sei, und legte ihm den Brief an seine Frau vor. Er hatte noch keine Ahnung davon gehabt, daß derselbe in andere Hände gekommen sei als für die er bestimmt war. Seine Angst und Bestürzung waren groß; er sah ein, daß, wenn er sogleich vor ein Geschworengericht gestellt wurde, seine Verurtheilung unvermeidlich war. Eine Hoffnung blieb ihm. Wenn er den Beginn seines Prozesses einige Zeit hinziehen konnte, so verließen die Richter die Stadt, um ihre Rundreise anzutreten; dadurch wurden einige Wochen gewonnen und im Laufe dieser paar Wochen konnte etwas gethan werden.

Fenwick’s Bekenntniß

Er wendete sich speciell an den Obersthofmeister Devonshire, mit dem er früher auf ziemlich freundschaftlichem Fuße gestanden hatte. Der Unglückliche erklärte, er überlasse sich ganz und gar der königlichen Gnade, und erbot sich Alles zu enthüllen was er von den Anschlägen der Jakobiten wisse. Daß er viel davon wisse, konnte Niemand bezweifeln. Devonshire rieth seinen Kollegen mit der Untersuchung so lange anzustehen, bis man die Willensmeinung des Königs eingeholt habe. Dieser Rath wurde befolgt. Der König wurde vom Geschehenen benachrichtigt und in seiner bald eintreffenden Rückantwort befahl er Devonshire, das schriftliche Bekenntniß des Gefangenen entgegenzunehmen und es schleunigst nach den Niederlanden zu senden.171

Fenwick hatte nun zu überlegen, was er bekennen sollte. Hätte er seinem Versprechen gemäß Alles enthüllt was er wußte, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß seine Aussagen viele jakobitische Cavaliere, Gentlemen und Geistliche ernstlich compromittirt haben würden. Aber obgleich er gar nicht gern sterben wollte, so war doch die Anhänglichkeit an seine Partei bei ihm stärker als die Todesfurcht. Es kam ihm der Gedanke, eine Geschichte zusammenzusetzen, die möglicherweise für genügend erachtet werden könnte, um ihm Begnadigung zu gewähren, die zum mindesten seinen Prozeß um einige Monate verzögerte, dabei doch keinen einzigen aufrichtigen Anhänger der verbannten Dynastie Schaden brachte, den Feinden dieser Dynastie aber Angst und Verlegenheit bereitete und den Hof, den Staatsrath und das Parlament Wilhelm’s mit Furcht und Haß erfüllte. Er wollte nichts sagen, was die ächten Jakobiten compromittiren konnte, welche zu wiederholten Malen mit geladenen Pistolen und gesattelten Pferden die Landung des rechtmäßigen Königs in Begleitung einer französischen Armee erwartet hatten. Aber wenn es falsche Jakobiten gab, welche ihren verbannten Souverain Jahr aus Jahr ein mit Anhänglichkeitsversicherungen und Dienstversprechungen zum Besten gehabt und doch bei jeder wichtigen Krisis eine Entschuldigung dafür gefunden hatten, daß sie ihn hintergingen, und die in diesem Augenblicke zu den Hauptstützen des Thrones des Usurpators gehörten, warum sollte er sie schonen? Daß es solche falsche Jakobiten gab, die hohe Staatsämter und Militärcommandos bekleideten, hatte Fenwick guten Grund zu glauben. Er konnte zwar nichts gegen sie aussagen, worauf ein ordentlicher Gerichtshof gehört haben würde, denn keiner von ihnen hatte ihm je einen Auftrag oder einen Brief für Frankreich anvertraut und Alles was er von ihren Verräthereien wußte, hatte er aus zweiter und dritter Hand. Aber an ihrer Schuld zweifelte er nicht. Einer von ihnen war Marlborough. Er hatte, nachdem er Jakob an Wilhelm verrathen, dies wieder gut zu machen versprochen, indem er Wilhelm an Jakob verriethe, und hatte endlich nach vielem Intriguiren Jakob abermals verrathen und sich mit Wilhelm ausgesöhnt. Godolphin hatte ähnliche Täuschungen verübt. Er hatte lange Zeit schöne Worte nach Saint-Germains geschrieben, hatte dafür ein Begnadigungsversprechen erlangt und mit diesem Versprechen in seinem geheimen Schubkasten hatte er die Verwaltung der Finanzen der bestehenden Regierung beibehalten. Einen solchen Mann ins Verderben zu stürzen, wäre eine gerechte Strafe für seine Schlechtigkeit und ein großer Dienst für König Jakob gewesen. Noch wünschenswerther war es, den Ruf und Einfluß Russell’s und Shrewsbury’s zu zerstören. Beide waren ausgezeichnete Mitglieder der Partei, welche unter verschiedenen Namen durch drei Generationen eine unversöhnliche Feindschaft gegen die Könige des Hauses Stuart bewiesen hatte. Beide hatten eine große Rolle in der Revolution gespielt. Beide hatten das Schreiben unterzeichnet, welches den Prinzen von Oranien aufgefordert hatte, nach England zu kommen. Einer von ihnen war jetzt sein Minister für die Marineangelegenheiten, der andre sein erster Staatssekretär; aber keiner von beiden war ihm beständig treu geblieben. Beide hatten bald nach seiner Thronbesteigung mit heftigem Unwillen seine weise und hochherzige Unparteilichkeit gesehen, die ihren durch Parteigeist verblendeten Augen als ungerechte und undankbare Parteilichkeit gegen die Tories erschien und beide hatten in ihrem Grolle Agenten von Saint-Germains ein geneigtes Ohr geliehen. Russell hatte bei Allem was ihm heilig war geschworen, daß er selbst seinen verbannten Souverain zurückbringen werde. Aber das Gelübde war kaum ausgesprochen gewesen, als es auch schon gebrochen wurde, und er, indem die königliche Familie einen zweiten Monk zu finden gehofft, hatte die Hoffnungen dieser Familie bei La Hogue zertrümmert. Shrewsbury war nicht so weit gegangen. Doch auch er hatte, während er Wilhelm grollte, mit den Agenten Jakob’s verkehrt. Mit der Macht und dem Rufe dieser beiden hochstehenden Männer waren die Macht und der Ruf der ganzen Whigpartei innig verkettet. Diese Partei war jetzt, nach einigen Zwistigkeiten, die eigentlich keine größere Bedeutung gehabt hatten als Liebeszwiste, mit Wilhelm herzlich ausgesöhnt und durch die stärksten Bande an ihn gefesselt. Wenn diese Bande zerrissen, wenn er bewogen werden konnte, den einzigen Verein von Männern, der seinen Interessen aus Prinzip und mit Begeisterung zugethan war, mit Mißtrauen und Widerwillen zu betrachten, so hatten seine Feinde in der That Ursache sich zu freuen.

In dieser Absicht übergab Fenwick Devonshire ein Schriftstück, das mit solcher Schlauheit abgefaßt war, daß es wahrscheinlich ernstes Unheil über den Fürsten an den es gerichtet war, gebracht haben würde, wäre dieser Fürst nicht ein Mann von wunderbarem Scharfblick und wunderbarer Seelengröße gewesen. Die Schrift sagte soviel wie gar nichts über diejenigen jakobitischen Complots, bei denen der Verfasser selbst betheiligt gewesen war und deren Einzelheiten er alle genau kannte. Sie enthielt nichts, was irgend einer der bestehenden Ordnung der Dinge wirklich feindlich gesinnten Person den geringsten Nachtheil hätte bringen können. Die ganze Erzählung bestand aus größtentheils nur zu wahren, sich aber auf keine bessere Autorität als Hörensagen gründenden Geschichten von den Intriguen einiger hochgestellter Militärs und Staatsmänner, die, mochte ihr früheres Verhalten gewesen sein, welches es wollte, jetzt wenigstens Wilhelm aufrichtig unterstützten. Godolphin, behauptete Fenwick, habe einen Sitz im Schatzamte angenommen, mit Bewilligung und zum Nutzen König Jakob’s. Marlborough habe versprochen, mit der Armee, Russell, mit der Flotte überzugehen. Shrewsbury habe, während er nicht im Amte gewesen, mit Middleton gegen Regierung und König conspirirt. Die Whigs seien in der That jetzt die Günstlinge in Saint-Germains. Viele alte Freunde des erblichen Rechts seien durch die Bevorzugung, welche Jakob den Neubekehrten angedeihen lasse, eifersüchtig geworden. Ja, man habe ihn sogar die zuversichtliche Hoffnung äußern hören, daß die Monarchie durch die nämlichen Hände wieder aufgerichtet werden würde, die sie gestürzt hätten.

 

Dies war Fenwick’s Bekenntniß. Devonshire nahm es in Empfang und schickte es durch einen Expressen nach den Niederlanden, ohne seine Collegen im Staatsrathe von dem Inhalte zu unterrichten. Die angeschuldigten Minister beschwerten sich späterhin bitter über diese Handlungsweise. Devonshire führte zu seiner Vertheidigung an, er sei vom Könige speciell beauftragt worden, die Aussagen des Gefangenen entgegenzunehmen, und habe als treuer Diener der Krone die Verpflichtung gehabt, diese Aussagen Seiner Majestät, und nur Seiner Majestät mitzutheilen.

Der von Devonshire abgesandte Bote fand Wilhelm in Loo. Der König las das Bekenntniß und durchschaute sogleich in welcher Absicht es aufgesetzt worden war. Es enthielt wenig mehr als was er längst wußte, aber kluger- und hochherzigerweise nicht zu wissen sich gestellt hatte. Wenn er Männer, die falsch gegen ihn gehandelt hatten, schonte, anstellte und beförderte, so täuschte er sich deshalb noch keineswegs über sie. Er besaß eine scharfe und richtige Beobachtungsgabe, war gut unterrichtet und hatte seit einigen Jahren von vielem was Fenwick nur nach vagen Gerüchten kannte, Beweise in Händen. Es ist Manchen auffällig erschienen, daß ein Fürst von starrem Sinne und unfreundlichem Wesen, Diener, die ihn so schwer gekränkt, mit einer Milde behandelte, die man kaum von dem sanftesten Menschen hätte erwarten können. Aber Wilhelm war vor Allem Staatsmann. Ueble Laune, die natürliche und verzeihliche Folge großer körperlicher und geistiger Leiden, konnte ihn zuweilen zu einer barschen Antwort hinreißen. Nie aber ließ er sich bei irgend einem wichtigen Anlasse auf Kosten der großen Interessen, deren Hüter er war, von seinen Leidenschaften beherrschen. So stolz und gebieterisch er von Natur war, um dieser Interessen willen unterwarf er sich geduldig harten Beschränkungen, ertrug heftige Kränkungen und Enttäuschungen mit einem Anschein von Heiterkeit und verzieh nicht nur Beleidigungen, die ihn gewiß empörten, sondern stellte sich sogar, als ob er sie gar nicht bemerkt hätte. Er wußte daß er nun einmal mit solchen Werkzeugen arbeiten mußte, wie er sie hatte. Wenn er England regieren sollte, mußte er sich auch der Staatsmänner England’s bedienen, und zu seiner Zeit waren die Staatsmänner England’s bei großer Geschicklichkeit in vielen Dingen insgesammt niedrigdenkend und unmoralisch. Allerdings gab es Ausnahmen. Solche waren Nottingham unter den Tories und Somers unter den Whigs. Aber die Mehrheit der toryistischen wie der whiggistischen Minister Wilhelm’s waren Männer, deren Character in den Tagen der antipuritanischen Reaction ihre Richtung bekommen hatte. Sie waren in zwei schlimmen Schulen gebildet, an dem gewissenlosesten aller Höfe und in der gewissenlosesten aller Oppositionen, an einem Hofe, der seinen Character von Karl entlehnte, und einer Opposition, an deren Spitze Shaftesbury stand. Von so geschulten Männern uneigennützige und beharrliche Treue für irgend eine Sache zu erwarten, würde unvernünftig gewesen sein. Aber wenn sie auch kein Vertrauen verdienten, so waren sie doch zu brauchen und konnten nützlich werden. Auf ihre Grundsätze konnte man sich nicht verlassen, um so mehr aber konnte man auf ihre Hoffnungen und auf ihre Befürchtungen bauen, und von den beiden Königen, welche Anspruch auf den englischen Thron machten, war der im Besitz des Thrones befindliche derjenige, von dem am meisten zu hoffen und am meisten zu fürchten war. Wenn daher Wilhelm auch wenig Ursache hatte diese Staatsmänner für seine aufrichtigen Freunde zu halten, so hatte er doch noch weniger Ursache, sie zu seinen heftigen Feinden zu zählen. So tadelnswerth ihr Benehmen gegen ihn war, konnte es doch im Vergleich zu ihrem Benehmen gegen Jakob noch rechtschaffen genannt werden. Dem regierenden Souverain hatten sie werthvolle Dienste geleistet, dem verbannten Souverain wenig mehr als Versprechungen und Versicherungen gegeben. Shrewsbury mochte in einer Anwandlung von Groll oder Schwäche mit jakobitischen Agenten verkehrt haben; aber sein allgemeines Verhalten hatte bewiesen, daß er so weit davon entfernt war als je, ein Jakobit zu sein. Godolphin war gegen die verbannte Dynastie verschwenderisch mit schönen Worten gewesen, aber er hatte die Einkünfte der am Ruder befindlichen Dynastie sparsam und geschickt verwaltet. Russell hatte geschworen, daß er mit der englischen Flotte desertiren werde, aber er hatte die französische Flotte verbrannt. Selbst Marlborough’s bekannte Verräthereien – denn von seinem Antheil an dem Unglücke von Brest und an dem Tode Talmash’s hatte man keine Ahnung – hatte nicht soviel Schaden gethan, als seine Thaten bei Walcourt, bei Cork und bei Kinsale Nutzen gebracht. Wilhelm hatte sich daher wohlweislich vorgenommen, seine Augen einer Perfidie zu verschließen, die, so schändlich sie immer sein mochte, ihm keinen Nachtheil gebracht hatte, und sich noch immer mit gehöriger Vorsicht der ausgezeichneten Talente zu bedienen, die einige seiner ungetreuen Räthe besaßen. Da er sich einmal zu diesem Verfahren entschlossen und es seit langer Zeit mit glücklichem Erfolge beobachtet hatte, so mußte ihn Fenwick’s Bekenntniß nothwendig verdrießen und reizen. Es war klar, daß Sir John sich für einen Macchiavel hielt. Wenn sein Streich gelang, so wurde die Prinzessin, mit der man es um keinen Preis verderben durfte, durch Marlborough’s Entlassung der Regierung entfremdet, die gesammte Whigpartei, die festeste Stütze des Thrones, wurde durch die Entlassung Russell’s und Shrewsbury’s entfremdet, und doch konnte keinem von denjenigen Verschwörern, von denen Fenwick wußte, daß sie in Insurrections-, Invasions- und Ermordungspläne tief verwickelt gewesen waren, etwas geschehen. Der schlaue Plänemacher sollte jedoch erfahren, daß er es mit keinem Anfänger zu thun hatte. Anstatt daß Wilhelm seine angeschuldigten Diener von ihren Posten entfernte, übersandte er das Bekenntniß Shrewsbury mit der Weisung es den Lords Justices vorzulegen. „Ich bin erstaunt,” schrieb der König, „über die Frechheit dieses Menschen. Sie kennen mich zu gut, als daß Sie glauben sollten, daß derartige Geschichten den geringsten Eindruck auf mich machen können. Bemerken Sie nur die Aufrichtigkeit des wackeren Mannes. Er hat gegen Niemanden als gegen meine Freunde etwas zu sagen. Kein Wort von den Plänen seiner jakobitischen Genossen.” Der König schloß damit, daß er den Lords Justices befahl, Fenwick so schleunig als möglich vor ein Geschwornengericht zu stellen.172

Der Eindruck, den Wilhelm’s Brief machte, war eigenthümlich. Jede der angeschuldigten Personen benahm sich in ganz characteristischer Weise. Marlborough, der Schuldigste von Allen, bewahrte eine heitere, majestätische und etwas verächtliche Ruhe. Russell, der fast eben so strafbar war als Marlborough, gerieth in heftigen Zorn und schnaubte Rache gegen den schurkischen Angeber. Godolphin war besorgt, aber behutsam, zurückhaltend, sich vollkommen beherrschend, und machte sich bereit, die Defensive zu beobachten. Shrewsbury aber, der von allen Vieren den wenigsten Tadel verdiente, war ganz zu Boden geschmettert. Er schrieb in der größten Angst an Wilhelm, erkannte mit warmen Dankesversicherungen die seltene Großmuth des Königs an und betheuerte, daß Fenwick geringfügige Kleinigkeiten boshafterweise zu schweren Verbrechen übertrieben und entstellt habe. „Mylord Middleton” – das war der wesentliche Inhalt seines Briefes – „stand allerdings um die Zeit der Schlacht von La Hogue mit mir in Verbindung. Wir sind Verwandte, wir sahen uns häufig und gerade vor seiner Abreise nach Frankreich speisten wir noch zusammen, bei welcher Gelegenheit ich ihm versprach, seine hiesigen Interessen wahrzunehmen, während er sich dagegen erbot, mir dort gefällig zu sein; aber ich sagte ihm, daß ich zu tief verletzt habe, um Verzeihung erwarten zu können und daß ich mich auch nicht herablassen werde, um Verzeihung zu bitten.” Dies, versicherte Shrewsbury, sei sein ganzes Verbrechen.173 Es ist nur zu vollständig erwiesen, daß dieses Geständniß kein offenes war, auch ließ sich Wilhelm dadurch wahrscheinlich nicht täuschen. Aber er hatte sich vorgenommen, dem reuigen Verräther die Demüthigung zu ersparen, einen Fehler einzugestehen und deshalb um Verzeihung zu bitten. „Ich kann,” schrieb der König, „in dem was Sie zugegeben haben, durchaus kein Verbrechen erblicken. Sein Sie versichert, daß diese Verleumdungen keinen ungünstigen Eindruck auf mich gemacht haben. Sie sollen sogar erfahren, daß sie mein Vertrauen zu Ihnen noch vermehrt haben.”174

Ein von Grund aus verdorbener Mensch würde durch eine so vollständige, ihm in so gnädigen Ausdrücken zugesicherte Freisprechung völlig beruhigt worden sein. Aber Shrewsbury war ganz vernichtet durch eine Milde, die er, wie er wohl wußte, nicht verdient hatte. Er erschrak vor dem Gedanken, dem Gebieter unter die Augen zu treten, gegen den er sich vergangen und der ihm verziehen hatte, und sich den scharfen Blicken der Peers auszusetzen, unter denen seine Geburt und seine Talente ihm eine Stellung erworben hatten, der er sich unwürdig fühlte. Der Feldzug in den Niederlanden war beendigt, die Parlamentssession stand bevor und man erwartete daher den König mit dem ersten günstigen Winde. Shrewsbury verließ die Stadt und zog sich in die Wolds von Gloucestershire zurück. In diesem Districte, damals einem der wildesten im Süden der Insel, besaß er einen von freundlichen Gartenanlagen und Fischteichen umgebenen kleinen Landsitz. Wilhelm hatte auf seiner Reise im vorhergehenden Jahre diesen Wohnsitz besucht, der weit von jeder Landstraße und von jeder Marktstadt entfernt lag, und war erstaunt gewesen über die Stille und Einsamkeit des Ortes, wo er den liebenswürdigsten und glänzendsten aller englischen Höflinge fand.

170London Gazette; N. Luttrell; L’Hermitage, 12. (22.) Juni; Postman, 11. Juni.
171Life of William III. 1703; Vernon’s Zeugenaussage im Hause der Gemeinen, 16. Nov. 1696.
172Wilhelm an Shrewsbury, von Loo den 10. September 1696.
173Shrewsbury an Wilhelm, 18. Sept. 1696.
174Wilhelm an Shrewsbury, 25. Sept. 1696.